Aus der Reihe „Chronik - kein Kommentar!“
Die Öffentlichkeit versteht allmählich ihren Schäuble besser:
Die Zivilgesellschaft – nicht doch zu zivil für den Antiterrorkrieg?

Schäuble gibt einfach keine Ruhe. Sein vordringliches Anliegen, die frühzeitige Neutralisierung von Terroristen, benötigt so viel Überwachung und Kontrolle seiner Bürger, soviel Abhören, Filmen, Datensammeln sowie allfälliges Flugzeugabschießen einschließlich der dafür nötigen Gesetzes- und Verfassungsänderungen, dass seine Pläne noch Ende August/Anfang September leicht genervte Kommentare selbst aus dem Kreis seiner Sympathisanten in den nationalen Medien hervorrufen.

Aus der Zeitschrift
Systematischer Katalog
Länder & Abkommen

Die Öffentlichkeit versteht allmählich ihren Schäuble besser:
Die Zivilgesellschaft – zu zivil für den Antiterrorkrieg?

Schäuble gibt einfach keine Ruhe. Sein vordringliches Anliegen, die frühzeitige Neutralisierung von Terroristen, benötigt so viel Überwachung und Kontrolle seiner Bürger, soviel Abhören, Filmen, Datensammeln sowie allfälliges Flugzeugabschießen einschließlich der dafür nötigen Gesetzes- und Verfassungsänderungen, dass seine Pläne noch Ende August/Anfang September leicht genervte Kommentare selbst aus dem Kreis seiner Sympathisanten in den nationalen Medien hervorrufen:

„Was treibt Wolfgang Schäuble? ... Er plant die Online-Durchsuchung privater Computer, notfalls auch ohne richterlichen Beschluss. Wie auf dem Fließband verlassen fast jede Woche völlig unausgegorene, überzogene Forderungen das Bundesinnenministerium.“ (Münchner Merkur, zit. nach FAZ, 5.9.07)

Die Kritik richtet sich zum einen gegen Machart und Stil seiner Projekte – zu viel, kein Augenmaß, kein Timing! –; zum anderen drückt sie Zweifel an der Berechtigung des vom Minister an den Tag gelegten Aktionismus aus. Die Frage nach Schäubles politischem Antrieb kann jenseits so interessanter Fragen, ob er zusammen mit seiner Behinderung vielleicht einen Dachschaden erlitten oder nur den persönlichen Ehrgeiz hat, endlich die sicherheitspolitischen Erfolge der rot-grünen Regierung vergessen zu machen, nur rhetorisch sein. Schließlich hat der Minister in ganzen Interviewkaskaden (FAZ, ebd.) deutlich gemacht, worum es ihm geht: Er hat es eben als seine Mission entdeckt zu verhindern, dass die Terroristen der Welt Deutschland in nicht abwehrbereitem Zustand antreffen. Deswegen müssen die entsprechenden Gesetzesänderungen her, und zwar schnell – damit man das technisch Mögliche bei der Jagd nach dem Feind auch kann! Dafür muss nicht nur der Staat technisch und rechtlich wehrhafter gemacht werden. Es muss auch und vor allem dem Volk eingehämmert werden, dass und warum das alles nötig ist: Weil die Nation sich in einem Quasi-Kriegszustand mit dem weltweiten Terror befindet; und weil eben deswegen die Lage so ernst ist, dass das Volk nicht durch unlustige Nörgelei und die Öffentlichkeit nicht durch lebensfremde Werte- und Grundrechtsdebatten das Nötige behindern sollte. Die Bürger sollen vielmehr den Gebrauch ihrer Rechte und die Erfüllung ihrer Pflichten nach den Erfordernissen des antiterroristischen Abwehrkampfes unter Leitung ihres Innenministers einteilen – und gefälligst froh sein, dass sie ihn haben, der auf alles aufpasst, so gut es eben geht! Bei diesem hartnäckigen Bemühen, mitten im schönsten inneren Frieden einen antiterroristischen Kriegszustand technisch und rechtlich zu organisieren und im Bewusstsein der Bevölkerung zu verankern, fühlt sich Schäuble, eigenen Auskünften nach, von der öffentlichen Meinung ziemlich unverstanden.

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Da kommt dem Minister ein gut organisierter Zufall zu Hilfe: Eine kleine Mannschaft von, wie man hört, islamistischen Bombenbastlern, teils sogar von der Sorte der extragefährlichen inländischen Eigengewächse, wird entdeckt und mit großem Hallo eingesammelt. Das spielt Schäuble einigen frischen Respekt in der Öffentlichkeit ein, die, wie gesagt, seinen missionarischen Eifer lange etwas distanziert beobachtet hat. Der Minister hat recht behalten mit seinen Warnungen, was er umso souveräner hinbekommen hat, als er seit einiger Zeit mehr wusste als seine Kritiker: Er wusste aber im Gegensatz zu vielen seiner Kritiker seit Monaten, dass sich in einer Schwarzwald-Garage kanisterweise eine Dreivierteltonne Grundstoffe für Bomben stapelte, ... Jetzt kann sich Schäuble für ein paar Tage des Rechtbehaltens freuen ... Deutschland wird in den kommenden Jahren weiter massiv in den Ausbau der Sicherheitsarchitektur investieren müssen. (FAZ, 8.9.) Und angesichts des Fahndungserfolges, der einen aber nicht in Sicherheit wiegen sollte – von Entwarnung kann keine Rede sein! (FAZ, 7.9.) –, stehen die notorisch um die Grundrechte besorgten Kritiker von Schäubles Überwachungswesen, einschließlich des Bundesverfassungsgerichtes mit seiner Rechtsprechung zur informationellen Selbstbestimmung, jetzt selbst vermehrt in der Kritik: Sollte Deutschland wirklich damit für sich werben, das Computergeheimnis sei ihm heilig, auch das von Terroristen, in Zeiten, in denen man es mit einer islamistischen „Hydra“ zu tun hat, der ständig neue Köpfe und Tentakeln wachsen? (FAZ, ebd.)

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Weil er gerade einen Lauf hat, setzt Schäuble nach und weist das Publikum darauf hin, dass den Feinden der Zivilisation noch ganz andere Kampfmittel zu Gebote stehen als nur hochexplosives Haarbleichmittel. Und wie es sich für einen Befehlshaber im Zustand der gesellschaftliche Mobilmachung gegen die allgegenwärtige terroristische Bedrohung gehört, den Schäuble zum neuen Normalzustand des abwehrbereiten Gemeinwesens ausrufen will, gibt er gleich noch Empfehlungen zur Stimmung in der Truppe aus:

„Bundesinnenminister Schäuble hat vor einem Terroranschlag mit nuklearem Material gewarnt. ‚Viele Fachleute sind inzwischen überzeugt, dass es nur darum geht, wann solch ein Anschlag kommt, nicht mehr, ob ... Es hat keinen Zweck, dass wir uns die verbleibende Zeit auch noch verderben, weil wir uns schon vorher in Weltuntergangsstimmung versetzen.‘“ (SZ, 17.9.)

Die Leute sollen heiter und gelassen ihren Pflichten nachgehen angesichts des Unvermeidlichen und ihre Schäubles das Menschenmögliche zur Vermeidung des Allerschlimmsten versuchen lassen. Die Größe der Gefahr macht dabei für die Beschützer des guten Volkes selbstverständlich vieles an Kontrolle und Eingriffen nötig, was früher undenkbar gewesen sein soll; dafür müssen die Beschützten dann aber auch Verständnis haben und sich nichts vormachen über den heute einfach nicht mehr möglichen luxuriösen Genuss ihrer Grundrechte. Die Zeiten sind vorbei! Weshalb die allgegenwärtigen, schnüffelnden und überwachenden Agenten der Terror-Prävention Unterstützung einfordern und das ihnen manchmal öffentlich entgegengehaltene Misstrauen zurückweisen.

Das leuchtet – im Ergebnis – dann sogar dem journalistischen Großverweser der bedrohten Bürgerfreiheit in der SZ-Redaktion ein, auch wenn der die Warnung vor einem Atom-Anschlag zunächst nur für einen Scoop hält, den Schäuble und weniger seriöse Kollegen zusammen ausgeheckt haben; der eine, um die Leute zu beeindrucken, die anderen, Blattmacher, die sie sind, der Auflage wegen:

„Wenn der Bundesinnenminister vor einem Atom-Anschlag warnt, jagt das vielen Menschen erst einmal einen gehörigen Schrecken ein. Solche Schlagzeilen sind ganz im Sinne von Blattmachern, die ihre Zeitung verkaufen wollen, aber auch im Sinne des Verursachers. Ist der Schrecken abgeklungen, weicht er der leisen Hoffnung, Wolfgang Schäuble habe die Bedrohungsspirale vielleicht nur eine Drehung weitergeschraubt, so wie er in den zurückliegenden Monaten immer neue Gedankenspiele zum Thema Terrorismus angestellt hat. Auf diese Weise hat der Innenminister in der Vergangenheit immer wieder versucht, seine Forderungen nach schärferen Sicherheitsgesetzen durchzudrücken ... Wenn Schäubles jüngste Warnung aber das Bewusstsein dafür schärft, dass das Leben in einer freien Gesellschaft auch mit gewissen Risiken verbunden ist, und wenn sie die Bereitschaft fördert, mit diesem Risiko zu leben, dann hat sie ihr Gutes.“ (SZ, ebd.)

Ja wenn’s der Risikobereitschaft der Bürger im Antiterrorkrieg dient! Und der krisenbewussten Einsicht, dass spätestens in den Zeiten nach 9/11 für den einzelnen Bürger der Genuss von Demokratie und Kapitalismus nur um den Preis der gelegentlich lebensgefährlichen Feindschaft zu haben ist, die seine freie Gesellschaft in der Welt offenbar unvermeidlich auf sich zieht: Dann haben die Horrorszenarien des Ministers doch auch ihre Verdienste; so ist eben – das müssen auch seine Kritiker in den freiheitlich gesinnten Redaktionen anerkennen – auch dieser Schäuble, gegen den die Prantls der Republik schon so oft die Grundrechte hochhalten mussten, ein Teil von jener Kraft, die so oft das äußerst Problematische will und doch das Gute schafft.