Aus der Reihe „Chronik - kein Kommentar!“
Neues von der Anti-Terror-Front: „Prävention gegen islamistische Radikalisierung von Jugendlichen“
Wir lassen uns unsere jungen Köpfe nicht von islamistischen Halsabschneidern wegnehmen!
Seit einiger Zeit bekämpft Deutschland den Terror des IS – sowohl auf dem Gebiet des Kalifats als auch im Inland. Es rüstet sich und andere mit allen militärischen und polizeilichen Instrumenten auf, die es für nötig hält, um diesen weltweit aktiven Terrorverein zurückzudrängen und perspektivisch zu vernichten. Dabei kommt die Bundesregierung um eine unangenehme Feststellung nicht herum: Der Feind kommt nicht nur von außen. Denn der Terror, der von „gewaltbereiten Salafisten“ ausgeht, findet auch in der deutschen Jugend Anhänger: „Es sind unsere Schülerinnen und Schüler, die sich unerwartet zu einer menschenfeindlichen Ideologie hingezogen fühlen.“ (Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig / NRW-Innenminister Ralf Jäger, FAZ, 4.12.15) Daher belässt es die Bundesregierung nicht dabei, dem Bösen mit dem Einsatz von „hard power“ entgegenzutreten ...
Aus der Zeitschrift
Systematischer Katalog
Länder & Abkommen
Neues von der Anti-Terror-Front:
Prävention gegen islamistische Radikalisierung
von Jugendlichen
Wir lassen uns unsere jungen Köpfe
nicht von islamistischen Halsabschneidern
wegnehmen!
Seit einiger Zeit bekämpft Deutschland den Terror des IS
– sowohl auf dem Gebiet des Kalifats als auch im Inland.
Es rüstet sich und andere mit allen militärischen und
polizeilichen Instrumenten auf, die es für nötig hält, um
diesen weltweit aktiven Terrorverein zurückzudrängen und
perspektivisch zu vernichten. Dabei kommt die
Bundesregierung um eine unangenehme Feststellung nicht
herum: Der Feind kommt nicht nur von außen. Denn der
Terror, der von gewaltbereiten Salafisten
ausgeht,
findet auch in der deutschen Jugend Anhänger: „Es
sind unsere Schülerinnen und Schüler, die sich
unerwartet zu einer menschenfeindlichen Ideologie
hingezogen fühlen.“ (Bundesfamilienministerin
Manuela Schwesig / NRW-Innenminister Ralf Jäger, FAZ,
4.12.15) Daher belässt es die Bundesregierung nicht
dabei, dem Bösen mit dem Einsatz von hard power
entgegenzutreten:
„Wenn sicherheitspolitische Maßnahmen greifen, ist die Radikalisierung der jungen Menschen bereits weit fortgeschritten. Ebenso wichtig ist es daher, früher anzusetzen und bereits den Einstieg in die extremistische Szene zu verhindern.“ (Ebd.)
Was die Bundesregierung an Programmen zur
Demokratieförderung und Extremismusprävention
beschließt, ergänzt ihre sicherheitspolitischen
Maßnahmen
allerdings auf ziemlich bemerkenswerte
Weise. Denn in dieser soft-power
-Abteilung seines
Anti-Terror-Kampfs begegnet der deutsche Staat den Teilen
seiner Jugend, für die diese unvorstellbar böse
und mit allen Mitteln zu bekriegende
menschenfeindliche Ideologie
durchaus eine gewisse
Attraktivität zu haben scheint, glatt mit so etwas wie
Verständnis:
„Eine fehlende Orientierung, die Suche nach Werten, aber auch das Gefühl, abgelehnt zu werden, machen Jugendliche anfällig für extremistisches Werben. Extremistische Ideologien bieten einfache Antworten auf vielschichtige Lebensfragen und ein Weltbild, in dem sich Gut und Böse wie Schwarz und Weiß gegenüberstehen. Ein solches Identifikationsangebot ist verführerisch – nicht nur für Jugendliche. Viele muslimische Kinder erleben zudem tagtäglich in ihrem persönlichen Umfeld, in den Medien, in der Schule und bei der Arbeit islamfeindliche Haltungen. Diese Ausgrenzungserfahrungen nutzen Extremisten wiederum für sich, um junge Menschen anzusprechen und an sich zu binden. Sie geben ihnen Anerkennung und Wertschätzung.“ (Ebd.)
Ob die Diagnose den Seelenhaushalt der deutschen Jugend
wirklich trifft, sei mal dahingestellt. Über die durch
und durch herrschaftliche Sicht ihrer demokratischen
Führung auf sie verrät sie allerdings eine Menge.
Fehlende Orientierung
, Suche nach Werten
:
In den Augen der politisch Verantwortlichen spürt die
Jugend vor allem das Bedürfnis nach einer Instanz, die
ihr sagt, wo es langgeht, was sich gehört und wo man
hingehört; sie sehnt sich nach verbindlichen Regeln, die
ihr zugleich vollkommen entsprechen, sodass es sich dabei
letztlich nicht um fremde Vorgaben, sondern um ein
überzeugendes Identifikationsangebot
handelt, bei
dem sich die Jugend aufgehoben fühlen kann. Von einem
solchen Bedürfnis gehen die beiden MinisterInnen schon
deshalb aus, weil es zum kleinen Einmaleins ihres
Geschäfts gehört, sich auf das Volk als den Auftraggeber
ihrer Politik zu berufen. Für das Ministerduo steht daher
fest, dass unsere Schülerinnen und Schüler
– das
besitzanzeigende Fürwort betont es noch einmal – ihre
Werte
und Orientierung
exklusiv bei den
regierenden Demokraten abzuholen haben, deren Setzungen
sie ohnehin schon unterworfen sind. Aus dieser
Anspruchshaltung folgt auch die amtliche Sichtweise
bezüglich der Ausländerfeindschaft, mit der die deutsche
Jugend mit Migrationshintergrund
ihre regelmäßigen
Erfahrungen macht. Störend ist diese Ablehnung
und
Ausgrenzung
unter einem Gesichtspunkt: Sie bildet
eine Schwachstelle in der Wertegemeinschaft, die Volk und
Führung eint. Der mutwillige Ausschluss aus dem
sittlichen Zusammenhalt, als der hier Gesellschaft und
Staat vorstellig gemacht werden, macht diese jungen
Menschen anfällig für die Verführungskünste der
Dschihadisten statt für die unseren. Diese Konkurrenz um
die Köpfe gilt es zu gewinnen, wobei demokratische
Politiker bei der fälligen Besichtigung der Waffen des
Gegners zu Protokoll geben, wie sehr sie mit denen
vertraut sind: wie effektiv die Einteilung der Welt in
Gut und Böse
für die nicht nur geistige
Mobilmachung ist; wie sehr Anerkennung
und
Wertschätzung
als Instrumente der Vereinnahmung
taugen – da scheinen sie sich auszukennen.
Mit interreligiöser Verständigung zur nationalen Orientierung
Für ihren Kampf um die Köpfe müssen unsere regierenden
Demokraten jedenfalls nicht das Rad neu erfinden, sie
können auf bereits existierende Beratungsstrukturen
zum Umgang mit gewaltbereiten Rechtsextremisten und
anderen gefährlichen Ideologen
zurückgreifen. Ob
Neonazis oder deren islamistische Todfeinde: Die Frage,
welche gefährlichen Ideologien
von den Herzen und
Köpfen der deutschen Jugend Besitz ergreifen, ist zwar
nicht egal, interessiert aber viel weniger als der
Umstand, dass es dabei um eine Abweichung von
der fraglos guten demokratischen Normalität geht, in
welche Richtung auch immer. Als solche ist das
Gedankengut mit einem wiederholten extremistisch
hinreichend kritisiert. Ganz gemäß diesem Blick des
Staates auf die Untertanen, die er als seinen Besitzstand
beansprucht, widmen sich die einschlägigen Experten dem
Seelenhaushalt der Gefährdeten:
„Statt sich mit religiös-affinen Jugendlichen, die dem Islamismus zuneigen, in eine Debatte über Glaubensdogmen zu versteigen und diese zu kritisieren, sollten die Pädagogen lieber positiv argumentieren und sich um die Stärkung demokratischer Haltungen bemühen.“ (Bundeszentrale für politische Bildung (bpb): „Pädagogische Islamismusprävention in der Schule“)
Keine geringe Herausforderung, der sich die Pädagogen da
stellen: Die menschenfeindliche Ideologie
, die bei
der Jugend ihre ersten Blüten treibt, soll im Keim
erstickt werden, ohne dass die Gedanken der Jugend selber
angegriffen werden. Wie geht das?
„Die Workshops, die von praktizierenden Muslimen, Christen und Juden durchgeführt werden, behandeln u.a. die Glaubensgrundlagen und religiösen Rituale der monotheistischen Religionen und machen emphatisch das Gemeinsame und alle Menschen Verbindende sichtbar. Dabei werden explizit auch Konflikte und religiös-begründete Ressentiments angesprochen, wobei die Trainer-Tandems mit ihren unterschiedlichen religiösen Hintergründen als ‚authentische Vorbilder‘ für eine interreligiöse Verständigung auftreten.“ (bpb : „Präventionsarbeit – Alternative zu salafistischen Angeboten aufzeigen“)
Emphase
ist in der Tat für die Vermittlung des
ersten Lernziels gefragt, das Wesentliche an den drei
Monotheismen mit ihrem
Alleinvertretungsanspruch sei ausgerechnet ihre
verbindende
Gemeinsamkeit. Eine Einsicht, die
anhand von Kunstobjekten aus der islamischen Welt
sinnfällig gemacht werden kann, beweisen diese doch
eindrucksvoll, dass wir alle Erben der gemeinsamen
Kultur der Spätantike sind.
(DLF: Länderzeit, 20.1.16) Warum sollte
also heute keine Gemeinsamkeit gehen, wo sie doch vor
schlappen anderthalb Jahrtausenden so erfolgreich
funktioniert hat, dass sie auch gleich noch kulturelle
Höchstleistungen vollbracht hat? Und wenn nicht daran,
dann lässt sich an der Zusammenarbeit der Trainer sehen,
dass interreligiöse Verständigung
bei allen
Konflikten
zwischen den Religionen auch und gerade
heute durchaus möglich ist, weswegen die gar nicht
verschwiegenen, sondern explizit
gemachten
Konflikte letztlich unbedeutend sind. Aber mit einer
solchen Demonstration geht der Unterricht erst los; noch
wichtiger ist, dass die Jugendlichen den Beweis der
Vereinbarkeit ihrer Religionen selber vorführen:
„Mit der Leitfrage ‚Wie wollen wir leben?‘ werden religiöse Themen in allgemein ethische und gesellschaftliche Fragen ‚übersetzt‘, die letztlich für alle Schüler unabhängig von Herkunft oder Religionszugehörigkeit von Interesse sind... Ziel ist es dabei, ein Bewusstsein für unterschiedliche religiöse und nicht-religiöse Zugänge zu Werten, Glauben und Identität zu fördern und die Handlungskompetenzen im Umgang mit gesellschaftlichen Unterschieden zu fördern.“ (Ebd.)
Das ist schon mal ein guter Witz. Als ob die Antwort auf
die Frage Wie wollen wir leben?
in dieser
Gesellschaft nicht längst feststünde, und zwar jenseits
aller unterschiedlichen religiösen und
nicht-religiösen Zugängen zu Werten, Glauben und
Identität
. Der Mensch, der morgens aufsteht, stellt
sich viel eher die Frage: „Was wird heute schon wieder
von mir verlangt?“, als dass er die Freiheit hätte, sich
gemeinsam mit anderen seinen Lebenswandel frei
auszusuchen. Ob er es will oder nicht – und egal, wie er
darin vorkommt: Er hat sich um seinen Lebensunterhalt
nach den Richtlinien der
demokratisch-marktwirtschaftlichen Ordnung zu kümmern.
Aber so ist die Frage auch nicht gemeint. Bei
dieser Frage kommt es eigentlich gar nicht
darauf an, zu welcher Antwort die Jugendlichen kommen;
schon indem sie sich die Frage vorlegen, erfüllen sie
Lernziel Nummer zwei. Denn allein durch die Fragestellung
nehmen sie die Perspektive ein, auf die es dem Staat für
sein Ziel ankommt: Die Jugendlichen sollen den Standpunkt
eines Wir
einnehmen, das ihre jeweilige
Religionszugehörigkeit überwölbt; sie sollen ihren
Glauben und ihre Glaubensgemeinden vom Standpunkt eines
Kollektivs betrachten, das sie über alle religiösen
Trennungen hinweg je schon eint. Um welches Kollektiv es
sich dabei handelt, ist so klar, dass es von den
Trainer-Tandems gar nicht ausgesprochen werden muss: Es
ist die nationale Gemeinschaft, das Kollektiv deutscher
Bürger, dessen Mitglieder sie nolens volens schon sind,
weil sie der deutschen Staatsgewalt unterworfen sind. Da
ist es dann nur konsequent, dass das
Demokratieförderungsprogramm
für den geförderten
Wir-Standpunkt in dem Sinne gar nicht wirbt, sondern ihn
von den Jugendlichen schlicht einnehmen lässt.
So war das mit dem Kampf um ihre Köpfe von vornherein
gemeint: Ihre Orientierung
soll die Jugend in
genau der Gemeinschaft finden, die ohnehin exklusiv für
sie gilt; darein hat die jugendliche Suche nach
Werten
allein zu münden, also soll sie auch gleich
von dort aus praktiziert werden: Learning by doing vom
Feinsten. Von dieser nationalen Warte aus werden die
unterschiedlichen Glaubensrichtungen nicht irrelevant,
aber eben ein- und untergeordnet: als unterschiedliche
Perspektiven, die nach Belieben religiös oder säkular
sein können, weil sie eben darin gleich sind, dass sie
Zugänge zu Werten, Glauben und Identität
ermöglichen. Das ist die ganze Handlungskompetenz
,
die die Jugendlichen in Bezug auf gesellschaftliche
Unterschiede
brauchen: Sie sollen sie vom Standpunkt
der entscheidenden, nationalen Gemeinschaft als
unwesentlich, als Privatsache ertragen, die das wirklich
bestimmende Kollektiv nicht berührt und nicht berühren
darf.
Die islamischen Glaubensdogmen
der potenziell
gefährdeten muslimisch-deutschen Jugend sollen also weder
verboten noch zurückgewiesen werden. Denn wie jede andere
Religion und jeder andere „Lebensentwurf“ hat der Islam
in unserer Gesellschaft seinen gleichberechtigten Platz:
zwar nicht als verbindlicher Leitfaden für die Frage
Wie wollen wir leben?
, aber eben als besagter
Zugang
neben anderen, als eine Art und
Weise, sich in dem schon fertig eingerichteten
gesellschaftlichen Leben moralisch zurecht- und damit
abzufinden. Als eine Einstellung, die all den praktischen
Notwendigkeiten und Zumutungen, die der bürgerliche
Alltag so mit sich bringt, ihre ideelle Notwendigkeit
bescheinigt; als eine sinnstiftende Deutung der realen
Verhältnisse, deren Widrigkeiten der Gläubige mit einem
ergebenen „Inshallah!“ hinnimmt, wird die Religion nicht
nur geduldet, sondern gefördert. Als diese fromme
Einbildung kann der Islam in den Augen der
Präventionsexperten neben dem staatstragenden Christentum
und dem gleich mit eingemeindeten Judentum seinen
gesellschaftspolitisch wertvollen Beitrag leisten: jeder
mit seinem jeweiligen Allerhöchsten als eine
unanfechtbare ideelle Autorität im Dienste der geistigen
Anpassung an die Verhältnisse, für deren Ausgestaltung
die wirkliche, bundesdeutsche Autorität die
Alleinzuständigkeit reklamiert – so eifersüchtig wie ein
Gott.
Die ausgegrenzte und auf Aufmerksamkeit versessene Jugend einfangen – das müssen wir auch können!
Doch mit dieser Lerneinheit über den richtigen und
wichtigen Platz der Religion in der Demokratie ist es
nicht getan; es bleibt noch die offene Flanke in Gestalt
der ausländerfeindlichen Ausgrenzung
und
Ablehnung
, die Teile der eingewanderten deutschen
Jugend erfahren. Deswegen gehört zu den
„obersten Prinzipien einer gelungenen Prävention … echte gesellschaftliche Teilhabe von Anfang an.“ (Schwesig/Jäger) „Jugendliche sollen sich auch mit ihren individuellen und religiösen Hintergründen akzeptiert und anerkannt fühlen. Zu oft ist die Rede von ‚Ausländern‘ und ‚muslimischen Jugendlichen‘, obwohl viele muslimisch geprägte Jugendliche die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen und in diesem Land geboren sind. Wir Menschen in Deutschland müssen endlich inklusiver reden, denn diese Jugendlichen – und ihre Probleme – sind Teil unserer Gesellschaft... Es darf keinesfalls sein, dass Jugendliche nur bei radikalen Salafisten das Gefühl bekommen, ernst genommen zu werden.“ (bpb: „Salafistische Radikalisierung – und was man dagegen tun kann“)
Die Perspektive des nationalen Wir
einzunehmen, zu
dem auch die muslimischen Jugendlichen mit
Migrationshintergrund
in Deutschland nach
offizieller Auskunft gehören, wird ihnen von der Mehrheit
dieses Wir ziemlich schwer gemacht. Denn die ist in ihrem
nationalen Standpunkt, in ihrer Vorstellung einer
völkischen Gemeinschaft sehr gefestigt; und sie macht die
Mitgliedschaft in dieser Community nicht von einem Blick
in den Pass, das hoheitlich gültige Kriterium der
Zugehörigkeit, abhängig, sondern glatt von Sachen wie
Sitten und Aussehen. In den muslimischen Volksgenossen
sehen nicht wenige von den national wertebewussten Jungen
und Alten vor allem die Kanaken, die dem Volk fremd sind,
es also mindestens potenziell gefährden. Die Lösung
dieses Problems fällt dann einerseits ziemlich einfach
aus: Man erklärt die Ausländerfeindschaft der Bürger, die
sich bei den muslimischen Volksgenossen als
Ausgrenzungserfahrungen in den Medien, in der Schule
und bei der Arbeit
, also ziemlich flächendeckend
geltend macht, zu einer Frage der richtigen Ansprache.
Dann leuchtet sofort ein: Ein anderer kommunikativer
Zugang zu den Jugendlichen verspricht eine erhebliche
Stärkung ihrer Immunität gegen salafistische Verführung.
Es geht ja von vornherein nicht um die realen
Verhältnisse, in denen sich die Jugendlichen befinden,
sondern eben um das seelische Befinden, das sie
dabei haben.
Andererseits scheint der Gegner auf diesem Gefechtsfeld dann wiederum doch recht schwer zu schlagen zu sein:
„Die zahllosen Aktivitäten, die von Salafisten unter dem Schlagwort Dawa (Missionsarbeit) initiiert werden, ermöglichen kollektives Handeln, das – anders als beispielsweise Infostände von politischen Parteien oder Naturschutzorganisationen – in der Regel von großem öffentlichen Interesse begleitet wird.“ Und nicht nur das: „Auch auf individueller Ebene verspricht die Zugehörigkeit zur salafistischen Szene Aufmerksamkeit. Ein langer Bart, das Bekenntnis zu Pierre Vogel oder Vollverschleierung provozieren Reaktionen, die mit Tätowierungen, Flesh Tunnels oder Hotpants ansonsten kaum zu erreichen wären.“ (bpb: „Präventionsarbeit – Alternative zu salafistischen Angeboten aufzeigen“)
Vor der herrschaftlichen Sichtweise, die alles, was der
islamistische Gegner so anstellt, ausschließlich unter
dem Gesichtspunkt seiner verführerischen
Wirkung
auf die Köpfe der deutschen Jugend ins Visier nimmt, ist
nichts sicher. Auch in Sachen gelungener öffentlicher
Anmache, Klamotten und sonstiger
Selbstdarstellungsangebote müssen die Jugendschützer dem
Feind einen Vorsprung attestieren: Auch da versteht er es
meisterhaft, die Bedürfnisstruktur unserer
Jugend
auszunützen
, der es in erster Linie auf
Konsumgüter der Kategorien Aufmerksamkeit
und
Anerkennung
ankommt. So sind sie eben, die Kids –
an dem, was diesen aufmerksamkeitssüchtigen
Figuren durch den Kopf geht, interessiert also wieder
bloß, dass sie leichte Beute für islamistische
Verführungskünstler sind, deren Angebote einfach geiler
sind als die hierzulande approbierten Mittel, selber
einmal im Rampenlicht zu stehen. In der Hinsicht haben
unsere Präventionsexperten vollen Respekt vor den Waffen
des Feindes: Sich als Salafisten zu verkleiden,
verspricht einen besonderen Gewinn, zieht nämlich ein so
verlockend feindseliges, also gerade deshalb besonders
reizvolles öffentliches Interesse
auf sich,
provoziert
also endlich einmal die
Reaktionen
, auf die der junge Mensch
selbstverständlich scharf ist. Öffentliches
Koranverteilen toppt Greenpeace-Stand,
Vollverschleierung
toppt Hotpants
, und die
ultimative öffentliche Aufmerksamkeit
für den
vernachlässigten Seelenhaushalt des jugendlichen
Individuums bringt dann wohl der Sprengstoffgürtel. Doch
unsere Politiker und Pädagogen lassen sich natürlich
nicht entmutigen beim Versuch, mit eigenen Angeboten an
das Selbstwertgefühl labiler Jugendlicher den
islamistischen Rattenfängern die Beute abzujagen:
„Jugendarbeit bietet die Möglichkeit, alternative Gemeinschaftsangebote zu entwickeln und Handlungsperspektiven aufzuzeigen... In diesem Zusammenhang ist es notwendig, beispielsweise in der offenen Jugendarbeit, auf besondere Interessen und Bedarfe von muslimischen Jugendlichen einzugehen.“ (Ebd.)
Doch gerade in der Hinsicht haben die Behörden viel
Nachholbedarf, weil sich die einschlägigen
Aktivitäten
angesichts der gefährlichen
Konkurrenten um die passende Sinngebung für die
einschlägige Jugend nicht im gewöhnlichen Betrieb im
Jugendheim und Fußballspielen mit inklusivem
Wirtshausbesuch erschöpfen dürfen:
„Salafistische Initiativen nutzen … Lücken im sozialen Angebot.“ (ebd.) „Salafisten sind die besseren Sozialarbeiter... Sie füllen den Alltag orientierungsloser junger Muslime mit Sinn und geben ihnen das Gefühl, einer Elite anzugehören... Sie stehen vor Discos, in die Ausländer nicht reinkommen, vor Spielcasinos, wo Jugendliche ihre letzten Euros verspielen, vor dem Jugendknast, worin Jugendliche ihre Strafe abgesessen haben, und niemand sie abholt... Die Sozialarbeit in Deutschland ist in den Achtzigerjahren stehen geblieben.“ (SZ, 28.12.15)
Hier macht sich ein letztes Mal der gnadenlos
funktionalistische Standpunkt der Prävention geltend:
Wenn muslimische Jugendliche erklärtermaßen schlechte
Erfahrungen in und mit unserer Gesellschaft machen, dann
betrifft das weniger ihre soziale Lage als das Problem,
im Alltag
die Orientierungen zu finden, die es
braucht, um sich ordentlich zu fügen und einzufügen.
Worauf es letztendlich ankommt, ist nicht die Stellung in
der Gesellschaft, sondern die Einstellung zu ihr. Dass
die stimmt, dafür haben Sozialarbeiter gefälligst ihren
Werkzeugkasten auf den neuesten jugendgerechten Stand zu
bringen und vor allem dafür zu sorgen, dass die
entsprechenden Angebote auch lückenlos
vorhanden
sind. Das offizielle Dementi dessen, was die offizielle
Welt den Jugendlichen alles antut; die ständige
Widerlegung des Ausschlusses, den sie ständig erfahren –
das alles müssen die Präventionsarbeiter
glaubwürdig vertreten, damit die Jugendlichen
vor lauter Ausgrenzung nicht die richtige Orientierung
verpassen. Sie gehören doch nicht zu einer Elite, sondern
uns!