Aus der Reihe „Chronik - kein Kommentar!“
Literaturnobelpreis für Elfriede Jelinek:
Von „Hass“ zerfressen, von „Schreibwut“ getrieben, zur „Ohnmacht“ verurteilt: Die ewigen Leiden der alten Elfriede
Heuer durften sich alle Österreicher und, laut deutschem Feuilleton, auch gleich alle „Deutschsprachigen“ – es ist ja die „in Deutschland meistgespielte Dramatikerin, die mit ihren Themen auch deutsche Verhältnisse betrifft“ – darüber freuen, dass eine Literatin „deutscher Zunge“ hoch geehrt wurde: Elfriede Jelinek.
Aus der Zeitschrift
Teilen
Länder & Abkommen
Literaturnobelpreis für Elfriede
Jelinek:
Von „Hass“ zerfressen, von
„Schreibwut“ getrieben, zur „Ohnmacht“ verurteilt: Die
ewigen Leiden der alten Elfriede
Moderne kapitalistische Staaten legen gesteigerten Wert
darauf, dass die nationale Identität nicht bloß aus
Sparhaushalten, Budgetdefiziten, mehr oder weniger leeren
Sozialkassen und dem tagtäglichen regierungsamtlichen
Exekutieren von schnöden Sachzwängen besteht. Ein
hervorragender Teil des nationalen Volkskörpers und
-geistes wird der Profitmaximierung, den Anstrengungen um
Standortkonkurrenz und Exportweltmeisterschaften entzogen
und dient einzig dem Beweis, dass die Nation eine
großartige sittliche Idee sei, bei der dabei zu sein
jedem Bürger zur Ehre gereicht. Der
Nationalsport etwa bezeugt besonders im
unmittelbaren Vergleich mit anderen Nationen beim
Ballestern und Blutgrätschen, Bretteln, Hüpfen,
Im-Kreis-Fahren und anderen mehr oder weniger sinnvollen
Tätigkeiten ständig aufs Neue, zu welchen Leistungen die
Nation in Gestalt ihrer herausragenden Muskeln, Sehnen
und Waden fähig ist. In der Volks- und
Massenkultur werden die historischen – Was Du
ererbt von Deinen Vätern…
– und moralischen Elemente
der eigenen Lebensart genossen, auf Authentizitätsverlust
durch deren zunehmende Internationalisierung wird
aufgepasst. Die nationale Kunst repräsentiert
den Anspruch der res publica, dass das gemeinsame Wir der
modernen Klassengesellschaft wenn schon nicht Ausfluss
des Guten, Wahren und Schönen, so zumindest dessen
teilhaftig ist. Und am Schönsten ist es, wenn diese in
Liedern, Epik und Versen manifeste schöne nationale Seele
auch die Anerkennung der anderen Nationen findet. Darum
gibt es neben dem Eurovisionskontest einen
Literaturnobelpreis und darum sollten und durften sich
heuer alle Österreicher und, laut deutschem Feuilleton,
auch gleich alle Deutschsprachigen
– es ist ja die
in Deutschland meistgespielte Dramatikerin, die mit
ihren Themen auch deutsche Verhältnisse betrifft
–
darüber freuen, dass eine Literatin deutscher
Zunge
hoch geehrt wurde.
*
Eben dieser Nationalstolz wurde über die Entscheidung für
Elfriede Jelinek aber nur teilweise zufriedengestellt.
Aufrechte Patrioten und Leserbriefschreiber witterten
sogar eine nationale Schande
. Ausgerechnet auf
eine Nestbeschmutzerin
fiel die Wahl, die laut
eigenen Angaben die Wut auf die Verhältnisse und der
Hass
(Jelinek, 2002)
unter anderem auf Österreich beim Schreiben antreibt. Was
wollte das schwedische Nobelpreiskomitee „uns“ damit
sagen? Sollte etwa eine neue Runde im „Austria-bashing“
eingeläutet werden? Nein. Das Nobelpreiskomitee hat als
Begründung seiner Wahl angeführt, dass die Autorin die
Konsumgesellschaft Österreichs kritisiert, die ihre
eigene Vergangenheit nicht aufgearbeitet hat
, und
mit einzigartiger Leidenschaft die Absurdität und
zwingende Macht sozialer Klischees entlarvt.
(Nobelpreiskomitee, SZ 8.10.)
Ausdrücklich wird die kritische Distanz zu
Nation und Gesellschaft und dem Mainstream des Geistes
für nobelpreiswürdig erklärt, die, weil ja Kunst, mit
unnachahmlicher Sprachgewalt
überzeugt. Entgegen dem
entsetzten Verdacht, mit dieser Wahl würde ein
anarchisches Kritikastertum
geehrt bzw. durch eine
politische Entscheidung – Frauenquote, Austria-bashing –
die künstlerische ersetzt, wollen die Dynamitjuroren im
Jelinekschen Œuvre die literarisch besungene Idee einer
sittlichen Nation entdeckt und der den Lorbeerkranz
aufgesetzt haben. Denn wenn sie die Kritik an einer
nicht aufgearbeiteten eigenen Vergangenheit
loben,
dann ist eben der Wunsch nach einer der Wahrheit
verpflichteten Staatsgewalt, die eigene Sünden und die
ihres politischen Vorgängers eingesteht, Scham zeigt und
Abbitte leistet, Vater des Gedanken; und wenn das
Anschreiben gegen eine schnöde Konsumgesellschaft
und soziale Klischees
honoriert wird, dann trägt
man eben der modernen Klassengesellschaft das Ideal eines
tiefergehenden, werteorientierten – erst kommt die Moral,
dann das Fressen – und klischeefrei-authentischen
Miteinanders hinterher.
*
Solches mag nicht jeder. Bei den aufrechten
österreichischen Patrioten, die den Kulturauftrag als
umstandsloses Besingen der Schönheit und Sittlichkeit der
Heimat auslegen und für die schon bisher das Schreiben
der Dame den Tatbestand des literarischen Landesverrats
erfüllt, war der Beifall für die Nobelpreisentscheidung
ziemlich endenwollend: Lieben Sie Scholten, Jelinek,
Häupl, Peymann, Pasterk… oder Kunst und Kultur?
(FPÖ-Wahlplakat zur Wiener
Gemeinderatswahl 1995) Noch lange verbleibe der
Gestank des wahrlich penetranten Drecks, der Mühls,
Turrinis, Jelineks.
(Kronenzeitungsdichter Wolf Martin)
Absehbarerweise wird Frau Jelinek in einem Land, das die
Huldigung seiner großen Söhne und Töchter gerne als
persönliches Verhältnis – unser Herminator
,
„unser Arnold, die steirische Eiche“,
unser Schneckerl Prohaska
– genießt, trotz
dichterischen Weltmeistertitels nicht einfach zu
unserer Elfi
mutieren. Aufgeklärt-intellektuelle
Österreicher hingegen mögen’s gern kritisch-distanziert,
wenn vom eigenen Land die Rede ist – für den
österreichischen ‚Spiegel‘ namens ‚Profil‘ ist gerade der
literarische Furor gegen die Heimat der
Leistungsnachweis, warum der Dichterin der Nobelpreis
mit Recht zugesprochen wurde: Elfriede
Jelinek. Mit Sprachgewalt und Österreich-Hass zum
Literaturnobelpreis
(Profil-Titelblatt, 11.10.04). Wie die
Juroren, so mögen auch diese Leute die Idee eines
sauberen, ehrlichen Staates und eines wahrhaftigen
gesellschaftlichen Miteinanders der Menschen, die sich
wohltuend abhebt vom realen nationalen Hier und Jetzt.
Und genau dies, dass die Welt überhaupt und in Österreich
ganz besonders in ihrer Vorstellung einer rundum
harmonischen Volksgemeinschaft, deren Geschicke in Händen
guter Führer liegt, nicht aufgeht, bewegt sie
dazu, auf Distanz zu gehen. Was immer Staaten und ihre
Gesellschaften anstellen mögen: Insofern es abweicht vom
Idealbild einer sittlichen Nation, sich der
politische Alltag immer nur als Ansammlung ziemlich
niederer Beweggründe entpuppt, hält der
kritisch-distanzierte Geist nicht seine schönen
Vorstellungen für weltfremd und daneben, sondern den
Umstand, dass die Welt ihnen so fremd ist, für
deren Kritik. Speziell bei den beiden
Nachfolgestaaten des deutschen Nationalsozialismus ist es
bislang geradezu die Eintrittskarte für die Anerkennung
eigenen – auch literarischen – Tiefsinns, wenn man auf
die Getrenntheit von Politik und den
staatssittlichen Sinnkonzepten verweist, darunter leidet
und jede von der Politik angebotene Identitätsstiftung
‚kritisch hinterfragt‘. Und während die Volks- und
Massenkultur das nationale Sinnbedürfnis eben befriedigt,
indem die teure Heimat einfach und umstandslos in den ihr
zugeschriebenen Schönheiten, herausragenden Leistungen
und Persönlichkeiten verehrt wird, bevorzugt es der
kritisch-distanzierte österreichische Geist, es sich mit
seinem JA zur nationalen Heimat unendlich schwer zu
machen: „Der Roman („Die Kinder der Toten“)
dreht sich um die gespenstische Geschichte dieses
Landes, um die Tatsache, dass sie auf einem Leichenberg
steht und man das hierzulande nie wahrhaben wollte – oder
eben erst viel zu spät. Es ist eine Geschichte der Heimat
im Unheimlichen und Doppelbödigen.“ (Jelinek, profil 24, 2004) Um
Heimat, um die pur affirmative Stellung zur
eigenen Nation, die einen auch noch gefühlsmäßig eins mit
ihr werden lässt, geht es der Elfriede allemal, da steht
sie mit Kulturschaffenden wie K. Moik oder Hansi H. in
einer Reihe; nur dass bei denen die Heimat eben ganz
holzbödig und einfach heimelig ist, bei ihr hingegen ein
Gespenst mit doppeltem Boden. Sich mancher
Leichenberge
und anderer Untaten der Nation zu
erinnern, ist gleichfalls nicht ihr Privileg: Spätestens
seit der ‚Waldheimaffäre‘ ist auch in Österreich das
bedauernde Bekenntnis zu den im Auftrag des
Nationalsozialismus begangenen Sünden fixer Bestandteil
der Politikerreden, die damit für die hohe Moralität
ihrer jetzigen Herrschaft werben. Doch da wirft Frau
Dichterin eben ihr viel zu spät!
ein. Der
Leichenberg, den man nie wahrhaben wollte
,
verleitet sie dazu, an ihrer Heimat einfach nur immer
wahrzunehmen, wie unheimlich
die ihr ist. Was hat
sie nur?
*
Elfriede Jelinek hat eine schöne Seele, wie alle anderen Österreicher auch. Nur ihre leidet erstens, und tut dies zweitens unentwegt. Sie leidet daran, dass einfach nichts den Maßstäben des Guten, Schönen und Wahren entspricht, die in ihrer Seele sitzen. Erfahrungen dieser Art machen zwar auch alle anderen Bürger in Österreich und anderswo; dass zwischen den realen Weltenläuften und den feinen Idealen einer besseren Welt eine tiefe Kluft liegt, Politiker Lumpen sind und die Menschen Egoisten, niemand die Umwelt und den Frieden achtet und deswegen die Welt in ihrem jammervollen Zustand ist: Kritische Ansichten dieser Art vereinen alle guten moralischen Menschen zu eben diesen. Doch während der ganz überwiegende Teil dieser Menschen seine Weigerung, auch nur irgendwie den beklagten Missständen von Gewalt, Armut, Elend und sonst was auf den Grund zu gehen, in der realistischen Einsicht endgültig sattelfest macht, dass die Welt nun einmal so schlecht ist; während manche aus dieser Einsicht vielleicht noch den Impuls beziehen, dann wenigstens mit dem Einsatz von Spenden und Stimmzetteln für saubere Politik, mehr soziales Gewissen, Umweltbewusstsein und Friedensbereitschaft etwas zur Weltverbesserung zu tun, so oder anders also ihren Frieden mit der Welt machen, entschließen sich ganz wenige dieser guten Menschen dazu, aus ihrer indignierten moralischen Seele eine wahre Mördergrube und den Riss, der zwischen Sein & Sollen in der Welt klafft, zur höchstpersönlichen Sache zu machen: Sie leiden unter ihm. Da die von ihnen persönlich verantworteten Maßstäbe haarscharf dieselben sind, unter deren Verletzung durch die realen Umstände auch alle anderen guten Menschen leiden, leiden sie keineswegs still vor sich hin. Um in der moralischen Wucht, die sie stellvertretend für alle schultern, anerkannt zu werden, lassen sie Wildfremde von ihrem Innersten wissen: Sie dichten. Und wenn sie dann ganz besonders dafür gewürdigt werden wollen, dass speziell sie es sind, auf denen alles Schlechte der Welt lastet, künden ihre Werke dann eben nur noch von einem Geschehnis in ihrem moralischen Tabernakel: Sie dichten darüber, dass sie unentwegt leiden müssen. Diesen Fimmel hat Frau Jelineks schöne österreichische Seele.
*
Denn Frau Dichterin will sich eben nicht nur in der
Differenz von Ideal und schnöder Welt fest einhausen, um
dann – wie das doch so viele tun – mit erfundenen Helden
und Anti-Helden und den Konflikten ihres moralischen
Scheiterns tiefen Eindruck zu hinterlassen. Nein, sie
kultiviert diese Differenz bis zur
Unversöhnlichkeit. Sie stilisiert sich zu einer
um alles Gute & Wahre auf ewig betrogenen Subjektivität,
die, weil sie selbst so gut und wahr und die Welt so
abgrundtief schlecht ist, in der den Sinn einfach nicht
findet, der ihren Hunger nach Geborgenheit stillen
könnte: Meine Kreativität kommt aus dem Negativen, ich
kann nichts Positives beschreiben.
Ist dieses
unglaubliche Spannungsfeld ‚Ich‘ und ‚Welt‘ aufgebaut,
zwischen einer Welt auf der einen Seite, die den Sinn
nicht hergibt, und einer Seele auf der anderen, die
darüber aber so etwas von frustriert ist, wird’s
poetisch. Die Dichterin lebt sich in diesem Abgrund
literarisch aus, was so viel heißt, dass sie ihre
Frustration als die Eigenschaft und Bedeutsamkeit der
Gegenstände ausgibt, über die sie schreibt – Österreich,
die Politik, politische Personen. Grundsätzlich spricht
Frau Dichter über all das nur in der Form des
Brechreizes, den die Außenwelt einem edlen Gemüt wie dem
ihren verursacht. Daher weiß man bei dem folgenden
sprachgewaltigen Knallfrosch gar nicht recht, worunter
sie eigentlich leidet. Von Politik ist zwar die Rede,
aber eben so:
„Die kappentragenden österreichischen Feuerredner der schlagenden Verbindungen, welche uns inzwischen schlagend bewiesen haben, dass sie es sind, die jetzt ihre Brandreden halten dürfen, ohne je weniger versprochen zu haben als das, was sie jetzt endlich halten wollen, die nehmen ihre Gesichter dafür, ihre Begeisterung für das Deutsche auszudrücken, das sie allerdings mit jedem einzelnen Wort schänden, und sie nehmen ihre Mensursäbel in die Hand, mit denen sie Gesichter schänden, und sie nehmen das Deutsche , das sie nicht können und nicht einmal kennen, auch noch als Hilfspolizisten dazu, um einmal anständig durchzugreifen, um sich endlich einmal durchzusetzen. Biertischpöbeleien … ihre Bierhumpen auf das Korporationswesen heben … ihr Gerede ist das Gespeie von Biertischen usw.“ (Zitate alle aus: Österreich. Ein deutsches Märchen)
Mag sie kein Bier? Nicht aus Humpen? Schlagende
Verbindungen mag sie offenbar nicht. Aber warum? Hat sie
zu früh und zu oft den ‚Untertan‘ gelesen? Und dann
beschlossen, mit dem Wachsen aufzuhören? Egal, bzw.
powidl, wie die Nichtdeutschkönner und -kenner zu sagen
pflegen, denn die Hauptsache bei dieser gegenwärtig
radikalsten Kritik an den politischen Zuständen
ist
das Radikale: Genossen wird ein literarisches Sittenbild
der abgrundtiefen Niveaulosigkeit, die da an
verantwortlicher Stelle eingerissen ist. Politik, diese
feine Ware, ist in Händen von Leuten, deren Hauptzweck
das Schänden des Deutschen ist und denen auch noch das
nobelste Kulturgut, die Sprache Heinrich Heines, zum
Opfer fällt. Die vielzitierte Jelineksche
Sprachgewalt
besteht im heftigen Gepolter der
Metaphern beim Versuch, nicht einfach nur ‚armes
Vaterland!‘ zu sagen, sondern mit den beschränkten
Mitteln des Wortes möglichst die Wirkung einer Stinkbombe
zu erzeugen. Und natürlich laufen die Idiosynkrasien der
beleidigten Leberwurst dort zur Höchstform auf, wo sich
diese unermüdliche Warnerin vor den falschen
politischen Führern
mit ihrer einzigartigen
sprachlichen Gestaltungskraft
und musikalischem
Fluss
über ihren Lieblingsfeind hermacht. Der Mann
heißt Haider, und wenn von dem eine Neigung bekannt ist,
dann die, dass er zur Hervorstellung seiner menschlichen
wie politischen Qualitäten von Vaterland bis Familie,
Arbeit und Heimat keinen der höchsten Werte auslässt, die
das Gemeinwesen kennt. Aber für eine Dichterin, die bei
der Bewirtschaftung des moralischen Gesinnungshaushalts
die Alleinvertretung beansprucht, kann das einfach nicht
der Fall sein. Ein Führer, den sie nicht mag, ist ein
falscher Führer, und was genau er für ein Perverser ist,
erzählt sie uns dann: Der Mann arbeitet wie alle
faschistoiden Bewegungen, mit dem ästhetischen
Körperkult, mit dem homoerotischen Männerbund, der sich
im Sport manifestiert, es ist sozusagen der erlaubte
sexuelle Akt mit dem braun gebrannten jungen – er ist so
alt wie ich! – ‚Führer‘, der huldvoll seine Gunst
gewährt.
(Jelinek, Kurier
9.10.04) Politische Führung als homoerotische
Verführung – was soll man dazu sagen? Dass die einzige
Gunst, die der fesche Jörgl
gewährt, der Akt
seiner Wahl ist, der einzige Genuss, den die verheißt,
der an viel Recht und Ordnung schaffender Politik ist?
Oder soll man einen anderen österreichischen
Sprachgewaltigen zitieren, der den psychoanalytischen
Blick für die Quelle der Abartigkeiten gehalten hat, die
mit ihm diagnostiziert werden?
*
Bleibt für die Dichtkunst nur noch eines, und auch das
erledigt Elfriede mit Bravour. Ob der Einsatz des Wortes
zur Beförderung der Moral im Land denn Wirkung
zeitigt, will auch sie natürlich wissen, aber da sieht es
nicht gut aus. Es sieht vielmehr ausgesprochen böse aus,
denn für die mit solidem Größenwahn begabte Künstlerin
hat das Dichten überhaupt erst ihr vornehmliches
Hassobjekt groß gemacht: Alles, was wir als Künstler
versucht haben, hat Haider nur stärker gemacht.
(Jelinek, 2000) Das ist
tragisch, aber was kannst machen: Ich kann nur mit
einem Kissen ohnmächtig gegen den Beton des
österreichischen Vergessens hauen, bis das Kissen platzt
und mir um die Ohren fliegt.
(Jelinek, 2002) Obertragisch, wenn man
sich im Kampf Gut gegen Böse auch noch ganz grundsätzlich
zum Scheitern verurteilt wissen will – ich glaube,
dass ein Schriftsteller absolut nichts bewirken kann, und
spüre nicht nur die Ohnmacht, sondern auch die
Lächerlichkeit
(Jelinek,
2002) – und doch immer dasselbe von neuem sagen
und aufschreiben muss, weil man im Unterschied zu Beton
nichts vergessen kann.
Beim Literaturpapst dagegen bewirkt sie was, die Schmerzensmadonna des besseren Österreich:
„Ein guter Roman ist ihr nie gelungen, beinahe alle sind mehr oder weniger banal oder oberflächlich.(…)Mag sein, dass ihr Talent von ihrem imponierenden Charakter übertroffen wird. Wie auch immer: Sie ist schon eine dolle Frau, diese Elfriede Jelinek.“ (Marcel Reich-Ranicki, Spiegel 42, 11.10.04)
Felix Austria.