Aus der Reihe „Chronik - kein Kommentar!“
„Nein zum Krieg! Nein zur Nato!“ – Und ein Ja zum demokratischen Staat? Wie soll das denn zusammenpassen!

Die Nato ist ja eine Einrichtung von monströser Gewaltbereitschaft, die jede Gegnerschaft verdient. Aber dass sie sich über unschuldige abendländische Demokratien hermacht und ihnen eine wesensfremde Politik nach innen und außen, vom Klima über das Soziale bis zur Ausländerpolitik aufzwingt – wollt ihr das im Ernst behaupten? Die Nato ist schließlich ein Bündnis, das die Heimatländer der nordatlantischen Demokratie gegründet haben; und das nicht aus Versehen, sondern als Instrument ihrer zivilen und militärischen Zwecke. Ihr sagt in euren Aufrufen doch selber, was diese Staaten schützen wollen: eine ganze „ungerechte Weltwirtschaftsordnung“, die sie sich zu ihrem Vorteil eingerichtet haben – wozu denn sonst! Und diese für sie nützliche kapitalistische Weltordnung ist ohne einen weltweit schlagkräftigen, schwer bewaffneten Gewaltapparat nicht zu haben!

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Systematischer Katalog
Länder & Abkommen

G-20-Krisengipfel und 60 Jahre NATO

In London kommen die führenden Weltwirtschaftsmächte zu ihrem „G-20-Treffen“ zusammen. In Deutschland und Frankreich feiern die maßgeblichen unter ihnen zusammen mit etlichen anderen den runden Geburtstag der NATO. Beide großdiplomatischen Veranstaltungen stoßen hierzulande auf Kritik. „Wir zahlen nicht für eure Krise!“, heißt es an die Adresse der Handvoll Staaten, die ökonomisch die Welt beherrschen, und „Weg mit der NATO!“ an die der Militärallianz des ‚Freien Westens‘. Die Argumente, mit denen dieser Protest in beiden Fällen um Zuspruch wirbt, halten wir für verkehrt und dokumentieren unsere Kritik in zwei Flugblättern.

„Nein zum Krieg! Nein zur NATO!“ – Und ein Ja zum demokratischen Staat? Wie soll das denn zusammenpassen!

Die NATO feiert sich selbst – und ihr könnt das Geburtstagskind nicht leiden? Kein Wunder: Dieser Verein steht für Krieg, Folter und globale Militarisierung, wie es ihm euer Demo-Aufruf vorhält.

Bloß: Wenn ihr dieses Kriegsbündnis zum furchtbaren Herrn der Welt ausruft, der weltweit Kriege führt, für globales Elend sorgt, für die Verschleuderung von Ressourcen, Sozialabbau, die Brutalisierung der Gesellschaft und die Aushöhlung ehrenwerter Grundgesetze verantwortlich ist – tut ihr da dem feinen Nordatlantikpakt nicht ein wenig zu viel Ehre an?

Die NATO ist ja eine Einrichtung von monströser Gewaltbereitschaft, die jede Gegnerschaft verdient. Aber dass sie sich über unschuldige abendländische Demokratien hermacht und ihnen eine wesensfremde Politik nach innen und außen, vom Klima über das Soziale bis zur Ausländerpolitik aufzwingt – wollt ihr das im Ernst behaupten? Die NATO ist schließlich ein Bündnis, das die Heimatländer der nordatlantischen Demokratie gegründet haben; und das nicht aus Versehen, sondern als Instrument ihrer zivilen und militärischen Zwecke. Ihr sagt in euren Aufrufen doch selber, was diese Staaten schützen wollen: eine ganze ungerechte Weltwirtschaftsordnung, die sie sich zu ihrem Vorteil eingerichtet haben – wozu denn sonst! Und diese für sie nützliche kapitalistische Weltordnung ist ohne einen weltweit schlagkräftigen, schwer bewaffneten Gewaltapparat nicht zu haben!

Wir halten es für einen Fehler, wenn kritische Leute, die das Kriegspotenzial und den Kriegswillen der NATO-Staaten für skandalös halten, sich neben den wirklichen Demokratien, die die Eigentümer und Kommandeure der Militärmaschinerie sind, zusätzlich noch eigentliche freiheitlich-demokratische Gemeinwesen erfinden, die von Militarisierung bedroht und von Konfrontationslogik unterwandert sein sollen. Wollt ihr die NATO-Staaten gegen ihre eigene Kriegspolitik in Schutz nehmen? Meint ihr, demokratische Regierungen könnten das alles unmöglich wollen, was ihr ihrem Militärverein vorhaltet?

Bei allem Respekt vor NATO-kritischem Aktivismus: Man kann doch nicht das Mittel kritisieren und die politischen und ökonomischen Staatszwecke, die dieses Mittel braucht und sich schafft, außen vor lassen.

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Wenn ihr die menschenfeindliche Politik der NATO anklagt und die Mehrheit der Menschen, die Kriege ablehnt, in einem scharfen Gegensatz dazu seht, dann fällt uns auf, dass die Mehrheit der kleinen Leute gar kein Monopol auf die Ablehnung von Kriegen hat. Selbst Politiker, die den Krieg beschließen und von ihren Militärs führen lassen, erreichen ihre Ziele lieber ohne Krieg. Und sie setzen, wenn sie ihn denn für unumgänglich halten, ihre Kriegsmaschinerie für nichts anderes als für den nächsten, besseren Frieden ein, der ihren nationalen Interessen die Sicherheit verschafft, die sie brauchen, und ihrer Macht den Respekt, mit dem sie andere Staaten zu einem für ihren Staat nützlichen Frieden zwingen. Demokratische Kriegsherren – und nur solche sind es, die die Politik des Bündnisses machen – berufen sich auch beim Schießen auf das politische Mandat jener Mehrheit der Menschen, die sie gewählt hat. Und die vielen wahlberechtigten kleinen Leute lassen sich das in aller Regel gefallen. Sie hören keineswegs auf zu arbeiten, zu wählen – und die Politiker dadurch zur Entscheidung über Krieg und Frieden zu ermächtigen. Sie denken da – leider – nicht so viel anders wie ihre politischen Repräsentanten: Sie lehnen Krieg ab, wenn sie keinen nationalen Nutzen darin sehen, wenn er leichtfertig vom Zaun gebrochen wird oder wenn er verloren geht. Wenn ihnen die Politiker aber sagen, dass „unsere“ Lebensform auf dem Spiel steht, dass in „unserem“ exportorientierten Land die Arbeitsplätze von offenen Märkten überall, von freien Verkehrswegen zu Wasser und in der Luft und von der Bereitschaft anderer Staaten abhängen, die ihnen zugewiesene Rolle in der weltweiten Marktwirtschaft zu spielen: dann sehen auch „friedfertige Menschen“ ein, dass diese Kooperationsbereitschaft in Fällen „böswilliger Verweigerung“ erzwungen und der Frieden der kapitalistischen Weltwirtschaft verteidigt werden muss.

Wer seine Kritik an der Kriegspolitik der westlichen Demokratien ernst nimmt, kann sich nicht auf das gute Volk gegen seine Politiker berufen. Ihm bleibt die Kritik des allgemein gebilligten kapitalistischen Friedens nicht erspart.

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Dieser Friede wird in den NATO-Staaten mit denselben vornehmen Grundgesetzen regiert, deren Aushöhlung ihr beklagt, wenn im Zuge von Kriegen in aller Welt die Grundrechte ausgehebelt werden. Sollte euch entgangen sein, dass diese feinen Verfassungstexte schon alle Normen und Klauseln zur Einschränkung der Grundrechte für den Fall vorsehen, dass irgendwelche Gefahren die innere oder äußere Sicherheit bedrohen? Das Grundgesetz der Bundesrepublik ist kein Gesetz zur Fesselung des Staates, sondern die Charta seiner Macht; es ermächtigt die Regierenden durchzusetzen, was immer sie zur Verteidigung der freiheitlich-demokratischen Staatssicherheit für erforderlich halten. Nationale Führungen berufen sich mit vollem Recht auf ihre Verfassungen, wenn sie Krieg führen und dazu ihre Heimatfront aufrüsten.

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Im Verkehr mit anderen Staaten verstehen die großen westlichen Demokratien sowieso nur die Sprache der Gewalt. Die aber sprechen sie perfekt und verdolmetschen der Welt ihr hochgerüstetes Interesse als das Recht der Völker und der Menschen. Die großen Staaten sind nicht gehorsame Gefolgsleute des Völkerrechts und der Menschenrechte, sondern deren Macher und Vollstrecker. Auch diese einschlägigen Kataloge sind das Werk ihrer Macht, die sie in die Lage versetzt, jedem ‚shock and awe‘, den sie zwischen Serbien und Afghanistan für nötig halten, eigenhändig eine völker- und menschenrechtliche Lizenz hinterherzuschicken.

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Klagt also lieber nicht über verbogene Grundrechte, verfassungswidrige Militarisierung und völkerrechtswidrige Kriege der NATO; sondern nehmt zur Kenntnis, dass es eine Leistung demokratischer Rechtsstaaten ist, auch noch für die Übereinstimmung von imperialistischer Interessenlage und internationaler Rechtslage zu sorgen! Da passen schon immer der Krieg und seine Mittel darunter, bis hin zur Beschaffung, ständigen Bereitschaft und Anwendung von Atomwaffen. Schließlich war es eines der Mutterländer der Demokratie, das als bislang einziges solche Waffen eingesetzt hat, was, wie man weiß, der demokratischen Freiheit nicht geschadet, sondern sie in der Welt verbreitet hat. Solches Zeug brauchen die in der NATO verbündeten Mächte für die Aufrechterhaltung ihrer globalen Ordnung, mit der sie sich ohne eine satte militärische Übermacht nirgends blicken lassen können:

Das Glück der wirklichen Demokraten ist es, dass sie an ihren nationalen Standorten keine anderen Gegner haben als ideale Demokraten, die das wirkliche Regieren für einen Verstoß gegen den Geist der Verfassung und demokratische Realpolitik für das Gegenteil des wahren, guten und schönen Regierens halten, das sie von den staatstragenden Parteien in unverwüstlichem Zutrauen einfordern.

Wenn ihr also eine Welt ohne NATO für nötig haltet, dann wird es wohl auch nötig sein, nicht nur den uniformierten Befehlsempfängern des westlichen Kriegsbündnisses, sondern ihren demokratischen Dienstherrn und der zivilen Ordnung, die sie verwalten, die Gegnerschaft anzusagen.