Aus der Reihe „Chronik - kein Kommentar!“
Das Bundesverfassungsgericht entscheidet für ‚Transparenz‘ bei den Nebenverdiensten von Abgeordneten:
Höchstrichterliche Aufklärungen über den ehrenwerten Beruf des parlamentarischen Volksvertreters
Seit 2005 gilt für die Abgeordneten des Deutschen Bundestags das sog. ‚Transparenzgesetz‘. Danach müssen sie, ob es ihnen passt oder nicht, Einkünfte, die sie aus Tätigkeiten neben der Ausübung ihres Mandats erzielen, offenlegen. 9 Vertreter des Hohen Hauses, denen das überhaupt nicht passt, entdecken in dieser Verpflichtung einen verfassungswidrigen Eingriff in den freiheitlichen Status des Abgeordneten, den sie genießen. Beim obersten Gericht des Rechtsstaats reichen sie Organklage ein, ihr Antrag wird abschlägig beschieden: Denkbar knapp, mit 4:4 Stimmen, ringen sich die Richter zu der Auffassung durch, dass nicht nur die Freiheiten des Abgeordneten durch die Offenlegungspflicht bei seinen Nebeneinkünften keinen Schaden nehmen. Insbesondere der Meinungs- und Urteilsbildungsprozess beim Wähler käme darüber zu seinem verfassungsmäßig vorgesehenen demokratischen Recht, dass man sich nun ein besseres Bild von der Geschäftstätigkeit seiner Vertreter im Parlament machen kann.
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Länder & Abkommen
Das Bundesverfassungsgericht
entscheidet für ‚Transparenz‘ bei den Nebenverdiensten
von Abgeordneten:
Höchstrichterliche Aufklärungen über
den ehrenwerten Beruf des parlamentarischen
Volksvertreters
Seit 2005 gilt für die Abgeordneten des Deutschen Bundestags das sog. ‚Transparenzgesetz‘. Danach müssen sie, ob es ihnen passt oder nicht, Einkünfte, die sie aus Tätigkeiten neben der Ausübung ihres Mandats erzielen, offenlegen. 9 Vertreter des Hohen Hauses, denen das überhaupt nicht passt, entdecken in dieser Verpflichtung einen verfassungswidrigen Eingriff in den freiheitlichen Status des Abgeordneten, den sie genießen. Beim obersten Gericht des Rechtsstaats reichen sie Organklage ein, ihr Antrag wird abschlägig beschieden: Denkbar knapp, mit 4:4 Stimmen, ringen sich die Richter zu der Auffassung durch, dass nicht nur die Freiheiten des Abgeordneten durch die Offenlegungspflicht bei seinen Nebeneinkünften keinen Schaden nehmen. Insbesondere der Meinungs- und Urteilsbildungsprozess beim Wähler käme darüber zu seinem verfassungsmäßig vorgesehenen demokratischen Recht, dass man sich nun ein besseres Bild von der Geschäftstätigkeit seiner Vertreter im Parlament machen kann.
Im Hin und Her ihrer eigenen Erwägungen über das Amt des demokratischen Volksvertreters zeichnen die Richter freilich schon auch selbst ein Berufsbild, das an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig lässt.
Interessante Einblicke in den ‚Doppelstatus von Mandatsträger und Privatperson‘
Wenn Verfassungsrichter sich mit dem Beruf des Politikers befassen, kümmern sie sich selbstverständlich nicht um Politik. Inhalte wie politische Zwecke der Gesetze, die da von Volksvertretern erlassen werden, auf dass die Vertretenen sich nach ihnen richten, sind ihnen der Sache nach absolut unwichtig. Um Ausübung von Macht und Herrschaft geht es hier nur in einer gleichermaßen bornierten wie grundsätzlich affirmativen Hinsicht: Findet alles auch gemäß den Regeln und Grundsätzen statt, nach denen im demokratischen Rechtsstaat Gewalt ausgeübt werden soll, heißt die Erkenntnis leitende Fragestellung des hohen Gremiums, und die fördert naturgemäß keine Erkenntnis darüber zutage, worum es beim Regieren geht. Immerhin kommen, wenn das Verfassungsgericht tagt, unvermeidlich die allerhöchsten Rechtsgüter der Demokratie zur Sprache, sodass man auch im vorliegenden Fall, der den Nebenerwerb von Abgeordneten betrifft, verbindlich Auskunft darüber erhält, was an dieser Herrschaftsform unbedingt schätzenswert ist.
So befassen sich Richter, die nur das Gesetz im Kopf
haben, mit dem Arbeitsplatz von Leuten, die für die
Vertretung des Volkes gut bezahlt werden, dabei aber
‚frei von jeder Bindung an Aufträge und Weisungen‘ und
nur ihrem ‚Gewissen unterworfen‘ sind – und machen sich
ihre berufsspezifischen Sorgen: Wie schaut es denn da mit
den Pflichten der Volksvertretung aus, wenn
Abgeordnete die ihnen gewährten Rechte und Freiheiten
dazu nutzen, Privatgeschäften nachzugehen? Geld macht
frei: Dass dieser schöne Grundsatz aus dem bürgerlichen
Erwerbsleben auch für die Privatpersonen gilt, die im
Parlament sitzen, ist von Verfassungs wegen so
vorgesehen, geht daher demokratisch vollkommen in
Ordnung. Nur stoßen sich 4 von 8 Vertretern des Senats da
ein wenig an den unkontrollierten Freiheiten, die so ein
bezahlter Volksvertreter bei der Wahrnehmung seines
Mandats genießt. ‚Tut der für sein Geld auch genug für
die Allgemeinheit?‘, fragen sie sich, und übersetzen ihre
diesbezüglichen Zweifel sogleich in eine Erinnerung an
die Adresse der verehrten MdB: Die sind als Inhaber
eines öffentlichen Amtes schon auch zu gewissen
Dienstleistungen verpflichtet, und wer vom Vertrauen der
Wähler zum Vertreter der Interessen des ganzen Volkes
berufen wird, muss schon sein ihm anvertrautes Amt
auch tatsächlich ausüben
. (BVerfG, 2BvE 1/06, vom
4.7.2007, Abs. 210; alle folgenden Zitate ebd. mit Angabe
der Abs. Nr.) Die Richter gehen offenbar davon aus, dass
sich das bei Leuten, die in ihrem Dienst am Volk keinen
Dienstherren haben, nicht weisungsgebunden und
rechenschaftspflichtig allein gegenüber ihrem eigenen
Gewissen sind, gar nicht von selbst versteht. Weil man
diese Privatpersonen auf ihren höheren Auftrag aber auch
nicht verpflichten, sondern ihnen nur in dasselbe
Gewissen reden kann, das sie sich offenbar nicht machen,
legen die Richter sich das Idealbild vom berufenen
Volksvertreter, das ihnen vorschwebt, als
moralische Verpflichtung der Mandatsträger
zurecht: Als für die maßgebliches Gebot
drücken sie ihre schöne Idee aus, wonach die
parlamentarische Demokratie einer höchst komplizierten
Wirtschafts- und Industriegesellschaft vom Abgeordneten
... den ganzen Menschen verlangt
(212); nur wenn die Mandatsausübung der
Abgeordneten tatsächlich im Mittelpunkt
ihrer
Tätigkeit steht, rechtfertige dies ihrer Auffassung nach,
dass ihnen ein voller Lebensunterhalt aus
Steuermitteln, die die Bürger aufbringen, finanziert
wird
(211); nur wenn die
Abgeordneten diese ihre ideelle demokratische Pflicht
entsprechend ernst nehmen, kann es nach dieser
höchstrichterlichen Teil-Meinung in Ordnung gehen, dass
sie auch noch Tätigkeiten beruflicher oder anderer Art
neben dem Mandat
ausüben; denn nur dann werden die
Interessen des ganzen Volkes
von ihnen auch
wirksam vertreten
.
Das freilich ist ein demokratischer Spaß der erlesenen
Sorte. Denn damit, dass Abgeordnete ihren Beruf
der parlamentarischen Volksvertretung in der ihnen
eröffneten Freiheit ernst und wichtig nehmen und nur
daneben ihren privaten Geschäften nachgehen, steht
überhaupt nicht fest, welche Interessen es sind,
um die sie sich von Berufs wegen kümmern. Ihre Diäten
mögen ja dem Zweck gewidmet sein, ihnen ihre
Unabhängigkeit
zu sichern und sie darüber dazu
instand zu setzen, als Vertreter des ganzen Volkes
frei von wirtschaftlichen Zwängen zu wirken
. (217)
Aber da sind die Idealisten der demokratischen
Volksvertretung, die hier höchstes Recht sprechen, schon
auch Realisten der Demokratie und wissen bestens, was es
mit dieser Unabhängigkeit von Interessengruppen
auf sich hat, die das Volk seinen Mandatsträgern
finanziert. Geld macht unfrei: Auch diese goldene Regel
des bürgerlichen Geschäftslebens ist den Richtern
bekannt. In aller Regel erhält man Geld, damit
man eine gewünschte Leistung bringt, so dass den
Oberrichtern schon klar ist, wozu es die
Freisetzung von ‚wirtschaftlichen Zwängen‘ bei
Abgeordneten letztlich braucht: Ihren ganzen Sinn und
Zweck hat sie darin, die Volksvertreter von den – bei
ihrem Beruf offenbar nahe liegenden – Anfechtungen
freizukaufen, denen sich eine unbestechliche
Amtsführung beständig ausgesetzt sieht. Diäten braucht
es, um ihre Empfänger präventiv gegen allfällige
Bemühungen von dritter Seite, von
außen
, zu immunisieren, sich
politische Macht stückweise fürs eigene private Interesse
zu kaufen – denn die Praxis, die das Ideal der
‚freien Mandatsausübung‘ begleitet, kennen auch
demokratische Schwärmer in Richterroben nur allzu gut:
Dabei geht es nicht zuletzt um Unabhängigkeit
von Interessenten, die ihre Sonderinteressen im Parlament
mit Anreizen durchzusetzen suchen, die sich an das
finanzielle Eigeninteresse von Abgeordneten
wenden.
(222)
Und selbst dann, wenn diese Herrschaften in ihrer
Doppelnatur von Amts- und Privatperson sich dazu
hergeben, die Volksvertretung in den Mittelpunkt ihrer
Tätigkeit zu stellen; selbst wenn sie sich nicht von
Lobbyisten bestechen lassen und sich allein ums Vertreten
‚des ganzen Volkes‘ kümmern – auch dann ist auf
Mandatsträger, die als Privatpersonen stets auch auf ihr
eigenes Fortkommen erpicht sind, einfach nicht Verlass.
Die Richter jedenfalls machen sich auch da nichts vor:
Sowohl Angestelltenverhältnisse im Bereich der freien
Berufe als auch die freien Berufe selbst bieten
vielfältige Möglichkeiten, politischen Einfluss durch ein
Bundestagsmandat für die außerhalb des Mandats ausgeübte
Berufstätigkeit zu nutzen, und gerade von dieser
Möglichkeit gehen besondere Gefahren für die
Unabhängigkeit der Mandatsausübung
(224) aus.
Ein wenig Aufsicht und Kontrolle über die, die da vom Volk so reichlich mit Vertrauen bedacht und zum Kommando über die in der Gesellschaft beheimateten Interessen ermächtigt werden, kann demnach also nicht schaden, ‚im Namen des Volkes‘ selbstverständlich.
*
Das sehen ihre 4 Kollegen anders. Mehr Geld macht noch
freier: Das ist der Grundsatz aus dem bürgerlichen Leben,
den sie ohne jede Einschränkung auch für Leute gelten
lassen wollen, die im Parlament sitzen. Wo die anderen
gleich an Korruption denken, wenn Mandatsträger auch noch
auf den Gehaltslisten der Unternehmen stehen, mit denen
sie in der Lobby des Parlaments ohnehin regelmäßig
verkehren, halten sie dagegen, dass genau diese Art einer
Interessenlenkung aus der Gesellschaft heraus
den
lebendigen Parlamentarismus
garantiert, der einer
Demokratie am besten zu Gesicht steht: Aus der
Gesellschaft kommend und in ihr verankert, sollen
Abgeordnete und Parteien den dort gebildeten Willen der
Wähler aufnehmen und ihm in der staatlichen Sphäre zur
Geltung verhelfen. Die aus der Berufsausübung folgende
wirtschaftliche Unabhängigkeit gerade Selbständiger und
Angehöriger freier Berufe fördert diese ... Freiheit des
Mandats.
(244)
Befürchtungen, die solchermaßen fest im bürgerlichen
Leben verwurzelten Amtsinhaber könnten ihre Machtstellung
und den politischen Einfluss, den sie besitzen, zum Hebel
der Mehrung ihres Privatvermögens zweckentfremden,
kontern sie mit dem prima Einfall, dass doch gerade ein
mit Haupt- und Nebenverdienst dick gepolstertes
Bankkonto dem Abgeordneten faktisch die Freiheit
(gibt), sein Mandat allein nach seinem Gewissen
auszuüben, ohne im Hinblick auf die Chancen seiner
Wiederwahl und eine damit verbundene Sicherung seines
Einkommens übermäßig Rücksicht auf etwaige Erwartungen
seiner Partei, sonstiger einflussreicher
Interessengruppen oder auch der Medien nehmen zu
müssen.
(253)
Bezüglich der Dienstpflichten der Mandatsträger, wie sie demokratisch vorgesehen sind, herrscht also Konsens zwischen den Richtern in ihrem unterschiedlichen Meinungsbild: Das Volk wird vertreten, was seine Interessen sind, wird von den Zuständigen ermittelt und bekannt gegeben. Was die hierzu Ermächtigten mit ihren Befugnissen im einzelnen treiben, ist ihre Sache. Den Interessen des ‚ganzen Volkes‘ dienen sie schlicht in allem, was sie tun, in der Routine ihres parlamentarischen Alltags sowieso, aber eben auch außerparlamentarisch: in Form der Pflege der vielfältigen Beziehungen und Netzwerke, die sie als Vertreter der politischen Elite zu den mehr oder weniger maßgeblichen Repräsentanten der Geschäftswelt unterhalten. Dass sie beim Bedienen dieser gewichtigen und entsprechend zahlungskräftigen privaten Interessen immer auch an ihr eigenes denken, ist nur logisch, ebenso konsequent daher, dass sie ihr Amt gewohnheitsmäßig dazu nutzen, speziell ihr ureigenes Privatinteresse zu befördern.
Disparat und mehrheitlich unentschieden fällt
das Meinungsbild bei den Verfassungsrichtern nur in
Hinblick auf eine Frage aus: Wird angesichts dieser doch
ziemlich bombigen Verankerung des Parlamentariers in
einer zwar fürs Allgemeinwohl eminent wichtigen,
zugegebenermaßen aber schon sehr erlesenen Sphäre der
Gesellschaft nicht eine überzeugend repräsentative
Vertretung des mehrheitlichen Wählerwillens
allzu
sehr ramponiert? Man weiß schließlich: Dass vor und
neben dem Mandat ausgeübte Tätigkeiten und neben dem
Mandat erzielte Einnahmen Rückwirkungen auf die
Mandatsausübung haben können, liegt nicht fern.
(300) Oder wird nicht gerade
umgekehrt eine Welt konkurrierender Privatinteressen
durch Leute geradezu vorbildlich und demokratisch optimal
repräsentiert, die nach freiem Ermessen und durchaus mit
Blick auf ihren privaten Vorteil darüber befinden,
welchem dieser Interessen unbedingt ‚in der staatlichen
Sphäre zur Geltung‘ zu verhelfen ist und welchem eher
weniger? Wenn es ohnehin schon so läuft, kann man dann
nicht auch mal die demokratische Praxis für rundum ideal
befinden?
Das demokratische Maximum an außerparlamentarischer Kontrolle über die Volksvertreter: ‚Transparenz‘, einzusehen unter www.bundestag.de
Mit der Stimmenparität im Senat des Bundesverfassungsgerichts wird der Antrag der 9 Abgeordneten zurückgewiesen. Das sog. ‚Transparenzgesetz‘ darf gelten und die Richter, die seine Geltung besorgt haben, begründen, warum das für die Demokratie ein Segen ist.
Erstens ist der Verdacht, bei den Mitgliedern des Deutschen Bundestags könne es sich um die Elite der Korruption – aktiv wie passiv – handeln, nicht nur bei ihnen selbst, sondern auch im Volk präsent; also tut da ein Schritt vorwärts in Sachen Vertrauensbildung nur gut:
„Interessenverflechtungen und wirtschaftliche Abhängigkeiten der Abgeordneten sind für die Öffentlichkeit offensichtlich von erheblichem Interesse. Diesbezügliche Kenntnis ist nicht nur für die Wahlentscheidung wichtig. Sie sichert auch die Fähigkeit des Deutschen Bundestages und seiner Mitglieder, unabhängig von verdeckter Beeinflussung durch zahlende Interessenten, das Volk als Ganzes zu vertreten, und das Vertrauen der Bürger in diese Fähigkeit, letztlich in die parlamentarische Demokratie.“ (274)
Zweitens tut ein bisschen Aufdeckung der Zahlungszuflüsse
seitens der Interessenten, denen man mit seinen Diensten
gewogen ist, den Abgeordneten doch gar nicht weh. Wer
etwas verbergen will, muss sich darüber, ob er dies
fürderhin noch kann, wirklich keine Sorgen machen:
„Die mit dem Schlagwort des ‚gläsernen Abgeordneten‘
gekennzeichnete Befürchtung vollständiger Offenbarung der
Einkommens- und Vermögensverhältnisse ... (ist)
unberechtigt.“ Lichtscheues Gesindel muss nichts
befürchten, denn die vorgesehene Anzeigepflicht schließt
eine beargwöhnte Totaldurchleuchtung zuverlässig
aus.
(298)
Und in den Fällen, in denen den Volksvertretern – aus welchen Gründen auch immer – aus dem bloßen Umstand heraus Nachteile erwachsen sollten, dass irgendwo geschrieben steht, wer ihnen wofür ein paar Tausend Euro monatlich aufs Konto überweist, sticht das dritte Argument: Sie sollen sich dann nur einfach darauf besinnen, welcher Goldgrube sie ihr feines Leben ‚frei von wirtschaftlichen Zwängen‘ zu verdanken haben – und sich zusammen mit den 4 Richtern des Senats die Frage vorlegen,
„ob die behaupteten Nachteile nicht mit den Vorteilen saldiert werden müssten, die das Mandat den Abgeordneten vermittelt. Deren notwendige und legitime Einbeziehung in das öffentliche Leben, in Vereine, Interessenvertretungen und ähnliches sowie ihre Kontakte zu den Trägern öffentlicher Gewalt vermitteln ihnen handgreifliche Vorteile. Gerade vor dem Hintergrund derartiger Synergieeffekte“ – grch-lat. für: ‚Filz‘, ‚Vetternwirtschaft‘, ‚korrupte Netzwerke‘ u.ä. – „erscheinen die angegriffenen Transparenzregeln eher als maßvolles Korrektiv der Risiken privater Erwerbstätigkeit für eine aufgabengerechte Mandatsausübung denn als unzulässiger Übergriff“. (299)
Abgeordnete, die öffentliche Auskünfte über die Geldbeträge, die sie den Steuerbehörden ohnehin mitteilen, doch wirklich leicht verschmerzen können – angesichts der vielen Vorteile, die sie aus ihrer Machtposition beziehen: Das stiftet Vertrauen in die Demokratie und ihre Volksvertreter.
*
Die 4 Gegenstimmen, die sich bei der Urteilsbildung nicht
haben durchsetzen können, lassen es ihrerseits natürlich
auch nicht an einer enorm vertrauensbildenden Begründung
ihres Votums fehlen. Erstens sind Forderungen nach
Transparenz und dergl. nur im Kampf gegen Diktatur und
Autokratie eine angemessene Waffe; denn jede illegitime
und korrupte Herrschaft braucht Verdunkelung und
Heimlichkeit.
Die Demokratie hingegen, deren wahrer
Souverän ‚das Volk‘ ist und deren Legitimität mit dieser
Berufung auf den eigentlichen Auftraggeber der Herrschaft
außer Frage steht, benötigt kein jakobinisches
Schwert, mit dem man die Hülle privater und gewerblicher
Abwehrrechte durchschlagen könnte, um die ‚wahren‘
Verhältnisse offenzulegen
(354): Wenn in ihr verdunkelt und
verheimlicht wird, dann findet das doch alles im Namen
des Volkes und auf Grundlage der geltenden
Anti-Korruptionsgesetze statt!
Daher steht zweitens der Verdacht auf Begünstigung
ohnehin nur in denjenigen Fällen unausgesprochen im
Raum
, in denen es sich um die besonders anstößigen
gegenleistungslosen Zuwendungen
(359) handelt. Eine Offenlegungspflicht
für entgeltliche Zuwendungen, für die Abgeordnete auch
die von ihnen gewünschten Gegenleistungen erbringen,
setzt also nur den übergroßen Haufen parlamentarischer
Unschuldslämmer einer ganz besonders anstößigen
publizistischen Prangerwirkung
aus. Sie stellt
Leute, die nur dem ehrenwerten Prinzip des ‚do ut facias‘
gehorchen, glatt unter den Generalverdacht
der
Günstlingswirtschaft, erzeugt in ihnen permanenten
Rechtfertigungsdruck
– und ruft auf diese Weise
überhaupt erst das üble Misstrauen in sie so richtig
hervor, das das Transparenzgesetz aus der Welt schaffen
möchte: Im selben Maße, in dem sie ihre Einkünfte
veröffentlichen, haben sie hinterher den
Fehlinterpretationen entgegenzuwirken
(373), sie hätten ihr Amt doch nur dazu
verwendet, in die eigene Tasche zu wirtschaften!
Drittens schließlich stellt sich die Frage, ob eine
derart weit reichende Anzeige- und
Veröffentlichungspflicht dem damit verfolgten
Transparenzanliegen überhaupt dienlich ist.
(362) Denn während die vielen
redlich berufstätigen und über jeden Verdacht der
Bestechlichkeit erhabenen Abgeordneten brav ihrer Pflicht
nachkommen und offenlegen, bei wem sie die Hand
aufhalten, werden sie zum Dank für diese Preisgabe der
Festung ihrer ‚informationellen Selbstbestimmung‘ nur
zum Gegenstand öffentlicher Diskussion gemacht
.
Demgegenüber können die wenigen Abgeordneten, die
unredlich Vorteile entgegennehmen, mit dem vorgesehenen
Publikationssystem gar nicht wirksam in ihrem Verhalten
überwacht werden
. (363) Und warum können sie das
nicht? Weil der Gesetzgeber in seinem Übereifer da den
hoffnungslosen Versuch startet, Verhaltensweisen durch
Offenlegungspflichten zu bekämpfen, die weitgehend darauf
angelegt sind, nicht sichtbar gemacht zu werden
!
(366) Egal, ob es nun wenige
‚schwarze Schafe‘ oder ziemlich viele Mandatsträger sind,
die da in der Grauzone ihrer Doppelnatur wirtschaften und
für sich und ihr Privatinteresse wie für das ihrer
zahlungskräftigen Klientel das Beste zu machen versuchen:
Der Einwand sitzt jedenfalls. Wer A sagt und die
Interessenvertretung ‚des gesamten Volkes‘ in unserer
bekannt pluralistischen demokratischen Gesellschaft Typen
überantwortet, die bei der Pflege von Interessen ihrem
Gewissen und sonst niemandem Rechenschaft schulden, muss
schon auch B sagen – und der Gewissensprüfung der
ehrenwerten Mandatsträger anheim stellen, was sie bei der
Vereinbarung ihres Privatinteresses mit ihrem Beruf der
Volksvertretung so alles für vereinbar halten. Dann kann
der Gesetzgeber sie aber auch gleich dazu auffordern, ihm
die Gesetze mitzuteilen, die sie im Zuge ihrer
Vorteilsnahmen und Begünstigungen nicht einzuhalten
gedenken – und genau diesen Sockenauszieher aus
Juristenkreisen haben die 4 Richter zum Argument gegen
‚Transparenz‘ bei Diätenempfängern gemacht.
Freilich schon auch in der Absicht, damit dem Grundgesetz und den Grundregeln der Demokratie Rechnung zu tragen, und so gilt für ihr Votum dasselbe wie für das ihrer Kollegen: Schöner lässt sich für die Demokratie einfach nicht argumentieren. Die einen werben für das Vertrauen des Volks in seine Vertreter damit, dass deren Privateinkommen ab sofort ‚transparent‘ sind, sofern sie von den Konteninhabern entsprechend transparent gemacht werden; und die anderen damit, dass es diese Transparenz der Volksvertreter in der Demokratie gar nicht braucht, weil man nämlich auf dem Gesetzesweg die intransparenten Dunkelmänner im Parlament sowieso nicht zu fassen kriegt.
Letztlich doch kein Zufall, dass bei der Meinungsbildung im Verfassungsgericht ein 4:4- Unentschieden herauskommt.
Causa finita
Das Volk, der Souverän in der Demokratie, hat mit dem Spruch des Verfassungsgerichts rechts- und damit endgültig ein neues Kriterium zur Prüfung an der Hand, wen es für den Auftrag, gut zu regieren, ins Parlament wählen soll. Es kann sich via Internet darüber kundig machen, welche Nebeneinkünfte seiner Abgeordneten dort veröffentlicht sind. Dann kann es denen seine Stimme geben, weil sie reich sind, also Erfolg haben; oder obwohl sie, wo sie doch Politiker sind, auch noch privat erfolgreich sind. Es kann auch die Geldgeber und Sponsoren als Ausweis der unbedingten Vertrauenswürdigkeit derer nehmen, die für die Volksvertretung zur Wahl stehen. Aber auch als das Gegenteil davon und als Beweis, dass ‚die da oben‘ sowieso alles unter sich ausmachen. Es kann das alles aber auch bleiben lassen und sich auf seine Weisheit zurückziehen, dass Politik ‚ein schmutziges Geschäft‘ ist. Dann entweder gar nicht wählen oder dieselben wie neulich oder eben andere. So oder so stellt es seine demokratische Reife unter Beweis: Es befasst sich nicht damit, was ihm von den Regierenden serviert wird, sondern ausschließlich mit den sachfremden Gesichtspunkten, unter denen es denen Vertrauen schenkt – oder entzieht. Dafür, dass die Untertanen dies nun auch noch via Internet und über ein bisschen Einblick in den privaten Geldverkehr ihrer Herrscher können, hat die Demokratie dem Verfassungsgericht zu danken.