Aus der Reihe „Chronik - kein Kommentar!“
Ein Dauerbrenner in der öffentlichen Auseinandersetzung um einen ordentlichen nationalen Niedriglohnsektor und die wenig besinnlichen Alternativen:
Der Mindestlohn – Fluch oder Segen? Jobkiller, Konjunkturbremse, Wirtschafts-, Verbraucher – und Arbeiterschädlicher Fehlgriff oder soziales Friedensinstrument?
Kein Tag, an dem nicht öffentlich über den Fortgang des nationalen ‚Reformprogramms‘, die erledigten und noch zu erledigenden Posten kritisch berichtet und über die konsequente Fortsetzung diskutiert würde. Inzwischen ist bei dieser Daueragenda die Frage, ob, und wenn ja, wo und wie die Politik im Verein mit den Sozialpartnern gewisse Grenzen in Sachen Niedriglohn einziehen sollte, zum politischen Streitgegenstand und öffentlichen Dauerthema gediehen. Der Arbeitsminister macht sich generell für die Notwendigkeit von Mindestlöhnen stark. Schon wegen der vielen Hartz-IV-Aufstocker: Die Unternehmer sind unter kundiger Anleitung ihres regierenden Ausschusses in Berlin nämlich so erfolgreich beim Senken des Preises der Arbeit, das ein Großteil der Älteren und Geringqualifizierten, die sie jetzt wieder brauchen wollen – was Wunder, bei dem Preis! –, trotz Vollzeitbeschäftigung zusätzliche Stütze braucht und kriegt.
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Ein Dauerbrenner in der öffentlichen Auseinandersetzung um einen ordentlichen nationalen Niedriglohnsektor und die wenig besinnlichen Alternativen:
Der Mindestlohn – Fluch oder Segen? Jobkiller, Konjunkturbremse, wirtschafts-, verbraucher- und arbeiterschädlicher Fehlgriff oder soziales Friedensinstrument?
Keine Woche, in der die Politik nicht irgendeines ihrer sozialen ‚Reformvorhaben‘ vorantreibt, irgendeine ihrer Kassen und Einrichtungen zur Betreuung von Arbeitslosen, Rentnern und Kranken unter dem Gesichtspunkt der ‚Kostenentlastung‘ umgestaltet, sich an der weiteren Senkung der ‚Lohnnebenkosten‘ zu schaffen macht – und Erfolge bei der Korrektur der ‚ausufernden Soziallasten‘, Fortschritte bei der Schaffung neuer Arbeitsplätze durch die Ausweitung des Niedriglohnsektors und bei der Senkung der Arbeitslosenzahlen durch verstärkte ‚Anreize‘ und flexibleres Handhaben zur Senkung von Lohnansprüchen vermeldet. Kein Tag auch, an dem nicht öffentlich über den Fortgang des nationalen ‚Reformprogramms‘, die erledigten und noch zu erledigenden Posten kritisch berichtet und über die konsequente Fortsetzung diskutiert würde. Inzwischen ist bei dieser Daueragenda die Frage, ob, und wenn ja, wo und wie die Politik im Verein mit den Sozialpartnern gewisse Grenzen in Sachen Niedriglohn einziehen sollte, zum politischen Streitgegenstand und öffentlichen Dauerthema gediehen. Der Arbeitsminister macht sich generell für die Notwendigkeit von Mindestlöhnen stark. Schon wegen der vielen Hartz IV-Aufstocker: Die Unternehmer sind unter kundiger Anleitung ihres regierenden Ausschusses in Berlin nämlich so erfolgreich beim Senken des Preises der Arbeit, dass ein Großteil der Älteren und Geringqualifizierten, die sie jetzt wieder brauchen wollen – was Wunder, bei dem Preis! –, trotz Vollzeitbeschäftigung zusätzliche Stütze braucht und kriegt. Insbesondere macht sich Müntefering im Verein mit seiner Partei für eine Mindestlohnregelung bei der Post als Ausgleich für die Abschaffung des Postmonopols stark. Genauso wie der Chef der Deutschen Post, der ab 2008 Konkurrenz ins Haus steht, findet der es nicht in Ordnung, dass der Post mächtige Unternehmen Umsatz und Arbeitsplätze wegnehmen
und sich das vom Steuerzahler mitfinanzieren lassen. Hier geht es also um Gewichtigeres als bloß die ‚soziale‘ Frage, wie es um das Auskommen der Niedriglohnbezieher bestellt ist und ob der Staat da Handlungsbedarf sieht: um standortpolitische Entscheidungen bezüglich der Konkurrenz eines deutschen Großunternehmens und seiner Kontrahenten nämlich. Aus solchen Erwägungen heraus drängt der Vizekanzler auf Aufnahme der Briefdienste ins Entsendegesetz: Allen Beschäftigten der Branche soll laut Gesetz ab 2008 mindestens der Tariflohn von nicht ganz 10 Euro West und etwas darunter im Osten gezahlt werden, den Deutsche Post und Verdi ausgehandelt haben. Damit entfacht er nicht nur einen heftigen Streit mit dem Koalitionspartnern, sondern eine nicht minder heftige öffentliche Debatte.
Die Bild-Zeitung ist entschieden dagegen und startet eine Kampagne gegen den Mindestlohn. Nicht bloß deswegen – wie einige Journalisten von der seriösen Konkurrenz argwöhnen – , weil ihr Eigentümer, der Springer-Konzern, ein paar hundert Millionen Euro in den Aufbau von PIN-Mail, einem zukünftigen Post-Konkurrenten, gesteckt hat, der seinen Briefträgern mit der hübschen grünen Jacke eher so um die sieben Euro zahlt. Nein, Bild macht Journalismus für ihre Leserschaft und fragt: Mindestlohn – Ist das wirklich gut für die Beschäftigten?
(19.9.) Die klare Antwort: Nein, sagen die Experten!
- und zwar unisono ungefähr so:
„Die Erfahrung zeigt, dass Mindestlöhne Jobs kosten, vor allem bei den Geringqualifizierten. Ein Mitarbeiter darf ein Unternehmen nicht mehr kosten, als er der Firma einbringt. Genau diese Gefahr besteht bei Mindestlöhnen. Da können die Arbeitskosten vor allem bei Geringqualifizierten so stark steigen, dass sich die Anstellung für den Betrieb nicht mehr rechnet.“ (Prof. W. Franz, Wirtschaftsweiser, in Bild vom 18.9.)
Oder so:
„Gesetzliche Mindestlöhne sind immer Gift für den Arbeitsmarkt und setzen gerade Geringverdiener verstärkt dem Risiko der Arbeitslosigkeit aus. Nach unseren Berechnungen vernichtet ein bundesweiter Mindestlohn von 7,50 Euro insgesamt 1,1 Millionen Arbeitsplätze.“ (Prof. Hans-Werner Sinn vom Ifo-Institut München, in Bild, 8.10.)
So richtig neu dürften diese Mitteilungen auch den Geringqualifizierten
unter den Bild-Lesern nicht sein. Schließlich zeigt ihnen die Erfahrung
in ihrem Alltag recht drastisch, was es heißt, dass man nicht mehr kosten darf, als man der Firma einbringt
. Schließlich bestreiten die Unternehmen ihre Konkurrenz mit der ständigen Senkung der Lohnkosten und kalkulieren mit entsprechend gestiegenen Gewinnmargen, unterhalb derer sich für sie ihr Betrieb nicht mehr lohnt, sich Lohnkosten also ‚natürlich‘ nicht mehr ‚rechnen‘. Daher kann man seinen Arbeitsplatz als Geringverdiener
ziemlich schnell vergessen, wenn man der Gegenseite mit irgendwelchen Forderungen kommt. Und „natürlich“ muss man nach dem Motto ‚Nehme jede Arbeit an!‘ Abstriche vom Lohn machen, wenn man einem Arbeitgeber nicht mehr zu bieten hat als seine pure Arbeitswilligkeit, weil man auf jeden Job angewiesen ist. Diese totale Ohnmacht und Abhängigkeit von den Unternehmern kennen Bild-lesende Arbeiter sehr gut, ob sie je mit dem Niedriglohnsektor zu tun hatten oder nicht: Das gehört zur allgemeinen Erfahrung
von Millionen abhängig Beschäftigter
heutzutage, schon gleich, wenn sie sich auf dem Niedriglohn-Arbeitsmarkt herumtreiben.
Dies alles kennen Bild-Leser also. Aber den ‚einfachen Leute von der Straße‘ wird diese ihre praktische Stellung und Rolle auf dem Arbeitsmarkt aus dem Mund von Experten, quasi von höherer, neutraler Seite, nochmals bestätigt: Nicht bloß ihr interessierter Gegner auf dem Arbeitsmarkt, sondern Professoren, die ‚es ja wissen müssen‘, ja sogar Nobelpreisträger aus dem Ausland, die ganz uninteressiert auf Deutschlands Verhältnisse schauen (Mindestlohn hilft euch Deutschen nicht
, so der amerikanische Nobelpreisträger von 2006 Edmund Phelps, 12.10.) – also fraglos anerkannte Autoritäten teilen ihnen öffentlich mit, dass all dies nicht bloß ihre, der Betroffenen Erfahrung
ist, sondern Ausdruck vielleicht unliebsamer, aber eben schlichtweg gültiger, unverrückbarer Verhältnisse in Deutschland: Tatsache ist, dass die Arbeitsproduktivität über den Lohn entscheidet. Dort, wo sie z.B. 9,80 Euro pro Stunde nicht hergibt – und das ist bei vielen Post- und Zustelldiensten der Fall – wird ein Mindestlohn von 9,80 Euro Arbeit vernichten.
(Florian Gerster, Arbeitgeberpräsident der neuen Briefdienste, 8.10) Die Sachverständigen für Wirtschaft argumentieren also mit den kapitalistischen Gegebenheiten und buchstabieren den Lesern ihre Not mit der Arbeit als Notwendigkeit des Systems vor. Sie beweisen ihnen, dass sie mit ihrer Lebensweisheit – ‚Ein beschissen bezahlter Arbeitsplatz ist immer noch besser als gar keiner!‘ – goldrichtig liegen, weil sie als ohnmächtige und abhängige Geringverdiener
dazu sowieso nie mehr eine Alternative haben.
Als Einwand gegen die apostrophierten Verhältnisse missversteht das niemand: Die größte real existierende Arbeiterzeitung Deutschlands betreibt auf diese Art journalistischen Populismus – sie gibt ihrem Publikum als bravem, dienstbereitem Arbeitsvolk vollumfänglich recht und macht Stimmung in der Nation für sie und ihr Interesse an Beschäftigung zu jedem Preis und gegen ein Mindest
beim Lohn, weil das Gift
und nicht wirklich gut für die Beschäftigten
ist.
*
Auch die Bevölkerungskreise, die eher nicht zu den Betroffenen von Niedriglöhnen zählen, dürfen sich ihre Meinung über einen Mindestlohn bilden. Selbstverständlich spricht die seriöse Presse die betroffenen Geringverdiener
nicht an, sondern über sie: Sie bietet dem gehobenen Publikum von einer etwas anderen Warte aus Gesichtspunkte, über das Für und Wider einer staatlich verfügten Lohnuntergrenze zu räsonieren.
Detlef Esslinger von der Süddeutschen Zeitung ist dafür. In seinem Leitartikel vom 21.9. plädiert er für einen Lohn zum Leben
, den der Staat tatsächlich mal den Unternehmern diktieren sollte, weil die bisherigen Gepflogenheiten unter der Tarifautonomie in Deutschland nicht mehr so recht funktionieren würden:
„Eine Errungenschaft verliert an Bedeutung, die in der Bundesrepublik bisher als Erfolgsmodell galt. Wer sein Leben in diesem Staat, in dieser Gesellschaft verbracht hat, wer die soziale Marktwirtschaft als einen ziemlich gelungenen Kompromiss zwischen Kapital und Arbeit erlebt hat, der kann sich vielleicht gar nichts anderes vorstellen, als dass Löhne jeweils das Resultat freier Verhandlungen zwischen Repräsentanten der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer sind. So erbittert mitunter um deren Höhe gestritten wird – zum Grundkonsens beider Seiten gehörte es, dass sich vor allem der Staat hier herauszuhalten hat. Tarifautonomie nennt man dieses Prinzip, es gehört eigentlich zum Inventar dieses Landes.“
Aber da sich einige Unternehmer in diversen Branchen an dieses schöne Prinzip
heute nicht mehr halten wollen, geht vielen Beschäftigten diese Errungenschaft
eben heute verloren.
Auf diese Perspektive muss man auch erst einmal kommen! Der Kommentator blickt auf die katastrophalen Lohnverhältnisse von Millionen Beschäftigten bei Bau, Gebäudereinigern und jetzt auch Briefträgern und vermisst – die Errungenschaft
Tarifautonomie! Als würden die zahllosen Niedriglöhner nichts dringender brauchen als ein formvollendetes Tarifritual zwischen Unternehmern und konsenssüchtigen Gewerkschaften, die sich jeden Kampf um den Lohn ihrer Mitglieder sparen wollen, damit sie als mitgestaltende Kraft ihr Arbeitervertretungsmonopol behalten können! Ein Ritual, bei dem es angeblich so partnerschaftlich zugeht wie in der Metall-, Chemie- Banken- oder Medienbranche ... Dort finden Verhandlungen statt, die diesen Namen verdienen. Das Ergebnis sind Löhne, die den Unternehmen qualifiziertes Personal und den Beschäftigten ein Auskommen sichern.
Welches Auskommen die Löhne bei VW oder Telekom nach den massiven Arbeitszeitverlängerungen und Gehaltsabsenkungen noch sichern
, möchte man besser nicht wissen. Dem SZ-Autor wird auch bekannt sein, dass sich so mancher partnerschaftlich
ausgehandelte Tariflohn den Löhnen in den Lohndrücker-Branchen
angenähert hat. Das scheint für ihn aber alles nicht so schlimm zu sein. Der wirklich große Missstand findet sich erst dort, wo, wie bei den neuen Postunternehmen, der Lohn nicht einmal mehr ausgehandelt wird. Dann ist nämlich der schöne Schein des ‚Prinzips Tarifautonomie‘, wie wir ihn aus unseren Sozialkundebüchern kennen, kaputt: Kapital und Arbeit setzen sich gemeinsam an einen Tisch, verhandeln, und alle bekommen mehr oder weniger ihren gerechten Anteil an gesellschaftlicher Teilhabe. Darin ist der gebildete Staatsbürger Esslinger so vernarrt, dass er es unmöglich findet, wenn sich einige Bourgeois wie die Eigentümer von PIN-Mail oder TNT so unanständig aufführen, dass sie ihren Beschäftigten umstandslos den Lohn diktieren:
„In solchen Branchen sind nur die wenigsten Arbeitnehmer Mitglied einer Gewerkschaft – mit der Folge, dass die Bezahlung de facto oft nach einem Prinzip erfolgt, das kein Arbeitgeber je anprangern würde: dem des privaten Lohndiktats.“
Und dieses Prinzip
, Lohn zu zahlen, sieht sehr schlecht aus, so schlecht, dass man sich echt Sorgen um die staatliche Ordnung machen muss:
„Solche Unternehmen sind dabei, die soziale Marktwirtschaft in eine reine Machtwirtschaft zu verwandeln, und es soll niemand glauben, das werde auf Dauer vonstatten gehen, ohne dass auch die demokratische Ordnung des Landes Schaden nimmt.“
Das sei der Elite der Nation von einem sozialkundlich gebildeten Journalisten mal gesagt: Denkt euch in die Millionen Hartz-IV-Aufstocker hinein und fragt euch, ob unsere Marktwirtschaft bei denen nicht ihren guten Ruf verlieren könnte, wenn euer Kapitalismus so aussieht! Lohnzahlung ohne Tarifritual – macht dann dieses ‚abgehängte Prekariat‘ überhaupt noch bei unserer demokratischen Ordnung mit? Oder stiftet es am Ende deswegen Unordnung? Dann schon lieber rechtzeitig einen demokratiefördernden Lohn in Höhe von 9,80 Euro, damit Briefträgern und anderen Geringstverdienern ihr gutes Gefühl nicht abhanden kommt, sie wären irgendwie auf Augenhöhe mit ihren Arbeitgebern:
„Mindestlöhne sind in diesen Branchen ein Instrument, um wieder Waffengleichheit zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern herzustellen. Wem dazu nicht mehr einfällt, als die Floskel vom „staatlichen Lohndiktat“, der hat nicht verstanden, worum es in Wahrheit geht“
– um den besorgten Citoyen Esslinger nämlich, der um die loyalitätsstiftende Wirkung seines Fetischs ‚Tarifautonomie‘ bangt und Ersatz im staatlichen Lohndiktat
findet. So gebildet kann man Lesern erklären, wofür ein Mindestlohn für Briefträger gut ist!
*
Darüber kann die Redaktion der Frankfurter Allgemeinen Zeitung nur den Kopf schütteln. In Frankfurt liest sich ‚Tarifautonomie‘ schon immer etwas anders. Dort verbindet man mit diesem Stück des bundesrepublikanischen Inventars eher die Freiheiten und Rechte der Bourgeoisie. Und die geraten mit einer vom Staat verfügten unteren Lohngrenze sehr in Gefahr. In ihrem Kommentar Tarifpartner Staat
vom 20.9. präsentiert die FAZ dem Leser eine eindrucksvolle Liste von Opfern eines Post-Mindestlohns.
Erstens die Unternehmer:
„Die Tarifautonomie war einmal, von nun an redet der Staat in der Lohnfindung ein kräftiges Wort mit: Mit dem Kabinettsbeschluss nimmt der Mindestlohnzug kräftig Fahrt auf, und es steht zu befürchten, dass Branche um Branche die von den Tarifparteien ausgehandelten untersten Lohngruppen vom Staat zum Standard erklärt werden, von dem kein Unternehmen mehr abweichen darf.“
Wer möchte da noch etwas unternehmen? Da nützen die Arbeitgeber ihre wohlverdiente unternehmerische Macht und schaffen ein Dutzend Lohngruppen nach unten, und dann kommt der Staat daher und sagt, dass man als Arbeitgeber von seiner untersten Lohngruppe nicht mehr nach unten abweichen darf? Gemein! Und das, wo sich die betroffenen Arbeitnehmer alles gefallen lassen!
Zweitens die kapitalistische Konkurrenz:
„Gerade die Auseinandersetzung um einen gesetzlichen Mindestlohn für den Briefträger zeigt, welche Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt bevorstehen. Denn hier spielt ein ehemaliges staatliches Monopolunternehmen seine beherrschende Stellung am Markt im Arbeitgeberverband aus, um mit der Gewerkschaft einen Mindestlohntarifvertrag auf europäischem Höchstniveau – 9 Euro im Osten, 9,80 Euro im Westen – abzuschließen ... So raubt der Staat den Postkonkurrenten den wesentlichen Wettbewerbsvorteil geringerer Personalkosten. Im Endeffekt wird damit das zum Jahresende auslaufende Briefmonopol der Post verlängert.“
Monopol oder Kampf um ein Milliardengeschäft? Diese Frage geht jeden Bürger etwas an. Denn nichts ist marktwirtschaftlich vernünftiger, als dass von 2008 an drei oder vier Konzerne ihre Briefkästen aufstellen und in die Schlacht ums Geldverdienen beim Briefzustellen ziehen. Selbstverständlich müssen dann aber gerade die Newcomer in der neu geschaffenen Geschäftssphäre auch alle Waffen der Konkurrenz haben, und eine unverzichtbare ist in dieser arbeitsintensiven Branche eben die Unterbietung des Lohnniveaus des Ex-Monopolisten bei der eigenen Belegschaft. Aber wie sollen Springer und Co. da ihren Kapitalvorschuss von mehreren hundert Millionen verwerten, wenn sie den eigenen Beschäftigten glatt einen Lohn „auf europäischem Höchstniveau“ um das Existenzminimum herum zahlen müssen? Wer übrigens immer noch glaubt, das wären nur die Geschäftsaffären der höheren Art von drei mächtigen Konzernen, vergisst einen weiteren Geschädigten.
Drittens der Verbraucher:
„Die Zeche zahlen die Verbraucher durch höheres Porto.“
Von zehn Cent für den Standardbrief ist die Rede – das haut rein in den Verbraucherhaushalten mit ihren Massensendungen!
Viertens die Wirtschaft überhaupt:
„...‚zehn Cent mehr für den Brief‘ hält der SPD-Vorsitzende Beck im Interesse auskömmlicher Löhne für gerechtfertigt. Die wahren Kosten des Mindestlohns werden mit solchen Zahlenspielen demagogisch verniedlicht. Niemand beziffert die Arbeitsplatzverluste, die sich durch Wettbewerbsverzerrung nicht nur bei den Postkonkurrenten, sondern quer durch die Wirtschaft ergeben. Schließlich fehlt das Geld, das die Kunden zur Subventionierung höherer Postlöhne aufbringen müssen, an anderer Stelle.“
Wenn für Deutschlands Unternehmer erst einmal das Porto billiger wird, dann wird aber Kapital freigesetzt! Dann werden Arbeitsplätze gestiftet, dass es kracht. Aber so, wenn die Konkurrenz um die Briefe nicht in Gang kommt und das Geld der deutschen Wirtschaft für die Portokasse draufgeht, gehen die schönen Arbeitsplätze alle wieder verloren.
Damit hat auch die FAZ fünftens und schlussendlich die abhängig beschäftigten Bürger unterer Qualifikation als Opfer eines Mindestlohns entdeckt:
„Das Schutzversprechen des Mindestlohns ist hohl, denn er verschlechtert die Perspektiven gering Qualifizierter auf einen Arbeitsplatz. Ihre Interessen werden mit der Mindestlohnpolitik der großen Koalition erheblich verletzt.“
Aber das hatten wir ja schon, bei der Bild ...