Aus der Reihe „Chronik - kein Kommentar!“
Metall-Tarifrunde:
„Berthold Huber bricht mit Tarif-Tabus“
Statt Lohn fordern, gemeinsam Kurzarbeit fördern!
Metall-Unternehmer berufen sich einmal nicht wie üblich auf ihre schwierige Konkurrenzlage und die Sachnotwendigkeit, ‚Beschäftigung abzubauen‘, wenn sich das ‚Arbeitgeben‘ für sie nicht lohnt, und weisen mit dieser Drohung Lohnforderungen der Gewerkschaft zurück. Die Metall-Gewerkschaft selber verwahrt sich hier schon im Vorfeld der Tarifrunde gegen ‚Schönfärber‘ der wirtschaftlichen Notlage aus der Unternehmerschaft und eröffnet damit eine eigentümliche Front. Die Politik soll gefälligst ein Einsehen haben: Die Unternehmen tun sich mit dem Beschäftigen nach wie vor schwer.
Aus der Zeitschrift
Systematischer Katalog
Länder & Abkommen
Metall-Tarifrunde:
„Berthold Huber
bricht mit Tarif-Tabus“ Statt Lohn fordern, gemeinsam
Kurzarbeit fördern!
„Die Krise ist weder vorbei, noch ist sie überwunden! Erst recht nicht mit Blick auf die Beschäftigungsrisiken! Wer jetzt vom Ende der Krise faselt, hat nichts verstanden.“ (IG Metall- Bezirksleiter A. Schild, WamS, 22.11.09) „Die IG Metall kann ein baldiges Ende der Krise nicht erkennen.“ (Bezirksleiter Neugebauer, Nürnberger Nachrichten, 16.1.)
Hier berufen sich einmal Metall-Unternehmer nicht wie üblich auf ihre schwierige Konkurrenzlage und die Sachnotwendigkeit, ‚Beschäftigung abzubauen‘, wenn sich das ‚Arbeitgeben‘ für sie nicht lohnt, und weisen mit dieser Drohung Lohnforderungen der Gewerkschaft zurück. Die Metall-Gewerkschaft selber verwahrt sich hier schon im Vorfeld der Tarifrunde gegen ‚Schönfärber‘ der wirtschaftlichen Notlage aus der Unternehmerschaft und eröffnet damit eine eigentümliche Front. Die Politik soll gefälligst ein Einsehen haben: Die Unternehmen tun sich mit dem Beschäftigen nach wie vor schwer. Dass die im gegebenen Fall mit massenhaften Entlassungen dafür sorgen, dass die Lohnkosten sinken und sich das Geschäft wieder ordentlich lohnt, dies eherne Gesetz kapitalistischer Konkurrenz hat die IG Metall offenkundig so verinnerlicht, dass sie sich angesichts der unternehmerischen Entlassungsdrohungen zum Anwalt von deren ‚Nöten‘ macht: Da sind Unternehmen in einer „schwierigen Lage“, können deswegen nicht, was sie sollen und wollen: beschäftigen. Diese Notlage gilt es gemeinsam zu bewältigen – und dabei droht beiden, Unternehmern und Gewerkschaften, von einer kurzsichtigen Politik im Stich gelassen zu werden. Die will nämlich die staatliche Kurzarbeitsregelungen Ende 2010 auslaufen lassen. Unmöglich, findet die IG Metall. Kurzarbeit, das genau ist nach ihrer Vorstellung der Weg, für die Unternehmen das Beschäftigen in ‚schwerer Zeit‘ möglich und Entlassungen überflüssig zu machen.
Das ist der Gewerkschaft klar: Arbeitsplätze rettet man nur, wenn man dafür sorgt, das jeder Euro bezahlter Lohn sich auch nach unternehmerischen Gewinnmaßstäben lohnt. Also muss man die Belegschaftskosten entsprechend verbilligen, ohne dass und damit nicht entlassen werden muss. Das muss doch zu machen sein, das unternehmerische Kalkül mit Entlassungen und Mehrarbeit der verbliebenen Belegschaft überflüssig zu machen. Man muss nur dafür sorgen, dass die Rechnung der Unternehmer anders aufgeht: mit einem umfassenden Kurzarbeitsprogramm eben. Dafür macht sich die IG-Metall diesmal in der Tarifrunde stark und tritt mit Vorschlägen und Forderungen an, was Gewerkschaft, Unternehmer und Staat dafür tun können und sollen.
An erster Stelle sieht sie sich selber in der
Pflicht. Von den Arbeitgebern etwas zu fordern, wenn
deren Gewinnerwartungen so schlecht ausfallen und die mit
Entlassungen im großen Stil drohen, das geht auf keinen
Fall. Da hält es die IG Metall ganz mit der Gegenseite:
Man sichert Jobs nicht dadurch, dass man sie teurer
macht.
(Arbeitgeber-Chef
Kannegiesser, SZ, .9.2.) Den jährlich neu fälligen
Streit um den Lebensunterhalt der Beschäftigten erledigt
sie für diesmal kurzerhand mit der schäbigen Vokabel, mit
der Arbeitgebervertreter und Öffentlichkeit
Tarifauseinandersetzungen gewöhnlich als unsinniges und
schädliches Produkt gewerkschaftlicher Borniertheit
bloßstellen: Die alten (Tarif-)Rituale machen in
dieser einmaligen Situation keinen Sinn. Wir brauchen
einmalige Lösungen
(so ein
gewerkschaftlicher Tarifexperte, SZ, 9.2.),
keinesfalls aber eine stinknormale
Gehalts-Tarifrunde
. (Neugebauer, NN, 16.1.) Getreu
diesem Motto verzichtet die Gewerkschaft demonstrativ vor
jeder Verhandlung auf eine Lohnforderung – außer einem
eventuellen ‚Inflationsausgleich‘. Zudem zieht sie die
Tarifverhandlungen vor, damit erst gar nicht der Eindruck
entsteht, sie wolle mit der Gegenseite um die Korrektur
des auslaufenden Tarifvertrags streiten oder gar mit
Warnstreiks und Ähnlichem ‚Druck machen‘. Statt einer
gewerkschaftlichen Lohnforderung eröffnet sie
den Unternehmern umgekehrt ein weitreichendes
Lohnsenkungsangebot in Gestalt eines
‚Arbeitszeitverkürzungsmodells‘. Das Angebot eröffnet
Unternehmen die Freiheit, die Arbeitszeit über die bisher
schon tarifvertraglich für Ausnahmefälle zugestandene
Absenkung auf bis zu 29 Stunden um weitere drei Stunden –
und damit auch den Lohn – zu kürzen. Angeboten wird
ferner eine anteilige Befreiung vom Urlaubs- und
Weihnachtsgeld sowie von Beiträgen für die betriebliche
Altersvorsorge (den sogenannten Remanenzkosten). Dem
unternehmerischen Kalkül mit Entlassungen und Mehrarbeit
der verbliebenen Belegschaft setzt die IG-Metall somit
das Angebot einer radikalen Flexibilisierung der
Arbeitszeit und des Lohns nach unten entgegen. Den
Unternehmern will sie Beschäftigung abringen, indem sie
ihnen bei ihrer Kalkulation mit Arbeit und Lohn in der
Krise mehr denn je Rücksichten auf das Auskommen erspart,
das für die Lohnabhängigen an ihrem Einkommen hängt.
Dafür sollen sie dann aber auch versprechen, die
angebotenen Kurzarbeitsmöglichkeiten zu nutzen.
Dass der so zu verdienende Minderlohn für seine Bezieher hinten und vorn nicht reicht, weiß die Arbeitervertretung auch und berücksichtigt das auf ihre Weise. Das Lohnopfer der von ihr Vertretenen, das sie offensiv anbietet, hat einen gewissen ‚Preis‘. Unternehmer und Staat sollen das Ihre dazu tun, Beschäftigungs- und Lohnverhältnisse zu organisieren, die überhaupt nicht mehr an irgendwelchen Lebensnotwendigkeiten der Beschäftigten Maß nehmen.
Die Unternehmer sollen den Lohnverzicht bei der
erweiterten Kurzarbeit mit 25 % des Stundenlohns
teilweise ‚ausgleichen‘: Die IG-Metall will einen
Teillohnausgleich durchsetzen, da die Monatsgehälter
bereits an der untersten Grenze angekommen seien
(SZ, 9.2.) – was nach
gewerkschaftlicher Logik eben nicht heißt, dass es nicht
weiter nach unten gehen kann; es braucht nur einen
gewissen ‚Ausgleich‘ dafür. Der gleicht zwar nichts aus,
sondern ist letztlich nur eine verrückte, allerdings sehr
passende Berechnungsweise der vorgeschlagenen Lohnsenkung
nach der Devise: Eigentlich stehen den Unternehmern 100 %
Ersparnis für die Nichtarbeitsstunden zu; davon geben sie
jedoch 25 % wieder an die andere Seite zurück. Damit ist
dann aber dem sozialen Gesichtspunkt, dass die
Beschäftigten von ihrer Beschäftigung auch irgendwie
leben müssen, nach Gewerkschaftsauffassung Gerechtigkeit
widerfahren.
Vor allem aber soll der Staat finanziell mithelfen, von der Gewerkschaft propagierte Beschäftigungsverhältnisse haltbar zu machen, von denen die Beschäftigten erklärtermaßen nicht mehr ‚normal‘ leben können. Die Politik soll nicht nur die gesetzliche Kurzarbeitsregelung und damit den Lohnzuschuss aus der Arbeitslosenversicherung weiterlaufen lassen. Der Staat soll den Unternehmern auch für ihren „Teillohnausgleich“ für die tarifvertraglich erweiterte Kurzarbeit seinerseits wieder einen finanziellen Ausgleich bieten:
Der Staat sollte sich beteiligen, indem er den
teilweisen Lohnausgleich durch die Arbeitgeber von
Steuern und Abgaben freistellt... Damit das Modell
funktioniert, soll sich der Staat finanziell
engagieren.
(FAZ,
20.11.09)
Die IG-Metall betrachtet ihre 25 %-Ausgleichsforderung an die Unternehmerseite offenkundig selbst für zu hoch und kaum tragbar für Deutschlands Arbeitgeber.
*
Die Unternehmer nehmen diese Steilvorlage
selbstverständlich auf und das Angebot dankend an; zahlen
wollen sie dafür allerdings nichts; recht besehen spart
die Kurzarbeit ihnen nämlich weder Kosten noch macht sie
die Belegschaft bedarfsgerecht flexibel für die
Unternehmen, sondern sie verursacht lauter Kosten dafür,
dass sie ihre Belegschaften ohne ausreichenden Bedarf und
sozusagen auf Vorrat in Arbeit halten: Unser
Verteilungsspielraum ist negativ.
Die Kurzarbeit,
bei der die Unternehmen ja die Remanenzkosten zahlen
müssen, geht vielen an die Substanz.
(Kannegießer in der WamS, 22.11.09) Für
die Lösung des leidigen Problems, dass die Freiheit, im
Bedarfsfall bis zu 9 Stunden bezahlte Arbeitszeit
einzusparen, nicht zum absoluten Nulltarif zu haben ist,
wollen auch sie den Staat in Anspruch nehmen – mit dem
schönen Hinweis: Die Staatskasse wird unter dem Strich
entlastet, da das tarifliche Kurzarbeitergeld geringer
ausfällt als das gesetzliche.
(SZ, 9.2.)
*
Nun muss sich nur noch die Politik von dieser Allianz aus
IG-Metall und Gesamtmetall überzeugen lassen, dann steht
der neuen, tripartistischen Solidarleistung
(ein IG-Metall Bezirksleiter, FAZ,
20.1.09) nichts mehr im Wege.