Aus der Reihe „Chronik - kein Kommentar!“
Die UNO hat ermittelt:
„Marktwirtschaft hat die Menschen im Osten ins Elend gestürzt“!
Und was folgern wir daraus? Weiter so!
Unübersehbar für Sachverständige der UNO, dass die Marktwirtschaft seit 10 Jahren den Ländern hinter dem ehemaligen eisernen Vorhang nur Armut gebracht hat. Als Rezept dagegen: mehr Marktwirtschaft!
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Die UNO hat ermittelt:
„Marktwirtschaft hat die Menschen im Osten ins Elend
gestürzt“! Und was folgern wir daraus? Weiter
so!
Im Rahmen ihres Berichts ‚Die Weltwirtschaft im Jahre
1999‘ blicken die Sachverständigen der UNO auch nach
Osten und geben in einer Studie Auskunft über zehn Jahre
Marktwirtschaft in den Ländern hinter dem ehemaligen
Eisernen Vorhang. Daß es den dort ansässigen
Völkerschaften nicht besonders gut geht, durfte man sich
bislang mit den Hinterlassenschaften einer ‚maroden
kommunistischen Planwirtschaft‘ erklären. Doch die SZ
präsentiert die Highlights dieser Studie unter dem
erstaunlichen Titel Marktwirtschaft hat Menschen im
Osten ins Elend gestürzt
:
„Der abrupte Übergang von der sozialistischen Plan- zur kapitalistischen Marktwirtschaft habe zu weit verbreiteter Armut geführt, die Kriminalitäts- und Sterblichkeitsraten hoch schnellen lassen, gleichzeitig seien die Geburtenraten und die Lebenserwartung der Menschen im Osten gesunken. Je weiter nach Osten man schaue, desto desolater werde die Lage. Vor allem in den früheren Sowjet-Republiken bahne sich eine soziale Krise enormen Ausmaßes an. Sinkende Löhne und hohe Inflation hätten die Menschen in die Armut getrieben; (…) Der Anteil der Bevölkerung in der Region, der mit einem Tageseinkommen von vier Dollar leben müsse, sei zwischen 1988 und 1994 von vier auf 32 Prozent gestiegen. Im gleichen Zeitraum seien auch die Selbstmordraten in die Höhe geklettert; … Suizid sei jedoch nur ein Grund, warum für viele Menschen der Reformprozeß ‚buchstäblich tödlich‘ gewesen sei. Hinzu kämen eine schlechte medizinische Versorgung und – vor allem bei jungen Männern – ein ‚zunehmend selbstzerstörerisches Verhalten.‘“ (SZ, 5.8.99)
Selbst das dürfte die soziale Lage im marktwirtschaftlich
regierten Osten noch etwas beschönigen. Denn wie Löhne,
die gar nicht gezahlt werden, sinken
können, und
womit sich das Bevölkerungsdrittel auf dem untersten
Armutsniveau ein Tageseinkommen von 4 Dollar
verschafft, wird wohl ewig Geheimnis der UN-Autoren
bleiben. Doch immerhin ist dem akribisch
zusammengetragenen Material auch so zu entnehmen, mit was
für einem Segen die Völker beschenkt wurden, die so lange
die Freiheit des Eigentums zu entbehren hatten: In den
nicht einmal 10 Jahren, in denen sie selbige genießen,
ist von den Volkswirtschaften, in denen sie vorher recht
und schlecht ihre Lebensgrundlage hatten, einfach nichts
mehr übrig geblieben, sie sind überflüssiger sozialer
Schrott und können sich ihres Elends mit Selbstmord
entledigen. Oder sie sterben einfach so schneller weg.
Das möchte man in der SZ-Redaktion so nicht stehen lassen. Den Eindruck, die über alles geschätzte Marktwirtschaft könnte tatsächlich für das Elend verantwortlich sein, das ihr Import in die ehemaligen Staaten des Ostblocks geschaffen hat, will man der Öffentlichkeit nicht zumuten. Und so macht man sich daran, die doch recht eindeutige Botschaft der UN-Studie in Zweifel zu ziehen:
„So ist die Region, die der Bericht abdeckt, riesig. Sie reicht von Polen über Teile des Balkans und Mittelasien bis zur russischen Ostküste. Alle diese Länder, die mit verschiedenen Voraussetzungen in den Reformprozeß gestartet sind, auf den knappen Nenner ‚arm statt rot‘ zu bringen, dürfte kaum möglich sein.“ (ebd.)
Weil die Größe des Desasters noch von der Größe des
betroffenen Territoriums übertroffen wird und nach Osten
zunimmt, sind für den Schreiber der SZ verbindliche
Aussagen über das Desaster von Haus aus
zweifelhaft und Statistiken generell heikel
. Das
Elend schaut doch gleich ganz anders aus, wenn man die
EU-Mitglieder in spe (…) Polen, Tschechien und
Ungarn
mit der Krise in Rußland vergleicht. Im Falle
ersterer hat es nämlich Perspektive, in letzterem Fall
nicht. Und überhaupt Rußland: Wieder trübt die Krise
in Rußland, dem größten Staat des untersuchten Gebiets,
das Bild der gesamten Region.
So dominant ist die
Ex-UdSSR auch als soziales Katastrophengebiet immer noch,
daß es die unglaublichen marktwirtschaftlichen Erfolge im
Kleinen verdrängt – und niemand es erwähnenswert findet,
daß die Lebenserwartung der slowenischen Männer doch
tatsächlich um vier Jahre gestiegen ist!
Blamieren sich die statistischen Zahlen des Elends schon
an den Landmassen, so fehlt es überhaupt an der rechten
Vergleichsbasis zwischen Früher und Jetzt: Die
Verbrechensstatistiken aus den alten
Polizeistaat-Zeiten
in denen die Regierungen der
früheren Ostblock-Länder damals vor allem den Statistiken
geglaubt haben, die sie selbst gefälscht hatten
,
sprechen da Bände, so daß Mord, Totschlag und alle
anderen kriminellen Karrieren im Neuen Osten nur eines
belegen: Neu ist das alles nicht. Auch wenn die Paupers
das Recht heute brechen, weil sie in einer
Marktwirtschaft, die für sie keine Verwendung hat, für
ihr Fortkommen keine Perspektive sehen – Rechtsbrecher
waren sie einfach schon immer.
Doch trotz all seiner wohlmeinenden Versuche, die Ehre
der Marktwirtschaft gegen die üble Nachrede einer
UN-Behörde zu retten: So ganz in Abrede stellen will der
Redakteur der SZ nicht, daß der Siegeszug des
Kapitalismus auch seine Schattenseiten hat: Trotzdem
ist genügend deprimierendes Material zusammengekommen, an
dem es nichts zu deuteln gibt.
Umso mehr freut es ihn
berichten zu dürfen, daß die Studie der UN seine
bedingungslose Parteilichkeit für die Marktwirtschaft
trotz der Verheerungen teilt, die sie nach sich
zieht: Als Konsequenz fordert der Bericht jedoch weder
das Ende der Reformen noch eine Rückkehr zur
Kommandowirtschaft.
Gott sei Dank verweigern sich
auch die UN-Sachverständigen für Wirtschaft dem einzig
senkrechten Schluß, daß die Völker im Osten wohl besser
beraten wären, ihr Schicksal nicht vom Ausgang der
Kalkulation abhängig zu machen, ob sie sich
marktwirtschaftlich rentabel vernutzen lassen oder nicht.
Das überrascht zwar nicht, denn ein Aufruf zum
antikapitalistischen Umsturz war von der UNO nun wirklich
noch nie zu hören. Doch daß auch die Autoren der Studie,
die die Marktwirtschaft für das Elend im Osten
verantwortlich machen, zu der einfach keine Alternative
kennen wollen, hält der Mann von der SZ schon für
besonders hervorhebenswert. Mit dem kapitalistisch
erzeugten Elend steht für ihn wie für die UNO die
Unvermeidlichkeit des Elends fest, daher das
‚allerdings‘ in seinem letzten Satz: Nötig seien
allerdings Programme, um die soziale Verelendung zu
stoppen.
Wie die dann aussehen sollen, ist, wie wir
die Leute von der UNO und der SZ kennen, auch schon klar:
Das beste Programm, die marktwirtschaftlich-soziale
Verelendung zu bekämpfen, ist und bleibt die
Marktwirtschaft!