Leserbrief
Zum Aussteigen im Kapitalismus
Wenn ich mit manchen Linken o.ä. diskutiere, kommt hin und wieder mal das Thema „Kommune“ auf. Die einen wollen da schon längst hin, die anderen sehen es als Lösung – nachdem sie mir versichert haben, exakt meiner Meinung zu sein – dem Kapitalismus zu entfliehen.
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Zum Aussteigen im Kapitalismus
Leserbrief
Hallo GegenStandpunkt,
wenn ich mit manchen Linken o.ä. diskutiere, kommt hin und wieder mal das Thema „Kommune“ auf. Die einen wollen da schon längst hin, die anderen sehen es als Lösung – nachdem sie mir versichert haben, exakt meiner Meinung zu sein – dem Kapitalismus zu entfliehen.
Ab und zu habe ich mich dann auch mal auf das Thema
Kommune eingelassen, um darüber zu streiten was das
eigentlich ist; andere Male habe ich versucht, nochmal
das zuvor Besprochene neu aufzugreifen, mit einem
verständnislosen: Wie kommst du denn nun jetzt DA
drauf?!
; welcher von den Wegen besser ist, oder ob
die beide total idiotisch sind, konnte ich zumindest
empirisch noch nicht ausmachen.
Von euch habe ich bisher noch nichts zu Kommunen, Kibbuzen, Kolchosen o.ä. finden können und wollte deswegen mal fragen was ihr so vom „selbstbestimmten“ Leben haltet.
Als mir eine Bekannte mal sagte, dass sie mit Freunden von sich eine Kommune aufmachen – und dafür ihr geerbtes Geld für Boden und Maschinen aufwenden – wolle, versuchte ich mich einerseits danach zu erkundigen, wieso sie ausgerechnet das als Lösungsweg für ihr Entkommen aus dieser Gesellschaft sah, und andererseits versuchte ich deutlich zu machen, dass so eine Kommune – oder ein „Aussteiger“- /Eremitenleben – gar kein Ausstieg aus der Welt der Staaten ist, sondern vielmehr nur ein Wechsel in eine andere Form der Armut: Man hat jetzt halt nicht mehr um Geld zu kämpfen, sondern um genug Essen und Modernität, sodass man nicht total verwahrlost.
Was meint ihr? Was sagt man zu Leuten, die in Kommunen – zumindest für sich selbst – die Lösung ihrer staatlich und kapitalistisch erzeugten Probleme zu finden meinen?
Vielleicht fällt euch ja noch mehr zu dem Thema ein als mir gerade.
Es gibt auch immer mal wieder welche, die so Leute wie Richard Proenneke oder „Alexander Supertramp“ toll finden; beide werden als „Aussteiger“ bezeichnet. Aber „Aussteigen“ als Lösung für was eigentlich? Was muss man sich denken, wenn man meint, dass eine Kommune oder ein Aufbruch in die Wildnis das Richtige wäre, als Antwort auf diese „scheiß“ Gesellschaft?
Ich habe eigentlich keine andere Frage als: Was sagt ihr eigentlich zu sowas?
Antwort der Redaktion
Von der Debatte, ob und wie es geht, dem Kapitalismus
zu entfliehen
, halten wir nichts. Wie man aus den
Zwängen dieser scheiß Gesellschaft
aussteigt –
dafür haben nicht nur Linke, sondern alle, die etwas
auf sich halten, eine ganz selbstbestimmte, mal ganz
pragmatische, mal total unkonventionelle Strategie: Sie
pflegen in ihrer Freizeit einen Schrebergarten, bereisen
in den Ferien Südamerika oder ziehen eben in eine
Kommune. Wer darin die Lösung – zumindest für sich
selbst
– seiner Probleme mit der scheiß
Gesellschaft
findet, dessen Unzufriedenheit mit ihr
war dann wohl genau der Art. Dabei bietet die
freiheitliche kapitalistische Gesellschaft offenbar
unbegrenzte Möglichkeiten, regelmäßig aus ihr
auszusteigen und einem selbstbestimmten Leben
zu
frönen. Womöglich hat sie nicht zuletzt deswegen Bestand,
weil von ihnen so reger Gebrauch gemacht wird.