Aus der Reihe „Chronik - kein Kommentar!“
Landbesetzungen in Zimbabwe:
Ein Anschlag auf eine neokoloniale Idylle
Die Öffentlichkeit, die sich an Leichenberge in Afrika leidlich gewöhnt hat, ist außer sich: Bei dem Versuch der Landnahme durch schwarze Habenichtse in Zimbabwe sind zwei weiße Großgrundbesitzer ums Leben gekommen. Kein Skandal sind die „althergebrachten“ Eigentumsverhältnisse, in denen besitzlose Lohnsklaven von einigen Großgrundbesitzern ausgebeutet werden, sondern der eigenmächtige Verstoß dagegen – erst recht, wenn der Präsident dazu aufruft, weil er den Nutzen der gültigen Besitzverhältnisse für die Nation vermisst – Mugabe muss „verrückt“ geworden sein…
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Landbesetzungen in Zimbabwe:
Ein Anschlag auf eine neokoloniale
Idylle
Damit Leichen in Afrika überhaupt die Aufmerksamkeit der Beobachter in der zivilisierten Welt westlicher Demokratien erregen, müssen gewöhnlich schon etliche tausend Hungertote, Seuchen- oder Bürgerkriegsopfer anfallen. So hat denn auch Zimbabwe mit dem Elend und der 20-prozentigen AIDS-Durchseuchung seiner schwarzen Bevölkerung den Rahmen dessen nicht gesprengt, was hierzulande als Normalität in einem Staat der Dritten Welt verbucht und abgehakt wird. Wenn aber 2 weiße Grundbesitzer bei dem Versuch schwarzer Habenichtse, durch die Besetzung ihrer Ländereien eine Umverteilung des bebaubaren Bodens zu ertrotzen, ums Leben kommen, ist die Öffentlichkeit in unseren Breiten außer sich.
Bei dieser Gelegenheit erfährt man nebenbei, dass 20 Jahre nach der Beendigung der kolonialen Herrschaft die Eigentumsverhältnisse in diesem Land immer noch die alten sind: Vier Fünftel des lohnend bebaubaren Bodens gehören 5000 Farmern europäischer, vor allem britischer Herkunft, in deren Diensten sich eigentumslose Schwarze als Lohnsklaven abarbeiten dürfen. Die Minen des Landes sind Eigentum auswärtiger Unternehmen, vor allem aus Südafrika; wer für sie schuften darf, gehört zu den privilegierten Landesbewohnern. Der ganze große Rest der Bevölkerung erlebt in seinem täglichen Kampf um eine irgendwie geartete Subsistenz, was es heißt, in einem der vielen „eigentlich reichen“ Länder Schwarzafrikas zur absoluten Überbevölkerung zu gehören.
Aber natürlich sind nicht diese Eigentumsverhältnisse der Skandal. Landeskundige Afrika-Experten werfen der Regierung Mugabe zwar gerne vor – nicht ohne Zynismus gerade im Zusammenhang mit den derzeitigen Landbesetzungen –, sie sei ihrem Volk und speziell den alten Freiheitskämpfern die einst versprochene Landreform schuldig geblieben und daher am Elend der Massen schuld. Die fruchtbaren Landstriche, die ordentlichen weißen Agrarunternehmern gehören, kommen für eine Verteilung jedoch nie und nimmer in Frage. Im Gegenteil: Ein erstes Staatsverbrechen war es schon, dass der Präsident sich die Freiheit herausgenommen hat, ein Plebiszit über die entschädigungslose Enteignung von brachliegendem Farmland abzuhalten – und das auch noch mit dem Ziel, damit Stimmen für einen Ausbau der Präsidentenmacht zu gewinnen und die gegnerischen Kräfte im Land klein zu halten; außerdem wollte Mugabe die einstige britische Kolonialmacht wieder einmal daran erinnern, dass sie einst Unterstützung für eine Landreform, nämlich beim Aufwand für die aus London gebieterisch geforderten Entschädigungen, versprochen hatte – nichts davon ist je eingetroffen… Gerechterweise, und weil weiße Farmer und reiche Unternehmer für die politische Bildung der zimbabwischen Bevölkerung keinen Aufwand gescheut haben, hat der Präsident diese Volksabstimmung verloren; sein erster Anschlag auf die Menschenrechte des Eigentums – keine Übertreibung: als drohende Menschenrechtsverletzung ist die Enteignungsfrage von Seiten der Weltaufsichtsmächte allen Ernstes behandelt worden! – konnte abgewehrt werden. Statt aufzugeben, hat die Staatsführung ihren Plan einer Verteilung brachliegender Ländereien aber tatsächlich weiterverfolgt; nun im Parlament, wo sie die Mehrheit hat – ein klarer Fall von Machtmissbrauch. Endgültig nicht mehr hinzunehmen ist für den kultivierten Geist, der die demokratische Meinungsbildung hierzulande bestimmt, dass Mugabe den – ganz ohne Rassismus so titulierten – schwarzen „Mob“, der sich dadurch zu Eigeninitiativen ermuntert sieht, gewähren lässt, statt die Umtriebe dieser „Bande von Plünderern“ gewaltsam niederschlagen zu lassen. Und dann stellt sich dieser Mann auch noch hin, unterstreicht die „legitimen Forderungen des schwarzen Volkes“ und bezichtigt die weißen Grundbesitzer – die ihren zutiefst berechtigten Anspruch darauf, dass die zimbabwesische Staatsgewalt ihnen gefälligst umstandslos ihr Eigentum zu sichern hat, mittlerweile als eine von ihnen gesponserte Opposition im Lande vertreten – unmissverständlich der Schädigung seiner Nation; sie sollten gefälligst „nach Hause“ gehen. Was ist nur in ihn gefahren?
Und: was könnte das sein? Vielleicht ist der Präsident es einfach leid, dass während der sagenhaften Jahre der Unabhängigkeit, in denen sein Land nach sachkundiger Einschätzung hiesiger Kommentatoren den „beispielhaften Aufstieg eines afrikanischen Entwicklungsmodells“ hingelegt hat, zwar mit Sicherheit manch weißer Landlord reicher geworden ist, der zimbabwesische Staat aber, der ihnen ihr Eigentum verlässlich gesichert hat, davon wenig gehabt hat und die Masse der Bevölkerung vollends auf den Hund gekommen ist. Und nachdem alle Rechnungen mit einer unter neuen Vorzeichen fortgeführten kolonialen Bewirtschaftung des Landes – schließlich auch noch aufgrund fallender Weltmarktpreise für Tabak und Bodenschätze – gründlich gescheitert sind, sieht die politische Führung am Ende womöglich mehr Sinn darin, sich mit ihren verelendenden Massen zusammenzuschließen und denen wenigstens Jahre lang ungenutzte Ländereien zur Subsistenzbewirtschaftung zu überlassen, als weiterhin auf einen Beitrag der weißen Eigentümer zum Vorankommen der Nation zu setzen.
Könnte es das sein? Niemals! Mugabe muss verrückt
geworden sein, lautet das einhellige Urteil der hiesigen
Öffentlichkeit. Sie will dem Staatspräsidenten von
Zimbabwe ein irgendwie nachvollziehbares, geschweige denn
berechtigtes nationales Anliegen so wenig zubilligen,
dass sie auf seiner Seite überhaupt kein rational zu
erfassendes Anliegen erkennen kann. Das Höflichste ist da
noch der Vorwurf, der gescheiterte Befreiungsheld von
einst wäre bloß um des Erhalts seiner eigenen Macht
willen bereit und dabei, sein Land ins Chaos zu stürzen.
Auf dieser Diagnose lässt sich dann aufbauen.
Machtbesessen. Getrieben von Größenwahn und Habgier.
Dogmatisch. Verklemmt. Robert Mugabe führt Zimbabwe in
die Gesetzlosigkeit.
(Die Zeit,
das Blatt für den deutschen Bildungsbürger, 27.4.)
So muss man sich das also vorstellen: Ein zimbabwesischer
Diktator vom Schlage „Schurkenstaat“ glaubt, sich
ungestraft an dem heiligen Menschenrecht der Eigentümer
versündigen zu können – von denen viele, wie man hört,
noch nicht einmal zu den alten Kolonialherren gehören,
sondern ihr in km² bemessenes Hab und Gut von denen ganz
redlich erworben haben… So verspielt Mugabe seinen guten
Ruf und sein koloniales Erbe.