Aus der Reihe „Chronik - kein Kommentar!“
Krieg zwischen Äthiopien und Eritrea
Der „absurdeste Konflikt der Erde“
Äthiopien und Eritrea sind von den USA zur Eindämmung missliebiger islamistischer afrikanischer Staaten verplant – und dann führen die auf einmal Krieg gegeneinander. Wenn hiesige „Afrika-Kenner“ gewärtigen müssen, dass das Modell einer für ausschließlich westliche Interessen gesponserten Staatlichkeit dort unten ein schönes Ideal ist, dann wird die einzige Kritik des Krieges laut, die sich in dieser funktionell für den Imperialismus eingerichteten Welt noch Respekt verschaffen kann: bloß wegen „nationaler Eitelkeiten“ wird er geführt!
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Systematischer Katalog
Krieg zwischen Äthiopien und
Eritrea
Der „absurdeste Konflikt der
Erde“
Eine Zeit lang können es die Kommentatoren der
Weltpolitik einfach nicht begreifen, sogar ausgesprochene
Afrika-Kenner
wollen sich vor ein riesiges Rätsel
gestellt sehen:
„Seit ein paar Tagen bekriegen sich Eritrea und Äthiopien wegen ein paar umstrittener Grenzgebiete… Warum Äthiopien gerade jetzt so massiv um das Gebiet kämpft, ist auch Afrika-Kennern rätselhaft. Eritrea verfügt zwar über Mineralien wie Gold, Nickel, Chrom und Ilmenit. Doch die Vorkommen im umstrittenen Gebiet sind nicht von Bedeutung.“
Eine unwegsame Wüstenei, ein trostloses Gebirgsland
von rund 400 Quadratkilometern Größe
, in dem absolut
nichts vergraben liegt, was Besitzerherzen höher schlagen
läßt – um so etwas führen die da unten einen Krieg?
Spinnen die? Und dann noch die streitenden Parteien
selbst: Kämpfen schon um rein gar nichts, und dann sind
ihre Führer auch noch entfernt miteinander
verwandt
! Und das nicht nur blutsmäßig, sondern sogar
auch noch in ihrem politischen Lebenszweck und Werdegang,
so daß es den Anschein hat, als gäben sie mit ihrem Krieg
ein Stück fürs Feuilleton:
„Es klingt nach dem Stoff einer antiken Tragödie: Sie haben jahrelang Seite an Seite gekämpft, den Tyrannen gestürzt, das Reich friedlich geteilt und sind dann jeder in die Heimat zurückgekehrt, um ihre Länder wiederaufzubauen. Doch plötzlich wenden sich die Waffenbrüder gegeneinander und beginnen, alles, was sie erreicht haben, zu vernichten. Der Grund ihres Zwistes ist – und hier endet die Parallele zur Dichtung – nicht etwa eine schöne Frau, sondern ein wüstes Gebirgsdreieck.“
So richtig im Ernst will das politische Urteilswesen
seinen Absprung in die Fabelwelt menschlich-tragischer
Verstrickungen dann freilich doch nicht unternommen
haben. Dieselben Beobachter, die so gar nicht verstehen
können, was die Führer Äthiopiens und Eritreas überhaupt
gegeneinander haben sollten, lassen nämlich durchaus
einfließen, wieviel Verständnis sie im Grunde
genommen auch für diesen Krieg haben. Als
Nationalisten, die sie sind, leuchtet ihnen
schon sehr ein, daß Staaten jeder Quadratzentimeter ihres
Territoriums heilig ist, ein zwischen ihnen
umstrittenes Gebiet
also immer ein schwelender
Grenzkonflikt
, ein Kriegsgrund auf Abruf ist. Sie
wissen auch sehr gut darüber Bescheid, daß der
Zwist
der ehemaligen Waffenbrüder
überhaupt
kein zwischenmenschliches Zerwürfnis ist. Von ihnen
selbst kann ja jeder, der es will, erfahren, daß diese
großartige Waffenbrüderschaft ein vom Westen arrangiertes
und gesponsertes Zweckbündnis zur Erledigung – nicht
eines Tyrannen
, sondern: – des letzten
Marxisten in Afrika
war; daß die Teilung von
Mengistus Erbe im Aufbruch von zwei konkurrierenden
Nationen besteht, die ihren
Gegensatz am Verlauf ihrer Grenze, aber auch in
der Aufkündigung bisheriger Regelungen des gemeinsamen
Wirtschafts- und Geldverkehrs austragen, kurz: Daß
Nationalisten in ihren höchsten Rechten immer auch die
besten Gründe für einen Krieg besitzen und den dann auch
auskämpfen, wenn ihnen danach ist, vermögen die hiesigen
Beobachter bei aller Verständnislosigkeit, die sie
vorgeben, sehr gut herauszuspüren. Nur deswegen verfallen
sie auch darauf, die Politik der Kontrahenten gleich von
einem Standpunkt aus zu taxieren, der an den Folgen für
das jeweilige nationale Rechtsbewußtsein und Ehrgefühl
Maß nimmt: Von einem Schlag ins Gesicht Äthiopiens
sowie von der Schande dieses Staates, als Kreatur
Eritreas
beschimpft zu werden, reden sie, weil ihnen
die Verletzung nationaler Rechte – weit mehr als schöne
Frauen oder Nickel – unmittelbar als guter Grund
geläufig ist, mit Gewalt zuzuschlagen.
Einerseits.
Denn andererseits bestehen sie darauf, daß im
vorliegenden Fall der Krieg einfach absurd
ist. Wo
sie im Konflikt zwischen diesen beiden Staaten nur auf
die ewiggleichen und ihnen gut bekannten
Elementarprinzipien staatlicher Souveränität stoßen,
wollen sie diese partout nicht mehr wiedererkennen – und
geben damit zu Protokoll, daß nach ihrem Befinden sich
keinesfalls jeder Souverän herausnehmen darf,
mit Krieg nach seinem Recht zu sehen. Ihre alberne
Rätselei darüber, was es denn nur sei, was diese beiden
Nachbarn
gegeneinander so aufgebracht haben
könnte, hat in der Unverfrorenheit und Penetranz ihren
Grund, mit der diese Beobachter die größeren und
kleineren Begebenheiten im politischen Weltgeschehen
ausschließlich vom Standpunkt des politischen Interesses
aus in Augenschein nehmen, das sie selbst an
ihnen haben und deswegen schon für ausschließlich
maßgeblich befinden. Dieses Interesse deckt sich
haargenau mit dem, das die maßgeblichen Subjekte
des Imperialismus in allen Winkeln der Welt und an allen
Schauplätzen von Weltpolitik geltend machen, und wo diese
davon ausgehen, daß alles, woran sie Interesse nehmen,
von allen anderen als verbindliches Recht anzuerkennen
ist, dem sie sich unterzuordnen haben, da haben die
Berichterstatter des Imperialismus auch schon ihren
Maßstab fertig beieinander, an dem entlang man einen
Krieg dann manchmal einfach nicht versteht
: Der
macht dann eben schlicht keinen Sinn
, weil er in
dem politischen Drehbuch nicht vorgesehen ist, auf das
die Regisseure in Washington oder auch Berlin den Rest
der Staatenwelt ideell verpflichtet haben. So führen im
vorliegenden Fall diese Souveräne am Horn von Afrika
einen so rätselhaften
Krieg nur deswegen, weil
ihre Waffen eigentlich für einen ganz anderen und weit
gewichtigeren Zweck vorgesehen sind als für den, den ihre
Besitzer gerade mit ihnen im Sinn haben:
„Für wenige Jahre waren sie fast freundschaftlich verbundene Nachbarn, unterstützt von den USA, das einen Cordon sanitaire gegen den islamischen Sudan errichten wollte.“
Wer als frischgebackener Souverän von der Weltmacht des
Imperialismus die Erlaubnis erhält, sich russische MIGs
anzueignen und auch noch mit neuen Kampfbombern beschenkt
wird, darf zwar stolz auf Herrschaftsmittel sein, über
die er nunmehr exklusiv verfügt. Gebrauch machen
von ihnen darf er allerdings nicht exklusiv, sondern nur
so, wie es das politische Interesse will, das sich von
höherer Stelle aus auf ihn und seine Waffen erstreckt und
die Funktionalität beider für sich selbst schon längst
verplant hat. Diese imperialistische Doktrin einer zwar
nicht formell, aber der Sache nach eben schon
begrenzten Souveränität ist offenbar der
politische Gehalt, den hiesige Afrika-Kenner
mit
ihrem Begriff einer afrikanischen Renaissance
im
Kopf haben. Wenn sie dann gewärtigen müssen, daß ihr
Modell einer gesponserten Staatlichkeit dort unten, die
immer und überall nur im Interesse ihrer Sponsoren tätig
wird, eben doch nur ein schönes Ideal ist, Neger manchmal
tatsächlich Kriege führen, die von keiner ihrer
Aufsichtsmächte in Auftrag gegeben wurden und auch dem
deutschen Interesse gar nichts nützen, dann wird die
einzige Kritik des Krieges laut, die sich in
dieser funktionell für den Imperialismus eingerichteten
Welt noch Respekt verschaffen kann: Bloß wegen
nationaler Eitelkeiten
wird er geführt! Und
dieselben Humanisten, die es für den guten Zweck der
Eindämmung unpassender Islamisten für ganz in Ordnung
befinden, daß im Bedarfsfall Äthiopien, Eritrea und noch
ein paar Nationen mehr ihre Völkerschaften zu verheizen
haben, entdecken dann glatt auch noch, daß die beiden
sich bekriegenden Nationen zu den ärmsten der Welt
gehören:
„Afrika verliert durch den Konflikt Vorbilder der afrikanischen Renaissance. Meles Zenawi und Isayas Afewerki machten das Versagen afrikanischer Führer für die Probleme des Kontinents verantwortlich. Jetzt sind auch ihnen nationale Eitelkeiten offensichtlich wichtiger als das Wohl ihrer Länder.“
Da hilft man ihnen eigens zur Selbsthilfe, schenkt ihnen auch noch die Waffen, die sie für einen gescheiten Kampf gegen den Hunger brauchen, und was machen die? Schießen einfach damit. Kein Wunder, daß nichts aus ihnen wird.