The President of the United States of America proudly presents:
Die offizielle Propaganda für einen Weltkrieg neuen Typs
Wenn der amerikanische Präsident den Kampf gegen die Feinde der USA befiehlt, dann geht es nicht einfach um deren Vernichtung durch Präventivkriege. Im Weltbild des Präsidenten haben die USA vielmehr die allerhöchsten Werte der Menschheit zum Zweck. Deren Verteidigung ist für die USA sittliche Pflicht. Das unamerikanisch Böse auf der Welt zu bekämpfen, damit das Reich der Freiheit Gutes tun kann, dafür will Mr. President auch noch den Dank der Menschheit haben. Die überlegene Gewaltmaschinerie für sein edles Werk steht ihm selbstverständlich zur Verfügung.
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Siehe auch
Systematischer Katalog
Länder & Abkommen
Gliederung
- „Frieden ist die Ruhe der Ordnung“ (Augustinus)
- „Ein Schwert, nur dem Guten geweiht!“ (Lortzing)
- „Er stand mit Stolz, er stand mit Recht, stand kämpfend gegen ein Tyrann’geschlecht“ (unbek. Dichter)
- „Mit Waffen Recht bringen und alles in den Händen tapferer Männer beschließen“ (Livius)
- „Habt acht, habt acht! Die Welt ist voller Morden!“ (Liedgut)
- „Denn schändlich ist es für jeden Einzelnen, sich in Widerspruch zu setzen zu seinem Ganzen“ (Augustinus)
- „Always look on the bright side of life!“ (Amerik. Volksweise)
- „Das Recht, wie Glut im Kraterherde, nun mit Macht zum Durchbruch dringt!“ (Intern. Volkslied)
„Sie veranstalten ein Gemetzel und nennen es Frieden…“
(Tacitus)
Wenn der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika der aufmerksam lauschenden Weltöffentlichkeit nur offen und ehrlich mitteilen würde, wie die Weltlage ist, dass nämlich er, der Führer der Weltmacht und damit Herr der Welt, die letzten Feinde seiner Nation vernichten will – auch solche, die sich noch gar nicht bemerkbar machen –, er entschlossen ist, bei diesem Programm ganze Staaten auszuschalten, weil er die eben als Hort von Feindseligkeiten gegenüber seinem Land betrachtet, er beim Vollzug seines Vorhabens weder Zeit noch Umfang scheut, weil nach seinem Dafürhalten sein Land ab sofort nur sicher ist, wenn er den Rest der Welt mit seinen Kriegen gründlich unsicher macht – vielleicht könnte es dann sein, dass einer ein wenig vor der Welt erschrickt, in die es ihn da verschlagen hat.
Da es aber gottlob nicht so ist; vielmehr ein zivilisierter Herr in dunklem Anzug der Welt in gefasstem Pathos von Herausforderungen berichtet, vor denen wir alle stehen; von Gefahren kündet, die nur insoweit mit ihm und seinem Land zu tun haben, als sie die Werte bedrohen, welche allen, die sich zu den Guten rechnen, die höchsten sind; in seinem Kampf gegen das Böse auf der Welt im Namen Aller und stellvertretend für sie nur verantwortungsvoll trägt, was sittliche Pflicht gebietet; zu diesem Kampf noch dazu alle freundlich einlädt, die so guten Willens sind wie er selbst, um an seiner Seite die Menschheit von dem Übel zu erlösen, das da Terrorismus heißt – da dies so ist, sind alle seine Zuhörer ihm zutiefst zu Dank verpflichtet; weil vor ihnen im Grunde doch nur ein Kämpfer gegen all das steht, wovor sie am meisten erschrecken.
The President of the United States of America proudly presents:
Die offizielle Propaganda für einen Weltkrieg neuen Typs
„Frieden ist die Ruhe der Ordnung“
(Augustinus)
Die „neue nationale Sicherheitsstrategie der Vereinigten Staaten“ geht jeden etwas an. Damit auch jeder versteht, warum und inwiefern, gibt sich der Präsident die Ehre und stellt in einer einleitenden Bemerkung zunächst das große Land vor, das sich da um seine Sicherheit sorgt. In dankenswerter Geradlinigkeit kommt er dabei gleich zum Wesentlichen, zur Frage von Krieg und Frieden nämlich. Denn womit Länder auf dem Globus den nachhaltigsten Eindruck von sich hinterlassen, sind nun einmal die Kriege, mit denen sie ihn überziehen. Das ist selbstverständlich auch bei diesem mächtigen Land der Fall, doch viel entscheidender dabei ist, dass es, folgt man seinem Präsidenten, bei seinen gleichfalls ziemlich mächtigen Kriegen recht eigentlich nie aus so eigensüchtigen Beweggründen heraus zur Tat schritt, wie sie gemeinhin Nationen zu Eigen sind:
„Die Sache, für die unsere Nation eintritt, war immer größer als die Verteidigung unserer Nation. Wir kämpfen, wie wir immer kämpfen, für einen gerechten Frieden – einen Frieden, der die Freiheit begünstigt.“ [1]
Der auf der Galerie sitzenden Weltöffentlichkeit stellt sich eine Nation vor, für deren „Sache“ die eigenen Landesgrenzen grundsätzlich viel zu eng gesteckt sind. Mit deren Verteidigung hält sie sich gar nicht erst auf. Ihre „Sache“ umfasst selbstverständlich den ganzen Globus, und auf dem fühlt sich diese Nation erst sicher, wenn sie einen Frieden durchgefochten hat, der ihr „gerecht“ erscheint. Das ist dann der Fall, wenn auf der Welt ein Zustand namens Freiheit herrscht. Erst dann ist sie saturiert und gibt „Frieden“.
Damit wissen die Staaten der Welt schon einmal, woran sie bei diesem Land sind. Unter ihnen gibt es einen, der davon ausgeht, dass von seiner Gewährung und Billigung abhängt, was alle anderen sich an Rechten überhaupt herausnehmen dürfen. Der über deren Wert und Unwert befindet, der es dabei aber keineswegs nur belässt, sondern an allem, was ihm da nicht passt, im Bedarfsfall gleich derart fundamental Anstoß nimmt, dass er gegen das Subjekt vorgeht, an dem er sich stört. Der also als oberster Manager und Kontrolleur des Gewalthaushalts der ganzen Welt unterwegs ist, alle anderen Mächte dazu zwingt, den „Frieden“ zu geben, den er von ihnen will – der aber bei all dem, wofür er „kämpft“ und seine Kriege führt, im Grunde doch nur eines will: Gerechtigkeit
. Und das ist doch so in etwa das, was alle Nationen wollen. Zwar ist Amerika die einzige unter ihnen, die das nötige Zeug hat, mit diesem Ideal praktisch Ernst zu machen, aber geläufig ist es all den anderen Staaten in der Welt doch auch, ihre Interessen in Rechte zu übersetzen, die der Rest der Welt zu respektieren hat, und von einem Zustand zu träumen, in dem diese Gleichung flächendeckend und in jeder Hinsicht gilt. Die Souveräne, die allesamt über ihren Rechten keines dulden, die für gerecht grundsätzlich auch nur das halten, was ihnen zur Beförderung ihrer Interessen billig erscheint, müssen Amerika – das es mit seinen Interessen und Rechten eben grundsätzlich auch gar nicht anders hält als sie mit den ihren – also schon sehr dankbar sein; auch und gerade dann, wenn es pausenlos „kämpft“. Steht somit schon mal fest, dass die Gerechtigkeit auf der Welt sehr wahrscheinlich von der Vorsehung dazu bestimmt wurde, ihren dauernden Sitz in Washington, D.C., zu nehmen, braucht sich auch vor ihren Richtersprüchen und Urteilen, die sie bei Bedarf an die Vollzugsbehörde im Pentagon gleich nebenan weiterreicht, niemand mehr zu fürchten. Denn wenn der Präsident und seine Kollegen im Amt „kämpfen“, weil ihnen und ihrer Nation eben nicht der Frieden, sondern der gerechte Friede das höchste Gut auf Erden ist, dann doch nur, weil sie schon wieder so denken, wie alle anderen Staatenführer auch: Wenn keine Freiheit
herrscht, kann es keinen Frieden geben. Im Grunde spricht Mr. President da ja nur die Selbstverständlichkeit aus, dass Staaten die Beschränkung ihrer Interessen nicht leiden können, also die Schranken, auf die sie in der Welt stoßen, erst einmal gewaltsam beseitigt sehen wollen, bevor sie Frieden geben. Seiner ist da nicht anders. Er zeichnet sich nur dadurch aus, dass seine Freiheit ein ganzer Weltzustand namens Freiheit ist, für dessen Verteidigung sich Amerika immer schon ebenso nachdrücklich wie selbstlos eingesetzt hat. Über die Durchsetzung dieses Weltzustandes hat der gerade amtierende amerikanische Weltenrichter Folgendes in Erfahrung gebracht:
„Die großen Auseinandersetzungen des 20. Jahrhunderts zwischen Freiheit und Totalitarismus endeten mit einem deutlichen Sieg für die freiheitlichen Kräfte und einem einzigen nachhaltigen Modell für nationalen Erfolg: Freiheit, Demokratie und freies Unternehmertum. Im 21. Jahrhundert werden nur diejenigen Nationen das Potential ihrer Bürger freisetzen und zukünftigen Wohlstand sichern können, die sich dem Schutz grundlegender Menschenrechte und der Gewährleistung politischer und wirtschaftlicher Freiheit verpflichtet haben. Menschen auf der ganzen Welt wollen das Recht der freien Rede, ihre Regierung wählen können, ihre religiöse Überzeugung leben und ihre Kinder erziehen – seien es nun Jungen oder Mädchen –, Eigentum besitzen und die Früchte ihrer Arbeit genießen. Diese Werte der Freiheit sind für alle Menschen und in jeder Gesellschaft richtig und wahr, und die Pflicht, diese Werte gegen Feinde zu verteidigen, ist die gemeinsame Aufgabe aller freiheitsliebenden Menschen überall auf der Welt und zu allen Zeiten.“
„Ein Schwert, nur dem Guten geweiht!“
(Lortzing)
Das erstaunt nun aber doch. Die Nation, die eigentlich immer nur und jetzt schon wieder im Kampf für die Freiheit unterwegs ist, war bei deren größtem Sieg gar nicht mit dabei? Die Freiheit hat ganz allein gekämpft, einfach so vor sich hin, ab 1914? Immer gegen ein und denselben „-ismus“? Zwei nackte Prinzipien setzen sich auseinander, eines obsiegt im Wettstreit der Argumente – und heraus kommt ein unschlagbares nationales Erfolgsmodell? Sonst war da nichts? Aber wenn der Präsident das herausgefunden hat, dann wird es wohl so gewesen sein im 20. Jahrhundert. Wenn es schon nicht ihre überlegenen Waffen waren, die im 20. Jahrhundert die „freiheitlichen Kräfte“ zum Sieg führten, kann ja hinter dem „Modell“ Freiheit, das sich da herausgemendelt hat, wohl nur ein Schiedsspruch der Geschichte stehen. Und wenn das so ist, dann macht die Vorsehung aus dem Erfolg dieses „Modells“, seine Konkurrenz erledigt zu haben, eben ein Erfolgsmodell für alle Nationen im 21. Jahrhundert. Von dem muss der Präsident dann nur noch sagen, was bei ihm gilt und sich durchsetzt, weil es erstens sowieso gilt und sich durchsetzen muss, und weil zweitens Amerika ja dafür „kämpft“: Freiheit, Demokratie, freies Unternehmertum.
Schon wieder kommt er in der ihm eigenen Geradlinigkeit auch beim hohen Wert der Freiheit gleich zur Sache, die er mit ihr meint, nämlich zum privaten Interesse, das der kapitalistischen Bereicherung gilt, und wenn er irgendwo zwischen dem Wert und den Freiheiten, die Kapitalisten bei ihren Geschäften brauchen, die Demokratie ansiedelt, mag man ihm auch nicht widersprechen: Es wird schon so sein, dass nur die Nationen ordentlich vom Kapitalismus profitieren, die ihren Bürgern, wie er sich ausdrückt, „gewährleisten“, was ein ordentliches kapitalistisches Wirtschaften so braucht, die ihnen also den Raum hinstellen, den sie dann in aller erlaubten Freiheitlichkeit nutzen dürfen. Zugleich aber scheint es sich für den Präsidenten auch genau andersherum zu verhalten, und alles, was an Freiheit, Recht und Kapitalismus von oben kommt, ist recht besehen nur die Erfüllung eines dringlichen Auftrags, der von ganz woanders her an Leute wie ihn ergeht: Die „Menschen“, und zwar gleich die „auf der ganzen Welt“, rufen nach der Freiheit, die der Präsident durchzusetzen verspricht! Er jedenfalls hat in jeden Winkel der Erde genau hinein- und in etwa Folgendes herausgehört: Obwohl sie nie dort waren, „wollen“ sie, man stelle sich das vor, just so leben, reden, beten und wählen, wie sie das in dem Land dürfen, in dem er der Präsident ist! Das Eldorado der Glückseligkeit, das mit der Freiheit, Demokratie, Marktwirtschaft und einfach allem ausbricht, was vom Recht auf den eigenen Gott bis zu dem aufs eigene Sturmgewehr das Leben in seinem Land so lebenswert macht, ist für ihn ein einziger Menschheitstraum – einfach überall auf der Welt „richtig und wahr“! Weil nämlich die Natur das Bedürfnis, ungefähr so wie in Amiland zu leben, dem Menschen in die Gene eingepflanzt hat!
Fast allen zumindest, denn einige scheinen die Frohe Botschaft vom Heil, das ihnen Amerika bringt, nicht vernommen zu haben: Auch nach dem Untergang der verkehrten Heilslehre mit dem „-ismus“ scheint es – obwohl das doch gar nicht möglich ist! – noch immer „Feinde“ der Freiheit zu geben! Aber God’s Own Country mit seiner Mission ‚Freiheit‘ gibt es eben auch, und was daraus folgt, gilt es weiter zu vertiefen.
„Er stand mit Stolz, er stand mit Recht, stand kämpfend gegen ein Tyrann’geschlecht“
(unbek. Dichter)
Was hat der Präsident nur für ein Stück Glück mit dem Land, das die Vorsehung zum Kampf für die fünf heiligsten Werte der Menschheit ausersehen hat:
„Die Vereinigten Staaten erfreuen sich gegenwärtig beispielloser militärischer Stärke und eines großen wirtschaftlichen und politischen Einflusses.“
Diese Nation hat nicht nur eine Mission, die sich über die ganze Welt erstreckt: Sie hat auch die nötigen Mittel, die Welt erfolgreich für ihre „Sache“ zu missionieren. Wo bei anderen für den Export von Freiheit nicht einmal genügend Transportflugzeuge vorhanden sind, hat Amerika nicht nur alles Nötige dazu, sondern das auch noch doppelt und dreifach. Wohl allein schon deswegen, aber nicht nur deshalb kommt an dieser Nation keine andere vorbei. Sie ist – weiß ihr Präsident, und der muss es ja wissen – nicht nur dank ihrer Waffen so „beispiellos“ auf der Welt, sondern hat auch „wirtschaftlich“ und „politisch“ den „Einfluss“, der einer echten Welt-Macht gebührt. So hat das Gute, das er der Menschheit bringt, eine echte Chance, sich auch wirklich Bahn zu brechen. Zu Recht freut sich der Präsident also über alles, woran sein großes Land sich erfreuen kann – und schon wieder soll auf der Welt niemand vor ihm und der Macht in seinem Rücken erschrecken. Alle, die ihn hören, sollen zusammen mit ihm Amerika als ein wahres Gottesgeschenk begrüßen, denn eine so große Macht, die ihre reichlichen Mittel grundsätzlich nur darauf verwendet, dem Rest der Menschheit ein besseres Leben
zu besorgen, hat man wirklich noch nicht gesehen:
„Indem wir unserem Erbe und unseren Grundsätzen treu bleiben, nutzen wir unsere Stärke nicht für die Durchsetzung einseitiger Vorteile. Wir streben dagegen nach einem Kräftegleichgewicht zu Gunsten menschlicher Freiheit: Bedingungen, die es allen Nationen und Gesellschaften ermöglichen, für sich selbst den Lohn und die Herausforderungen politischer und wirtschaftlicher Freiheit zu wählen. Eine sichere Welt ermöglicht es den Menschen, ein besseres Leben zu führen. Wir werden den Frieden gegen Bedrohungen durch Terroristen und Tyrannen verteidigen. Wir werden den Frieden durch den Aufbau guter Beziehungen zwischen den Großmächten bewahren. Und wir werden Frieden verbreiten, indem wir freie und offene Gesellschaften auf jedem Kontinent fördern.“
Die Macht, die er hat, verspricht der Präsident für alle anderen zu nutzen. Er will dafür Sorge tragen, dass keine Nation ein Gewicht hat, sondern alle zusammen in einem Gleichgewicht aufgehoben sind, das von ihm austariert wird – das ist der erste „Vorteil“ für alle, den er in die Welt exportiert. Dann verspricht er dem Rest der Menschheit und allen „Gesellschaften“, frei wählen zu können – damit sie die Freiheit wählen, nach der er stellvertretend für sie „strebt“. Deren phantastischer „Lohn“ steht fest – er existiert in den „Herausforderungen“, denen die Völker in Freiheit offenbar schon gewachsen sein müssen, wollen sie ihr großes Geschenk auch aushalten. Und dann bekommen sie das allergrößte Care-Paket aus Amerika: „eine sichere Welt“ ist es, die sie als Grundbedingung für Glück und Wohlstand von Bush empfangen dürfen. Denn solange es noch diese anderen gibt, diese „Terroristen und Tyrannen“, die sich von dem so fürsorglichen Hegemon der Welt einfach nicht an die Hand nehmen lassen, stören diese Bin-Ladens, Saddams und Kims nicht nur unsere Welt, sondern sind auch für den Hunger und das Elend auf ihr verantwortlich. Solange es die noch gibt, darf bei der Pflege des Friedens durch seinen mächtigen Fürsprecher also auch nichts dem Zufall überlassen werden. Dem ist am besten gedient, wenn der Präsident der Weltfriedensmacht ihn ganz in seine Hände nimmt. Wenn er sich zum Garanten guter Beziehungen der „Großmächte“ untereinander und zu Amerika macht, und das sind solche, die der amerikanisch bewirtschafteten Freiheit den Boden sichern. Und so grundsätzlich zuwider ist ihm alle Herrschaft und staatliche Unterdrückung, dass er auch noch allen anderen, eher nicht so großen Mächten verspricht, mit tätiger Nächstenhilfe vor Ort aufzuwarten, und – ob sie dies nun wollen oder nicht – über alle Grenzen und Kontinente hinweg dafür sorgen will, dass es nur noch „freie und offene Gesellschaften“ gibt. Freilich soll es in denen dann genau so offen und frei zugehen, wie Amerika das will, so dass dieser praktizierende Anarchist aus Texas dann doch nur an der Herrschaft Anstoß nimmt, die andere ausüben. Und das macht er dann auch gleich deutlich, wenn er der Welt sein Engagement für die Freiheit in Zeiten erläutert, in denen sie bedroht wird.
„Mit Waffen Recht bringen und alles in den Händen tapferer Männer beschließen“
(Livius)
Grundsätzlich ist es ja gar nicht so, dass der Präsident mit dem Export des american way of life in jeden Winkel der Erde hinein erst loslegen müsste. Zu den Errungenschaften, derer sich seine Nation „erfreuen“ kann, gehört zweifellos der Erfolg seiner verdienstvollen Vorgänger – seines Vaters nicht zuletzt –, mit den Feinden von freedom & democracy aufgeräumt zu haben – so gründlich, dass diese Nation sich einfach keinem anderen Staatswesen mehr gegenübersieht, das ihr feindlich gesinnt wäre:
„In der Vergangenheit benötigten Feinde große Armeen und umfangreiche industrielle Fähigkeiten, um eine Gefahr für die Vereinigten Staaten darzustellen“
– und mit diesen Feinden war letztlich dann doch gut fertig zu werden: Mit größeren und vor allem schlagkräftigeren Armeen, zu denen einem die eigenen noch viel umfangreicheren industriellen Fähigkeiten verhalfen, konnte man ihnen eine weit größere Bedrohung entgegenstellen, als sie es in ihrem Fall jemals vermochten, konnte sie so erst eindämmen, dann zurückdrängen und dann allmählich tot rüsten. Ja, das waren noch Zeiten, aber heutzutage… –
„heutzutage können schemenhafte Netzwerke von Einzelpersonen großes Chaos und Leid über unser Land bringen – und es kostet sie weniger als ein einziger Panzer. Terroristen durchdringen offene Gesellschaften und richten moderne Technologien gegen uns.“
Da hat sein Land keine Kosten gescheut, einen ganzen Machtblock zu zerlegen – und noch immer gibt es Gegner Amerikas. Und zwar solche, die sich von vorneherein außerhalb aller zivilisatorischen Wettkampfregeln bewegen: „Einzelpersonen“, die gar keine Macht sind, also auch keine haben und sich nicht einmal einen Panzer leisten können, die sich in ihrer Gegnerschaft also von vorneherein dermaßen diskreditieren, dass sie einfach nur ein abgrundtief verwerfliches Übel und als solches auszurotten sind. Umso universeller ist dafür die Bedrohung, die sie in ihrer Ohmacht dann doch zustande bringen: Ohne feste staatliche Heimatadresse, sind sie ja nirgendwo zu greifen – nisten sich also praktisch überall dort ein, wo mit wenig Geld „großes Chaos“ anzustellen ist. Damit steht die Front, gegen die es zu gehen hat. Denn ersichtlich legt der Präsident, sonst eher einer, der in ganz großen Zusammenhängen denkt – Freiheit gut, Feinde böse – und sich aufs feinere Differenzieren nicht so gut versteht, hier Wert aufs Unterscheiden: Wenn er von „Einzelpersonen“ redet, die mit privater Gewalt und kostengünstigem High-Tech-Gerät seine offene Gesellschaft terrorisieren, meint er jedenfalls nicht die vielen Hobbysportler im eigenen Land, die gerne ‚sniper‘ wären und es manchmal werden. Er meint selbstverständlich ausschließlich die, die seine zwei Türme auf dem Gewissen haben, und kaum hat er an sie erinnert, hört er auch wieder schlagartig auf mit dem Unterscheiden: Überhaupt nicht Amerika wollten diese „Terroristen“ treffen, sondern „uns“ haben sie ins Visier genommen! Und der Präsident sagt uns dankenswerter Weise auch gleich, woran wir beim Stichwort ‚terroristische Bedrohung‘ fortan zu denken haben, und zwar ausschließlich:
Um mit dieser Bedrohung
– wie gesagt: Amerika hat zwei Türme und einige dort an der Unternehmensfreiheit Dienst tuende Leute verloren – fertig zu werden, müssen wir
– also der Rest der Staatenwelt – jegliches uns zur Verfügung stehende Mittel anwenden: militärische Macht, verbesserte innere Sicherheit, Strafverfolgung, nachrichtendienstliche Tätigkeiten sowie energische Anstrengungen zur Unterbindung des Finanznachschubs für Terroristen.
Die Staaten der Welt stehen also, ob sie es nun wollen oder nicht, zusammen mit Amerika im Krieg, und das heißt für sie Folgendes: Der Krieg gegen weltweit agierende Terroristen ist eine globale Unternehmung von ungewisser Dauer
– findet also überall auf der Welt und immer dann und immer dort statt, wo Amerika sich bedroht sieht. Doch keine Angst: Die Vereinigten Staaten werden Nationen helfen, die im Kampf gegen den Terrorismus unsere Unterstützung brauchen
– und das ist bestimmt kein leeres Versprechen. Denn die Hilfe, die diese Nationen brauchen, besteht exakt in den Diensten, die Amerika von ihnen für seinen Kampf haben will und bei Bedarf abruft. Klar, dass sie diese Dienste gerne erbringen:
„Die Vereinigten Staaten werden Länder zur Rechenschaft ziehen, die dem Terrorismus Vorschub leisten und solche, die Terroristen Zuflucht gewähren, denn die Verbündeten des Terrors sind die Feinde der Zivilisation. Die Vereinigten Staaten und die Länder, die mit uns zusammenarbeiten, müssen Terroristen daran hindern, neue Basislager einzurichten. Gemeinsam werden wir danach streben, ihnen jeglichen Zufluchtsort zu verwehren.“
So kommen auf die freiheitsliebenden Nationen der Welt – andere gibt es ja, wie gesagt, nicht mehr – schon gewisse Verpflichtungen zu. Es ist schon auch klar, von wem sie da worauf verpflichtet werden – aber ebenso klar sollte ihnen, darauf legt der Präsident schon wieder großen Wert, dabei sein, dass sie von Amerika doch nur wieder auf die Notwendigkeiten verpflichtet werden, die aus dem erwachsen, was ihnen selbst wichtig und heilig ist: Die Zivilisation ist diesmal das unanfechtbare Gut und der unwidersprechliche Wert, der verteidigt gehört – weil eben mit Amerika das Mutterland aller Zivilisiertheit auf dem Globus angegriffen wurde. Dass die Selbstverteidigung dieser Nation in einem weltweit geführten, permanenten Krieg vonstatten geht, ist daher nur sachgerecht und logisch – nichts geringeres als die ganze zivilisierte Menschheit steht ja auf dem Spiel, die nach dem Abgang des wenigstens genau benennbaren Reichs des Bösen nunmehr von „schemenhaften Netzwerken“ bedroht wird. Dass die so unbedingt verteidigenswerte Zivilisation dabei ein wenig beschädigt wird, steht damit gleichfalls fest, Krieg ist eben Krieg, zumal es ja gar nicht nur – wie bei dem vorbildlichen zivilisatorischen Engagement jüngst in Afghanistan – „Netzwerke“ und „Basislager“ auszuräuchern gilt.
„Habt acht, habt acht! Die Welt ist voller Morden!“
(Liedgut)
Es ist oben schon vermerkt worden, dass der Präsident es eigentlich nicht mit feinsinnigen Differenzierungen hat, sich viel besser auf eine eher holzschnittartige Darstellung der Sachverhalte versteht, auf die es ankommt. Umso erstaunlicher, dass er beim nächsten großen Kapitel der Weltgeschichte, das er demnächst schreiben wird, schon wieder sehr behutsam zur Sache geht:
„In der Verbindung von Radikalismus mit Technologie liegt die größte Gefahr für unsere Nation.“
Schon bemerkenswert: Radikaler lässt sich für einen Wert – Freiheit, Frieden, Wohlstand, Kapitalismus, Zivilisation… – ja wohl gar nicht Partei nehmen, als er selbst dies im Namen und stellvertretend für die Sache seiner Nation tut. Überlegene Technologie ist gleichfalls etwas, das er als Quelle seiner Macht über alle Maßen schätzt, so dass er selbst in persona eine ausgesprochen vorbildliche Orientierungshilfe für das sein dürfte, was man sich unter dem Stichwort einer Verbindung von Radikalismus und Technologie allenfalls denken könnte: Ein unverrückbar fester Wille, der auch die Mittel hat, bei seiner Mission zur Tat zu schreiten – hat nicht gerade dies den Präsidenten der Weltmacht so erfreut, als er deren Inventar durchmusterte und dem Rest der Welt vor Augen stellte? Da scheint doch, den Inhalt des Verbundenen betreffend, bei dieser Riesengefahr noch ein wenig Differenzierungsarbeit vonnöten, und G. W. Bush bleibt auch sie nicht schuldig:
„Unsere Feinde haben offen erklärt, dass sie den Besitz von Massenvernichtungswaffen anstreben, und es gibt Beweise dafür, dass sie dieses Ziel mit Entschlossenheit verfolgen. Die Vereinigten Staaten werden es nicht zulassen, dass solche Bemühungen von Erfolg gekrönt werden. Wir werden uns gegen ballistische Raketen und andere Waffen schützen. Wir werden mit anderen Nationen zusammenarbeiten, um es unseren Feinden unmöglich zu machen, gefährliche Technologien zu beschaffen. Es ist eine Sache des gesunden Menschenverstands und der Selbstverteidigung, dass die Vereinigten Staaten gegen solche aufkommenden Bedrohungen vorgehen werden, bevor sie übermächtig werden. Wir können die Vereinigten Staaten und unsere Freunde nicht verteidigen, indem wir das Beste hoffen. Daher müssen wir bereit sein, die Pläne unserer Feinde zunichte zu machen, indem wir uns der besten Informationsquellen bedienen und mit Bedacht vorgehen. Die Geschichte wird mit denen scharf ins Gericht gehen, die diese Gefahr auf sich zukommen sahen, aber nichts dagegen unternommen haben. In der neuen Welt, in der wir leben, ist der einzige Weg zu Frieden und Sicherheit der Weg des Handelns.“
Der letzte Gedanke – der einzige Weg zum Frieden ist ein Handeln mit Krieg – ist sicherlich nicht so leicht nachzuvollziehen, aber es geht schon. Man muss sich dazu nur vergegenwärtigen, dass in seinem Land schon früh ein berühmter Revolver ‚Peacemaker‘ hieß, und dann hat man in etwa schon die theoretische Prämisse, von der aus der Präsident aufblättert, was „in der neuen Welt“ zu tun ist – und die er wohl nur deswegen verschweigt, weil sie ihm so selbstverständlich ist wie nur irgendetwas: Waffen, über die Amerika verfügt, sind grundsätzlich gute Waffen, weil nämlich die Trägersysteme der Freiheit, die der Präsident überallhin exportieren will. Alles Vernichtungsgerät aber, das außerhalb von amerikanischen Silos verbuddelt ist, nicht in US-Labors ertüftelt und nicht unter US-Flagge über die Weltmeere disloziert wird, ist böse: Es kann ja nur gegen die guten Waffen Amerikas gerichtet sein – es sei denn, es gehört einem guten amerikanischen Freund, ist im amerikanischen Auftrag und deshalb mit amerikanischer Lizenz unterwegs. So hebt sich das ABC-Gerät auf höchstem technologischen Niveau, über das Amerika gebietet und in seinem Kampf gegen das Böse auch selbstverständlich einzusetzen vorhat, schon einmal so wohl tuend wie grundsätzlich von dem ab, das andere haben – und das bei denen daher „Massenvernichtungsmittel“ heißt. Von diesen Werkzeugen des Bösen ist zweitens klar, dass die Feinde Amerikas sie haben wollen, sonst wären sie ja nicht Amerikas Feinde. Drittens also auch, dass sie das auf keinen Fall dürfen und man ihnen dies „unmöglich“ machen muss. Den Rest erledigt derselbe „gesunde Menschenverstand“, der schon bei Amerikas Ureinwohnern herausfand, welche von denen – „only a dead indian…“ – die allein guten waren: Am besten geht man gegen „Bedrohungen“ schon dann vor, bevor man von ihnen überhaupt bedroht wird – denn dann kann man von ihnen gar nicht mehr bedroht werden. Daraus folgt schließlich viertens, dass jeder Staat von Amerika entwaffnet gehört, der auch nur im Verdacht steht, über „Massenvernichtungswaffen“ zu verfügen – die haben ja außerhalb Amerikas und seiner Freunde nur Amerikas Feinde. So ist diese „Selbstverteidigung“ Amerikas – und aller „Freunde“ dieser Nation gleich mit – ein Gebot schierer Vernunft: Wer wartet schon ab, bis seine „Feinde“ die abgrundtief bösen „Pläne“, die sie schmieden, auch in die Tat umsetzen? Wer sieht denn einfach nur zu, bis die Bedrohungen, die da „aufkommen“, auch auf ihn „zukommen“? Das wäre eine Sorte von Risikofreudigkeit, für die „die Geschichte“ nur ein müdes Lächeln übrig hat. Belohnt von der wird nur, wer sein radikales Freund-Feind-Scheidungsvermögen gescheit mit der entsprechenden Technologie verbindet und, den Erkenntnissen seiner Geheimdienste vertrauend, präventiv zuschlägt – freilich immer „mit Bedacht“.
„Denn schändlich ist es für jeden Einzelnen, sich in Widerspruch zu setzen zu seinem Ganzen“
(Augustinus)
Vielleicht hat es dem Präsidenten der Außenminister gesteckt, vielleicht ist es ihm auch selbst eingefallen: Neben seiner eigenen gibt es noch andere Großmächte auf der Welt, und um die kümmert er sich auch.
„Bei der Verteidigung des Friedens werden wir auch die historische Chance ergreifen, den Frieden zu bewahren“
– steht wörtlich so da, und in der englischen Originalversion klingen Tautologien nicht besser. Überzeugend wirkt das eben nur bei einem Präsidenten, der mit seinen Kriegen den Frieden verteidigt und ihn daher auch nur mit demselben Mittel bewahren kann. Jedenfalls ist seine historische Chance dazu wiederum die aller anderen auch, so dass im Fortgang schon wieder klar wird, wie er es meint:
„Die internationale Gemeinschaft hat jetzt die beste Chance seit der Entstehung der Nationalstaaten im 17. Jahrhundert, eine Welt zu schaffen, in der die Großmächte in Frieden konkurrieren, statt sich fortwährend auf einen Krieg vorzubereiten. Die Großmächte der Welt befinden sich jetzt auf der selben Seite – geeint durch die gemeinsame Bedrohung durch terroristische Gewalt und Chaos. Die Vereinigten Staaten werden auf der Basis dieser gemeinsamen Interessen auf die Förderung globaler Sicherheit hinarbeiten. Wir werden zunehmend durch gemeinsame Werte geeint. Russland befindet sich inmitten eines hoffnungsvollen Übergangsprozesses und strebt eine demokratische Zukunft und eine Partnerschaft im Krieg gegen den Terrorismus an. In China entdecken führende Politiker, dass wirtschaftliche Freiheit die einzige Quelle nationalen Wohlstands ist. Mit der Zeit werden sie feststellen, dass gesellschaftliche und politische Freiheit die einzige Quelle nationaler Größe ist. Die Vereinigten Staaten werden das Streben nach Demokratie und wirtschaftlicher Offenheit in beiden Ländern unterstützen, denn dies sind die besten Voraussetzungen für innere Stabilität und internationale Ordnung. Wir werden der Aggression anderer Großmächte mit Nachdruck entgegentreten, auch wenn wir ihr friedvolles Streben nach Wohlstand, Handel und kulturellem Fortschritt begrüßen.“
Was für ein goldenes Weltalter bricht da an! Anstatt sich „fortwährend“ auf absolut überflüssige Kriege vorzubereiten, können die Mächte von Rang nun endlich in allerschönstem Frieden die Früchte ihres wirtschaftlichen Wettstreitens einsammeln – warum sind sie bloß nicht schon früher darauf gekommen? Vermutlich deswegen, weil ihnen Amerika erst jetzt sagt, das sie alle zusammen „geeint“ sind, und vor allem auch, was das für sie besagt: Sie sollen Amerika den einen Krieg, den es noch, aber unbedingt zu führen gilt, einfach führen lassen. Oder, viel besser noch, sie führen ihn gleich mit, Seite an Seite mit ihrem großen Freund. Weil sie ja im selben Maße, in dem der sich bedroht sieht, von derselben Bedrohung bedroht und daher ganz von selbst auch zu einer gemeinsamen Front gegen den einen gemeinsamen Feind „geeint“ werden. Diese Achse der Guten steht also schon einmal, sollte sie jedenfalls, so dass der im Weißen Haus residierende Architekt „globaler Sicherheit“ nur noch die jeweiligen Marschbefehle auszustellen braucht. Den Rest seiner Aufmerksamkeit kann er daher ganz den zwei anderen Mächten von Gewicht zuwenden, die es neben seinen Freunden noch gibt, und auch da ist er voller Zuversicht. Die neuen Russen liegen im Prinzip richtig, müssen aber darauf aufpassen, dass sie die „hoffnungsvollen“ Erwartungen nicht enttäuschen, die die oberste Kontrollinstanz der Freiheit auf der Welt in Bezug auf ihr Wohlverhalten hegt. Auch in China „strebt“ man – zum Teil wenigstens – schon in die richtige Richtung. Die Chinesen sollen sich nur nicht dem fatalen Irrtum hingeben, die „Quelle des nationalen Wohlstands“, die sie mit ihrem Kapitalismus im eigenen Land aufgerissen haben, wäre für sie so etwas wie ein Weg auch zu „nationaler Größe“: Deren „Quelle“ – und zwar deren „einzige“! – besteht darin, dass auch in China so regiert wird, wie Amerika sich Regieren grundsätzlich und überall auf der Welt wünscht, nämlich ungefähr so, wie in Amerika regiert wird. Für den Präsidenten ist das aber solange nicht der Fall, wie er in den Unterkapiteln der Freiheit – „wirtschaftlich“, „politisch“, „gesellschaftlich“ – Anstößiges findet; und solange er das tut, kann er dem Land nicht nur nicht die rechte ‚nationale Größe‘ bescheinigen: Er wird von allem, was ihm die Verweigerung des diesbezüglichen Respekts nahe legt, auch sofort wieder an die Mission erinnert, in der er unterwegs ist. Und dann hat er, der Heiland der Freiheit, an der die Welt genesen soll, wieder zu tun: Er muss einfach das „Streben“ vor Ort „unterstützen“, das er als Haupttendenz der Welt nun einmal entdeckt und dermaßen gründlich verinnerlicht hat, dass zwischen der Welt und dem, wohin die nach seinem Dafürhalten „streben“ soll, gar kein Unterschied mehr ist. Und damit ist er noch immer nicht fertig. „Auch wenn“ ihm alle anderen Großmächte in ihrem Streben einfach alles recht machen, ihre Völker so demokratisch einwandfrei drangsalieren, wie er selbst es nicht besser könnte, dazu noch eine „wirtschaftliche Offenheit“ hinlegen, von der Amerika prima profitiert, und obendrein auch noch „kulturell“ gegen die Standards der Großen Kulturnation nicht verstoßen und Tantiemen nach Hollywood überweisen – auch dann sind sie mit ihrer Verpflichtung auf die Freiheit, die Amerika verteidigt, noch nicht fertig. Wann genau ihr im Grundsatz „friedvolles Streben“, das er selbstverständlich heftig begrüßt, in „Aggression“ umschlägt, verrät der Präsident zwar nicht. Aber er wird es ihnen schon rechtzeitig sagen. Und falls nicht, werden sie es immer dann merken, wenn seine Weltmacht ihnen „mit Nachdruck entgegentreten“ wird.
„Always look on the bright side of life!“
(Amerik. Volksweise)
Alles Wichtige ist der Präsident losgeworden, gleich mehrfach, damit ihn jeder gut versteht, und so kommt er allmählich zum Schluss:
„Schließlich werden die Vereinigten Staaten die Gunst der Stunde nutzen, um die Vorzüge der Freiheit in der ganzen Welt zu verbreiten. Wir werden uns aktiv dafür einsetzen, die Hoffnung auf Demokratie, Entwicklung, freie Märkte und freien Handel in jeden Winkel der Erde zu tragen. Die Ereignisse am 11. September 2001 haben uns gelehrt, dass schwache Staaten wie Afghanistan eine ebenso große Gefahr für unsere nationalen Interessen darstellen können wie starke Staaten. Armut macht arme Menschen nicht zu Terroristen oder Mördern. Dennoch können Armut, schwache Institutionen und Korruption schwache Staaten anfällig für Terrornetzwerke und Drogenkartelle machen.“
Doch: Kaum wird er bei seiner Grußbotschaft an die etwas minderbemittelten Staaten ein wenig konkret, sind die großartigen „Vorzüge der Freiheit“ zur bloßen „Hoffnung“ verblasst! Und was er zu den hoffnungslosen staatlichen Kreaturen und ihren Hungerleidern „in jeden Winkel der Erde“ hinzutragen verspricht, ist auch ziemlich kalorienarm: Eine „Lehre“ ist es bloß, die er gezogen haben will – die nämlich, dass, wenn der Teufel es will, auch der jämmerlichste Staat und trostloseste Ziegenhirte es irgendwie doch noch zum Sicherheitsrisiko für Amerika bringen kann! Armut mag ja schlimm sein, zu irgendeiner Sorte Gegenwehr gegen die freie Welt des Reichtums berechtigt sie jedenfalls nicht. Und ganz schlimm an der Armut ist, dass sie die Abwehrkräfte gegen die Anfechtungen des Bösen verkümmern lässt, so dass der Präsident sein Angebot an die staatlichen Armutshäuser der Welt, entweder im Reich der Hoffnungen oder auf der Abschussliste Amerikas Platz zu nehmen, nur noch ein wenig schmackhaft machen muss. Erstens: Wo Amerika ist, ist die Freiheit stets guter Hoffnung und trägt Früchte. Der Staat braucht sie nur einzusammeln, und schon sind seine Bürger satt: Die Vereinigten Staaten werden jedem Land zur Seite stehen, dass entschlossen ist, eine bessere Zukunft zu bauen, indem es die Früchte der Freiheit für seine Bürger erntet.
Zweitens: Die dickste Frucht der Freiheit ist der freie Handel. Wo der ist, ist auch der Reichtum, den man an Amerika bestaunen und für sich erhoffen kann: Freier Handel und freie Märkte haben bewiesen, dass ganze Gesellschaften durch sie die Armut abschütteln konnten
– das muss Gesellschaften einfach überzeugen, denen die kapitalistische Weltwirtschaft gerade beigebracht hat, was Hunger ist: Mehr von ihr macht satt! Drittens, noch mal dasselbe anders: Wo freier Handel ist, wächst nicht nur der Reichtum der erfolgreichen sieben bis zwölf Handelsnationen. Wo Amerika für eine Welt sorgt, in der es reich wird, werden – ob sie’s nun glauben oder nicht – alle anderen auch reich, irgendwie: Die Vereinigten Staaten werden daher mit einzelnen Ländern, ganzen Regionen und allen Handel treibenden Staaten an einer Welt arbeiten, in der in Freiheit Handel betrieben wird und deren Wohlstand dadurch wächst.
Viertens: In den Handel treibenden Staaten, aus denen zur Zeit der Reichtum eher notorisch abfließt, wächst an dessen Stelle schließlich auch noch etwas. Die Verantwortung nämlich, auch beim Regieren der eingerissenen Armut keinen Fehler, also alles genau so richtig weiter zu machen wie bisher. Auch dabei hilft Amerika: Im Rahmen des New Millennium Challenge Account werden die Vereinigten Staaten solchen Ländern mehr Entwicklungshilfe gewähren, die gerecht regieren, in ihr Volk investieren und wirtschaftliche Freiheit fördern.
Fünftens: Wo Amerika ist, ist das Heil, denn wo es nicht ist, regiert der Virus: Unser Land wird auch weiterhin bei der Bekämpfung von HIV/AIDS und anderen Infektionskrankheiten eine weltweit führende Rolle spielen.
Damit ist alles gesagt. Der Präsident jedenfalls verlässt sich auf seine geleistete Überzeugungsarbeit und vertraut im Übrigen ganz darauf, dass etwaige Defizite schon von den überzeugenden Taten bei der weltweiten Friedensstiftung ausgebügelt werden, die er ja versprochen hat. So kommt er endgültig zum Höhepunkt und Abschluss seiner Botschaft:
„Das Recht, wie Glut im Kraterherde, nun mit Macht zum Durchbruch dringt!“
(Intern. Volkslied)
„Im Streben nach einem freiheitsorientierten Kräftegleichgewicht werden die Vereinigten Staaten von der Überzeugung geleitet, dass alle Nationen eine wichtige Verantwortung tragen. Freie Nationen müssen Terrorismus aktiv bekämpfen. Nationen, die von internationaler Stabilität abhängig sind, müssen dazu beitragen, die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen zu verhindern. Nationen, die internationale Hilfe brauchen, müssen selbst weise regiert werden, damit die Unterstützung sinnvoll verwendet werden kann. Um sich frei entfalten zu können, ist Verantwortungsbewusstsein nötig und wird auch erwartet.“
Das Sprachrohr des im Kampf gegen das Böse vereinten Weltinteresses verkündet also die Pflichten, die alle anderen Nationen haben: Freie Nationen haben keine Freiheit, sondern der „Stabilität“ zu dienen, die der „Terrorismus“ bedroht. Und das macht den Unterschied: Die Verantwortung, welche die strebende Nation Amerika trägt, liegt in der „Überzeugung“ begründet, allen anderen vorbuchstabieren zu müssen, was sie für eine stabile Welt, von der sie ja abhängig sind, „beitragen“ können. Diese Nationen haben ihre Freiheit also darin, das zu tun, was sie einfach tun müssen, während die besondere Nation Amerika so frei ist, ihnen zu sagen, was das im Einzelfall für sie besagt: In dem, was eine jede von ihnen zu Amerikas weltweitem Krieg gegen den Terror an Diensten liefern soll, besteht fürs Erste alles, was von ihnen im Zuge ihrer freien Entfaltung „erwartet“ wird. Und was passiert, wenn Amerika in seinen Erwartungen enttäuscht wird, hat der Präsident ja schon ganz zu Beginn gesagt. Weil das bei den Betroffenen vielleicht doch allzu sehr den Unmut bekräftigen könnte, den sie unter den Titeln ‚Bevormundung‘ und ‚Unilateralismus‘ ohnehin schon hegen, schiebt der Präsident zur prophylaktischen Besänftigung der Gemüter seiner Freunde eine weitere seiner Überzeugungen hinterher. Dass sie auf der Welt zwar einiges dürfen, eines aber garantiert nicht: sich bei der Bewirtschaftung ihrer Ordnung im Namen der Freiheit dieselben Freiheiten herausnehmen, wie Amerika dies tut, steht für ihn zwar fest. Aber:
„Wir werden auch von der Überzeugung geleitet, dass kein Land allein eine sichere und bessere Welt bauen kann. Bündnisse und multilaterale Institutionen können die Stärke freiheitsliebender Nationen vervielfältigen. Die Vereinigten Staaten haben sich dauerhaften Institutionen verpflichtet, wie den Vereinten Nationen, der World Trade Organization, der Organization of American States, der NATO und anderen bewährten Bündnissen. Bündnisse der Willigen können diese beständigen Institutionen bestärken. Auf jeden Fall müssen internationale Verpflichtungen ernst genommen werden. Man kann ihnen nicht symbolisch nachkommen und sich für ein Ideal einsetzen, ohne dessen Verwirklichung anzustreben.“
Die Weltmacht diktiert also nichts und niemandem etwas, weil sie genau genommen nur eine Welt-Bündnismacht ist und als solche selbst allem „verpflichtet“, was auch allen anderen ihrer Bündnispartner verpflichtend ist. Kaum aber hat er seinen freiheitsliebenden Bündnispartnern glaubhaft versichert, beim Bau einer „besseren Welt“ auf gar keinen Fall irgendetwas „allein“ und ohne sie zu unternehmen, bricht es doch wieder aus dem Präsidenten heraus. Es drängt ihn, wie er nun einmal ist, einfach zu der Klarstellung, dass die schönsten Bündnisse doch bloß „symbolisch“ sind, nur Lippenbekenntnisse, wenn Bündnisgenossen sich vor ihren Kriegspflichten drücken – wenn also nicht einer wie er hergeht und sich entschlossen an die Verwirklichung all der feinen Ideale macht, die den Bündniswerken zugrunde liegen. Und was immer „multilaterale Institutionen“ wie UNO, WTO, OAS, NATO, IWF und Weltbank im Einzelnen da so an Idealen kultivieren mögen: Letztlich laufen die doch alle ziemlich unilateral darauf hinaus, dass diese Institutionen zusammen mit dem Präsidenten der USA das regeln wollen, was er als sein Ideal einer von Feinden Amerikas befreiten und damit endlich freien Welt verwirklicht haben will. Und so schließt er wie jeder gute Redner, holt beim Rückweg zum Anfang alles Gesagte nochmals ein und erläutert seinem Publikum ein letztes Mal, wie ein Tacitus sich modern übersetzt gehört:
„Freiheit ist eine nicht verhandelbare Forderung menschlicher Würde, das Geburtsrecht jedes Menschen in jeder Zivilisation. In der Geschichte wurde die Freiheit durch Krieg und Terrorismus bedroht, sie wurde von den widerstreitenden Absichten mächtiger Staaten und den verwerflichen Zielen von Tyrannen in Frage gestellt und durch weit verbreitete Armut und Krankheiten auf die Probe gestellt. Die Menschheit hat jetzt die Möglichkeit, den Triumph der Freiheit über all diese Widerstände voranzutreiben.“
Das ist die geniale Antwort auf einen falschen Fundamentalismus: Der Fundamentalismus der Freiheit ist der einzig wahre! Kaum haben die zivilisierten Menschen mühsam gelernt, dass ‚Gewalt kein Mittel der Politik‘ ist, müssen sie schon das nächste Bildungsgut verdauen. Ab sofort müssen sie wissen, dass nur ein gescheiter Weltkrieg für die Freiheit ihnen die Freiheit beschert, die von Kriegen nicht mehr bedroht ist. Dass ordentlicher Terror sie nicht nur von Terroristen und Tyrannen befreit, sondern sie zudem auch noch von so gut wie allen anderen Übeln erlöst, an denen sie laborieren, und Kriege, die der Freiheit Bahn brechen, sie glatt auch noch reich und gesund machen. Da ist eines klar: Da heißt es Danke! sagen, und wie das geht, können sie vom Präsidenten auch noch lernen. Der ist einfach nur begeistert von sich, weil er erstens Präsident ist, zweitens der Präsident der USA, und beides zusammen drittens gut so ist: Die Vereinigten Staaten begrüßen ihre Verantwortung, bei dieser großartigen Mission eine führende Rolle zu spielen.
[1] Wir gehen im Folgenden Bushs Einleitung zur Neuen Nationalen Sicherheitsstrategie der Vereinigten Staaten in einer von der US-Botschaft autorisierten Übersetzung durch, Stück für Stück und einschließlich aller Wiederholungen, auf die der Präsident sehr großen Wert legt.