Aus der Reihe „Chronik - kein Kommentar!“
Goldminenunglück in Rumänien:
Ein Unfall, verantwortungslose Schlamperei, mangelnde Aufsicht oder einfach Marktwirtschaft?
Ein Unfall in einer rumänischen Goldmine verursacht eine balkan-weite Umweltkatastrophe, die hiesige Öffentlichkeit wälzt die Schuldfrage; heraus kommt die Verurteilung „verfehlten Krisenmanagements“, „profitgieriger Unternehmer“ sowie staatlichen „Öko-Dumpings“ – nur der einzig fällige Schluss nicht: eine Kritik der marktwirtschaftlichen Rechnungsweise, die Mensch und Natur nun mal als Kostenfrage behandelt und dementsprechend ruiniert.
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Länder & Abkommen
Goldminenunglück in
Rumänien:
Ein Unfall, verantwortungslose
Schlamperei, mangelnde Aufsicht oder einfach
Marktwirtschaft?
In der rumänischen Bergbaustadt Baia Mare läuft das
Auffangbecken einer australischen Goldmine über und
verseucht Flüsse, Tiere und Felder des halben Balkan. Die
Zeitungen melden die größte Umweltkatastrophe seit
Tschernobyl
(SZ, 16.2.00)
und stellen die Frage: Wer ist schuld?
1. Niemand. Sagt die Firma, deren Abwasserbehälter als Quelle des Unglücks geortet wird. Selbstverständlich enthalten die Exkremente ihrer Produktion hochgiftiges Zeug. Verursacht hat sie das Fischsterben deshalb aber nicht; es gibt ja noch andere Dreckschleudern im Umkreis. So sind sie, unsere Kapitalisten in Rumänien und anderswo: Ihre eigene Tagesordnung formulieren sie gleich als Kritikverbot. Weil alle in der Gegend herumsauen, ist keiner der Verursacher.
2. Das Wetter. Der Chef von
‚Esmeralda Explorations‘ lehnte jede Verantwortung ab und
verwies auf ein ungewöhnliches Zusammentreffen von
Schneeschmelze und heftigem Regen
(taz). Selbstverständlich bauen
Bergbaukonzerne ihre Gruben nicht wetterfest.
Gleichgültigkeit gegen absehbar schädliche Folgen des
Goldabbaus auf die Umgebung lassen sie sich aber nicht
vorhalten: Wer rechnet denn im Februar mit so einem
Wetter, wo sie das ganze Jahr mit den Kosten
rechnen, die Vorkehrungen gegen die höhere Gewalt der
Schneeschmelze nur bereiten würden. Vom Standpunkt des
Geschäfts ist die Strömung des Flusses, an
dessen Ufer die Zeche liegt, die optimale Naturlösung:
eine gratis benutzbare Mülltonne von unendlichem
Fassungsvermögen.
3. Falsche Unfallbekämpfung.
Bergwerksdirektor Evers sagte, man kenne zwar die
‚berührenden Bilder‘ aus Rumänien und Ungarn. ‚Wir sehen
aber keinen Beweis, dass dies auf Zyanid zurückzuführen
ist‘
. Da investiert man in diesen Armenhäusern,
schafft – na gut: nicht die gemütlichsten, aber –
Arbeitsplätze, leitet ein bisschen Zyanid ins Trinkwasser
und erntet bloß Schadensersatzklagen: Den ökologischen
Tod
der Flüsse lässt sich der Täter nicht anhängen.
Schuld am Zustand der Theiß sei ein von Ungarn
eingesetztes Oxidationsverfahren, das das Zyanid
bekämpfen sollte
(Tagesschau). Wer flussabwärts der
Standorte lebt, die das internationale Minenkapital nach
Leichtigkeit und Ertrag des Abbaus auswählt, sollte
gleich wissen, dass gegen die giftige Brühe, die aus
seinem Produktionsprozess kommt, kein Kraut gewachsen
ist.
4. Profitgierige Besitzer.
Ungeschoren kommen die Eigentümer, je zur Hälfte der
australische Bergwerkskonzern und die rumänische
Regierung
(SZ), nicht
davon. Die Presse berichtet von entsetzlichen
hygienischen Zuständen
im und um das Werk, von dem
Giftbecken, dessen Lecks mit Plastiktüten abgedichtet
wurden
, und beschließt, die Bilder, die das Fernsehen
zeigt, schier unglaublich
zu nennen. Da ist unsere
Öffentlichkeit gnadenlos. Sie sendet live aus dem Alltag
rumänischen Stadt- und Landlebens und führt das Elend auf
bodenlosen Leichtsinn
zurück; sie schreibt über
gängiges Management und genehmigte Profitproduktion –
das Zyanidverfahren ist weltweit verbreitet
(SZ) – und entdeckt doch
überall nur Missmanagement
und kriminelle
Profitgier
. Vor lauter außerordentlichen
Katastrophenmeldungen fragt keiner, von welcher Regel
Baia Mare wohl die Ausnahme ist.
5. Lasche Umweltgesetze.
Naturschutzorganisationen kritisierten, dass die
Bergbau-Unternehmen nachlässige Umweltgesetze ärmerer
Länder ausnutzten.
Einmal abgesehen davon, dass die
Edelmetallgewinnung in USA oder Spanien sich derselben
Methode bedient, wie Bergbaumultis sie von Guyana bis
Kirgisien anwenden: Ungenügende Staatsaufsicht für die
Katastrophe haftbar zu machen, ist überall albern. Wieder
abgesehen davon, dass die Regierung hier gleich in
Doppelfunktion als Eigentümer und Kontrolleur agiert: In
der Marktwirtschaft, wie Rumänien jetzt eine ist, hat der
Staat die Grundrechenart des Eigentums per
Gesetz frei- und ins Recht gesetzt; was
er beaufsichtigt, sind die Wirkungen dieser Freiheit, in
deren Kalkulationen er ausdrücklich nicht eingreift. Dass
Rumänien zwecks Attraktion von Kapital auf die Vorschrift
andernorts üblicher Schutzmaßnahmen verzichtet, wird
schon so sein; solche Länder mit dem beliebten Vorwurf
des Öko-Dumpings
zu belegen, ist freilich nicht
mehr albern, sondern nationalistische Kritik: Die
Berechnung, extra günstige Lizenzen zum Verschmutzen
anzubieten, lebt nämlich schon wieder nur von der regen
Nachfrage aus den Metropolen der
Marktwirtschaft.
6. Das ewige Erbe des Sozialismus.
Das Genöle vom verantwortungslosen Umgang mit der Natur
geht manchem schon zu weit. Kein gieriger Besitzer und
keine laxer Staat sind schuld; auch dieses Mal geht die
„größte Katastrophe seit Tschernobyl“ nicht auf das Konto
des Kapitalismus, letztlich ist der von
Ceausescu versaute Volkscharakter nicht mehr zu ändern:
Der Rumäne hat kein Umweltbewusstsein
(Tagesthemen, 24.2.).
Der einzig fällige Schluss aus den Berichten kommt bei der Klärung der Schuldfrage nicht vor: So wird in der Marktwirtschaft nun mal gerechnet.. Das ist die schlechte Nachricht. Einen Vorteil hat die Sache aber auch: In der Demokratie, die der Rumäne jetzt auch hat, werden Verseuchungen selbst dann nicht vertuscht, wenn sie offensichtlich sind.