Der Gipfel von Genua
Die politische Agenda des Imperialismus, ihre verlogene Präsentation und ihre Kritik durch militante Ignoranz
Die Herren der Welt und ihre Erfolge und Drangsale beim Umgang mit Armut & Reichtum, Krieg & Frieden und auch noch der Großwetterlage auf dem Globus: 1. Die maßgeblichen Sorgen um das Wachstum des Reichtums. 2. Die Probleme mit dem Wachstum der Armut. 3. Die Probleme mit dem Klima und dem Frieden auf der Welt. „Globalisierung“: Erlogene Notwendigkeiten für die Mandatsverlängerung der eigenen imperialistischen Handlungsfreiheit. Die „Globalisierungsgegner“: Anti-Imperialismus als höchstes Stadium des Trachtens nach Gerechtigkeit: 1. Die Diagnose: Ohnmacht regiert, Profit diktiert. 2. „Was tun?“ Gutes! 3. Noch ein schöner Konsens der G-7: Einvernehmliche Entsorgung eines nicht genehmigten Tagesordnungspunkts.
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Länder & Abkommen
Der Gipfel von Genua
Die politische Agenda des
Imperialismus, ihre verlogene Präsentation und ihre
Kritik durch militante Ignoranz
Dem öffentlichen Urteil zum Treffen der Chefs der
G7/G8-Staaten, dieses habe zur Bewältigung der
drängenden Probleme der Weltwirtschaft
nichts
bis ziemlich wenig gebracht
,
schließt man sich besser nicht an. Erstens ist es
verkehrt, dem gemeinsamen Zusammenkommen der
Repräsentanten von sieben Weltwirtschaftsmächten und den
Titeln, denen sie ihr Treffen widmen, entnehmen zu
wollen, es wären tatsächlich von ihnen gemeinschaftlich
verfolgte Anliegen, die ihre turnusmäßigen Zusammenkünfte
bestimmen und welche sie – bedauerlicherweise – doch
wieder nicht so gut hinbekommen haben, wie sie sich dies
immer vornehmen. Besser behält man im Kopf, was einem die
tägliche Zeitungslektüre über die Konkurrenzaffären der
tagenden Subjekte mitteilt, und ignoriert nicht über dem
einen Umstand, dass sie über einer gemeinsamen
Tagesordnung sitzen, kurzerhand den anderen, dass es
bekanntermaßen konkurrierende Nationen sind, die
sich da zum Gipfel treffen. Zweitens verbietet sich bei
dem, worüber sie als Konkurrenten gemeinsam
beratschlagen, schon gleich jede einfühlsame Parteinahme
nach dem Motto: ‚Möge ihr Werk gelingen!‘ Sachlich
betrachtet sind ihre gemeinsam vorgebrachten Anliegen
nämlich alles andere als menschheitsbeglückend.
Die Herren der Welt und ihre Erfolge und Drangsale beim Umgang mit Armut & Reichtum, Krieg & Frieden und auch noch der Großwetterlage auf dem Globus
1. Die maßgeblichen Sorgen um das Wachstum des Reichtums
Die führenden Weltwirtschaftsmächte in Gestalt ihrer
Repräsentanten wissen sehr gut, wer ihnen da in ihrem
erlauchten Gremium jeweils gegenübersitzt. Sie wissen
sich als die maßgeblichen politischen Subjekte, auf deren
Wirken alle Bedingungen zurückgehen, unter denen der
weltweite Handel mit Ware und Geld, Kapital und Kredit
stattfindet: Sie sind es, die in all diesen Hinsichten
minutiös den Zugang zu ihren Märkten regeln, die Öffnung
von Märkten für ihr Kapital betreiben, vom
grenzüberschreitenden Warenverkehr bis zu den
berüchtigten „Strömen“ des internationalen Finanzkapitals
das globale Geschäftsleben freisetzen, ihre Standorte zu
unwiderstehlichen Anlageplätzen für Kapital herrichten,
mit ihrer Kreditmacht für die Bildung der schlagkräftigen
Konzerne sorgen, die dann als Multis und global players
den Weltmarkt erobern sollen usw. Sie kennen sich als die
souveränen Hüter der kapitalistischen Standorte, zwischen
denen sich die Masse des internationalen Geschäftslebens
abspielt; vor allem aber als Nationen, die aus dem
laufenden Weltgeschäft in allen seinen Abteilungen ein
Maximum an Erträgen jeweils für sich requirieren
wollen, haben sie tagtäglich miteinander zu tun. Das, was
bei diesem wechselseitigen Bemühen einer erfolgreichen
ökonomischen Indienstnahme von Konkurrenten so alles
stattfindet und in seinem Ergebnis dann zu nationalen
Erträgen und Zuwächsen saldiert wird, ist die
Weltwirtschaft, die es gibt, und deren maßgebliche
Veranstalter und Nutznießer täuschen sich in dem, dass
die ihr politisches Werk und das Forum ihrer
Konkurrenz ist, zuallerletzt. Gleichwohl setzen sie
sich und den Rest der Welt im ersten Punkt ihrer
Tagesordnung in Genua darüber in Kenntnis, dass sie sich
zu ihrer Weltwirtschaft keineswegs nur die üblichen, den
Stand ihrer jeweiligen nationalen Bilanzen betreffenden
Sorgen machen. Die haben sie zwar schon auch. In
unterschiedlichem Maße, aber doch bei allen gleichermaßen
lässt das Wachstum, auf das sie aus sind, für sie sehr zu
wünschen übrig. Aber allein deswegen fahren sie nicht
nach Genua: Die Weltwirtschaft wieder in
Schwung bringen
– das nehmen sie sich dort
als ihren allerersten Tagesordnungspunkt vor.
Das ist einerseits ein Witz. Dass es diese Weltwirtschaft als ein von allen ihren politischen wie ökonomischen Zwecken und Machenschaften losgelöstes Objekt nicht gibt, wissen die Herren nämlich schon; und soweit, sich allen Ernstes als durch und durch selbstlose Diener an der Hege und Pflege eines dem Wohlstand aller Beteiligten förderlichen weltweiten Wirtschaftslebens vorzustellen, zu der sie sich auch noch gemeinschaftlich bestellt wüssten, vergessen sie sich wirklich nicht. Dennoch: Es ist schon mehr als nur politische Heuchelei, wenn die Vorsteher der gewichtigsten kapitalistischen Standorte ihr Interesse am eigenen Nutzen aus dem weltwirtschaftlichen Treiben unbedingt auch noch als Interesse an dessen gedeihlichem Fortgang ausdrücken wollen. Daran ist ihnen nämlich deswegen gelegen, weil sie es in ihrer Konkurrenz gegeneinander schon sehr weit gebracht haben – so weit, dass sie sich in ihrem jeweiligen Fortkommen von der Bereitschaft der jeweils anderen abhängig wissen, Konkurrenzerfolge der Gegenseite zu tolerieren: Sie haben sich in ihrer wechselseitigen Benutzung weitreichende Rechte eingeräumt, sich dem ökonomischen Zugriff ihrer Konkurrenten geöffnet, um ihrerseits auf deren Reichtum zugreifen zu können; auf dieser Grundlage wollen sie aneinander verdienen; dabei wissen sie, dass sie sich in dem, was sie da voneinander wollen und zu dem Zweck unternehmen, wechselseitig beschränken – und als solche Konkurrenten, die füreinander immer zugleich Bedingung wie Schranke des Erfolges aus dem internationalen Geschäft sind, der ihre ökonomische Lebensgrundlage ist, verspüren sie das dringliche Bedürfnis, sich ihres Willens zur Anerkennung der Ergebnisse ihrer ökonomischen Konkurrenz als der Geschäftsgrundlage ihres weiteren Konkurrierens zu versichern. Getrennt von und zusätzlich zu allen laufenden Transaktionen von Waren, Geld und Kredit, die ihre Geschäftsleute ausführen, erachten es die politischen Hüter dieses Geschäfts für erforderlich, sich über den Fortbestand und die weitere Ausgestaltung des Verhältnisses ins Benehmen zu setzen, in dem sie zueinander stehen. Ihr Treffen in Genua ist das Forum einer Diplomatie, die von dem Konsens aller Beteiligten getragen ist, dass sie jetzt, wo jeder von ihnen seine kleine oder größere Krise hat, umso mehr auf ihr grundsätzliches Einvernehmen hinsichtlich der Modalitäten ihres weiteren geschäftlichen Umgangs miteinander angewiesen sind. Gleichsam methodisch beziehen sie sich auf ihre Konkurrenz, indem sie deren vereinbarte – oder demnächst zu vereinbarenden – Verfahrensprinzipien zum Thema machen, ihre Zufriedenheit mit – oder ihre Kritik an – allem bekunden, was sie sich so wechselseitig an Rechten einräumen oder versagen und was ihre international tätigen Geschäftsleute dann als ihre Freiheit zur Mehrung des kapitalistischen Reichtums nutzen. Diese wechselseitige Versicherung, dass die Konkurrenz um den Reichtum der Welt auch weiterhin an die politischen Regeln – von Vereinbarungen über Zölle und Marktzugänge bis zum Regelwerk einer WTO – gebunden sein soll, die sie als deren maßgebliche Subjekte untereinander als verbindlich anerkennen wollen und dem Rest der Staatenwelt aufoktroyieren: Das ist das einzige gemeinsame Interesse, das die führenden Mächte der Weltwirtschaft an dieser haben, weswegen der bekundeten Gemeinsamkeit in dieser Hinsicht notwendig der Streit über alles unmittelbar nachfolgt, was sie sich jeweils als Methode ihres Konkurrierens genehmigen oder untersagen wollen.
2. Die Probleme mit dem Wachstum der Armut
Wo die Aneignung des weltweit geschaffenen Reichtums als
Verfahrensfrage diskutiert wird, die ein exklusiver
Zirkel von sieben Staaten unter sich ausmacht, muss man
sich die Frage nach der Verteilung dieses Reichtums nicht
mehr stellen: Die ist damit geregelt. Insofern ist auch
kein Irrtum darüber möglich, was es zu bedeuten hat, wenn
sich die sieben Staaten, die für den Reichtum der Welt
zuständig sind, in Genua auch für die
Armutsbekämpfung
zuständig
erklären. Eben das. Ihre Zuständigkeit für den ganzen
Globus erlischt ja nicht in den diversen Weltgegenden, in
denen sie mit ihrer wunderbaren Weltwirtschaft für die
elendsten Zustände gesorgt haben und sorgen. Die Staaten
vor Ort, die nur noch über Hunger und Bürgerkrieg und
sonst nichts ‚regieren‘, werden, bloß weil sie ruiniert
sind, deswegen noch lange nicht aus ihrer Verantwortung
entlassen. Sie bekommen ihre Verfassung von den
Nutznießern dieser Weltwirtschaft als ihren endgültigen
Status zugeschrieben und werden als die staatlichen
Armenhäuser, die sie sind, darauf verpflichtet, wenn sie
schon für sonst nichts mehr brauchbar sind, ihre wenigen
Mittel wenigstens nicht auch noch in Kriegen, die niemand
bestellt hat, zu verpulvern, oder für ehrgeizige
nationale Projekte zu vergeuden, aus denen dann doch
nichts wird. Sie sollen sie lieber – ihrem Zustand gemäß
– für irgendeine Sorte Elendsverwaltung und
ordnungspolitischer Einhegung der von ihnen beheimateten
Portion für den Kapitalismus definitiv überflüssiger
Weltbevölkerung verwenden. Etwas für das Vorankommen
dieser Staaten zu tun, und sei es auch nur aus der
schäbigen Berechnung, dass sie zur Erledigung des ihnen
erteilten Auftrags irgendwie auch fähig sein müssen – so
weit geht die Mildtätigkeit der in Genua versammelten
Armutsbekämpfer umgekehrt nicht. Mit der
Streichung von Schulden für die ärmsten
Länder
haben sie jedenfalls etwas anderes
auf ihrer Agenda. Schulden erlassen zu bekommen, heißt
für diese Länder ja nicht, dass sie etwas kriegen. Genau
besehen heißt es vielmehr so ziemlich das Gegenteil: Die
in Gestalt ihrer obersten Vertreter versammelten
Gläubigernationen, bei denen sich die Beteiligung dieser
ärmsten Länder am Weltmarkt als Akkumulation von
Ansprüchen auf deren Reichtum niedergeschlagen hat – und
zwar von so vielen, dass die alles, was sich jemals aus
diesen Ländern herausholen und auswärts zu Geld machen
lässt, bei weitem übersteigen –, geben in dieser Form
ihren Realismus zu Protokoll, dass bei diesen Ländern
nichts mehr zu holen ist; wenigstens nicht mehr, als man
an Bodenschätzen, Rohstoffen usw. ohnehin schon aus ihnen
herausholt. Richtig besehen, d.h. aus dem Blickwinkel der
Probleme, die sie ihren reichen Gläubigern bereiten,
besteht die Armut dieser ärmsten Länder also darin, dass
an ihnen nicht einmal mehr in Form von Zinsen für ihre
Schulden zu verdienen ist, und weil diese Sicht der Dinge
nun einmal die maßgebliche ist, steht damit das Urteil
über diese Länder fest: Sie sind Schuldenstaaten, und
zwar solche, die mitsamt der uneinbringlichen
Schuldforderungen an sie abzuschreiben sind. Mitten im
globalen Kapitalismus weisen dessen Veranstalter
Dutzenden von Staaten den Status ‚endgültig nicht mehr
geschäftsfähig‘ zu. Und als was die dann noch in Betracht
zu ziehen sind, wenn erst einmal klar ist, dass eine
weitere Kreditierung in ihrem Fall nicht mehr in Frage
kommt, das teilen sie in ihrer fürsorglichen Art auf
ihrem Treffen auch mit. Im Rahmen ihrer Fürsorgepflicht
für Afrika statten sie einen Fonds gegen Aids,
Malaria und TBC
mit Geldmitteln aus, damit
die Viren und Bakterien bei ihrem Vormarsch auf dem
Kontinent wenigstens nicht ganz ohne Kontrolle bleiben.
Der ist für sie also nichts weiter als ein gigantisches
Krankenhaus, in dem ganze Bevölkerungen, für die sie in
ihrer Weltwirtschaft keine Verwendung haben,
dahinsiechen. Und dass aus ihm auch nichts anderes mehr
wird, und – bei dem Zustand! – nichts anderes mehr werden
kann, das ist für sie so klar wie Kloßbrühe: Sie
beschließen das nämlich so. In diesem Sinne verständigen
sich die in Genua versammelten Humanisten in allgemeiner
Form darauf, dass man in Afrika erst einmal etwas für die
Erziehung
tun müsste und
Hilfe für das Schulwesen in armen
Staaten
bitter nötig wäre, und vor allem
sind sie sich einig, dass diese Hilfe nur
Hilfe zur Selbsthilfe
sein kann:
Sie führen Merkmale der Verwahrlosung in diesen Staaten
auf, erinnern nämlich an die Grundausstattung der
Standorte, die sie bei sich daheim regieren, um
aufzuzählen, was es von der in diesen Staaten alles
nicht gibt. Und das, kombiniert mit dem
Zynismus, dass die selbst zusehen sollen, wie sie ohne
alle Voraussetzungen eines irgendwie Erfolg
versprechenden Wirtschaftens und konsolidierten
Staatswesens auf die Beine kommen, ist alle Mal die
Mitteilung, dass an einer Änderung ihrer Lage auf Seiten
der versammelten Herren der Welt kein Interesse besteht.
Denen fällt bei ihrer Aufzählung fehlender
zivilisatorischer Errungenschaften dann auch noch und so
ziemlich an erster Stelle das
Internet
ein. Denn wenn sie sich
so überlegen, was diese Hungerleiderstaaten brauchen,
dann kommen sie als Erstes auf das, was sie dort – Aids
hin, Elend her – immer noch haben und vorfinden wollen:
eine Adresse, an die man sich wenden kann, wenn man etwas
von ihnen will.
Im Übrigen darf Afrika sich auch selbst um die
Konsolidierung seines inzwischen erreichten Zustands
verdient machen. Über alle Kriege und Bürgerkriege,
Seuchen, zerfallenden politischen und sonstigen
Gemeinwesen hinweg haben die führenden Weltmächte auch
noch eine Vision für Afrika
in
Genua dabei. Könnte nicht eine „afrikanische Einheit“
diesen Müll von unbrauchbaren Staaten und Völkern in
eigener Regie verwalten? Könnten die Neger sich nicht
zusammentun und einfach nur gemeinsam für die Ordnung
sorgen, die es für einen reibungslosen Abtransport von
Rohstoffen und Hülsenfrüchten braucht? Ein zentrales
Rohstoffregister für diesen Kontinent und ein
gesamtafrikanisches Korps, das für die allzeit
zuverlässige Belieferung des Weltmarkts sorgt und
ansonsten dafür, dass die Neger beim Verhungern nicht
unangenehm auffallen – ist das etwa zu viel verlangt? Die
Staaten der G7 jedenfalls könnten sich diese schöne
Arbeitsteilung zwischen den Kosten der politischen
Kontrolle eines Rohstofflagers ihres Weltmarkts
einerseits und dem ökonomischen Nutzen andererseits, den
dessen Verwertung erbringt, ganz gut vorstellen, und zwar
einhellig.
3. Die Probleme mit dem Klima und dem Frieden auf der Welt
Weniger gut vorstellen können sie sich dagegen, sich
selbst auf irgendeine Art von politischem Kontrollwesen
zu verpflichten, von dem sie sich keinen Nutzen
versprechen. Beim Weltklima mit seinen Ozonlöchern und
Treibhauseffekten, noch so eine Wirkung des globalen
Kapitalismus, den sie als Konkurrenten gemeinschaftlich
ins Werk setzen, sind sie sich zwar mittlerweile
irgendwie einig, dass das eine Herausforderung an sie
darstellt, die sie als Betroffene nur gemeinschaftlich
meistern können. Vor allem aber sind sie als Konkurrenten
darauf bedacht, dass keine Vereinbarung zustandekommt,
die die eigene Wettbewerbsfähigkeit schmälern und die der
jeweils anderen stärken könnte. Daher gestaltet sich die
Umsetzung des Kyoto-Protokolls
,
die die G7 in Genua auf die Tagesordnung setzen und
zeitgleich in Bonn zu einem verbindlichen Regelwerk
ausarbeiten, zu einem diplomatischen Lehrstück darüber,
dass es beim Klimaschutz um die Frage geht, wer wen auf
was festnageln kann. Einer der sieben Partner – es ist
zufällig der mächtigste – gibt schon im Vorfeld der
Gespräche zu verstehen, dass er sich auf gar keinen Fall
Regeln zum Klimaschutz zu beugen gedenkt, die seiner
Wirtschaft schaden, ein Zweiter, Japan, schließt sich ihm
an; mitdiskutieren wollen beide beim Thema, auf welche
Auflagen und Kontrollverfahren man sich wechselseitig
verpflichten kann, freilich schon noch, worüber sich
allmählich abzeichnet, dass man sich womöglich über
Regeln verständigen kann, die den Schadstoffausstoß nicht
reduzieren und insofern auch niemandem schaden können;
dieses Angebot gefällt einem der beiden Opponenten, dem
Anderen, Amerika, nach wie vor nicht; also einigt sich
der Rest darauf, den Umstand, es auch ohne die
Weltmacht zu einer Vereinbarung gebracht zu haben, als
einen großen Erfolg zu feiern – keineswegs des
Klimaschutzes, wie sie selbst offen sagen: Gelungen ist
ihnen, ihre offenen Interessensgegensätze bei der Frage,
wie der geschäftsmäßig betriebene Ruin von Natur, Land
und Leuten verbindlich einzuhegen sei, zugunsten einer
Manifestation ihres Willens zurückzustellen, sich auch
auf der Grundlage ihrer Gegensätze doch noch auf
Gemeinsamkeit zu verstehen: Gegen den Willen der
USA haben sie es geschafft, das Klima als Stoff und Thema
ihrer weiteren Konkurrenz und so auch ihrer weiteren
gemeinsamen Konsultationen zu etablieren – ein Hoch auf
diese G6!
Auch in den wirklich substantiellen Fragen, die die
führenden Weltwirtschaftsmächte auf ihrem Treffen
behandeln – und die betreffen nun wirklich nicht den
CO2-Haushalt, sondern den Gewalthaushalt der
Welt, den sie gemeinsam kontrollieren –, ist ganz viel
Einigkeit gefragt. Dass ihre feine Weltwirtschaft, der
sie ihren Reichtum verdanken, auf der Gewalt beruht, mit
der sie gemeinsam den Rest der Welt beherrschen, ist
ihnen schließlich ebenso selbstverständlich wie der
Umstand, dass sie sich dabei noch in allen Affären als
Konkurrenten um ihre Macht und ihren
Einfluss betätigen. Und auf dem Feld dieser Konkurrenz
bekommt der Triumph der Euros in der Klimafrage von der
amerikanischen Führungsmacht seinen doch recht relativen
Stellenwert beschieden. Was ist schon der einigermaßen
erfolgreich absolvierte Versuch, sich als Vorreiter bei
der Kontrolle von Kohlendioxid in der Atmosphäre
hervorzutun, gegen das Projekt, den erdnahen Raum zu
einem potentiellen Schlachtfeld aufzurüsten! Die
Sonderstellung in Fragen der Kriegsführung, die sich die
USA mit ihrem Raketenschirm
herausnehmen, ist ja erklärtermaßen nichts, worüber die
Weltmacht mit sich reden oder verhandeln ließe. Also
haben deren europäische Partner mit den Risiken einfach
zu leben, die ihnen daraus erwachsen, dass sie in jedem
denkbaren Konflikt mit jedem möglichen Gegner, den ihre
Führungsmacht eingeht, im Ernstfall erheblich
verwundbarer sind als diese. Was das Verhältnis der
Weltmacht zu ihrem Nicht-Partner mit der Nr. G8 betrifft,
so hat selbstverständlich auch der begriffen, dass und in
welcher Weise er durch diese Verschiebung des
militärischen Kräfteverhältnisses betroffen ist. Doch
auch im Umgang mit dem bewährt sich das Treffen in Genua
als Forum, über miteinander gar nicht in Einklang zu
bringende Gegensätze vom fiktiven Standpunkt
eines wechselseitigen Sich-Ins-Benehmen-Setzens im
Gespräch zu bleiben: Die USA teilen ihrem Kontrahenten
mit, dass es bei dieser Aufrüstung mit ihm nichts zu
kontrahieren gibt, sie sich an den alten ABM-Vertrag
nicht mehr gebunden fühlen, im Übrigen aber nicht daran
denken, die Diplomatie in Rüstungsfragen mit Russland
grundsätzlich aufzukündigen; Putin nimmt zur Kenntnis,
dass es auf sein Votum in dieser Frage nicht mehr
ankommt, behält sich adäquate Vorkehrungen bei der
russischen Gegenrüstung vor – notiert aber befriedigt den
Eindruck, den seine Macht auf Amerika immerhin noch
macht, und rechnet es sich als seinen Erfolg an,
wenigstens in anderen anstehenden Rüstungsfragen formell
noch als gleichwertig respektiert und
rüstungsdiplomatisch von gleich zu gleich behandelt zu
werden.
Der Aufnahme in die Agenda von Genua für wert befunden
werden außerdem die aktuellen Kriegsschauplätze – völlig
zurecht, schließlich treffen sich in Genua die Mächte,
die grundsätzlich jeder Fall militärischer
Gewaltanwendung von Seiten dritter Staaten etwas angeht;
und zwar als Fall ihrer gemeinschaftlich ausgeübten
Aufsicht über den Rest der Staatenwelt, der ihre
Zuständigkeit zu respektieren hat. Die anwesenden
Oberaufseher über die imperialistische Weltordnung, die
sich völlig einig sind in dem Standpunkt, dass im Prinzip
auf dem Globus kein Schuss zu fallen hat, den sie nicht
vorher gebilligt oder gleich in Auftrag gegeben haben,
haben da einiges zu besprechen. Denn jeder Konfliktfall,
für den sie sich zuständig erklären, ist sofort auch ein
Fall ihrer Konkurrenz um das relative Maß ihrer
jeweiligen weltpolitischen Regelungskompetenz, und die
tragen sie an den Ermessensfragen aus, die sie in so
einem Fall zu entscheiden haben und nach ihren
Berechnungen entscheiden: als Streit darum, wer sich mit
seiner Definition des Konflikts durchsetzt, wer welcher
Konfliktpartei welche Lizenz ausstellt, wer für deren
Überwachung zuständig ist, etc. Und seitdem sich ein paar
dieser Mächte an einer gemeinsamen europäischen Macht
versuchen, ist der Weltfrieden auch noch um die
Errungenschaft reicher, dass laufende Kriege auch noch zu
einer Machtprobe zwischen Europa und den USA
geraten: Im mittleren Osten
versuchen sich die Europäer ein wenig daran, das
Schlachten vor Ort einer „internationalen“, nämlich ihrer
„Beobachtung“ zugänglich zu machen, also das
Aufsichtsmonopol zu brechen, das die USA in dieser Region
– angefangen von ihrer materiellen Unterstützung Israels
bis hin zu ihrer Definitionshoheit bei der völker- und
menschenrechtlichen und daher auch weltpolitisch
maßgeblichen Würdigung der Politik dieses Staates –
wahrnehmen. Und auch über
Mazedonien
haben die europäischen
Gipfelteilnehmer Gesprächsbedarf mit ihrer Führungsmacht
– weil sie nämlich auch dort unter derselben
Zweitrangigkeit leiden und von ihr loszukommen versuchen,
die ihnen von der erheblichen Diskrepanz zwischen dem
Anspruch einerseits, als Aufsichtsmacht
respektiert zu werden, und den Mitteln
andererseits, diesen Respekt gegebenenfalls auch
erzwingen zu können, bedauerlicherweise beschert wird.
„Globalisierung“: Erlogene Notwendigkeiten für die Mandatsverlängerung der eigenen imperialistischen Handlungsfreiheit
In Bezug auf die Klarstellung, worin der Stoff der Agenda besteht, die sie sich gemeinsam in Genua vornehmen, lassen die imperialistischen Mächte also selbst nichts offen. Wie weit sie in ihrer ökonomischen Konkurrenz gegeneinander gehen wollen; wo die Felder sind, in denen sie um weltpolitischen Einfluss und um ihren imperialistischen Machtstatus konkurrieren, und wie weit sie in dieser Konkurrenz gehen wollen; wo sie was unternehmen müssen, um weder in ihrer Konkurrenz um den Reichtum noch in der um die Macht von Staaten und Völkerschaften behelligt zu werden, für die sie in ihrer feinen Weltordnung einfach keine Verwendung mehr haben, die sie aber auch nicht aus ihrer Verpflichtung ihnen gegenüber entlassen wollen: Das sind die Fragen, die sie sich als Gegenstand gemeinsamer Befassung vorlegen.
Und zu denen passt der Titel, unter dem sie sie
behandeln, wie die Faust aufs Auge. Den
Herausforderungen der
Globalisierung
wollen sich die G7 auch in
Genua erfolgreich gestellt haben! Dies ist allerdings
nicht nur ein ziemlich verwegener Griff in die
ideologische Trickkiste. Sicher: Wenn Typen wie Bush,
Chirac oder Schröder denselben Globus, den sie sich zur
Quelle ihres Reichtums und ihrer Macht hergerichtet
haben, als ein Wesen betrachten, das sie erst in den
Griff bekommen müssten, dann kann es zwar sein, dass die
das so sehen, aber bezogen darauf als was sie sich in
Genua versammeln, ist es einfach lächerlich. Schließlich
treffen sich da nicht die Herren Hinz und Kunz, sondern
Repräsentanten der mächtigsten Nationen. Und dass die –
dieselben Subjekte, die sich und ihrer Wirtschaft
erfolgreich jeden Erdenwinkel kapitalistisch nutzbar
gemacht haben – sich einem ziemlich subjektlosen
ökonomischen Prozess
gegenübergestellt sehen
wollen, dessen wesentliches Prädikat auch noch ist,
global
zu sein; dass ausgerechnet die Figuren, die
mit der Macht ihres Geldes und Kredits über das
Lebensschicksal ganzer Kontinente befinden, beim Tempo
nicht mehr mitkommen wollen, in dem ihre Banken Gelder
verschieben, und schon gleich nicht mehr wissen, wo all
die Multis residieren, die sie sich selbst geschmiedet
haben; kurz: dass sich die imperialistischen Macher von
der globalisierten Ökonomie
– von ihrem
eigenen Werk – herausgefordert sehen wollen – das
alles hat schon seine humorige Seite. Sie verdoppeln sich
da gewissermaßen: in einen „globalisierten Wettbewerb“,
den zwar niemand anders veranstaltet als sie, den sie
aber als eine von ihnen unabhängig existierende Lage, der
die Nationen gerecht werden müssen, vorstellig machen
(sie verweisen nicht auf Konkurrenten, die ihren
Interessen im Wege stehen, sondern auf das Vorhandensein
von Konkurrenz) –, um sich anschließend als die
Subjekte aufrufen zu können, die sich mit der nötigen
Entschlossenheit und Tatkraft an die Bewältigung dieser
‚Lage‘ machen. Mit diesem Kunstgriff stellen sie ihre
Herrschaft über den Globus als ihre gemeinsame
Verantwortung für ihn dar. Unter dem Stichwort
‚Globalisierung‘ präsentieren sie ihre Zusammenkunft
ihren Völkern daheim als riesiges Gemeinschaftswerk im
Dienst an derselben Sache, zu deren Gelingen sie selbst,
tagaus, tagein, jeder nach seinen Kräften, beitragen
wollen – mit den politischen Beschlüssen nach Innen und
Außen, die sie gerade fassen. Insofern ist ihr
ideologischer Dreh dann doch nicht so lustig. Zu was sich
diese Herren da aufrufen, das ist nämlich nichts anderes
als all das, was sie mit der ihnen zu Gebote stehenden
Macht unternehmen, um besagten „internationalen
Wettbewerb“ zu Gunsten ihrer Nationen zu entscheiden.
Eben zu all dem, was sie in ihrer Eigenschaft als Führer
der imperialistischen Nationen, die gemeinsam den Rest
der Welt beherrschen, für fällig erachten. Sowie zu all
dem, was sie in der Konkurrenz ihrer Nationen
untereinander jeweils an Maßnahmen nach Innen für nötig
halten, um in dieser Konkurrenz Siege zu erringen: Der
vorstellig gemachte Sachzwang namens
Globalisierung
ist die Ansage der politischen
Macher, ihre Standorte rücksichtslos gegen jedes andere
Bedürfnis zur Waffe in der weltweiten Konkurrenz um Geld
und Gewalt herzurichten; so gut wie alles, was ihre
Bürger bislang so für den sozialen Standard halten
durften, ist ein sozialer Besitzstand
, dessen
Haltbarkeitsdatum schon längst abgelaufen und
dementsprechend einzukassieren ist; die gesellschaftliche
Klasse, die zur Schaffung des Reichtums eigens
eingerichtet ist, hat ihrem Beruf nachzugehen, billig und
flexibel; also hat sie das Gemeinwesen auch in allen
Fragen ihres Unterhalts möglichst nichts mehr zu kosten.
Das ist zwar hart, sicherlich, aber notwendig, sozial und
gerecht. Denn erstens kann sich – wg. „Globalisierung“ –
kein kapitalistischer Standort von Rang mehr sein Volk so
recht leisten; zweitens geht es vielen Völkern noch viel
schlechter; und drittens schreit das Unrecht sowieso zum
Himmel, dass eine staatliche Hilfe zum Lebensunterhalt
den Leuten die freie Entscheidung nimmt, entweder von
ihrer Arbeit zu leben oder gar nicht – das ist
heute sozialer Standard.
Die Grußbotschaft, die die G7-Führer aus Genua mit dem Stichwort von der ‚Globalisierung‘ an die daheim richten, die diesen Standard aushalten dürfen, besteht in dem Versprechen, bei den von ihnen gestarteten Offensiven nichts anbrennen zu lassen. Das dürfen sich ihre Völker einleuchten lassen unter dem Gesichtspunkt, dass sie als Manövriermasse ihrer Obrigkeiten am Glanz von deren Macht Anteil haben; sie dürfen stolz darauf sein, den wenigen erfolgreichen nationalen Zwangskollektiven anzugehören, die im Zeitalter der Globalisierung die Herausforderungen meistern und die Geschicke der Menschheit bestimmen. Um des Glanzes dieser Macht willen, dürfen sie sich all das abschminken, was ihre Machthaber ihnen abschminken; da gibt es kein ‚leider‘ mehr, wenn am Sozialen herumgestrichen wird; dieses Herumstreichen ist vielmehr die gute, nämlich dem Erfolg der Nation in der internationalen Konkurrenz dienliche und durch ihn geheiligte Sache. Und die lassen sich Bush, Schröder und Co. nicht von ein paar dahergelaufenen Demonstranten madig machen.
Nicht nur also, dass deren Nationen nach dem Niedergang
der verkehrten sozialistischen Weltmacht im Zuge der
kapitalistischen Ausnutzung des Globus ohnehin bloß noch
an die Schranken stoßen, die sie sich in ihrer Konkurrenz
selber setzen: Der ideologische Titel
Globalisierung
, in den sie ihren Imperialismus für
den Hausgebrauch übersetzen, ist ein einziges Dokument
dafür, dass sie auch in ihrem Inneren, bei ihrer
hoheitlichen Verfügung über die Volksmassen, die ihnen
ihren Reichtum zu schaffen haben, in ihrer Freiheit
ziemlich unbestritten sind. ‚Allgemeinwohl‘: das
buchstabiert sich für sie endgültig nur noch als das
Interesse, das sie an einer für die Nation erfolgreichen
kapitalistischen Ausbeutung der Arbeit geltend machen.
Weil sie außer diesem Interesse ohnehin kein anderes mehr
anerkennen, zu dessen Berücksichtigung sie sich groß
genötigt sähen, versteht sich für sie einfach alles, was
sie im Umgang mit ihren Volksmassen für zweckdienlich
erachten, von selbst – und genau das drücken sie dann mit
Globalisierung
aus: Noch die Allerletzte ihrer
politischen Taten, mit denen sie ihre Arbeiter und
Bauern, Rentner und Kranke schikanieren, verstehen sie
mit dem Deuten auf diesen anonymen Prozess
schlechterdings unabweisbar zu machen. So sehr haben sich
der kapitalistische Profit als Maßstab, um den
sich alles gesellschaftliche Tun und Treiben
ausschließlich zu drehen hat, und das politische
Interesse am Sieg in der Konkurrenz der
Nationen, die um ihn international tobt, als
Selbstverständlichkeit eingebürgert, dass die
maßgeblichen Betreiber dieser Konkurrenz ihren
menschlichen Manövriermassen einfach nur noch ansagen
müssen, womit sie – wg. global
und so – demnächst
zu rechnen haben.
So ist der Imperialismus endlich ungefähr dort angelangt,
wo ihn Lenin immerhin schon vor 100 Jahren verortet hat.
Der hat vom Kapitalismus als einem Weltsystem
von
Unterdrückung und finanzieller Erdrosselung der
übergroßen Mehrheit der Bevölkerung dieser Erde durch
eine Hand voll ‚fortgeschrittener‘ Länder
zu
berichten gewusst, im Übrigen seiner Hoffnung Ausdruck
verliehen, dass diesem Zustand eine internationale
Arbeiterklasse
demnächst ein Ende bereiten wird.
Daraus ist nicht nur nichts geworden. Als ob es nicht
schon schlimm genug wäre, dass die über die Welt
verstreuten, national sortierten Arbeiterklassen ihre
Dienste bei der Reichtumsbeschaffung für ihre jeweiligen
Nationen ums Verrecken nicht aufkündigen wollen. Es
meldet sich ersatzweise für sie auch noch eine
internationale Bewegung zu Wort, die den modernen
Imperialismus kritisiert, ohne von ihm irgendeinen auch
nur halbwegs brauchbaren Begriff zu haben: Für diese
Bewegung ist der das, wie er modern ideologisch
heißt, und gegen die Globalisierung
zieht sie dann
entsprechend zu Felde.
Die „Globalisierungsgegner“: Anti-Imperialismus als höchstes Stadium des Trachtens nach Gerechtigkeit
1. Die Diagnose: Ohnmacht regiert, Profit diktiert
Die Herren in Genua sind demokratisch gewählt, also
astrein ermächtigt zur Ausübung ihrer Macht. Über diese
verfügen sie beim politischen Management ihres
Kapitalismus in jeder Hinsicht genug, so dass sie ihr
gemeinsames Interesse am kapitalistischen Profit wirklich
als Weltsystem, als weltweit einzig noch
gültigen Zweck etablieren können, dem der Rest der
Menschheit zu Gebote zu stehen hat. Und da rücken Leute,
die an dem reichlichen Elend Anstoß nehmen, das der
globalisierte Kapitalismus schafft, dagegen mit einer
moralischen light-Version der Machtfrage an: Sie, die
politischen Initiatoren und Regenten des Weltgeschäfts,
hätten sich die Macht
doch nur angemaßt,
Entscheidungen für die globale Ökonomie zu treffen
(Prager Erklärung)! Ja, wo sind wir denn, dass die 7
Figuren meinen, über die Geschicke der ganzen Menschheit
entscheiden zu können! – Ausrufungszeichen, kein
Fragezeichen. Dass man sich die Frage, wo wir denn sind,
vielleicht mal stellen sollte, fällt
Globalisierungs-Gegnern gar nicht ein. Jetzt
haben Bush und Konsorten doch die Macht, und
machen von ihr Gebrauch – muss man da, wenn man
schon als Gegner ihres Machtgebrauchs aufmarschiert, sich
nicht ein wenig darüber kundig machen, woher sie diese
Macht haben? Wer sie denn so willfährig wie regelmäßig zu
ihrem Tun ermächtigt? Damit man dann auch weiß, wie und
von wem diese Herrschaften auch zu entmachten sind? Nein,
muss man offenbar nicht. Als moderner Kritiker der
Globalisierung
hält man die politische Macht nicht
für eine praktische Frage, wirft diese Frage daher auch
gar nicht erst theoretisch auf, sondern für eine, der man
mit moralischen Überzeugungen bestens gewachsen ist.
Macht hält man für eine „Anmaßung“ – ja, wo glauben
eigentlich die Globalisierungs-Gegner, dass sie
sind? Macht erklären sie zu einer Sache, die denjenigen,
die sie innehaben, nicht zusteht und die sie denen
deswegen einfach absprechen können. Vertun sie sich da
nicht ein wenig, wenn sie Macht für eine Frage ihrer
Legitimität halten und die Legitimation der Machthaber
dann auch noch für etwas anderes als das, was die sich in
Gestalt des demokratischen Verfahrens ihrer Ermächtigung
herbeiorganisieren? Nämlich für etwas, worüber sie nach
ihren Vorstellungen gerechten Regierens entscheiden
können?
Im Überschwang ihrer moralischen Überzeugung sind diese
Kritiker schon sehr der Auffassung, dass sie sich mit
keiner der Machenschaften zu befassen brauchen, die die
von ihnen kritisierten Herrschaften ins Werk setzen, und
dennoch gründlich mit ihnen fertig sind. Und das rächt
sich. Was sie so über die zu vermelden wissen, plappern
sie nämlich dann einfach den Ideologien nach, die die
Machthaber selbst über sich in die Zirkulation geworfen
haben – und siehe da: Das Ding, das sich die so anmaßen,
gibt es Recht besehen gar nicht: Staatenlose
Wirtschaftsräume
gibt es stattdessen, eine
Entpolitisierung der Politik
ist allenthalben zu
verzeichnen, die drastische Verarmung von Milliarden
von Menschen
rührt daher, dass die Politik sich
selbst und ihre Bürger den von ihren Fesseln befreiten
Kräften der Ökonomie unterwirft.
Was sind sie denn
nun, die Machthaber? Haben sie nun die Mittel, über die
globale Wirtschaft Entscheidungen zu treffen
?
Maßen sie sich diese Mittel nur an und treffen ihre
Entscheidungen einfach so, ohne Macht? Oder sind sie
sowieso nur entmachtete Hanswurste, die schon längst
nichts mehr zu entscheiden haben? Das ist den Kritikern
egal, sie halten es nicht einmal für nötig, in ihrem
Weltbild so weit für Ordnung zu sorgen, dass wenigstens
einigermaßen ein Stein auf den anderen passt. Aber wie
auch immer: Die Ideologie vom Weltmarkt als Sachzwang,
den die Politik nicht schafft, sondern den sie als ihre
Herausforderung zu bewältigen hat, ist bei diesen
Kritikern jedenfalls prima angekommen. Sie kennen keine
Zwecke, in denen die vielen und von ihnen beredt
beklagten Übel der Welt ihren Grund haben, sondern nur
eine namenlose Notwendigkeit, der es Herr zu werden gilt.
Ihr Weltbild setzt sich aus der Vorstellung einer
subjektlosen ökonomischen Macht – die sie dann in einer
Diktatur des Profits und der Riesenkonzerne
personalisieren – auf der einen und einem entmachteten
politischen Subjekt auf der anderen Seite zusammen, so
dass sie sich wenigstens in der moralischen Schuldfrage
sehr perfekt auskennen und für jedes Opfer, das der
Weltmarkt hinterlässt, immer gleich zwei Verantwortliche
benennen können: Eine Macht, die Böses bewirkt, und eine
andere, eigentlich gute, die allerdings den wahren
Herausforderungen der Globalisierung nicht gerecht wird,
sich nämlich aus Ignoranz, Schwäche oder Kumpanei mit der
Macht des Bösen – wie auch immer – lauter Unterlassungen
zuschulden kommen lässt: das Profitstreben nicht bändigt,
ihrer eigenen Entmachtung nichts entgegensetzt usf.
2. „Was tun?“ Gutes!
Dabei bleiben die Protagonisten einer Globalisierung
von unten
freilich nicht stehen. Sie glauben ihren
Politikern nicht nur, dass es in der Politik darum geht,
all die Probleme zu bewältigen, die es ohne die
politischen Subjekte und deren konkurrierende Interessen
gar nicht gäbe. Sie glauben ihnen auch noch dort aufs
Wort, wo die ihren Völkern ihr eigenes Wirken als von
einer Globalisierung
bedauerlicherweise erzwungene
Verhinderung all der guten Werke verkaufen, die
sie an sich vorhätten. Die Kritiker träumen von einer
idealen Welt mit einem nachhaltigen
,
humanen
Handelssystem, das allen Menschen
Nutzen bringt
, verweigern also nachhaltig jeden Blick
auf die realen Mächte und in Kraft befindlichen
kapitalistischen Rechnungsarten, die ihr Eldorado
praktisch zum bloßen idealistischen Traum degradieren.
Umso zielstrebiger und einsinniger werfen sie sich
stattdessen auf die Instanz, der sie politisch zwar
nichts mehr zutrauen, die Verwirklichung ihrer Ideale in
Sachen Beglückung der globalisierten Menschheit dafür
aber umso heftiger: Für eine Renaissance des
Nationalen machen sie sich stark, dafür, die
Souveränität der Völker sowie die nationalen und
sub-nationalen demokratischen Entscheidungsprozesse
wiederherzustellen
! Hätten sich die 190 Völker der
Welt doch nur schon der nationalen Gewaltsubjekte
entledigt, die über sie regieren! Das wäre doch schon der
halbe Weg hin zum Genuss des Reichtums, der für sie
lässig reicht – aber nein, genau umgekehrt hat heute
aller gesellschaftliche Fortschritt zu gehen: In die Hand
einer staatlichen Obrigkeit zurückgelegt gehören
alle Regelungsfragen in Sachen Produktion und Konsumtion,
die ihr angeblich entglitten sind – natürlich einer
Obrigkeit, die von unten kommt, bei der man nicht die
Befürchtung haben muss, dass sie gleich wieder als
nationales Monster auftritt, sondern sich vielleicht doch
eher bescheiden am Vorbild sub-nationaler
Entscheidungsprozesse orientiert. Als Idealist hat man es
einfach: Man beantragt eine Staatsmacht, die Gutes
bewirkt, und dementiert, dass man eine Herrschaft
beantragt; man plädiert für demokratische
Entscheidungsverfahren, und abstrahiert einfach davon,
dass die Demokratie ein Ermächtigungsverfahren ist und
sonst nichts. Nationen, demokratisch verfasste, versteht
sich, die Handel treiben und Märkte mit ihren Waren und
ihrem Kapital bestücken: Letztlich ist es schon das, was
es gibt, was diese ‚Kritiker‘ fordern – nur eben all das
besser, humaner, ohne seine unerfreulichen Wirkungen;
aber die lassen sich ja lässig wegdenken von Demokratie
und Marktwirtschaft, wenn man von ihrer Notwendigkeit in
diesem famosen System sowieso nichts wissen will. Das
wär’s! Die für ihr menschheitsbeglückendes Wirken ja so
berühmten nationalen Demokratien mitsamt ihrem vornehmen
Rechtsinstitut des Eigentums und der Konkurrenz um
dieses: Die sollen es richten und den Armen der Welt zu
ihrem Glück verhelfen! Und als ob dieser komplette Ersatz
einer Kritik an Staat und Kapital durch einen frommen, an
ideologischen Maßstäben von Staat und Kapital
ausgerichteten und an den Staat adressierten Wunsch nicht
schon schlimm genug wäre, lassen sich die
Globalisierungsgegner auch noch heraushängen, wie überaus
konstruktiv ihre Nicht-Kritik und wie machbar
ihr
Ideal doch ist. Es ist nämlich nicht nur so, dass der
Staat nur vorübergehend an seinen Wohltaten verhindert
ist. Im Grunde liegen auch schon alle Mittel und
Werkzeuge parat, mit denen er loslegen kann, und da
zeigen sie schon mal stellvertretend für ihn, dass man
die Globalisierung
auch richtig machen kann:
Da gibt es beispielsweise Zölle
und
Zollschranken
, nicht-tarifäre
Handelsbeschränkungen
, Regelungen über
Marktzugänge
und dergleichen mehr. Diesen
Einrichtungen vermögen die modernen Kritiker durchaus den
Zweck zu entnehmen, dem sie zu verdanken sind: Mit ihnen
versuchen Staaten dafür Sorge zu tragen, dass ihre
Teilnahme an den Tauschhändeln des Weltgeschäfts zu
ihrem Vorteil ausfällt, und zwar auf Kosten anderer.
Den nicht besonders sensationellen weiterführenden
Schluss, dass dann ja wohl auch die Teilhabe am
Weltgeschäft demselben Zweck zu verdanken sein möchte,
dass also der Welthandel insgesamt kein
Versorgungsunternehmen, sondern der Kampfplatz
konkurrierender Subjekte ist und Handel zwischen Nationen
anders gar nicht zu haben ist, den finden sie
unmenschlich – den Schluss, nicht den Handel! Mehr
Menschlichkeit wollen sie dann in den Handel reinbringen
durch aufregende Konzepte für die Neufestsetzung von
Zöllen. Instrumente Handel treibender Staaten können sie
sich eben geradesogut als Hebel der Armen und
Entrechteten vorstellen. Nach dem Motto: Könnte doch
sein, dass konkurrierende Staaten ihren Konkurrenzvorteil
mal vergessen und zu ihren Lasten irgendwelchen
Hungerleidern auf die Beine helfen, beantragen sie einen
uneigennützigen Gebrauch all der Instrumente aus dem
staatlichen Handbuch für Freihandel und Protektionismus –
bei denen, deren eigennützigen Berechnungen ihnen wohl
bekannt sind! Zölle sind für sie einmal gut,
weil sie die letzten Relikte eines Schutzes
vor
den freigesetzten Kräften des
Wirtschaftsliberalismus
darstellen, von denen die
Armut der Länder ja kommen soll – also geht an die
Adresse dieser Länder die Empfehlung, sich höherer Zölle
zur Behauptung ihres nationalen
Wirtschaftskreislaufs
möglichst eifrig zu bedienen.
Das wird der Industrie in Afrika wahrscheinlich zu
gigantischen Absatzmärkten verhelfen. Dann sind Zölle
aber auch ausgesprochen schlecht, dort nämlich,
wo sie sich einfach einmal vorstellen, die berühmten
„Handelsströme“ könnten auch einmal andersherum fließen.
Im Fall der modernen Industriestaaten
können diese
heftigen Kritiker des Neo-Liberalismus
vom
Freihandel gar nicht genug kriegen – Schranken
nieder!
und Freiheit des Marktzugangs für
Entwicklungsländer!
heißen da ihre Parolen. Wären sie
Zöllner geworden, dann wüssten sie wenigstens, wie
Grenzschranken funktionieren.
In den Fragen von Kredit und Schulden sind sie ähnlich
gut bewandert, und gehen mit beidem ähnlich virtuos um.
Für schlimm halten sie, Kredite und Darlehen in
Abhängigkeit von so genannten
‚Strukturanpassungsprogrammen‘ zu vergeben, was in den
betroffenen Ländern zu Arbeitslosigkeit und dem Abbau von
sozialen und ökologischen Standards führt.
An sich
ist er ja schon in Ordnung, der Kredit, nur seine
Auflagen – die sind der Hammer. Dann aber ist schon auch
der Kredit selbst von Übel, dort nämlich, wo die Schulden
sich zu einer Schuldenfalle
aufgetürmt haben.
Kredit also nicht nur ohne Auflagen, sondern auch noch
ohne Schulden – das halten sie für den Dreh.
Also verlangen sie Schuldenstreichung
in einem
Fall und erleichterten Zugang zu Kredit
in einem
anderen, am besten beides zusammen in ein und demselben
Fall. Und so geht es dann weiter dahin in dem Wunsch, das
Finanzkapital und die internationalen Kreditagenturen
sollten den Minderbemittelten der Welt eine Versorgung
spendieren. Aktivisten gegen die Macht der Märkte
,
die weder von den tatsächlich waltenden Mächten noch vom
Funktionieren der Märkte etwas wissen wollen, können sich
selbstverständlich vorstellen, dass den internationalen
Spekulanten, die bei Nichterfüllung ihrer monetären
Zukunftserwartungen ganze Realwirtschaften
zum
Erliegen bringen, mit einer Devisenumsatzsteuer
gut beizukommen wäre. 1% etwa – man will ja nicht
prohibitiv wirken, aber immerhin doch genug, um
Finanzkapitalisten in den längerfristigen Wiederaufbau
von Volkswirtschaften ein wenig mit einzuspannen – von
denen, die mit dem Entzug ihres Vertrauens innerhalb von
zwei Wochen deren kompletten Ruin herbeigeführt haben,
das würde es bringen! Wer will, kann sein Ideal eines
gerechten Tausches auch in einer selbstfabrizierten
Nische als Fairtrade
praktizieren. Er muss nur
Händler suchen und finden, die aus dem Verkauf von Tee,
Kaffee und Datteln genug verdienen, um einen Teil ihres
Gewinns den Produzenten in der ‚Dritten Welt‘ als Spende
zurück zu überweisen.
3. Noch ein schöner Konsens der G7: Einvernehmliche Entsorgung eines nicht genehmigten Tagesordnungspunkts
Neben solchen Vorschlägen bringt die Paarung von Ignoranz
und unverwüstlich gutem Willen aber auch noch etwas
zustande: Die Überzeugung, mit allem, was ihnen da so im
Kopf umherschwirrt, moralisch unbedingt im Recht
zu sein, bringen die Globalisierungsgegner auch noch nach
Genua mit. Dort werden sie schon erwartet – und dürfen
mit der System- und Machtfrage, die sie sich in ihrem
Protest weder theoretisch vorgelegt noch praktisch
aufgeworfen haben wollen, andersherum Bekanntschaft
schließen: Gewalt ist dadurch angelegt, dass die
Demonstranten die Legitimität der Tagenden bezweifeln.
Aber sie sind demokratisch gewählt
(Schröder) Die
Gewalt, mit der dieser Sympathieträger zusammen mit
seinen tagenden Kollegen die Völker schikaniert, ist
legitim und daher keine, wer an der Legitimität ihrer
politischen Kommandeure zweifelt, daher ein Gewalttäter.
Das ist keine Anmaßung, sondern in der Demokratie so
angelegt
, und so, indem die Machthaber selbst sie
aufwerfen und ihrer praktischen Erledigung zuführen,
bedanken sie sich auf ihre Art dafür, dass die
Protestierer gar nicht erst auf den furchtbaren
Fehler
verfallen sind, die Machtfrage zu
stellen
(Fischer): Wie schon mit dem Titel
Globalisierung
bestehen sie gegenüber den
Demonstranten darauf, dass deren Sorgen bei ihnen in den
besten Händen ist – die Frage nach der gerechteren
Welt ist Thema des Gipfels
(Fischer); greift uns
nicht an, wir sind hier, um die Problem zu lösen
(der
italienische Außenminister). Zweifel daran verbitten sie
sich und nehmen sie als Angriff auf ihr Deutungsmonopol.
Und wer meint, solche äußern zu müssen, bekommt von ihnen
eingebläut, dass ihr Imperialismus nichts als geübte
Verantwortung für eine gerechtere Welt ist. Das Abräumen
der alternativen Problemlöser lassen sie von der Polizei
besorgen. Und erst auf dieser Ebene lassen sich
von denen dann etliche auf die Gewaltfrage ein – und
entsprechend verprügeln.
[*] Der Leser, der uns zu unseren Artikeln zum selben Thema schrieb, soll den Artikel als Antwort auf seine Fragen verstehen und sich, wenn noch welche offen sind, einfach noch mal rühren.