Aus der Reihe „Chronik - kein Kommentar!“
Gescheiterte Fusion Deutsche – Dresdner Bank:
Deutschland um die weltgrößte Bank betrogen!
Deutsche und Dresdner Bank planen die Fusion, um ihr Wachstum zu beschleunigen: Deutschland winkt die größte Bank der Welt. Doch die Verhandlungen scheitern, die ideellen Sachwalter des Standorts sehen sich um die sensationelle „Mega-Fusion“ betrogen – und nehmen in ihrer Empörung den schlichten Inhalt des Streits, der zum Scheitern führt, nicht zur Kenntnis: Der Fusionsakt verlangt den „Partnern“ des „merger of equals“ die letzte Statusklärung in der Konkurrenz untereinander ab, wie nämlich das bisher getrennte Geschäft als Teil des neuen Ganzen bewertet werden soll und zum Erfolg der neuen Bank beitragen darf.
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Gescheiterte Fusion Deutsche –
Dresdner Bank
Deutschland um die weltgrößte Bank
betrogen!
1. Deutsche und Dresdner Bank kündigen ihre Fusion an. Die Unternehmensführungen beider Geldinstitute wollen unabweisbare Gründe gefunden haben, ihr Geschäft in Zukunft nicht mehr gegeneinander, sondern zusammen gegen Dritte zu betreiben: Beim gemeinsamen Einsammeln und Verwalten der Gelder der Massenkundschaft ließen sich durch Reduzierung der Filialen nebst Entlassung von 16 Tausend bisheriger Mitarbeiter Kosten einsparen, womit dieser Bereich endlich dem eigenen Rentabilitätsanspruch angepasst wäre. Die Allianz, Europas größte Versicherungsgesellschaft, sichert zu, bei der neuen gemeinsamen Bank für die Privatkundschaft zusätzlich als Partner einzusteigen; sie möchte damit ihren Vertrieb von Fonds und Versicherungen ausweiten, und die beiden Fusionspartner versprechen sich davon zusätzliche finanzielle Mittel für ihr erklärtes Hauptvorhaben: Auf der für sie abgehakten und nur noch rentabler zu gestaltenden Grundlage ihres Geschäfts – nämlich über die Abwicklung der Geldfunktionen alles Geld der Gesellschaft in Kredit, in ihr Kapital, zu verwandeln – wollen Deutsche und Dresdner Bank durchs Zusammenlegen ihrer Geschäftstätigkeiten im so genannten Bereich des Investmentbanking ein noch grösseres Rad in der internationalen Konkurrenz des Finanzkapitals drehen. Die Spekulation auf Unternehmensgewinne erklären sie zu ihrem eigentlichen Metier; durch die Zusammenfassung ihrer Tätigkeiten bei der Verwandlung von Ertragsaussichten kapitalistischer Unternehmen in Kredit wollen sie ihr Wachstum beschleunigen – gemeinsam, weil sich jede Bank zusammen mit der jeweils anderen mehr Geschäft vom Einfädeln von Fusionen, vom Abwickeln von Firmenkäufen, vom Börsengang von Unternehmen und vom Aktienhandel verspricht als einzeln.
2. Öffentlichkeit und Politik im
deutschen Standort sind von dem Vorhaben entzückt. Die
Berechnung beider Banken, über die Aufgabe des
Konkurrierens gegeneinander ihre Wettbewerbsposition zu
stärken, nehmen dessen publizistische Sachwalter gleich
als imperialistisches Erfolgsversprechen. Laut träumen
sie davon, wie von deutschem Boden aus das
Finanzgeschehen in der Welt entscheidend mitbestimmt,
wenn nicht gleich dominiert wird. Quer durch die Republik
greifen Zeitungsschreiber und Fernsehkommentatoren
begeistert das Wort des Chefs der Deutschen Bank vom
europäischen Powerhouse
mit seinem vielen
Pulver
auf und berauschen sich an der Vorstellung,
dass nunmehr die größte Bank der Welt auf dem deutschen
Finanzplatz angesiedelt sein wird – nicht in NewYork,
nicht in London. Vom Zusammengehen der beiden deutschen
Akteure des Finanzgeschehens versprechen sie sich
positive Wirkungen auf den Wert des Euro und das Wachstum
der im Lande verfügbaren Kreditmasse überhaupt. Der
Kanzler, der zu diesem Vorgang von so gewichtiger
nationaler Bedeutung natürlich nicht schweigen kann,
lässt kolportieren, dass er sich nicht öffentlich äußern
möchte, dass er aber natürlich frühzeitig in die Pläne
eingeweiht worden sei und nichts gegen den geplanten
Zusammenschluss einzuwenden habe. Damit genießt das
Projekt auch inoffiziell-offiziell die höchsten
nationalen Weihen.
3. Als die Fusionspartner
mitteilen, dass sie nun doch lieber nicht zusammengehen
wollen, reagiert die Öffentlichkeit mit gnadenloser
Verständnislosigkeit. Unmöglich, einen solchen Schlager
für den Erfolg des Finanzplatzes Deutschland in den Sand
zu setzen! Kaum fertig mit dem Jubeln über die deutsche
Mega-Fusion
, wissen sich alle ideellen Sachwalter
des Standorts um ein unschlagbares Geldinstitut in der
globalen Konkurrenz des Finanzkapitals betrogen und
jammern über eine Mega-Pleite
. Klar, dass da nur
Versager am Werk gewesen sein konnten, und die Schuldigen
finden sich auch sofort. Wie nicht anderes zu erwarten,
entpuppen sich als Versager Nr.1 die verhandelnden
Bankvorstände: Eine Frankfurter Provinztruppe ohne
Format
, die Fusionen anderer Unternehmen betreuen
will, im eigenen Fall aber nicht weiß, wie man eine
durchzieht – richtig eingefädelt, kann doch ein Erfolg
beim Fusionieren gar nicht ausbleiben. Den Hut sollen sie
nehmen, und der Chef der Dresdner Bank tut ihnen sogar
diesen Gefallen. Als Schuldige Nr.2 werden die
Investmentbanker in den beiden Häusern ausgemacht: Eitle,
konkurrenzbesessene, überbezahlte Typen solle da nach
Kräften und allein um ihres eigenen Fortkommens willen
die Verschmelzung von Deutscher und Dresdner Bank
hintertrieben und eigensüchtig darauf bestanden haben,
dass der Kollege aus der jeweils anderen Bank im
gemeinsamen Haus keinen Platz mehr hat. Unfassbar, was
der Finanzplatz Deutschland sich von diesen
konkurrenzgeilen Egoisten bieten lassen muss!
4. Offensichtlich hat die nationale
Sektlaune den öffentlichen Berichterstattern das
Bewusstsein so nachhaltig getrübt, dass sie die Sache,
die zwischen Deutscher und Dresdner Bank verhandelt wird,
nicht mehr ohne das Interesse betrachten können, das sie
an ihr haben. An den konkurrierenden Figuren,
die den Megadeal
erst einfädeln und dann
vergeigen, wollen sie verächtlich wahrnehmen, worüber sie
in der Sache dumm wie Nacht hinwegsehen: Wenn zwei
Unternehmen, die sich den Zugriff auf das Geschäft
streitig machen, zusammenschließen wollen – wie soll
dieser letzte Schritt in der Konkurrenz anders denn als
Streit um diesen Zugriff vonstatten gehen?! Der will
schon entschieden sein. Es ist nämlich für die
Beteiligten von enormer Wichtigkeit, wie das bisherige
getrennte Geschäft als Teil des neuen Ganzen bewertet
wird, welche Teile der bisherigen getrennten
Organisationen mit ihren eingefädelten Geschäftskontakten
und -feldern zum Erfolg der neuen Bank beitragen dürfen.
Weil es um diese letzte Statusklärung in der Konkurrenz
untereinander geht, werden so Nebensächlichkeiten wie
Firmenfarbe und Firmenlogo der neu entstehenden Firma
wichtig. Dass diese Frage zur allseitigen Zufriedenheit
mit einem Kompromiss entschieden ist – die grüne Farbe
der Dresdner, der schräge Strich der Deutschen Bank –
ersetzt allerdings die Einigung in der Hauptfrage nicht,
wie die Geschäftsinteressen der Kontrahenten in der neuen
Bank jeweils aufgehoben sind. Die kleinere Bank will da
zwar Durchführungsbestimmungen des Zusammenschlusses
durchsetzen, die ihren Ansprüchen an einen merger of
equals
entspricht, kann dies aber gegen den Willen
ihres größeren Partners nicht, so dass die Fusion aus
ihrer Sicht einer feindlichen Übernahme gleicht. Dieser
widersetzt sie sich, und so setzen die Deutsche und die
Dresdner Bank den Kampf um das Geschäft mit Geld und
Kredit vorerst als ‚equals‘ ohne ‚merger‘ fort und
betreiben ihr Wachstum wie gewohnt auf Kosten des jeweils
anderen: Weil die Partner in dem Moment, in dem sie sich
aufgeben und gemeinsam den Schritt zum Monopol im
Standort machen sollen, um als dieses dann gegen Dritte
und andere Standorte zu konkurrieren, ein letztes Mal
rechnen, wie sie in der neuen Stufenleiter der
Konkurrenz vorkommen, nehmen sie von ihrem Projekt auch
wieder Abstand, wenn dieses sich für sie und das, was sie
jetzt sind und sich davon ausrechnen,
nicht rechnet. So hat er eben Pech gehabt, der
Finanzplatz Deutschland, der über solche Berechnungen
vorankommt.