Aus der Reihe „Chronik - kein Kommentar!“
Filmemacher van Gogh erstochen – „Multikulti gescheitert!“
Europas Politiker erweitern ihren Kampf gegen Terror um einen Kulturkampf gegen „Integrationsverweigerung“
In ganz Europa wissen Politik und Öffentlichkeit auf einen Schlag, dass zusammen mit dem ermordeten Van Gogh weit Größeres auf der Strecke geblieben ist: gemäß der neuen Gefahrenanalyse ist nichts weniger als die „moderne Gesellschaft“ bedroht, und zwar interessanterweise durch „Parallelgesellschaften“.
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Systematischer Katalog
Länder & Abkommen
Gliederung
- 1. Der Anlass in den Niederlanden: ein intellektueller Kulturkampf und ein Mord aus beleidigter religiöser Ehre
- 2. Politik und Öffentlichkeit interpretieren Opfer, Täter und Verbrechen um: „Multikulti gescheitert“, die „Gefahr der Parallelgesellschaft“ droht
- 3. „Kampf gegen den Terror“ – also auch gegen die verdächtige Gesinnung, die in fremden Sitten und Gebräuchen zum Vorschein kommt
- 4. Kampf der „Integrationsverweigerung“
- 5. Die Konsequenzen des wehrhaften Rechtsstaats
- 6. Kulturkampf auch noch der intellektuellen Sittenwächter
Filmemacher van Gogh erstochen –
„Multikulti gescheitert!“
Europas Politiker erweitern ihren
Kampf gegen Terror um einen Kulturkampf gegen
„Integrationsverweigerung“
1. Der Anlass in den Niederlanden: ein intellektueller Kulturkampf und ein Mord aus beleidigter religiöser Ehre
Ein streng moslemischer Niederländer bringt auf offener
Straße einen intellektuellen Niederländer um. Eigentlich
erwischen wollte er die in Somalia geborene holländische
Politikerin Ali, die ihre schlechten Erfahrungen mit
religiöser Familienmoral in eine moralische Anklage des
Islam übersetzt und zum Umgang der Muslime mit Frauen und
Mädchen bemerkt hat: ‚Sie leben wie im Käfig‘, sagt
Hirsi Ali … ‚Unglaublich‘, sagt sie, ‚dass die
europäischen Gesellschaften das hinnehmen.‘
(Die Zeit) Man mag ihr nicht
widersprechen: Zu all den Gewalttätigkeiten und
Gemeinheiten, die die europäischen Gesellschaften
gewohnheitsmäßig hinzunehmen pflegen, gehören, wenn auch
nicht unbedingt an vordringlichster Stelle, schon auch
die Sitten, die fromme Patriarchen der Familie beim
Verkehr mit dem weiblichen Geschlecht pflegen. Dumm nur,
dass die Frau dies keinesfalls den europäischen
Gesellschaften
zum Vorwurf machen will. Im Gegenteil,
in diesen feinen Sozietäten will sie ausgerechnet die
geborenen Schutzmächte für Mädchen und Frauen entdeckt
haben: An sie richtet sie den Appell, Zeichen zu setzen,
die wirkungsvoll die Überlegenheit der abendländischen
Zivilisation gegenüber der rückständigen Kultur
(Ali) des Islam unter Beweis stellen, und endlich
gescheit gegen deren Träger durchzugreifen. Als
autobiografisch beglaubigtes Opfer islamischer
Rückständigkeit wird sie zur Lieblingsschwarzen in der
rechtsliberalen Partei Pim Fortuyns, die sich mit der
Säuberung des Holländischen von Zugereisten profiliert
und diese, Mann wie Frau, in genau die südlichen
Gesellschaften zurück verfrachten will, deren Sitten Frau
Ali als unmenschlich
anprangert. Und sie wird auch
noch zur Quelle künstlerischer Inspiration: Hirsi Alis
Idee einer abendländischen Berufung zum Durchgreifen
gegen die rückständige Religion
(Ali) übersetzt
der Filmemacher Van Gogh in Bilder von
koranversbesudelten nackten Frauen und ähnliches Zeug,
auf dass auch die Vorstellungskraft der braven Bürger
einen genussreichen Eindruck von ‚muslimischer
Unterdrückung‘ erhalte. Der Provokateur
(van Gogh über sich) hat den
Erfolg, auf den er aus ist. Sein Bekenntnis, Moslems als
Ziegenficker
zu verachten, wird ihm von der
feinsinnig-liberalen holländischen Bürgerseele als
unglaublich mutiger Tabubruch honoriert; endgültig ist
nicht mehr die Rede von muslimischem Heiratsterror oder
holländischer Ausländerpolitik, dafür tobt ein
Kulturkampf, wie ihn Intellektuelle lieben und in dem so
ungemein handgreifliche Subjekte wie
Rückständigkeit
und Moderne
,
Unterdrückung
und Liberalismus
miteinander
ringen; und selbstverständlich sind auch die religiösen
Gefühle mancher Moslems schwer beleidigt: Nichts ist
verletzlicher als die Ehre des Gläubigen, die ihn als
Diener eines eingebildeten höheren Wesens über sich als
Erdenwurm erhebt. Also fließt Blut: Mord aus verletzter
Ehre, ein Standardfall europäischer Rechtspflege,
wenngleich es in der schon selten vorkommt, dass Allah
als Objekt der Verehrung gerächt wird. Normalerweise ein
Fall für Polizei und Justiz. Nicht aber in diesem Fall.
2. Politik und Öffentlichkeit interpretieren Opfer, Täter und Verbrechen um: „Multikulti gescheitert“, die „Gefahr der Parallelgesellschaft“ droht
In ganz Europa wissen Politik und Öffentlichkeit auf
einen Schlag, dass zusammen mit Van Gogh weit Größeres
auf der Strecke geblieben ist: Multikulti ist auf
ganzer Linie gescheitert
! (Merkel, stellvertretend für alle) Auch
ein anderer Täter als der geständige Mohammed B. wird ins
Visier genommen: Ist der Islam gefährlich?
, fragt
der ‚Stern‘, und die Konkurrenz vom ‚Spiegel‘ schreibt
die Antwort gleich aufs Titelblatt: Islam: Allahs
blutiges Land
. Damit artet der Mord in den
Niederlanden in eine ziemlich flächendeckende
Auseinandersetzung aus: Schröder warnt vor einem Kampf
der Kulturen
(SZ), der
Kanzler legt selbst umgehend los: Mehr denn je stehen
wir vor der Aufgabe, einen Kampf um die Kultur zu
führen
, und zu Recht denkt da keiner an einen
Wettstreit der Dichter, Denker und Sänger.
Denn gemäß der neuen Gefahrenanalyse ist nichts weniger
als die moderne Gesellschaft
bedroht, und zwar
interessanterweise durch Parallelgesellschaften
.
Ausgerechnet die Parallelgesellschaft
, die sich
in gewisser Weise doch als die allgemeine Daseinsform der
individualisierten Moderne, wenigstens in Großstädten,
bezeichnen ließe
(FAZ),
soll dieselbe bürgerliche Moderne
, die da als
Spitze aller gesellschaftlichen Daseinsformen firmiert,
in Frage stellen? Steht tatsächlich die Generallizenz
freier Bürger auf dem Spiel, aus jeder Laune bei Speis
und Trank, Sex und Auto eine Orientierung
zu
machen und diese zumindest in einschlägigen Magazinen zum
Lebensmittelpunkt
zu erklären, der auch noch ganze
Generationen
im Innersten zusammenhält? Droht da
allen Ernstes das Ende für die bunte Vielfalt
individualisierter Lebensentwürfe
– und eine
einheitlich grau gleichgeschaltete gesellschaftliche
Ordnung, in der jeder den Platz hat, auf den er
hingehört? Natürlich nicht. Nicht die
‚Parallelgesellschaften‘ überhaupt sind der
parteiübergreifend herausgestellte Stein des Anstoßes,
sondern nur die, die Zugereiste, Andersgläubige
und ihre Nachkommen inmitten unserer Gemeinschaft
gebildet haben. Jedenfalls macht das der tote Van Gogh
hiesigen Kulturexperten deutlich
:
„Die Vorfälle und Entwicklung in den Niederlanden machen deutlich, wie problematisch die Bildung integrationsfeindlicher Parallelgesellschaften in vielen unserer großen Städte und Ballungszentren ist. Auch in Deutschland ist vielerorts eine verstärkte Abschottung gerade muslimischer Zuwanderer zu beobachten.“ (Beschluss des 69. Parteitages der CSU am 19./20. November 2004: Integration fördern und fordern)
Und der freien Presse bleibt da nur noch die Nachfrage bei der politischen Konkurrenz, wie von der die Dimension des Verhängnisses eingeschätzt wird, das die empirischen Forscher der Christsozialen entdeckt haben:
Die Welt: „Sind solche Parallelgesellschaften im Vormarsch? Schily: Die Bilanz ist gemischt. Es gibt viele beeindruckende Beispiele gelungener Integration. In der dritten Einwanderergeneration ist aber insgesamt ein Rückschritt zu beobachten. Auf keinen Fall dürfen wir dulden, dass eine neue moslemische Minderheit in Deutschland entsteht, am Ende womöglich mit Straßen- und Ortsschildern in eigener Sprache.“
Ausdrücklich nicht für ‚problematisch‘ befunden wird, was
sonst immer wieder einmal öffentlich bekannt gemachtes
Sorgeobjekt sozialpädagogischen und anderen
gemeinschaftshygienischen Interesses ist: An den
materiellen Verhältnissen in den schäbigen Vierteln mit
den billigen Wohn- und Ladenmieten im Schatten der
Bankenpaläste, zu denen es die Gastarbeiter in zwei
Generationen Lohnarbeit für deutsches Wachstum gebracht
haben und in denen sie sich einrichten, gibt es nichts zu
beanstanden. Die ‚Parallelität‘ von Arm und Reich mitsamt
ihren parallelen gesellschaftlichen Erscheinungsformen
gehört nun einmal zum festen Inventar der bürgerlichen
Ordnung, und selbstverständlich gilt der freiheitliche
Grundsatz, wonach ‚jedem das Seine‘ gebührt, auch für
Immigranten. Deren soziale Lage kommt allenfalls als ein
Faktor ins Visier, dafür nämlich, dass sich da in ein
und derselben Lebenslage in einem Viertel
viele Menschen gleichartiger sozialer, aber politisch
fremder Herkunft ballen, und das stimmt
bedenklich. Eine Ghettobildung
stimmt so den
bayerischen Innenminister sehr bedenklich, denn er meint
mit seiner wahrlich nicht sensationellen Entdeckung gar
nicht die Lebensformen, zu denen es der Ausschluss vom
Reichtum in Deutschland bei den hier Zugereisten
regelmäßig bringt; er bezieht sich auf die vielen Armen
in den einschlägigen Stadtvierteln genauso wie auf die
besser gestellten Geschäftemacher, die es in denen gibt,
um über alle sozialen Scheidelinien hinweg die Ghettos
als untrügliche Zeugnisse des Willens ihrer Insassen ins
Visier zu nehmen, sich partout in selbige einhausen zu
wollen: Absichtliche Selbst-Ausgrenzung,
wahlweise Abschottung
oder
Integrationsfeindlichkeit
heißt der Vorwurf an die
Adresse der Fremdstämmigen – und der kündigt einen
neuen staatlichen Umgang mit ihnen an.
3. „Kampf gegen den Terror“ – also auch gegen die verdächtige Gesinnung, die in fremden Sitten und Gebräuchen zum Vorschein kommt
Im Visier von Politik und Medien sind alle, die etwas mit
dem islamischen Kulturkreis
zu tun haben, und es
ist kein Rätsel, warum. Den globalen Krieg gegen den
Terror
haben Europas Staaten nicht allein den USA
überlassen, sondern in der Staatenwelt ihren eigenen
‚Kampf gegen den Terrorismus‘ aufgenommen. Ihren neuen
Feind wollen sie auch an der Heimatfront eliminieren, an
der sie mit seinen Anschlägen und logistischen
Aktivitäten nicht zuletzt deswegen rechnen, weil sie den
Kampf gegen ihn führen. Dabei ist ihr Maßstab sehr
anspruchsvoll: Sie wollen nicht nur terroristische
Täter kalt stellen, sie wollen terroristische
Aktivitäten und Strukturen verhindern, und das
ergibt einen ersten besonderen Gesichtspunkt beim
Fahnden. Einen zweiten begründet die Besonderheit des
Feindes: In den islamistischen Terroristen
tritt
der kapitalistischen Welt und ihren imperialistischen
Aufsichtsmächten ein ungewohnt un-staatlicher und
nicht-nationaler Gegner entgegen. Der will einem
transnationalen Kollektiv, einer in Sitte und Glauben
vereinten islamischem Gemeinschaft
gewaltsam zum
Durchbruch verhelfen, und daraus entwickeln die
Kulturkämpfer hierzulande – geradeso, als stünde Bin
Ladin unmittelbar vor der Verwirklichung seines
politisches Ideals – das Täter-Profil, an dem sich ihre
Fahndung auszurichten hat: Wenn der Islamismus vom
islamischen Glauben kommt, dann sind die islamischen
Glaubensgemeinden in letzter Instanz auch der Sumpf, aus
dem der Terror kommt!
Seither sind im öffentlichen wie privaten Feindbild die
radikalen Islamisten
im Islam und in den Gemeinden
seiner Gläubigen zu Haus: Nach einer neuesten
Untersuchung des Instituts für Demoskopie Allensbach
verbinden die Befragten vor allem folgende Assoziationen
mit dem Wort ‚Islam‘: ‚Unterdrückung der Frau‘ (93%);
‚Terror‘ (83%), ‚fanatisch, radikal‘ (82%), ‚rückwärts
gewandt‘ (66%). Beckstein: ‚Wir müssen diese Sorgen ernst
nehmen.‘
Das geschieht dann auch, und zwar nach zwei
Seiten hin. Die polizeilichen Fahndungsabteilungen der
Staatsmacht durchleuchten alles, was der Geld-, Waren-
und Kommunikationsverkehr an handfesten Verdachtsmomenten
für anschlagstaugliche Mittel, Kenntnisse und Absprachen
hergibt. Und die Innenpolitik ergänzt ihr anspruchsvolles
Ziel, vor jeder Tat Schläfer
zu eliminieren, um
die Aufgabe, deren großen Sumpf trocken zu legen – und
nimmt dafür die Gemeinschaft der Andersgläubigen in
besonderer Weise unter die Lupe: Weil die Heimatschützer
nicht erst die politische Tat abwarten und danach den
Täter niedermachen wollen, fahnden sie nach der
Gesinnung, die sich in beiden niederschlägt, und
richten ihr neu geschärftes Augenmerk auf die Sitten und
Gebräuche derer, die als Gläubige des Islam unter
Verdacht stehen – um dem Terror den Boden zu
entziehen
, werden deren Kultur und Glaube, Sitten und
Gebräuche Objekte eines demokratischen Kulturkampfs.
4. Kampf der „Integrationsverweigerung“
Der trifft all die Menschen aus den fremden, vornehmlich
aus den islamischen Kulturkreisen
, die das
kolonialistische und imperialistische Wirken der Staaten
nach Europa verfrachtet hat. Das sind in Frankreich vor
allem die Nachfahren der Hilfstruppen und Opfer des
politischen Wirkens der Grande Nation im Maghreb und
anderswo, in Holland und Deutschland vor allem die
Gastarbeiter, und überall die Flüchtlinge aus der
südlichen Welt, die deren kapitalistische ‚Entwicklung‘
entwurzelt hat und die es irgendwie bis nach Europa
geschafft haben. In Deutschland kommen vor allem die
Familien der Gastarbeiter ins Visier. Deren alter Name
deutet noch halbwegs ehrlich an, was sie hierher gebracht
hat und welchen Status ihnen Deutschland zuschreibt. Als
Lohnarbeiter sind sie auch in der dritten Generation
mehrheitlich fürs Kapital nützlich, manche fördern
mittlerweile sogar als Mittelständler das nationale
Wachstum, und in ihrer Funktion sind sie auch als mit
Recht hier Anwesende anerkannt. Freilich hat ihr
gastgebender Staat bei aller Globalisierung des
sachlichen wie humanen Kapitals nie aus den Augen
verloren, dass die, die er als menschliche
Reichtumsquellen ins Land geholt hat, als Staatsbürger
einem auswärtigen Staat angehören, und diesen Umstand hat
er sie auch praktisch spüren lassen: Sie wurden mit
Sonderrechten und -pflichten drangsaliert, mit einer
eigens auf sie abgestimmten Ausländergesetzgebung in
ihren Anwesenheits- und Betätigungsrechten immer wieder
neu auf das beschränkt, woran die nationale Wirtschaft
Bedarf hatte, usw., bei länger in Deutschland Ansässigen
wurde auf ungeteilte Loyalität dem Gastland
gegenüber Wert und ihnen der Wechsel der
Staatsbürgerschaft entsprechend nahe gelegt. Über die
‚Integration‘ des großen Restes der Zugereisten aber
machte der Staat sich keine größeren Sorgen: Mit der
kalkulierten Gleichgültigkeit, die den rechtsstaatlichen
Kapitalismus auszeichnet, hat sich die Politik einfach
darauf verlassen, dass auch bei den Zuwanderern die
Sachzwänge des Geldverdienens und die gesetzlichen
Vorschriften zu Schule, Arbeitslosengeld und Steuern
genau so für das nötige Maß an funktioneller Integration
in das kapitalistische Alltagsleben Sorge tragen, wie sie
dies bei den Einheimischen tun. Was die Immigranten an
geistigem Rüstzeug, Sitten und Gebräuchen zur Bewältigung
ihres kapitalistischen Alltags im Einzelnen mitbrachten,
war dem Staat gleichfalls egal, solange es sich im Rahmen
der geltenden Rechtsordnung bewegte: Man kann sich eben
auch mit Mohammeds höchsten Wegweisungen und anatolischen
Familiensitten gut vormachen, nicht die herrschenden
Interessen von Kapital und Staat nötigten einen zu wenig
ertragreicher Pflichterfüllung, sondern selbst
ausgedachte Gründe, die einem im Innersten heilig sind.
Und auch wenn manche der fremden Sitten sich nicht so
recht an die westlich-demokratische Lebenskultur
anschmiegen wollten: Dazu, den Fremden deswegen die
Kultur abzugewöhnen, die so großartig für ihre Anpassung
auch an hiesige Gepflogenheiten sorgt, sah sich von den
Wächtern deutscher Sittlichkeit niemand ernsthaft
veranlasst. Zumal ja auch noch die rückständigsten
familialen Herrschafts- und Knechtschaftsverhältnisse mit
moralischen Tugenden einhergehen, bei denen den
Verfechtern der zivilisierten Moderne das Herz lacht:
Nicht wenige Moslems sind einzige Vorbilder der Devise:
‚Ich tue alles für die Familie, für sie tue ich
alles!‘ Sie organisieren ihre Sippschaft nicht
nur so, dass von ihrer Arbeitsamkeit Unternehmen und von
ihren Einteilungskünsten Finanzämter, Vermieter und
Händler profitieren, sie ersparen mit ihrer Familien- und
Gemeindesolidarität der deutschen Gemeinschaft dazu auch
noch einiges an sozialen Unkosten für den Unterhalt der
Armen, die der Kapitalismus auch in ihren Reihen, dort
sogar überdurchschnittlich, produziert. Der Staat hatte
also schon seine guten Gründe, auch den Fremdstämmigen
die Privatsphäre einzuräumen und zu schützen, in der
diese Leistungen bewerkstelligt werden – und die
intellektuellen Idioten fanden genug Stoff, dem Staat für
die Toleranz
zu danken, die ihnen die Vergnügungen
an einer multikulturellen Gesellschaft
bescherte.
Doch genau mit dieser ihrer Privatsphäre geraten die
Menschen mit Verbindungen zum islamischen
Kulturkreis
nun ins Visier. Politiker und Medien
schildern mit mehr oder weniger Entrüstung und
Übertreibung, dass Moslems anders und in ihren eigenen
Gemeinden beten; dass Männer Tee statt Bier trinken und
sich dabei nicht in Deutsch, sondern ausländisch
unterhalten; dass manche ihre Frauen nicht ohne
Begleitung auf die Straße gehen lassen, wenn die nicht
gerade als Putzfrauen verdienen müssen; dass Töchter von
Diskos fern und für eine rigide Familienplanung in Zucht
gehalten werden, die dann immer mal wieder in einem mehr
oder weniger dramatischen Krach eklatiert, usw. Alle
diese Schilderungen präsentieren Stoff aus dem Bereich,
den die berufliche und staatsbürgerliche Pflichterfüllung
den Menschen gemeinhin als ihr Reich der privaten
Freiheit übrig lässt, ein ‚Freiraum‘, in dem sie
geschützt vor jeder staatlichen Einmischung ganz gemäß
ihren Vorlieben in Konsum, Unterhaltung, Liebes- und
Familienleben bei der Verwirklichung ihres Selbst auf
ihre Kosten kommen können sollen – und genau in Bezug auf
das ‚Private‘ dieser Sphäre ergeht in der Kampagne gegen
die moslemischen Parallelgesellschaften
ein
vernehmlicher Rückruf. Politiker aller Couleur bekennen
sich zum Interesse der antiterroristischen Zielfahnder
und Terror-Sumpf-Austrockner, genau wissen zu wollen, was
eigentlich hinter den Türen der Wohnungen, Gebetsräume
und Treffpunkte der Fremdstämmigen getrieben wird, und
beim bloßen Nachschauen bleibt es nicht. Der schlichte
und überhaupt nicht neue Befund, dass es da etwas
anders zugeht, als im deutschen Familien- und
Vereinsleben, wird neu beurteilt, genauer: verurteilt,
nämlich als Ablehnung der deutschen bzw.
europäischen Gesellschaft identifiziert. Dass die
Gastarbeiterfamilien auch in der dritten Generation ihre
ökonomischen Dienste erledigen und rechtstreu sind, nützt
ihnen nichts: Dass sie noch immer an ihren fremden Sitten
und Manieren festhalten und nicht integriert
sind,
begründet den Verdacht, sich nicht integrieren
zu wollen. Die antiterroristische Wachsamkeit
subsumiert hierzulande nicht gebräuchliche Usancen im
alltäglichen Denken und Tun unter die Kategorie
‚abweichendes Verhalten‘, ein Titel, der für die
tendenzielle Sittenwidrigkeit all dessen steht,
was sich da bei den Fremden an fremden Umgangsformen mit
Gott, Frauen und noch ein bis zwei anderen heiligen
Werten der westlichen Zivilisation manifestiert, und
dieser Titel erlaubt in Bezug auf den Willen, der sie
dabei umtreibt, nur einen ‚Schluss‘: Die sture Pflege
fremder Sitten zeigt, dass da welche mit Absicht auf
Distanz zu allem gehen wollen, was den Einheimischen
hoch und heilig ist. Der Vorwurf ‚Nicht-Integration in
der dritten Generation‘ konstatiert keineswegs, dass da
etwas nicht zustande gekommen ist, sondern legt
– ganz nach der Logik, derzufolge die Zusammenballung von
Türken in billigen Wohn- und Geschäftsvierteln eine
planmäßige Abschottung
indiziert – den
muslimischen Kreisen die aktive Ablehnung ihres
deutschen Gastlandes zur Last – und landet daher bei
einem recht breit angelegten
Unvereinbarkeitsbeschluss, den das wiederholte
Dementi, Muslime nicht pauschal verdächtigen
zu
wollen, nur bestätigt.
5. Die Konsequenzen des wehrhaften Rechtsstaats
Wer nach der Logik, dass seine an den Tag gelegte
Andersartigkeit den Willen zur Negation des
westlich-sittlichen Gemeinwesens dokumentiert, die
Aufmerksamkeit von Staat und Öffentlichkeit auf sich
zieht, hat wenig Chancen, diesen Verdacht aus der Welt zu
schaffen: Solange er anders ist als alle anderen,
bekräftigt er ihn ja und setzt das
gesamtgesellschaftliche Negativ-Urteil nur ins Recht,
wonach er gar nicht so sein will wie die anderen
– also auch gegen das ist, wie die sind. So
geraten die muslimischen Gläubigen mit manchen ihrer
abweichenden Sitten und Gebräuchen in den ziemlich grob
gestrickten Fahndungsraster einer öffentlichen
Aufmerksamkeit, die an fundamentalistischer
Geradlinigkeit beim Verdächtigen nichts zu wünschen übrig
lässt. Seitdem an der pro-abendländischen Gesinnung von
Vertretern muslimischer Sitten beim Beten und Leben
allerhand Zweifel berechtigt sind, weiß jeder christlich
zivilisierte Haustyrann, dass so, wie die
mit
ihren Weibern umgehen, die Würde der Frau
mit
Füßen getreten wird, und wer das tut, frisst auch kleine
Kinder. Die Vertreter der berühmten dritten
Generation
der zugereisten Türken werden auffällig,
keineswegs wegen der extremen Trostlosigkeit ihrer
sozialen Lage und aller Techniken, sich an den
Fallstricken des ‚sozialen Netzes‘ entlang zu hangeln.
Sondern weil die ‚no-future-Perspektive‘ sich bei ihnen
zu einer eigenen türkischen Subkultur verfestigt, die sie
glatt für wertvoller halten als alle anderen Ablenkungs-
und Trostangebote, die für die deutschen Vertreter der
‚Null-Bock-Mentalität‘ im Angebot sind und gern genommen
werden; also dokumentieren sie mit ihren abweichenden
Sitten nur die Absage, die sie ihrer deutschen
Heimat erteilen. Usw. So steht gesamtöffentlich der
Verdacht, dass man es bei Allahs Jüngern mit
anti-deutschen Fremdlingen zu tun hat, und um die
Austreibung ihrer abweichenden Gesinnung kümmern sich
dann die verantwortlichen Behörden des Rechtsstaats.
Der richtet zuallererst eine professionelle Observation der moslemischen Gemeinden ein, wozu man auch so sagen kann:
„Verfassungsschutz und Polizei müssen sich (!) interkulturell öffnen, um die Begehung von Straftaten und die Herausbildung rechtsfreier Räume frühzeitig zu erkennen und rechtzeitig unterbinden zu können. Hierfür bedarf es ausreichend Personal mit den nötigen sprachlichen und kulturellen Kompetenzen.“ (Islamismus bekämpfen – Islam einbürgern, 20 Handlungsvorschläge von Marieluise Beck)
Die Bespitzelten werden zur Kollaboration aufgefordert,
an der ihre Integrationsbereitschaft gemessen wird.
Unzugängliche „Hinterhofmoscheen“ sind unerwünscht,
Baden-Württembergs Ministerin Schavan – das ist die mit
dem Kopftucherlass – fordert, dass Imame deutsch predigen
müssen. Der Bundesinnenminister will nicht gleich so weit
gehen, aber natürlich dasselbe, damit die sprachliche
Kompetenz der Lauscher von der Schulaufsicht und anderer
informeller Mitarbeiter der Staatssicherheit nicht allzu
überfordert wird: Schily: Die Sprachwahl für die
Predigten in den Moscheen muss frei bleiben. Etwas
anderes ist es beim Islamunterricht in den Schulen. Hier
muss auf Deutsch gelehrt werden, weil sonst die
Schulaufsicht keine Chance hat.
(Die Welt)
In einem flotten Parteienstreit werden die effizientesten
Auslegungen und Anwendungen der einschlägigen Gesetze
zusammengestellt, um unliebsame Ausländer außer Landes zu
verfrachten, wobei sich das neue Zuwanderungsgesetz auch
bei Hasspredigern
und solchen, die es werden
könnten, bestens bewährt: Die wöchentliche Abschiebung
von mal 14, mal 20 oder 31 Islamisten
steht in
5-Zeilen-Notizen unter ‚Sonstiges‘ in der Zeitung.
Der Staat nimmt sich dann aber doch noch mehr vor, als
verbotene Taten und alles, was er als strafbare
Propaganda definiert, mit seiner strafenden bzw.
ausweisenden Gewalt zu ahnden: Er will die Gehirne, in
denen die verdächtigen Sitten, Gebräuche und Gesinnungen
stecken, auf die Nation orientieren, und erlässt dazu
eine Integrationskursverordnung
für Ausländer und
Spätaussiedler. Das sind Kurse, die Kenntnisse der
deutschen Sprache, … Alltagswissen sowie … Kenntnisse der
Rechtsordnung, der Kultur und der Geschichte in
Deutschland
vermitteln sollen, wobei der Nutzen
dieser Kenntnisse allerdings auf einem ganz anderen
Gebiet festzustehen hat: Die Informationen über
Deutschland sollen gleich das Urteil festlegen
und eintrichtern, was die Zugereisten über ihre
gastgebende Nation an unbedingt Bejahenswertem zu wissen
haben; ihnen sollen die Werte des demokratischen
Staatswesens der Bundesrepublik Deutschland
vor dem
geistigen Auge stehen und von der Zunge gehen, und damit
sie das auch überzeugend tun, ist die Kursteilnahme mit
Gewährung oder Entzug des jeweiligen Aufenthaltsstatus
und von Sozialleistungen verknüpft. Die politischen
Werteerzieher machen sich auch an die in Verdacht
geratene Religion heran – freilich ohne den für
Deutschland reklamierten Wert Aufklärung
mit
Kritik an religiösen Einbildungen zu verwechseln. Weil
sie so viele nützliche Dienste der Religion für die
rechte Staatsbürgergesinnung kennen, wollen sie auch den
Islam zur Indoktrination für Deutschland einspannen:
Bei der Aus- und Weiterbildung und Einstellung von
Imamen müssen schon jetzt verstärkt
integrationspolitische Kriterien wie deutsche Sprach- und
Gesellschaftskenntnisse eine Rolle spielen.
(Islamismus bekämpfen – Islam
einbürgern, 20 Handlungsvorschläge von Marieluise
Beck)
Bundeskanzler Schröder fasst das Umerziehungsprojekt so zusammen:
„Mehr denn je stehen wir vor der Aufgabe, einen Kampf um die Kultur zu führen. Wir müssen in Europa die Gedanken der Aufklärung als Leitlinien für Politik verteidigen und bewahren. Erfolgreich können wir nur sein, wenn wir uns gemeinsam dieser Herausforderung stellen. Zum anderen: Dabei dürfen die vielen Muslime, die bei uns leben und leben wollen, eben nicht teilnahmslos beiseite stehen. Sie müssen sich klar und unmissverständlich zu unserer Rechtsordnung und unseren demokratischen Spielregeln bekennen. Nicht ohne Grund bezeichnen wir die Werte der Demokratie und der Aufklärung als universelle Werte. Davon werden wir auch nicht abgehen. Werte, die auch diejenigen akzeptieren und verinnerlichen müssen, die aus einer anderen Kultur stammen. Sie sind eben die Basis unseres gemeinsamen Zusammenlebens, und zwar unabhängig von den kulturellen Unterschieden. Toleranz, davon bin ich sehr überzeugt, kann es nur innerhalb klar definierter Grenzen geben. Weder kann eine Demokratie rechtsfreie Räume noch kann sie Parallelgesellschaften dulden.“
In der Tat, „nicht ohne Grund“ redet der Kanzler vom
demokratischen Herrschaftsverfahren in Deutschland als
einem „Wert“. Er verlangt nämlich nicht nur
Gesetzestreue, sondern eine Art Fahneneid von den
Muslimen. Sonst ist Schluss mit ihrer Duldung. Die
deutsche Politik ist nämlich dabei, bei ihnen die
Einrichtung in eigenen Sitten und Gebräuchen –
Parallelgesellschaften
– mit der Aushebelung ihrer
Rechtsordnung – rechtsfreie Räume
–
gleichzusetzen. Allerdings haben sie die Gelegenheit,
ihren Aufenthalt, für den die Nation bei einigen von
ihnen ja immer noch manchen Nutzen kennt, mit einem
Bekenntnis zu Deutschland zu rechtfertigen, das dann
freilich schon auch durch Taten beglaubigt sein will.
Denn das Ideal, das den demokratischen Kulturkämpfern in
Sachen Verinnerlichung von Werten vorschwebt, ist
ziemlich anspruchsvoll. Darüber, dass ein ‚gemeinsames
Zusammenleben‘ von Deutschen und ‚vielen Muslimen‘
grundsätzlich nur denkbar ist, wenn an letzteren einfach
nicht mehr zu erkennen ist, dass sie ‚aus einer anderen
Kultur stammen‘, herrscht Konsens zwischen Politik und
Öffentlichkeit, und solange diese Muslime sich weiter
abweichend verhalten, heißt es für alle, die schon immer
vor ‚Überfremdung‘ gewarnt haben, schwer auf der Hut zu
sein – Schluss mit dem falschen Frieden
(Zeit), endlich eine
gescheite Razzia unter dem dicken Teppich der
Toleranz
(FAZ), wo sich
doch nur ein Nest potentieller Staatsfeinde breit gemacht
hat. Ein wenig auseinander liegt man nur bei der Frage,
ob nicht auch ein bisschen staatliche Zwangsgewalt bei
diesen Muslimen zur wirksamen Überzeugung gute Wirkung
täte, dass an einer stromlinienförmigen Einpassung ins
deutsche Sittenleben für sie einfach kein Weg
vorbeiführt. Das gibt dann einem Innenminister, dem das
totalitäre Ideal einer kompletten Angleichung der Fremden
an das hier herrschende Sittengesetz als Vorbild in
Sachen ‚Integration‘ vorschwebt, eine gute Gelegenheit zu
zeigen, was für ein überaus zurückhaltender Mensch er
doch ist:
Die Welt: „Muss man die Assimilierung erzwingen? Schily: Die unproblematischste Form der Integration ist nun einmal die Assimilierung. Aber der Staat darf das nicht erzwingen.“
Sich von den eingeborenen Insassen ihres Gastlandes ununterscheidbar zu machen: Das müssen die Muslime schon selbst wollen und ganz ohne staatlichen Zwang hinbekommen!
6. Kulturkampf auch noch der intellektuellen Sittenwächter
Dass die Politik ihren Anti-Terrorkampf um einen
Kulturkampf erweitert, verschafft ihr Zustimmung bei und
Zuträgerdienste von all denen, die in der
imperialistischen Säuberungs- und Ordnungspolitik gleich
gar nichts anderes sehen wollen als einen Kampf für die
Kultur und Werte, die sie lieben und
als deren Anhänger sie sich als höchste Entwicklungsstufe
der Menschheit schätzen. Allen voran die Ritter von der
Medienfreiheit und Meinungsvielfalt. Unter der
islamistischen Bedrohung verteidigt Europa seine Werte
und nimmt Abschied vom Traum der multikulturellen
Gesellschaft
(Zeit) –
schreiben Leute, die diesen Traum selbstverständlich so
nie geträumt, weil sie mit ihm genauso wenig wie mit
anderen Fetischen aus der grün-spontaneistischen
Schmuddelecke anzufangen gewusst haben. Darauf aber, sich
und der eigenen demokratischen Gesellschaft bei Bedarf
den Umstand, dass man die Fremden glatt aushält, obwohl
man sie nicht leiden kann, als Gütesiegel gelebter
Toleranz hoch anzurechnen, verstanden schon auch sie sich
– jetzt, nach der neuen Linie aus Den Haag, Paris und
Berlin, kehrt Besinnung aufs Wesentliche ein und man
versammelt sich mit Europa um die Werte, die einem als
die ‚eigenen‘ naturgemäß schon immer am nächsten lagen.
Zu denen gehört selbstverständlich auch die Toleranz, und
in einem Anflug von Ehrlichkeit lassen die
Sachverständigen wissen, dass unter der einfach nur noch
das Gebot an die Adresse aller Fremdgläubigen zu
verstehen ist, sich in ihrer Absage an die hiesige
Leitkultur zurückzunehmen und als Ersatz für ihre
sittenwidrigen heiligen Bücher zum BGB zu greifen:
Toleranz setzt aber voraus, dass die heiligen Bücher…
nicht über oder gegen die Leitkultur gestellt werden.
Integration fordert also auch von Muslimen Toleranz – und
eine Distanzierung vom Islam als einem zwingend
vorgeschriebenen Rechtssystem.
(Prantl, SZ) Und ein Kollege klärt dann
freundlicherweise auch noch über die Substanz der Kultur
auf, die aufgrund ihrer Leitungsfunktion kein ‚über‘ oder
‚gegen‘ verträgt. Nach dem Motto: ‚Machen wir uns doch
nichts vor über unsere aufgeklärt-weltanschauliche
Befangenheit!‘ will er ‚islamischen Mitbürgern‘, die sich
in ihrem Glauben diskriminiert wähnen könnten, gründlich
das Wasser abgraben – durch das offene Bekenntnis aller
demokratischen Bürger, dass sie als selbstbewusste
Untertanen ihrer staatlichen Obrigkeit sich zusammen mit
der zur offensiv-kämpferischen Parteilichkeit
bekennen, die ein Gewaltmonopolist seiner
Selbstbehauptung allemal schuldig ist:
„Der liberale Staat, der so ausschaut, als sei er weltanschaulich neutral, indem er jede Religion als Privatsache erlaubt, ist keineswegs vollkommen neutral; jedenfalls nicht gegenüber Religionen, die diese Beschränkung auf die Privatsphäre verweigern … Daran gibt es nichts zu deuteln, und bevor uns islamische Mitbürger in einer Reihe leicht denkbarer Prozesse die weltanschauliche Voreingenommenheit unseres Staates Stück für Stück demonstrieren, sollten wir uns vielleicht offen zu seiner Parteilichkeit bekennen. Denn diese Parteilichkeit ist keine unzumutbare, sie tritt nur angesichts seiner Feinde in Erscheinung, diesen gegenüber allerdings gleichermaßen. Sie bevorzugt weder Christen noch Muslime, noch kämpferische Atheisten. Sie kürzt nur allen gemeinsam den Anspruch, der Gesellschaft ihren Willen aufzuzwingen.“ (Jessen, Die Zeit, 18.11.2004) Das darf nämlich nur ein höheres staatliches Wesen.
Die Observation, das Verdikt gegen die Fremdstämmigen aus dem islamischen Kulturkreis und die Umerziehungsgebote finden aber auch Zustimmung und engagierte Zuträger in Kreisen, die sich sonst von „Fremdenfeindlichkeit“ und einem „Überwachungsstaat“ zu distanzieren pflegen. FeministInnen & Kulturschaffende, die sich das Fremdartige der fremden Sitten zum Genussmittel aufbereitet haben, sehen sich zu verantwortungsvollen Beiträgen herausgefordert, gerade weil in den Sitten des Geschlechter- und Familienverhältnisses, in den religiösen Weltanschauungen und in der Privatsphäre herumgewühlt wird. Da sind sie Experten, nämlich Dogmatiker der Auffassung, dass sich um die private Glücks- und Gattenwahl von Mädchen, um einen echt selbst gewählten und aufgeklärten Glauben, darum, was dem Gott im Himmel und was Herrn Kaiser gebührt, und um das Menschenrecht auf freie Wahl der Kopfbedeckung die Welt und Lebenslage aller dreht. Oder wenigstens drehen müsste, und da wittern sie Morgenluft. Warum Europas Staatenlenker bei den Nicht-Eingeborenen in der Gesinnung herumschnüffeln, interessiert sie in aller Regel überhaupt nicht. Darüber, dass sie es tun, rümpfen sie bestenfalls wegen der politisch-moralisch womöglich zweifelhaften Absichten die Nase, die sie einem Schily und seinen europäischen Kollegen zutrauen, und gerade mit dieser Sorte Distanznahme sind sie ausgesprochene Befürworter der Taten, die die Politik im Zuge ihres Kulturkampfs für angebracht hält: Für die Freunde der demokratischen Libertinage im Privaten manifestiert sich in ihnen der Staat als eine einzige sittliche Anstalt, die endlich mal der sexuellen, kulturellen und politischen Correctness, wie sie hiesigen Kulturträgern vorschwebt, zum Durchbruch verhilft – als würden Schilys Leute, wenn sie mal wieder einen Islamisten erwischen, deshalb zugreifen, um dessen Tochter vom Kopftuchzwang zu befreien!
Mit diesem Schwindel wissen in Deutschland besonders die Grünen Reklame für sich zu machen. Wenn die sich als offensive Kraft gegen islamischen Extremismus profilieren, um anstelle von Beckstein an die Schalthebel der Ausländerpolitik gewählt zu werden, dann treten sie selbstverständlich nur für Pluralismus bei den Lebensentwürfen der Menschen und Emanzipation bei frau und Selbst ein:
„Wir wollen den Dialog mit dem Islam fortführen und ausbauen. Wir brauchen den offenen und kritischen Dialog, werden uns aber gegen extremistische Positionen offensiv wenden. Wir brauchen demokratisch legitimierte, verbindliche Strukturen, die dem in Europa angekommenen Islam eine Stimme geben und Mitsprache auf gleicher Augenhöhe ermöglichen. Unser Standpunkt und unsere Forderungen sind dabei klar und unmissverständlich. Wir treten ein für Geschlechterdemokratie, Selbstbestimmung, Anerkennung der Vielfalt und Respekt gegenüber unterschiedlichen Lebensentwürfen. Wir unterstützen diejenigen, die in der islamischen Welt an der notwendigen gesellschaftlichen Modernisierung arbeiten.“ (Wir haben was gegen Demagogen! Das grüne Konzept für mehr Integration, Freiheit und Sicherheit.)
Frauenquote für MuslimInnen, Trennung von Amt und Mandat
bei den Imamen und Basisdemokratie beim Freitagsgebet: So
soll man sich den Islam ‚auf gleicher Augenhöhe‘ mit den
grünen Demagogen ungefähr denken. Denn dass der
offene
Dialog, der diesen Freunden kultureller
Vielfalt vorschwebt, nur auf gebieterischen Respekt vor
der europäischen Monokultur zielt, sagen sie auf ihre
Weise ja schon auch: Entweder der Islam ist
angekommen
in Europa, wie es ist, und bürgt dafür
mit einer verantwortlich zu machenden Adresse; oder er,
sprich seine Anhänger, gehören in die islamische
Welt
zurück verfrachtet und in der einer
Modernisierung
unterzogen.
So rückt dann auch das deutsche Volk mit seinem gesamten Meinungsspektrum in dem neuen wehrhaften Wertebewusstsein zusammen, das es für den weltweiten Kampf seiner Regierenden braucht.