Aus der Reihe „Chronik - kein Kommentar!“
Die Erbschaftssteuer für Firmenerben vor dem BVerfG
Gesetzliche Unterscheidungsprobleme bei der Bereicherung von Todes wegen
Das Bundesverfassungsgericht befasst sich auf Antrag des Bundesfinanzhofs mit einer Neufassung des Erbschaftssteuerrechts aus dem Jahr 2008. Die obersten Richter über Besteuerung und Steuergerechtigkeit sehen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes durch den § 13a ErbStG verletzt, der vorsieht, Betriebsvermögen von der Erbschaftssteuer weitgehend auszunehmen. Ob nun die Regelung an Verfassungsgrundsätzen scheitert oder nicht: Zu würdigen bleiben die rechtlichen Bemühungen darum, die Kontinuität privater Eigentumsvermehrung über die Dauer eines Menschenlebens hinaus „verfassungsfest“ zu kombinieren mit ihrer staatlichen Begünstigung unter Gesichtspunkten von Gerechtigkeit und Gemeinwohl. Dass man sich bei den dabei nötigen juristischen Distinktionen auch einmal verkonstruieren kann, gehört zu den Erfahrungen, mit denen Gesetzgeber leben müssen. Dabei geschah die Freistellung von der Erbschaftssteuer für die Erben von Unternehmen in bester Absicht – die neuen Firmeninhaber sollen durch die Steuerschuld nicht zu Schließung oder Verkauf gezwungen werden – und in vollem Bewusstsein der damit aufgeworfenen Gerechtigkeitsfragen:
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Die Erbschaftssteuer für Firmenerben
vor dem BVerfG
Gesetzliche
Unterscheidungsprobleme bei der Bereicherung von Todes
wegen
Das Bundesverfassungsgericht befasst sich auf Antrag des Bundesfinanzhofs mit einer Neufassung des Erbschaftssteuerrechts aus dem Jahr 2008. Die obersten Richter über Besteuerung und Steuergerechtigkeit sehen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes durch den § 13a ErbStG verletzt, der vorsieht, Betriebsvermögen von der Erbschaftssteuer weitgehend auszunehmen. Ob nun die Regelung an Verfassungsgrundsätzen scheitert oder nicht: Zu würdigen bleiben die rechtlichen Bemühungen darum, die Kontinuität privater Eigentumsvermehrung über die Dauer eines Menschenlebens hinaus „verfassungsfest“ zu kombinieren mit ihrer staatlichen Begünstigung unter Gesichtspunkten von Gerechtigkeit und Gemeinwohl. Dass man sich bei den dabei nötigen juristischen Distinktionen auch einmal verkonstruieren kann, gehört zu den Erfahrungen, mit denen Gesetzgeber leben müssen. Dabei geschah die Freistellung von der Erbschaftssteuer für die Erben von Unternehmen in bester Absicht – die neuen Firmeninhaber sollen durch die Steuerschuld nicht zu Schließung oder Verkauf gezwungen werden – und in vollem Bewusstsein der damit aufgeworfenen Gerechtigkeitsfragen:
Noch nie hat es ein solches Erbschaftssteuerprivileg
gegeben. Alle von Ihnen wissen, dass ein solches
Erbschaftssteuerprivileg nicht verfassungsfest ist. Es
wäre gleichheitswidrig, wenn es nicht eine Gegenleistung
gibt.
Und nicht nur dem damaligen Finanzminister
Steinbrück (tagesschau-online, 8.7.14) war sonnenklar,
worin die „Gegenleistung“ der Erben für das schöne
Steuergeschenk bestehen musste: Die kann nur in der
Fortführung des Betriebs liegen. Das heißt, man kommt um
die Konstruktion einer solchen Gegenleistung überhaupt
nicht herum.
(Steinbrück vor dem
Bundestag, 27.11.2008) Ausnahmen von der
Steuerpflicht sind nämlich nur zulässig, wenn sie für
das Gemeinwohl erforderlich sind. 2006 urteilte deshalb
das Bundesverfassungsgericht, dass die Sicherung von
Arbeitsplätzen ausnahmsweise geringere Erbschaftssteuern
rechtfertigen kann.
(FR-online,
8.7.14)
*
Man sieht, worum sich das tätige Gemeinwohl Sorgen macht: Zunächst selbstverständlich um die richtige Bewertung der Erbmasse, hier eines funktionierenden kapitalistischen Betriebs; dann die Berechnung der korrekten Steuerlast, und am Ende um die Frage, ob dieser Betrieb als privatwirtschaftliche Bereicherungsmaschine – erst des Erblassers, jetzt des Erben – weiter funktionieren wird, wenn seine neue Herren mit den ermittelten Erbschaftssteuern belastet werden; ob also die Arbeitsplätze, die bisher für das Wachstum des privaten Betriebsvermögens des Inhabers gesorgt haben, weiterhin bestehen bleiben; und ob die Steuer dem neuen Eigentümer nicht fürderhin die Lust an seiner Bereicherung mittels Bewirtschaftung der geerbten Arbeitsplätze verdirbt. Das möchte das Gemeinwohl, wenn möglich, gerne vermeiden, hält es doch die Beschäftigung der Bevölkerung an „sicheren Arbeitsplätzen“ für dringend „erforderlich“, und seine eigene Finanzierung aus laufender Wirtschaftstätigkeit seiner privaten Firmen durchaus für wert, auch einmal auf eine singuläre Steuereinkunft zu verzichten.
Dass mit den Arbeitsplätzen eines im Erbweg vermachten Betriebes auch die Belegschaft samt ihrer ökonomischen Existenz mitvererbt wird, ist den sorgenvollen Verwaltern der staatlichen Steuerquellen kein Problem. Diese Lage, der die erbrechtlichen Vorschriften zum Übergang des Eigentums an einem Gewerbebetrieb nach einem Todesfall von Haus aus recht geben, gehört zu den fertigen Voraussetzungen, auf die sich die Herrichtung der Gesellschaft als steuerliche Einkommensquelle der Staatsmacht ganz selbstverständlich bezieht. Die vom eingetretenen Erbfall betroffenen Belegschaften gehören mit ihren vergangenen und künftigen Leistungen für den Betrieb zum geldwerten Gegenstand der Besteuerung, die technische Ausstattung der Betriebe, die dort als „Arbeitsplätze“ herumsteht, als Vermögen des Betriebes sowieso. Insofern sieht das Steuerrecht keinen Anlass, hinsichtlich der Vererbbarkeit grundsätzliche Unterschiede zu machen zwischen Schmuckstücken oder Biedermeierkommoden und Arbeitsplätzen incl. der dazu gehörigen „abhängig Beschäftigten“: Letztere zählen rechtlich ja immerhin nicht als Privateigentum; dass sie nichts als Anhängsel einer Revenuequelle sind, die ihrem Arbeitgeber gehört, macht schließlich ihre Freiheit aus. Wenn in einem höchst privaten Akt der Zueignung vom Erblasser sein Wertvollstes an seine Liebsten weitergereicht wird, dann wird im Fall einer Unternehmenserbschaft eben das Produktionsverhältnis mit vererbt.
Bedenken entstehen hinsichtlich der
letztgenannten Bestandteile allfälliger Erbmassen und
ihrer ganz privaten – testamentarischen oder im Weg der
gesetzlichen Erbfolge stattfindenden – Weitergabe vom
Verblichenen an seinen erwählten oder geborenen
Rechtsnachfolger, wie gesagt, aus anderen
Gesichtspunkten: Daraus eben, dass die staatlichen
Abgabengestalter aus dem Eigentumstransfer von Todes
wegen einen Anlass zum Abgreifen gesellschaftlichen
Reichtums per Erbschaftssteuer gemacht haben; und dann
gerade darin ein Risiko für das erwünschte
weitere Wachsen dieses fungierenden betrieblichen
Reichtums sehen. Das ist der Anknüpfungspunkt für die
schöne „Konstruktion“ des vormaligen Finanzministers,
ausgerechnet an der Bereitschaft der Firmenerben, sich
weiterhin an der geerbten Belegschaft zu bereichern, eine
davon unterscheidbare gemeinnützige
Gegenleistung zu entdecken: Und zwar immer dann – so
die staatliche Betrachtung –, wenn die private
Vermögensplanung auch der nächsten Generation die
vermachten Arbeitsplätze für sich weiterverwendet. Das
gilt als die soziale Tat, die nicht nur mit
einem Steuerprivileg zu würdigen ist, sondern auch als
grundrechtskonforme Fassung steuerlicher Gerechtigkeit
durchgehen müsste: Wo ist das Problem?
bei so viel
Gegenleistung, fragt da ganz zuversichtlich der
Finanzminister vor dem Bundestag (Steinbrück 2008, ebd.)
und ist sich sicher, den gesuchten Unterschied an den
gleichermaßen vererbbaren Vermögensgegenständen
wohlhabender Leute gefunden zu haben: Zwar vermehren auch
goldene Uhren und Wertpapiere den Wohlstand der Erben;
solchen Vermögenszuwächsen geht aber offenkundig das
gemeindienliche und damit steuerbefreiende Moment ab, das
der Bewirtschaftung einer im Erbweg erworbenen
Firma, also dem Arbeitgeben als
Geschäftsmittel innewohnt. Wenn also per
letztwilliger Verfügung oder Erbfolge ein Betrieb mit
Arbeitsplätzen nebst einsatzbereiten
Arbeitsplatzinhabern auf den lachenden Erben kommt, wird
die ohnehin bestehende ökonomische Überlegenheit dieses
Erbgutes als private Reichtumsquelle gegenüber
anderem, das nur aus Vermögensgegenständen
besteht, wegen des staatlich erwünschten Nutzens für
Arbeitsmarkt und Standort auch noch durch
Steuerverschonung belohnt. Ob das jetzt echt gerecht ist,
das wird man vom BVerfG erfahren.
*
Weil der Gesetzgeber die Menschen kennt, denen er die Gesetze gibt, trifft er natürlich Vorkehrungen, damit sie auch wirklich die verlangte gemeinnützige „Gegenleistung“ erbringen, für die er ihnen die Steuer erlässt oder vermindert: Über ein paar Jahre hinweg müssen die Erbkapitalisten anhand ihrer Lohnsumme - nicht anhand der absoluten Zahl der Arbeitsplätze – den Stand der Beschäftigung in der Firma nachweisen; so soll der Betrieb die nötige Freiheit haben, zum Vorteil des Geschäftes auch einmal ein paar Beschäftigte loszuwerden, ohne gleich seinen Steuervorteil zu verlieren. Doch am Ende nützt das alles nicht viel: Die schöne Abgrenzung zwischen steuerpflichtigem „Privatvermögen“ und steuerbegünstigtem „Betriebsvermögen“ geht nach und nach flöten, einfach weil man „Vermögen gar nicht wirklich unterscheiden kann. Jeder Vermögensgegenstand kann entweder Privat- oder Betriebsvermögen sein. Sie können das ziemlich beliebig gestalten …“ Das sagt eine akademische Fachfrau für Steuerrecht (tagessschau.de, 8.7.14). Und weil das so ist, gestalten die Vermögenden ihr Vermögen immer mehr als steuerbegünstigtes Betriebsvermögen; und die verbliebenen Steuerzahler beklagen sich, weil grundrechtlich ungleich behandelt, beim BVerfG. Das wird, so viel kann man immerhin hoffen, mit seinem Spruch diese Ungerechtigkeiten im Reich der Vermögenden ausräumen.
Und sollten künftig die Erben von Firmenvermögen nicht
mehr von der Steuer verschont werden: Verkaufen
kann man den ganzen Krempel dann immer noch. Und der
Steuerstaat, der das eigentlich durch seine Gunst
vermeiden wollte, kann hoffen: Das heißt ja gar nicht
zwingend, dass Arbeitsplätze verloren gehen. Der Eigner
wechselt
, meint die schon zitierte Steuerfachfrau.
Die erst mitvererbten und dann mitverkauften
„Mitarbeiter“ werden dann schon rechtzeitig erfahren, ob
der Verlust ihrer Arbeitsplätze „zwingend“ ist.