Aus der Reihe „Chronik - kein Kommentar!“
Das Ende der „Arbeitsplatz sichernden Vereinbarungen“ bei Continental, Werksschließung bei AEG
Das Gut namens ‚Arbeitsplatz‘: Je weniger man von ihm hat, desto sicherer ist er – oder auch nicht
Was machen Unternehmer Ende 2005 aus diesem erfolgreichen Konzept? Sie scheren sich einfach nicht mehr um ihre „geschlossenen Vereinbarungen“ zur Arbeitsplatzsicherung! In schlechten Ruf kommen insbesondere die Fa. Continental, die ihr Reifenwerk bei Hannover dichtmacht – ein schlappes halbes Jahr nach einer Betriebsvereinbarung, bei der „die Kollegen auf eine Lohnerhöhung verzichteten und sogar zweieinhalb Stunden pro Woche länger unbezahlt arbeiteten“ und der schwedische Konzern Electrolux, der bei der Schließung des Nürnberger AEG-Werkes zugunsten eines polnischen Standortes „keine besonders gute Figur“ gemacht hat.
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Länder & Abkommen
Das Ende der „Arbeitsplatz
sichernden Vereinbarungen“ bei Continental,
Werksschließung bei AEG
Das Gut namens
‚Arbeitsplatz‘: Je weniger man von ihm hat, desto
sicherer ist er – oder auch nicht
Für Arbeitsplätze, in einer globalisierten Wirtschaft
bekanntlich eine bedrohte und erhaltenswerte Spezies,
lässt sich mit etwas gutem Willen durchaus etwas tun.
Rücksichtsloses Profitinteresse und überzogene
Lohnvorstellungen müssen nur in der richtigen Weise
kompromissbereit sein, dann lassen sich Entlassungen
vermeiden und Arbeitsplätze erhalten. Ein Erfolgsmodell
auf diesem Feld waren da in den letzten Jahren
innerbetriebliche Vereinbarungen, die es ermöglichen,
von Arbeitszeit, Löhnen und Gehältern abzuweichen, wenn
es für den Erhalt von Arbeitsplätzen notwendig ist.
(Reformanstöße des DGB für Wachstum und Beschäftigung)
Flächendeckend reicht das von dem IG-Metall-Abkommen von
Pforzheim 2004 mit dem Zugeständnis der betrieblichen
Abweichung vom Flächentarif über Arbeitszeitkonten bei
der T-Com und befristeten Arbeitszeitverlängerungen an
zwei Siemens-Standorten, zehn anderen
Standortvereinbarungen bei Continental, einem
Tarifvertrag ohne betriebsbedingte Kündigungen bei der
Telekom bis zum Beschäftigungspakt
bei
DaimlerChrysler und den zahllosen Ausnahmen vom
Flächentarifvertrag in kleinen Betrieben.
1.
Vorteile davon hatte zum einen unser notleidender
deutscher Mittelstand. Der musste angesichts des
konkurrenzlos billigen Lohnniveaus östlicher
Arbeitskräfte nicht mehr die bekannt unrentablen
deutschen Arbeitsplätze dicht und seinen Reibach in der
Ferne mit östlichen Fremdarbeitern machen. Wenn ihm seine
Profitrate hier nicht ordentlich genug war, dann konnte
er sich mit Gewerkschaften und Betriebsräten in
Betriebsvereinbarung darauf verständigen, dass dem in der
Marktwirtschaft nun einmal herrschenden Sachzwang
,
Profit zu erwirtschaften, nur dadurch Rechnung zu tragen
sei, dass der eigentlich viel zu teure deutsche
Arbeitsmann sich die Gnade, seinen Arbeitsplatz nicht
opfern zu müssen, durch eine ordentliche Menge
kostenoptimierter Lohnflexibilität
verdienen darf.
Vorteile hatten des Weiteren unsere bedürftigen
Weltkonzerne mit ihren inner- und außereuropäischen
Standorten: Auch denen konnte mit einem Abweichen von
Arbeitszeit, Löhnen und Gehältern
von der tariflichen
Norm in einer schwierigen Wettbewerbssituation
tatkräftig geholfen werden. Statt dass im Wege der
tatsächlichen Schließung unrentabler Standorte die
Belegschaften mit ihren Familien, die Zulieferer und in
besonders schlimmen Fällen ganze Regionen auf der Strecke
blieben
(metall, 5/05) und in ökonomisch
sinnloser
Not und Elend versackten, beließen es die
Multis dabei, ihre diversen Standort-Belegschaften mit
einer drohenden Stilllegung der Produktion zu erpressen,
sie spielten sie erfolgreich gegeneinander aus, so dass
sie mit diesen ökonomisch sinnvollen Lohnsenkungen ihrer
globalen Verantwortung für Profiterwirtschaftung gerecht
werden konnten.
Auf der anderen Seite waren aber auch und gerade die
Beschäftigten Nutznießer eines solchen
arbeitsplatzerhaltenden Deals, in dem ihre Gewerkschaft
listig mit dem Zugeständnis des kleineren Übels eines
Lohnverzichts den proletarischen GAU des
Arbeitsplatzverlustes verhinderte. So wurden die
Arbeitsplätze sicher – jedenfalls die, die von der
Betriebsleitung gerade nicht oder noch nicht unsicher
gemacht und wegrationalisiert wurden: Per
Verschlankung der Belegschaft
, durch
Restrukturierungsmaßnahmen
und natürliche
Fluktuation
, die z.B. „in einem so großen
Laden (gemeint ist DaimlerChrysler) …
eindrucksvoll ist. Sie wird mit jährlich fünf Prozent
angegeben.“ (SZ, 20.12.) Und angesichts der
laufenden Entlassungen sollte sich die Frage eigentlich
sowieso erübrigen, wie viel mehr an Stress man mit so
einer Arbeitsplatzsicherung im Job hat und wie viel
weniger man an Gegenwert in Geld im Gegenzug dafür
bekommt. Eine erfolgreiche langfristige Sicherung von
Lohninteressen
geht eben nur, je weniger man darauf
achtet, was von dem Arbeitsplatz außer Arbeit überhaupt
noch für einen herausspringt.
2.
Und was machen Unternehmer Ende 2005 aus diesem
erfolgreichen Konzept eines Tausches, hart, aber
fair
(SZ, 14.12.), der Deutschland einen Ausweg
aus der Standortmisere zu weisen schien
? (Spiegel,
50/05) Sie scheren sich einfach nicht mehr um ihre
geschlossenen Vereinbarungen
! In schlechten Ruf
kommen insbesondere die Fa. Continental, die ihr
Reifenwerk bei Hannover dichtmacht – ein schlappes halbes
Jahr nach einer Betriebsvereinbarung, bei der die
Kollegen auf eine Lohnerhöhung verzichteten und sogar
zweieinhalb Stunden pro Woche länger unbezahlt
arbeiteten
(Spiegel, 20/05), und der schwedische
Konzern Electrolux, der bei der Schließung des Nürnberger
AEG-Werkes zugunsten eines polnischen Standortes keine
besonders gute Figur gemacht hat. Der Betriebsrat und das
deutsche Management hatten noch im November gemeinsam ein
Konzept zur Rettung des Standorts vorgelegt, das massive
Lohneinschnitte, Mehrarbeit und Investitionen in Nürnberg
vorsah.
(SZ, 13.12.)
Wenn Conti den Deal erst nach irgendeiner vereinbarten
Kündigungsfrist beendet hätte, dann hätte man ja nichts
dagegen sagen können, aber so! Schon nach wenigen
Monaten hat das Management diese Vereinbarung einfach
aufgekündigt
(SZ, 14.12.) und behauptet frech, so
etwas wie eine Arbeitsplatzsicherung habe es nie
versprochen: Es wird auch in keiner unserer
Vereinbarungen so etwas wie eine Arbeitsplatzgarantie
festgeschrieben.
(Wennemer,
Conti-Vorstandsvorsitzender, SZ, 23.12.). Und bei der AEG
bemängeln die Betriebsräte, dass völlig unsachgemäß in
die Vergleichskalkulation mit Polen die
Anfangsinvestitionen der Werke dort nicht eingegangen und
die Amortisationszeiten für die Verlagerung … zu niedrig
angesetzt
worden sind. (Die Zeit, 51/05)
Dabei sind das seitens der für Arbeitsplätze zuständigen
Instanz doch mal ein paar erhellende Aufklärungen über
‚Arbeitsplatzsicherheit‘ und Sinn und Unsinn
entsprechender Vereinbarungen. Um einen Deal, um ein
‚do-ut-des‘, von dem die Beschäftigten einen Arbeitsplatz
„sicher“ „haben“, handelt es sich dabei jedenfalls nicht.
Die Rentabilitätsrechnung, nach der Arbeitsplätze
eingerichtet, abgeschafft oder verlagert werden, wird von
Conti wie Electrolux offen vorbuchstabiert: Arbeitsplätze
werden eingerichtet, damit sie Gewinne abwerfen; Löhne
werden gezahlt, solange sich der Überschuss rechnet, den
der Betrieb mit ihnen erwirtschaftet. Wenn da nach der
Kalkulation des Unternehmens anderswo mehr herauszuholen
geht, dann wird auch dort produziert, wo die Kosten am
günstigsten sind
(Wennemer, SZ, 23.12.); dann steht
damit auch fest, dass die Produktionskosten am
Standort Nürnberg international nicht mehr
wettbewerbsfähig sind
(Electrolux-Aufsichtsrat, SZ,
13.12.), und dann wird dort dicht gemacht.
Um eine unternehmerische Zwangslage handelt es sich dabei
nicht. Conti verzichtet gleich auf die übliche
heuchlerische Manier, unerwartete Umsatzeinbrüche
mit roten Zahlen, also einen Geschäftsrückgang ins Feld
zu führen, der dann noch das rüdeste Abhalftern von
Lohnabhängigen unabweisbar macht. Stattdessen protzt die
Firma mit satten Gewinnen, fast 15 Prozent
(SZ,
14.12.), verhehlt auch nicht die hübschen
Ausbeutungsresultate der Beschäftigten im zu schließenden
Betrieb in Stöcken, der profitabel arbeitet. Rund 40
Millionen Euro Gewinn
. (Spiegel, 50/05) Entlassen
wird nicht wegen einer Not, sondern weil man auf dem
Markt, der nun mal nicht so gewachsen ist, wie
erhofft
(Wennemer, SZ, 23.12.), eine Offensive um
mehr eigenen Gewinn starten will, welche die
Marktkonkurrenten in Not bringen soll. Dasselbe hat
Electrolux vor: Angesichts eines durch fernöstliche
und türkische Billigkonkurrenz ausgelösten
Preisverfalls
(Electrolux-Europachef Johan Bygge, SZ,
13.12.) ist der Nürnberger Standort nicht nur zu wenig
gewinnträchtig, sondern gleich überhaupt untauglich für
den Profit. Das Angebot des Betriebsrates mag da noch so
sehr von bereitwilligem Verzicht auf die Interessen der
Belegschaft getragen sein – für die Firma ist es keines,
weil die Arbeitnehmerseite noch nicht einmal die
Hälfte der notwendigen 48 Millionen Euro Einsparungen pro
Jahr anbieten kann
(Electrolux-Unternehmenssprecher,
SZ, 13.12.). Woanders holt sie mehr als doppelt so viel
herein, wenn sie mit auswärtigen Billiglöhnen selbst den
Preisverfall gegen die Billigkonkurrenz betreibt und die
bislang in Nürnberg hergestellten Geräte, zuletzt 1,4
Millionen … in Polen und Italien produziert
.
(Electrolux-Europachef Johan Bygge, SZ, 13.12.)
Von Verträgen, in denen Arbeit und Lohn garantiert
werden, profitiert eben nur der Anwender der Arbeit, der
„Arbeitgeber“. Arbeitsplatzsicherheit gibt es unter dem
Vorbehalt, dass diese Arbeitsplätze gewinnträchtig sind.
Genau so lange bietet die Firma ihren Beschäftigten
eine Chance auf Arbeitsplätze, wenn wir länger
arbeiten, aber es gibt keine Garantie
. (Wennemer, SZ,
23.12.) So handelt es sich bei solchen Arbeitsplatz
sichernden Vereinbarungen
um eine sehr einseitige
Sache: Die eine Seite verpflichtet sich darin zu
Lohnverzicht und Mehrarbeit; die unternehmerische Seite
bekommt die Freiheit zugestanden, das Verhältnis von Lohn
und Leistung bedarfsgerecht auszugestalten und mit den so
verringerten Kosten profitabel zu wirtschaften.
3.
„Wir haben mehrere Möglichkeiten: Zunächst zeigen wir, wo immer dies geht, Alternativen zu Verlagerungsabsichten auf. Funktioniert das nicht, dann versuchen wir Standortvereinbarungen auf den Weg zu bringen. Wir machen auch Zugeständnisse, um den Zeitpunkt der Verlagerung hinauszuzögern oder am besten diese Entscheidung zu verhindern. Oft werden hinterher weniger Arbeitsplätze verlagert, als die Unternehmen anfangs angekündigt haben.“ (Schmoldt, IG BCE, FASZ, 29.1.06)
Unbelehrbar, die Gewerkschaft. Continental wie AEG führen
ihr nachdrücklich vor, um was für einen krummen Deal es
sich bei Standortvereinbarungen handelt. Sie dagegen
betrachtet weiterhin Arbeitsplätze stur nicht als das
Renditemittel, das sie sind, sondern als das taugliche
Lebensmittel für Lohnabhängige, das sie
eingestandenermaßen nicht sind, und hält daran fest, dass
es sich bei all den laufenden Entlassungen,
Werksschließungen und Produktionsverlagerungen um
Sonderfälle handelt, bei denen phantasielose
Arbeitsplatzvernichter
alles kaputtmachen, nur um
ein paar Euro mehr zu verdienen
(Hilverkuss,
Betriebsratschef bei Conti, Spiegel, 50/05); oder um
sachfremde, von außen getroffene
Eisblockentscheidungen
von schamlosen und
charakterlosen Herren in Schweden
(Neugebauer,
IGM-Chef Bayern, SZ, 14.12.), die zuerst, geblendet
von den niedrigen Lohnkosten in Polen, dort Werke
errichten
(metall, 11/05), um dann über unsere
heimelige fränkische AEG ohne jedes
Verantwortungsgefühl
das
„Aus.Ende.Geschlossen“ (Die
Zeit, Nr. 51/05) zu verkünden.
Was die Werksschließungen anbetrifft, so bekennt sich die
Gewerkschaft zu ihrer äußerst verantwortungsvollen
Haltung, den kapitalistischen Kalkulationen mit der
Arbeitskraft in letzter Instanz absolut
ohnmächtig ausgeliefert zu sein. Vom Ende des
Continental-Werks in Hannover und des Nürnberger
AEG-Werks geht sie aus; sie unterstellt den Schaden der
Entlassung und zettelt einen harten Arbeitskampf
an – um die Modalitäten seiner Abwicklung: Bei Conti
erkämpft sie erfolgreich eine kleine Galgenfrist, so dass
geschlossen wird, aber gemächlicher als geplant
(SZ, 26.1.) – die Beschäftigten haben also immerhin etwas
mehr Zeit, sich auf ihre neue Lage einzustellen. Bei
Electrolux strebt die Gewerkschaft eine ihrer
phantasievollen „Alternativen zur Verlagerungsabsicht“ an
und erneuert zuerst ihr Angebot vom Herbst, bei einer
deutlich reduzierten Belegschaft und Mehrarbeit ohne
Lohnausgleich einen Fortbestand der Nürnberger Produktion
zu kostengünstigeren Bedingungen mindestens bis Ende 2010
zu ermöglichen
. (SZ, 30.1.) Weil dieses wohlmeinende
gewerkschaftliche Rettungskonzept
mit offerierter
Massenentlassung jetzt und endgültiger Abwicklung des
Restes der Beschäftigten erst in ein paar Jahren leider
nicht funktioniert
, fordert sie einen
Sozialtarifvertrag mit Abfindungszahlungen, die die
Verarmung hin zu Hartz IV etwas strecken, und
Qualifizierungsangebote für Arbeitsplätze, von denen sie
selbst auf Protestkundgebungen vermeldet, dass es sie mit
der Schließung einer der letzten großen
Produktionsstätten in der früheren Industriemetropole
(Münchner Merkur, 13.12.) nicht mehr gibt.
Um den Schlussstrich eines nicht ganz so harten Abschieds
hinzukriegen, bringt die Gewerkschaft sogar den
Widerspruch fertig, für dieses Ziel einen Streik zu
organisieren, sich also mit Arbeitsniederlegung für eine
glimpfliche Abwicklung der Arbeitsniederlegung seitens
des Unternehmens einzusetzen. Ein echtes Highlight ist
die an Satire gemahnende Berechnung der IG Metall, die
Arbeitsplätze durch Verteuerung des Sozialplans zu retten
und die Stilllegungskosten weit über die kalkulierten
230 Millionen Euro hinauszutreiben
(Die Zeit, Nr.
51/05): Das soll die Firma so teuer zu stehen kommen,
dass ihr die Fortführung des Betriebes als das kleinere
Übel erscheint!
4.
Für übermäßig beeindruckend hält die Gewerkschaft ihren
eigenen Protest nicht. Die machtvollen
Ohnmachtsbekundungen zielen weniger darauf,
selbst etwas bei den verantwortungslosen
unternehmerischen Betonköpfen
durchzusetzen. Ihrem
eigenen Widerstand schreibt sie nur so viel
Durchschlagskraft zu, wie er bei so mächtigen
Gewerkschaftsfreunden wie Stoiber oder Wulff, diesen
politischen Strippenziehern, die sich stets für die
Macht der Wirtschaft und weiteren Sozialabbau
einsetzen
(metall, 12/05), an tatkräftiger
Unterstützung für die notleidende deutsche
Arbeiterbewegung bewirkt. Denn die sollen nicht
tatenlos zusehen, wie ein international aufgestellter
Konzern hierzulande Arbeitsplätze vernichtet und in
Billiglohnländer verlagert
(Nürnbergs IGM-Chef
Lobodda, SZ, 15.12.), weil das nationale Gemeinwesen
einen Schaden von so einem Kahlschlag hat, der
ökonomisch nicht erforderlich und
arbeitsmarktpolitisch eine Katastrophe ist
.
(Neugebauer, IG Metall-Chef Bayern, SZ, 15.12.) Auch bei
den journalistischen Meinungsbewirtschaftern,
gewerkschaftsfeindlichen Sprücheklopfern von oben
bestellter neoliberaler Wahrheiten
, soll Eindruck
geschunden werden, damit die sich für die Beschäftigten
stark machen: Wir werden Electrolux in Deutschland und
Europa verfolgen und die Öffentlichkeit wachrütteln.
(Wechsler, IGM-Vize, SZ, 13.12.) Und, siehe da, die
Gewerkschaft erkämpft sich immerhin neue Bündnisgenossen.
Journalisten bedrohen das Image der Firmen mit kritischen
Einlassungen, hart an der Grenze zum Antikapitalismus –
ein hässliches Bild entsteht: Personalabbau trotz
Profit
(SZ, 14.12.) –, und stellen investigativ fest:
Statt langfristig geplanter und frühzeitig bekannt
gegebener Betriebsstilllegungen herrscht in Konzernetagen
nichts als eine kontraproduktive Kurzatmigkeit der
Entscheidungen und Fahrlässigkeit, was bei der gesamten
Belegschaft ein Klima der Angst erzeugt
(Spiegel,
20/05)! Angesichts gekündigter Beschäftigungspakte
verdient sich die Gewerkschaft ein Lob für den langen
Atem der Opferbereitschaft, die sie weiter an den Tag zu
legen verspricht: An die Arbeitervertretung ergeht die
Aufforderung, weiterhin Standortpakte zu schließen, die
sich lohnen, weil sie sich für ihre flexibilisierten
Arbeitsplatzinhaber gerade nicht lohnen – der Versuch,
durch Flexibilität Arbeitsplätze zu erhalten, lohnt sich
allemal.
(SZ, 13.12.)
Auch die Politik lässt sich nicht lumpen und wird vom
AEG-Streik wachgerüttelt
. (SZ, 23.1.) Wo arbeitende
Untertanen in aller Bescheidenheit um nichts als um
Arbeit betteln und ein einziges Zeugnis ihrer
Opfergesinnung ablegen, haben sie ihre Herrschaft allemal
auf ihrer Seite. Und wenn der staatliche Standortinhaber
an solchen Werksschließungen enttäuscht feststellt, dass
da schon wieder ein paar Arbeitsplätze und darüber der
deutschen Nation Wachstum und ein paar Millionen Euro
Sozial- und Steuerabgaben verloren gehen, dann gibt es
von Seiten der Politik viel Verständnis für die
bedrückende Situation für die Betroffenen
(Beckstein, SZ, 15.12.) – eine Schweinerei
(Maget,
Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion, SZ, 23.1.) ist das
nämlich, weswegen Beschäftigte das Recht haben, Wut
und Zorn zu zeigen
. (Müntefering, SZ, 30.1.)
Überflüssig gemachte Bürger, die knappes Geld von
Sozialkassen kosten, statt welches einzuzahlen, berühren
zwar den nationalen Nerv, aber die Politik lässt auch
keine Unklarheit darüber aufkommen, dass sie der
aufgebrachten Belegschaft nicht viel Konkretes zu bieten
hat.
(SZ, 15.12.) Für den Erhalt von unrentablen
Arbeitsplätzen hat eine Republik nichts übrig, die einer
der Hauptakteure und -nutznießer eines globalisierten
Vergleichs von Standorten ist. Deswegen hält die Politik
auch nichts von Boykottaufrufen gegen AEG-Geräte
(Wirtschaftsminister Huber, SZ, 15.12.), die ein
schlechtes Licht auf unser weltoffenes Land werfen
könnten. Und das war’s dann mit der Unterstützung für die
Entlassenen: Ihre Gewerkschaft kämpft für sie, ihre
Politiker haben Verständnis für sie und die
Öffentlichkeit berichtet wohlwollend, wie schwer sie es
haben.
5.
Und die Betroffenen selbst? Sie sind Musterexemplare proletarischen Klassenbewusstseins im neuen Jahrtausend. Auch nach ihrer ersten oder letzten Entlassung werden sie nicht klüger, nur noch lebensweiser: In der arbeitenden Klasse gilt es inzwischen als Glücksfall, wenn man als ‚Betroffener‘ schon so alt ist, dass man nicht nur einfach seinen Job verliert, sondern sich dabei mit Abfindungen, Vorruhestand und Rentenabschlägen in eine wenigstens von den Fährnissen der Konkurrenz freie Altersarmut hinüber retten kann.