Einwände zu Konkurrenz der Kapitalisten §24 Abschnitt „Die Krise in der Sicht der VWL“
Eine fundierte Kritik an der Darstellung der Krisentheorie von Keynes, die im § 24 unserer bruchstückweise veröffentlichten Ableitung der Konkurrenz der Kapitalisten Platz gefunden hat.
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Einwände zu Konkurrenz der Kapitalisten § 24 Abschnitt „Die Krise in der Sicht der VWL“ [1]
Die Ausführungen, die in den Punkten I und II zur „Krise in der Sicht der VWL“, insbesondere zur Krisentheorie von Keynes, gemacht werden, werden von einer Klammer eingefasst; nämlich von der zusammenfassenden Vorwegnahme der Kritik an dieser Theorie –
„Sinn und Zweck seiner Überlegungen ist nicht das Begreifen dessen, was er in Gestalt der Krise vorfindet, sondern die Suche nach praktischen Hebeln zur erfolgreichen Bewirtschaftung der negativen Folgen selbiger.“ (S. 105) –
bis zum Resultat, das man aus der Analyse der Theorie gewonnen haben will: Man habe es mit einer „Erklärung der Krise als heilbaren Störfall“ zu tun – „dies das Interesse, das die Denkfehler generiert“ (S. 113).
Leider ist dazwischen von einer Kritik der Denkfehler wenig zu sehen, sodass die Behauptung, die Denkfehler seien durch dieses Interesse generiert, überhaupt nicht gedeckt ist. Und sie stimmt so auch nicht.
Soweit in Punkt I überhaupt auf die Theorie Bezug genommen wird, leidet deren Besprechung schon daran, dass diese Theorie dem Leser gar nicht erst so vor Augen gestellt wird, dass er die Urteile nachvollziehen kann, die über sie in die Welt gesetzt werden. Referat und Kritik sind vom ersten Satz an unentwirrbar ineinander verschränkt; und das auch noch so, dass eine entstellende Darstellung dessen, was die VWL über die Krise zu vermelden hat, immer schon die Kritik ihrer Krisen-Erklärung sein soll. Es ist ein Witz, wenn in Fußnote 1 auf den § 12 KdK verwiesen wird, in dem sich „Erläuterungen ... zur verkehrten Logik des volkswirtschaftlichen Denkens“ fänden, und dem Leser – um „uns die Wiederholung der dort ausgeführten Kritik [zu] ersparen“ – „zum besseren Nachvollzug der hier entwickelten Argumente deren nochmalige Lektüre empfohlen“ wird. Der Text entledigt sich mit dieser Fußnote der Pflicht jeder soliden Demonstration der Fehler, die diese Wissenschaft in der Konstruktion ihrer Theorie macht; er denkt gar nicht daran, die dort ausgeführte Kritik des Kreislaufmodells fortzuführen, von dem er immerhin sagt, dass es die Grundlage der zu besprechenden Krisentheorie ist. Er nimmt sich vielmehr die Freiheit, unbestimmterweise über eine „Modell-Welt“ herzuziehen, in der sich neben dem Wachstum auch die Krise „gut unterbringen“ ließe; er verbreitet über diesen Fortschritt in der Modellbildung z.T. einfach Unsinn [2] und schwadroniert über eine „in der Marktwirtschaft eingebaute Teleologie stetigen Wachstums“, der die VWL mit ihrem Modell angeblich zum Ausdruck verhilft. Das Kreislaufmodell der VWL ist aber kein Wachstumsmodell. Wenn darin eine ‚Teleologie‘ zur Darstellung gebracht wird, dann die vom Funktionieren der Wirtschaft; einer Wirtschaft, in der den Unternehmen die Funktion zukommt, Güter für den Konsum der Haushalte zu produzieren und in der diesen Unternehmen über den Verkauf der von ihnen produzierten Konsumgüter konstruktionsbedingt – das ergibt sich aus dem Inhalt des Kreislaufaxioms – genauso viel Geld zufließen muss, wie sie für den Einkauf der Produktionsfaktoren zu verausgaben haben. Und weil das das Konstruktionsprinzip dieses Modells ist, lässt sich das Wachstum in diesem Modell auch nicht „gut unterbringen“. Vielmehr gibt es genau deswegen in diesem Fach eine Vielzahl von Wachstumstheorien, die sich an der Lösung des Problems versuchen, wie unter dieser Voraussetzung ein Wachstum der Wirtschaft überhaupt möglich ist.
Es ist also – wenn man es genau nimmt und an dieser Stelle schon mal etwas Vernünftiges über den Zusammenhang von Fehler und Interesse in dieser Wissenschaft sagen will – nicht die Leistung des Modells, dass man in ihm Wachstum und Krise „gut unterbringen“ kann, sondern die Sachlage ist die, dass die Theoretiker in diesem Fach unbedingt an einem Modell als Erklärung des Wirtschaftsgeschehens festhalten wollen, das angesichts verheerender Auswirkungen der Krise auf die Reproduktion der Gesellschaft in einem auch für sie nicht zu übersehenden, schreienden Gegensatz zum wirklichen Gang der Dinge steht; und dass die sich damit den Widerspruch leisten, ebendieses in einem schreienden Gegensatz zur Wirklichkeit stehende Modell zur Grundlage ihrer Krisentheorie zu machen. Diesen mit etlichen zusätzlichen theoretischen Verrenkungen verbundenen ‚Denkfehler‘ begehen sie, weil sie die ideologischen Leistungen dieses Modells schätzen: Mit ihm wird der Marktwirtschaft ein menschenfreundlicher Sinn attestiert; die wird einem vorstellig gemacht als eine auf den Wohlstand der Gesellschaft gerichtete Veranstaltung; und sich selbst stellt die VWL mit diesem Modell das Zeugnis aus, die innere Vernunft dieser insgesamt nützlichen Veranstaltung, die Gesetzmäßigkeiten ihres Funktionierens zu durchschauen.
Schon gleich bezieht sich Keynes, der maßgeblichen Anteil an der Fortentwicklung des Kreislaufgedankens in der VWL hat, auf dieses Modell nicht als das Modell einer Wirtschaft, in die eine „Teleologie stetigen Wachstums“ eingebaut ist. Vielmehr formuliert er mit der Gleichung I = S, [3] für die er sich in der VWL seinen Platz unter den großen Geistern des Fachs gesichert hat, die Funktionsbedingung für ein Gleichgewicht zwischen dem Geld, das den Unternehmen zufließt, und dem, das sie verausgaben. Und die Verletzung dieser Funktionsbedingung ist ein wesentliches Argument in seiner Erklärung der Krise.
Über weite Strecken handelt der Punkt I aber sowieso nicht von der Theorie dieses Mannes, sondern von der Einordnung, die der Theoretiker im Lob der heutigen Wissenschaft erfährt – was alles schon mal ein schlechtes Licht auf ihn als Theoretiker werfen und seine Einordnung als „Schönfärber“ und „Phantast“ rechtfertigen soll! Man erfährt, dass ihm dafür gedankt wird, „‚allein [!] die Möglichkeit [!] von Krisen ... nicht [!] aber deren Notwendigkeit [!]‘ aufgezeigt“ und sich damit vorteilhaft von „marxistischen Zusammenbruchstheorien“ abgesetzt zu haben; „Danksagungen“ dafür, dass er die Auffassung vertreten hat, dass Krisen „durch Eingriffe des Staates heilbar“ sind, fänden sich „als eherne Textbausteine auch noch in den modernsten VWL-Lehrbüchern“. Wobei selbst diese Würdigungen des Theoretikers noch gezielt einseitig zurechtgebogen werden. Es ist nämlich keineswegs so, dass sich Keynes „seine Meriten“ im Urteil der „Claqueure wie Chronisten der Disziplin ... eher nicht wegen überragender theoretischer Leistungen verdient hat“. Die maßgeblichen Verdienste Keynes um die (Fort-)Entwicklung des Lehrgebäudes der bürgerlichen Wirtschaftswissenschaft werden mindestens genauso gewürdigt. Mit alldem wird dem Leser – ohne dass er bis dahin irgendetwas über die Krisentheorie Keynes’ erfahren hat – schon mal der Schluss nahegelegt, dass sich Keynes in seiner Theorie von dem Interesse leiten lässt, die Krise als einen heilbaren Zustand darzustellen.
In Punkt II wird die Kategorie der ‚effektiven‘ oder ‚wirksamen Nachfrage‘ eingeführt, die in Keynes’ Krisentheorie tatsächlich eine zentrale Rolle spielt – und zwar mit einer längeren Vorrede:
„Der große Umsturz im Lehrgebäude der VWL, für den Keynes berühmt geworden ist, hält sich sachlich besehen in überschaubaren Grenzen. Die Verfremdung des Kapitalismus zu einem Kreislauf von ‚Geld- und Güterströmen‘, die im Austausch zwischen ‚Haushalten‘ und ‚Unternehmen‘ als ‚wertgleiche Wirtschaftsleistungen‘ zirkulieren, bleibt in seinem theoretischen Gebäude ebenso intakt wie die dieser Verfremdung gemäße Auflösung einzelner Funktionsbeziehungen auf den diversen ‚Märkten‘ in diesem Kreislauf unter dem Gesichtspunkt des ‚Gleichgewichts‘, das gemäß den Prämissen dieser phantastischen Welt auf ihnen wie zwischen ihnen zu herrschen habe.“
Wer soll das verstehen? Welche „Funktionsbeziehungen“ werden in dem „Kreislauf von Geld- und Güterströmen“ „unter dem Gesichtspunkt des Gleichgewichts“ wie in was ‚aufgelöst‘? Und inwiefern ist diese „Auflösung“ (welche?) der „Verfremdung gemäß“, die der Kapitalismus in „dieser phantastischen Welt“ „gemäß“ welcher „Prämissen“ erfährt? Wovon ist hier überhaupt die Rede? Oder ist das wurscht, weil es sowieso nur auf die Botschaft ankommt, dass sich der Umsturz im Lehrgebäude der VWL, den Keynes mit seinem Prinzip der effektiven Nachfrage bewirkt haben soll, in „überschaubaren Grenzen hält“ und eigentlich lächerlich ist, wenn man in Betracht zieht, dass das Gebäude insgesamt „intakt“ geblieben ist? Aber was ist das für eine Kritik? Sie besteht in einer Demonstration souveräner Vertrautheit mit den Elementen „volkswirtschaftlicher Modellbaukunst“ und verlässt sich im Übrigen darauf, dass über die nicht mehr zu sagen ist als das, was mit den Stichworten ‚Verfremdung‘, ‚Kapitalismus‘ und ‚phantastische Welt‘ gesagt ist. Der Text spart es sich, die Gedanken einer näheren Betrachtung zu unterziehen, mit denen diese Wissenschaft die (für eine Wissenschaft) absurde Leistung zustande bringt, ihren Gegenstand zu verfremden, ihm eine Identität zu verleihen, die nicht die seine ist; offenbar wird davon ausgegangen, dass dem Leser das Phantastische dieser Welt der Wissenschaft schon schlagend vor Augen steht, wenn er von uns erfährt, dass in dieser Welt Funktionsbeziehungen vorkommen und äquivalente Wirtschaftsleistungen getauscht werden.
Nach dieser Vorrede wird die Kategorie der ‚effektiven Nachfrage‘ dann in der Weise eingeführt, dass anhand einer Kapitelüberschrift in Keynes’ Abhandlung ihr Name zitiert wird. Zu dem erfährt der Leser, dass es sich bei dieser Kategorie „einfach“ um die Umkehrung eines als „Ankerstein volkswirtschaftlicher Modellbaukunst“ fungierenden Dogmas handelt, dem zufolge „sich das Angebot seine eigene Nachfrage schafft“:
„Das Bedürfnis, die Anarchie einer kapitalistischen Konkurrenzgesellschaft mitsamt ihren Gegensätzen in einem Modell auf Gleichgewichtigkeit geeichter Kreisläufe ‚abzubilden‘, wird auf ein den Erfordernissen der Zeit angepasstes Niveau befördert. Dies erledigt Keynes denkbar bequem, indem er die alte Doktrin einfach umdreht: Wenn das Angebot in der Funktion ausfällt, sich selbst auch die Nachfrage zu schaffen, die für Vollbeschäftigung sorgt, dann muss es offensichtlich die Nachfrage sein, die für das Angebot verantwortlich zeichnet und damit auch den Umfang der Beschäftigung bestimmt. Das ist seine Lehre aus der Weltwirtschaftskrise: das ‚Prinzip der effektiven Nachfrage‘, wie es in einer Kapitelüberschrift in seinem Hauptwerk heißt.“
Der Akzent der Kritik liegt weiterhin darauf, dass von einer großartigen Leistung, die als Umsturz oder Revolution gewürdigt zu werden verdient, nicht die Rede sein kann. Und sie verlässt sich weiterhin darauf, dass allein schon die Nennung unserer Formel von der ‚Anarchie der kapitalistischen Konkurrenzgesellschaft‘ reicht, um ein Modell, mit dem sich sämtliche unschönen bis katastrophalen Wirkungen kapitalistischen Konkurrierens als Ausdruck eines Ungleichgewichts erklären lassen, in Grund und Boden kritisiert zu haben. Was das altehrwürdige Dogma anbelangt, belässt es der Text dabei, den kategorisch behaupteten Zusammenhang zwischen Angebot und Nachfrage einen „Vollbeschäftigungsautomatismus“ zu nennen, und Keynes’ Bezugnahme auf diesen Zusammenhang dahingehend zu erläutern, dass dieser Mann sich durch den „ruinösen Gang der Dinge“ von der Unhaltbarkeit eines solchen Vollbeschäftigungsautomatismus hat überzeugen lassen und den behaupteten Zusammenhang zwischen Angebot und Nachfrage deswegen kurzerhand umgedreht hat. Keynes argumentiert in der im Text zitierten Schrift aber weder so [4] noch steht sein Prinzip der wirksamen Nachfrage ‚einfach‘ für die Umkehrung des alten Dogmas. (Und wenn es so wäre: Was wäre daran kritikabel?) Aus dem Text geht noch nicht einmal hervor, was genau man sich unter der ‚wirksamen Nachfrage‘ zu denken hat; nämlich die gesellschaftliche Gesamtnachfrage, die sich dem Ökonomen zufolge zusammensetzt aus „dem Betrag, den das Gemeinwesen voraussichtlich verbrauchen wird und ... dem Betrag, den es voraussichtlich für Neuinvestitionen verwenden wird“. [5] Man erfährt auch nicht, was an der Behauptung, dass die Nachfrage den „Umfang der Beschäftigung“ bestimmt, eigentlich verkehrt sein soll. So wie der Text diesen Zusammenhang zitiert, wird die Korrektur überhaupt nicht deutlich, die Keynes mit seiner Lehre von der effektiven Nachfrage am bisherigen Denken der VWL anbringen will. Die liegt nämlich in der Behauptung, dass die beiden Bestandteile der den Umfang der Beschäftigung bestimmenden Nachfrage unabhängig voneinander durch „Determinanten“ bestimmt sind, die jeweils ihren eigenen Gesetzmäßigkeiten folgen – und nicht der mit dem Konstruktionsprinzip des Modells vorgegebenen Regel, dass die Einkommen für den Konsum verausgabt werden müssen (C = Y) und dass der nicht für den Konsum verausgabte Teil der Einkommen investiert werden muss (I = S), weil sonst der Wirtschaftskreislauf nicht kreisläuft; und diese Determinanten werden dafür verantwortlich gemacht, dass die für den Umfang der Beschäftigung ausschlaggebende wirksame Nachfrage insgesamt immer wieder auch mal so ausfällt, dass die Beschäftigung und mit ihr die Einkommen in der Gesellschaft zurückgehen und darüber die gesamte Reproduktion der Gesellschaft in katastrophaler Weise zusammenbricht.
In dieser Abweichung der Wirklichkeit von den im Modell gemachten Voraussetzungen liegt Keynes’ Theorie zufolge überhaupt der Grund für die Krise – die ist für ihn – und für die VWL überhaupt – gar nichts anderes als eine solche Abweichung vom theoretischen Konstrukt, an dessen Entwicklung und Fortentwicklung er und seine Kollegen arbeiten; ein Fall von Nichtfunktionieren der von seiner Wissenschaft konstruierten Kreislaufwirtschaft.
Die entsprechende Argumentation von Keynes, der dieses elementare Fehlurteil seiner ganzen Krisentheorie zu entnehmen gewesen wäre, gibt der Text sogar wieder (in dem längeren Zitat in Fußnote 9, in dem Keynes seine Theorie umreißt), aber ohne jeden Kommentar, sodass auch dieses Fehlurteil mit keinem Wort gewürdigt wird! [6] Statt sich die Mühe zu geben, das Zitierte auseinanderzunehmen, unterschiebt der Text Keynes im Folgenden (in II b) geradezu gewaltsam, dass der mit seinen Überlegungen die „letztlich maßgebliche Stellschraube“ für die Regulierung der Beschäftigung in den Blick rücken wollte. Zum Beleg wird aus einer anderen Schrift zitiert, in der Keynes „als offensichtlicher Freund des freien Unternehmertums“ tatsächlich „Proposals“ für die Einleitung eines Wiederaufschwungs der Wirtschaft macht („wollen wir nicht zum Kommunismus übergehen, so gibt es kein anwendbares Mittel, um der Unterbeschäftigung Herr zu werden, als den Unternehmern wieder eine angemessene Profitspanne zu verschaffen“. [7]) {cstyle:}) Und von da aus wird die „Deutung der kapitalistischen Krise“, die Keynes als Wirtschaftswissenschaftler vertritt, gemäß den Vorgaben, auf die die Besprechung der Keynes’schen Krisentheorie von Anfang an hinauswill, eingeordnet: als eine Deutung, die der Krise „bescheinigt, reparier-, kompensier-, und im Idealfall womöglich ganz vermeidbar zu sein“.
Auf den Inhalt des in Fußnote 9 zitierten ‚Umrisses‘ seiner Theorie, der erst einmal gar keine Anhaltspunkte für die im Text vollzogene Einordnung bietet, bezieht sich der Text überhaupt nur ganz äußerlich und selektiv. Er entnimmt dem Zitat, dass Keynes „nicht (nur) die ökonomische Realität mit ihren diversen Objekten [erforscht] ... sondern insbesondere das weite Feld der menschlichen Psyche“ und „die Modell-Welt der VWL und diese bevölkernde ‚Variablen‘ und ‚Faktoren‘ um ‚Neigungen‘ [bereichert], die den wahren und letzten Grund dessen hergeben, was dann als ökonomische Realität sichtbar ist“. Und auch das ist nicht gut. Dem theoretischen Fehler, den Keynes begeht, wenn er die ökonomische Tatsache, dass die Leute Geld für den Konsum verausgaben, auf einen „Hang zum Verbrauch“ zurückführt, das Sparen auf eine „Liquiditätsvorliebe“ des Menschen und das Investieren auf eine „Veranlassung zur Investition“, wird der Text mit dieser Kommentierung jedenfalls nicht gerecht. Keynes erforscht nicht neben der „ökonomischen Realität mit ihren Objekten“ auch noch „das weite Feld der menschlichen Psyche“. Er verschiebt in einer für seine Disziplin vorwärtsweisenden Weise den Gegenstand seiner Wissenschaft; nämlich weg von der ökonomischen Realität – aber auf ein Feld, das keinesfalls wirklich als das der menschlichen Psyche als solche aufgefasst werden darf. Die Verschiebung bringt er zustande auf dem Wege einer schlichten Verdopplung der ökonomischen Tätigkeiten, die die Menschen im Kapitalismus verrichten und die für sich durchaus erklärenswert wären, in sie selbst und ihnen jeweils zugrundeliegende, sie erklärende Neigungen und Motive, die ihrerseits nicht anders bestimmt sind als die ökonomischen Tätigkeiten, die als deren Äußerungen begriffen werden sollen. Ihrer Logik nach handelt es sich bei den Erklärungen, die er so auf den Weg bringt, um Tautologien: Ein Hang zum Geldausgeben setzt eine Welt voraus, in der Lebensmittel und andere Konsumgüter Geld kosten, eine Veranlassung zur Investition eine Welt, die so eingerichtet ist, dass das Investieren von Geld eine Quelle der privaten Bereicherung ist usf.; kurz: das, was es an den ökonomischen Verkehrsformen, die der Wirtschaftstheoretiker vor sich hat, an „ökonomischer Realität mit ihren Objekten“ zu erklären gäbe, wird von ihm unterstellt und der praktische Umgang mit dieser Realität aus psychologischen Präferenzen, Erwartungen, Motiven etc. erklärt, die ihrerseits gar keinen anderen Inhalt haben als der Umgang, den die Menschen mit Geld, Preisen und Zinsen pflegen.
Der ideologische Fortschritt, der mit diesem Fehler Einzug hält in die Wissenschaft, liegt darin, dass die Menschen in ihren verschiedenen Funktionen nun nicht mehr nur als die Nutznießer einer insgesamt dem Wohlstand der Gesellschaft gewidmeten Kreislaufwirtschaft erscheinen, sondern überhaupt der Mensch mit seinen ihm (über besagte Verdopplungen) zugeschusterten menschennatürlichen Neigungen und Motiven als das bestimmende Subjekt der ganzen Veranstaltung in Erscheinung tritt und der Kapitalismus als Ausgeburt von Neigungen und Motiven, die dem homo oeconomicus eignen, begriffen werden darf. Ansonsten bleibt die weiterhin ausschließlich am Funktionieren ihres Gegenstandes interessierte Wissenschaft ihrem Vorhaben treu, die Gesetze ihres Gegenstandes zu ermitteln – die sie nun auf dem Feld einer ‚menschlichen Psychologie‘ (in drei Anführungszeichen!) sucht, in die sie die Verkehrsformen einer kapitalistischen Konkurrenzgesellschaft versenkt hat und die deswegen weder die menschliche Psychologie als solche noch eine spezielle Psychologie des Spekulanten oder sonst eines kapitalistischen Konkurrenzsubjekts ist, sondern eine ‚Psychologie‘, die sie selbst konstruiert hat.
Zu den das Konsumieren, Sparen und Investieren und darüber die effektive Nachfrage insgesamt bestimmenden Gesetzmäßigkeiten, die der Ökonom auf dem Feld dieser ‚Psychologie‘ ermittelt haben will, fällt dem Text einerseits nicht viel mehr ein als das Eigentum, die Klassengesellschaft und der Profit, die darin in verfremdeter Form wiederzuerkennen sind. [8] Was hier gänzlich fehlt, ist eine Charakterisierung dieser Gesetzmäßigkeiten, mit denen die Wissenschaft die Qualität der ökonomischen Tätigkeiten, über die sie redet, in quantitative Beziehungen auflöst und denen leicht zu entnehmen gewesen wäre, dass hier eine Wissenschaft am Werk ist, die sich fürs Konsumieren, Sparen und Investieren ausschließlich unter dem Gesichtspunkt interessiert, dass es in ausreichendem Maße stattfindet; wobei sich das ‚ausreichend‘ an den „Bedürfnissen des Modells“ [9] bemisst, in dem sie das Funktionieren der Wirtschaft abgebildet hat.
Andererseits werden die Bemühungen der Wissenschaft, solche Gesetzmäßigkeiten zu ermitteln, konsequent und nach hinten zu immer brutaler gegen den Strich interpretiert, nämlich als ein Bemühen der Wissenschaft, die Nichtnotwendigkeit der Krise zu demonstrieren. Das geht damit los, dass man schon in die Besprechung der Gesetzmäßigkeiten, die der Ökonom fürs Konsumieren, Sparen und Investieren herausgefunden haben will, einfließen lässt, dass in ihnen nicht nur der Grund für die kleineren oder auch ganz großen Störungen im Getriebe der Marktwirtschaft zu suchen ist, sondern dass sich mit ihnen „wie man bald sehen wird, schon auch trickreich umgehen lässt“ – im Sinne einer möglichen Behebung der Störungen nämlich. Wo der Ökonom über die „Veranlassung zur Investition“ das Gesetz aufstellt, dass sie von der „Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals“ abhängt, welche sich mit jeder „Zunahme der Investition“ verringert, und damit eine in der ökonomischen Sache liegende Notwendigkeit behauptet haben will dafür, dass die Investitionsneigung der Investoren mit fortschreitendem Kapitaleinsatz zurückgeht –
„Wenn die Investition in irgendeiner gegebenen Art von Kapital während irgendeines Zeitabschnittes erhöht wird, wird sich die Grenzleistungsfähigkeit jener Art Kapital mit der Zunahme der Investition verringern.“ [10] –,
dreht sich der Kommentar dieses Zitat so hin, als würde Keynes in ihm vom „spekulativen Moment, das der kapitalistischen Profitrechnung innewohnt“ reden und darin „die Möglichkeit [entdecken], dass der Investor sich beim Spekulieren auf seinen Profit vertut“. Davon handelt das Zitat aber gar nicht, und wovon es handelt, ist so ziemlich das Gegenteil von dem, was in es hineingelesen wird: Keynes formuliert eine Konsequenz, die herauskommt, wenn die Investoren in ihren Profitrechnungen den Gesetzmäßigkeiten des Investierens folgen, also die Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals zum maßgebenden Kriterium ihrer Investitionsentscheidung machen – und nicht, wenn sie sich dabei „vertun“!
Dass es dieses „spekulative Moment“ auch bei Keynes gibt und er ihm eine wichtige Rolle in der Erklärung der Schwankungen (!) attestiert, denen die Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals unterworfen ist –
„Es ist wichtig, die Abhängigkeit der Grenzleistungsfähigkeit eines gegebenen Kapitalbestandes von Änderungen in der Erwartung zu erfassen, weil es hauptsächlich diese Erwartung ist, welche die Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals den einigermaßen heftigen Schwankungen unterwirft, welche die Erklärung für den Konjunkturzyklus sind.“ [11] –,
nimmt der Text zum Anlass, den behaupteten gesetzmäßigen Zusammenhang zwischen dem Investieren und der Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals überhaupt aufzulösen in die Behauptung, dass Keynes sowieso nichts anderes kennt als ins Belieben des Spekulantentums fallende spekulative Erwartungen, mit denen sich die Investoren aus reiner Profitgier über die Gesetzmäßigkeiten hinwegsetzen, die es dabei zu beachten gilt. Seine Erkenntnisse über die Gesetzmäßigkeiten werden vollends gegen deren Inhalt und Sinn ausgelegt als solche, die den „Grund der Krise“ in das „Fehlverhalten“ und die subjektive Willkür der Wirtschaftssubjekte legen; und es wird freihändig ein entsprechendes Gemälde von seiner Theorie gemalt:
„Ihre hoffnungsfroh-interessierten Erwartungen in Bezug auf einen weiteren guten Geschäftsgang verleiten die Kapitalisten durch die Bank dazu, es mit der Sorgfalt beim Kalkulieren der Rendite und Spekulieren auf maximalen Profit nicht so genau zu nehmen – für Keynes’ Geschmack jedenfalls, und diese Erwartungen sind es, die bei ihm zum maßgeblichen Grund der Krise avancieren.“
So denkt der Ökonom aber nicht. Die ganze Vorstellung ist verkehrt, Keynes würde ein „Fehlverhalten“ der Investoren diagnostizieren, ihnen vorwerfen, sie würden es an „Sorgfalt beim Kalkulieren der Rendite ...“ fehlen lassen, und für die „bedauerlichen Einbrüche beim Wachstum“ den Umstand verantwortlich machen, „dass die Menschheit beim Tun des an sich volkswirtschaftswissenschaftlich Gebotenen periodisch auf menschlich-allzu-menschliche Abwege gerät.“ [12] Der Text macht sich einfach nicht klar – oder setzt sich interessierterweise darüber hinweg –, wie sich in der „Modell-Welt“, in der sich Keynes mit seinen Überlegungen zur Krise bewegt, die Gesetzmäßigkeiten, in denen die VWL Funktionsbedingungen der Kreislaufwirtschaft formuliert (z.B. die Gleichung I = S), zu jenen verhalten, in denen sie die Bestimmungsgründe aufgeführt haben will, die die Wirtschaftssubjekte in ihrer Eigenschaft als Verbraucher, Sparer oder Investor determinieren und die letztlich für das verantwortlich sind, was diese Wirtschaftssubjekte insgesamt, gesamtgesellschaftlich an effektiver Nachfrage zustande bringen. Der Gedanke, die Wirtschaftssubjekte hätten mit ihrem ökonomischen Verhalten den Funktionsbedingungen der Kreislaufwirtschaft zu entsprechen, sie hätten das volkswirtschaftlich „Gebotene“ zu tun, würden „versagen“, etwas „verkehrt machen“ oder gar gegen die Gesetzmäßigkeiten verstoßen, die das Konsumieren und Investieren bestimmen, wenn sie gemeinschaftlich nicht das an effektiver Nachfrage zustande bringen, was es an Nachfrage fürs Funktionieren der Wirtschaft (für die Auslastung des Kapitals, die Aufrechterhaltung eines bestimmten Niveaus der Beschäftigung usf.) bräuchte, ist dieser Wissenschaft gänzlich fremd.
Überhaupt wird der (oben erläuterte) Fehler dieses Ökonomen, die fürs Konsumieren, Sparen und Investieren maßgeblichen Gesetzmäßigkeiten „auf dem Feld der Psychologie“ zu suchen – der Fehler, in dem der Text fündig geworden zu sein meint für das, worauf er die Kritik an der Keynes’schen Krisentheorie unbedingt zuspitzen will, und den er deswegen auch gezielt herausgreift aus einer Argumentation, die in diesem Fehler überhaupt nicht aufgeht –, nach hinten hin zunehmend mit seiner angeblichen Leistung und am Ende mit dem Interesse identifiziert, die Notwendigkeit der Krise zu negieren, um so der Möglichkeit ihrer Bewältigung Raum zu verschaffen:
„Krise ist, wenn Kapitalisten dank einer ‚irregeführten Erwartung‘ ‚überoptimistisch‘ sind, die Grenzleistungsfähigkeit ihres Kapitals [!] hoffnungsfroh ignorieren [!], daher zu lange und zu viel investieren und dies auch noch zu teuer und das erst bemerken, wenn es zu spät ist – dann werden sie schlagartig realistisch, reagieren mit ‚Bestürzung und Ungewissheit über die Zukunft‘ und verfügen den Abbruch ihrer Geschäfte. Auf drei ‚fundamentale‘ Faktoren führt Keynes so die Krise des Kapitals zurück, und alle laufen darauf hinaus, deren systembedingte Notwendigkeit zu negieren. Sie wird zum Derivat von ‚Einflussgrößen‘ erklärt, die ... auf die Beliebigkeit der subjektiven Launen und Gestimmtheiten beim Umgang mit Lohn, Preis und Profit zurückgehen, auf ‚überpessimistische Befürchtungen‘, ‚optimistische‘ oder auch ‚überoptimistische Bewertungen‘, ‚Hoffnungen‘, ‚Illusionen‘ und dergleichen intellektuelle (Fehl-)Leistungen mehr.“
Sie „laufen“ aber nur „darauf hinaus“, wenn man in diesen drei Faktoren, bei denen der Ökonom von den „Determinanten [!] des Systems, nämlich des Hanges zum Verbrauch, der Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals und des Zinsfußes“ [13] spricht, nichts anderes erkennen will als das Bemühen, „die systembedingte Notwendigkeit“ der Krise „zu negieren“, und sich ihren Inhalt richtiggehend gegen das, was mit ihnen gesagt ist und gesagt sein soll, zurechtbiegt (siehe die Ausrufungszeichen im Zitat). Dann erscheint es so, als hätte man in der eingangs zitierten Lobhudelei der Kollegen, Keynes habe „allein die Möglichkeit von Krisen, nicht aber deren Notwendigkeit aufgezeigt“, tatsächlich den Schlüssel zum Verständnis seiner Gedanken präsentiert bekommen:
„So, wie der Ökonom herausgefunden haben will, dass der Weg in die Krise hinein über ein willkürlich-unwillkürliches Fehl-Verhalten der Menschen führt, das genauso gut auch hätte anders ausfallen können, steht für ihn auch fest, welcher Weg aus ihr wieder heraus führt. Wenn die auserkorenen Funktionäre des Wachstums die Dienste nicht verrichten, für die sie da sind, dann muss man eben dafür sorgen, dass sie auch tun, was sie sollen. Und das geht, weil sie nämlich bei allem, was sie irgendwie verkehrt machen müssen [aufgrund von Gesetzmäßigkeiten, über die man erfahren hat, dass sie sich nach Belieben über sie hinwegsetzen ...], schon auch über die Potenz verfügen, zur rechten Zeit auch alles richtig machen zu können.“
Wenn man sie nur richtig liest, dann drehen sich die Bemühungen des Ökonomen um die Erkenntnis der Gesetze, denen das Verhalten der Wirtschaftssubjekte folgt, letztlich um nichts anderes als um den Beweis, dass dieses Verhalten „genauso gut auch hätte anders ausfallen können“. Es ist eine Karikatur vom wirklichen Verhältnis von Erkenntnis und praktischem Interesse in dieser Wissenschaft, die sich der Text gemäß einer von Anfang an feststehenden fixen Idee am Ende zusammenreimt. Ihr zufolge lässt sich der Ökonom in seiner Wissenschaft nicht von der Vorstellung leiten, dass der Staat in Kenntnis und auf der Grundlage der von der Wissenschaft ermittelten Gesetze, welche das Handeln der Wirtschaftssubjekte determinieren, durch geeignete Anreize die Wirtschaftssubjekte so beeinflussen kann, dass sie – in ihrer Eigenschaft als Konsumenten, Sparer und Investoren – ihren Dienst als Funktionäre des Wachstums tun. [14] Den Dienst der Wissenschaft an diesem ‚praktischen‘ Interesse stellt man sich vielmehr so vor, dass sie dem Staat den Beweis der Nichtnotwendigkeit der Krise liefert und ihm in der in der Beliebigkeit der wirtschaftenden Menschen liegenden „Potenz, ... zur rechten Zeit auch alles richtig machen zu können“, die Möglichkeit aufzeigt, dass es auch anders geht:
„Mit dieser Erklärung der Krise als heilbaren Störfall – dies das Interesse, das die Denkfehler generiert – im Betrieb eines im übrigen hochgradig vernünftig, weil allein nach den Maximen der Freiheit privater Eigentümer und ihrer Initiativen zur Mehrung ihres Vermögens eingerichteten Wirtschaftslebens hat Keynes sich die Aufnahme in den Olymp der volkswirtschaftlichen Denker verdient.“
[1] GegenStandpunkt 4-22, S. 104-115. Die Redaktion macht sich an eine Neufassung dieses VWL-Kapitels.
[2] Das ‚Einbauen‘ der Krise in das Modell findet auf gar keinen Fall in der Weise statt, dass „der manifeste Rückgang des Geschäftslebens in die ‚Kreislauf-‘ und ‚Gleichgewichtsaxiome‘ der VWL einsortiert wird“. Erstens gibt es in der VWL keine Mehrzahl von Kreislauf- und Gleichgewichtsaxiomen, sondern ein Kreislaufaxiom, und zweitens wird in dieses Axiom gar nichts einsortiert.
[3] In Worten: Damit das Geld, das die Unternehmen für Einkommen verausgaben, – wie es das Konstruktionsprinzip des Modells verlangt – vollständig an sie zurückfließt, muss ihnen der Teil der Einkommen, den die Haushalte nicht für ihren Konsum verausgaben, sondern sparen (S), in Form von Investitionen (I) zufließen.
[4] Wer das überprüfen will, möge auf S. 22 f. seiner Schrift nachlesen, wie er tatsächlich argumentiert. Vgl. J. M. Keynes: Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes. Berlin 2002, 1. Auflage 1936
[5] A.a.O., S. 25
[6] Zum besseren Nachvollzug hier noch einmal der ‚Umriß‘, den Keynes von seiner Theorie gibt, mit in eckiger Klammer eingefügten Erläuterungen, worauf das Augenmerk gelenkt werden soll:
„Wenn die Beschäftigung zunimmt, so wächst das gesamte Realeinkommen... [Keynes geht in seiner Überlegung von einer Wirtschaft aus, in der die Beschäftigung = die Produktion wächst und mit ihnen auch die Einkommen in der Gesellschaft, um die Problemlage zu erläutern, die mit dieser Annahme verbunden ist.] Die Psyche der Bevölkerung ist nun derart, daß bei einer Zunahme des gesamten Realeinkommens auch der gesamte Verbrauch zunimmt, obschon nicht in gleichem Maße wie das Einkommen. [Das ist das Gesetz, das seiner Theorie zufolge den „Hang zum Verbrauch“ bestimmt. Unter der gemachten Voraussetzung würden die Einkommen zunehmen, nicht aber im selben Maß die Ausgaben für den Konsum.] Die Unternehmer würden daher einen Verlust erleiden, wenn die gesamte Zunahme der Beschäftigung [= der Umfang der Produktion] der Befriedigung der vermehrten Nachfrage für den sofortigen Verbrauch gewidmet würde. [Den Verlust würden sie erleiden, weil das Geld, das sie für die vermehrte ‚Beschäftigung‘ in Gestalt von Einkommen an die Haushalte wegzahlen, an sie nur in dem Maße zurückfließen würde, in dem es für den sofortigen Verbrauch verausgabt wird.] Um eine gegebene Beschäftigungsmenge zu rechtfertigen [sie wird gerechtfertigt durch das Geld, das die Unternehmen als Erlös für ihre ‚Produktion‘ erhalten], ist somit ein Betrag laufender Investition erforderlich, der ausreicht, um den Überschuß der gesamten Produktion über die Menge aufzunehmen, welche die Bevölkerung gerade verbraucht, wenn die Beschäftigung auf der gegebenen Höhe ist. [Die (zahlungsfähige) Nachfrage der Gesellschaft insgesamt muss ausreichen, um die gesamte Menge der Produktion ‚aufzunehmen‘ = sie zu versilbern. Da die Nachfrage nach Konsumgütern nur einen Teil der Produktion aufnimmt, muss der Rest der Produktion durch eine entsprechende Nachfrage nach Investitionsgütern versilbert werden. In der Terminologie der Kreislauftheorie heißt das I = S: Der nicht für den Konsum verausgabte, sondern gesparte Teil der Einkommen muss investiert werden, damit das von den Unternehmen für die Einkommen verausgabte Geld vollständig an sie zurückfließt.] Denn wenn dieser Investitionsbetrag nicht vorhanden ist, werden die Erlöse der Unternehmer kleiner sein, als notwendig ist, um sie zu veranlassen, die gegebene Menge Beschäftigung anzubieten. [Sie werden die Produktion = Beschäftigung = die Einkommen der Gesellschaft zurückfahren.] Daraus folgt: Wenn das, was wir den Hang der Bevölkerung zum Verbrauch nennen werden, gegeben ist, hängt das Gleichgewichtsniveau der Beschäftigung ... vom Umfang der laufenden Investition ab: Der Umfang der laufenden Investition wird wiederum [wie Keynes im Folgenden ausführt] von dem abhängen, was wir die Veranlassung zur Investition nennen werden. Und wir werden finden, daß die Veranlassung zur Investition abhängig ist vom Verhältnis zwischen der Tabelle der Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals und dem Komplex der Zinssätze für Anleihen ...“ [und zwar von einer mit steigendem Kapitaleinsatz abnehmenden Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals. Daraus ergibt sich das Problem, welches die „Unzulänglichkeit der effektiven Nachfrage“ für den Gang der Wirtschaft darstellt.] (Ders.: Allgemeine Theorie ..., S. 23)
[7] Keynes, J. M.: Proposals for an Revenue Tarrif, 1931, S. 53; zitiert nach Werner Hofmann: Theorie der Wirtschaftsentwicklung, Berlin 1966, S. 210
[8] Eine erfreuliche Ausnahme – die Besprechung dessen, was der Ökonom zu Zins zu sagen hat: „Der Ökonom, der angetreten ist, als Weisheit seines Fachs nur noch zu verkünden, was den Vergleich mit ‚Erfahrungstatsachen‘ standhält, versteigt sich zu Auskünften über den Zins – der immerhin eine ökonomische ‚Erfahrungstatsache‘ ist –, die ihn mit der Höhe identifizieren, auf die Spekulanten spekulieren.“
[9] Werner Hofmann: Theorie der Wirtschaftsentwicklung, Berlin 1966, S. 184
[10] Keynes: Allg. Theorie ..., S. 115
[11] A.a.O., S. 121
[12] Sie passt auch gar nicht zu den praktischen Konsequenzen, die Keynes mit seiner Theorie begründet haben will. Die laufen ja nicht darauf hinaus, dass der Staat (oder sonst wer) die Investoren zu mehr „Sorgfalt beim Kalkulieren der Rendite“ anhalten soll.
[13] A.a.O., S. 154
[14] Neben dem bleibenden Interesse an einer insgesamt affirmativen Sicht auf den Gegenstand ist dies das „Interesse, das die Denkfehler [dieser Wissenschaft] generiert“. In früheren Überlegungen zur Kritik der bürgerlichen Wissenschaft haben wir dieses Interesse einmal gefasst als das Interesse an „Affirmation, die sich mit dem Schein praktischer Nützlichkeit umgibt“.