Apropos „Drecksarbeit“
Berliner Kriegshetze
Es hat etwas Lächerliches an sich, wenn der Kanzler eines Staates, dem der Chef der einen großen Weltmacht wiederholt seine Irrelevanz in Kriegsfragen bescheinigt, auf Nachfrage so antwortet, als wäre Israels Überfall auf den Iran so etwas wie eine tapfere Dienstleistung an einem überragenden strategischen Interesse der deutschen Nation. Aber wenn es nur das wäre.
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Apropos „Drecksarbeit“
Berliner Kriegshetze
Es hat etwas Lächerliches an sich, wenn der Kanzler eines Staates, dem – Staat wie Kanzler – der Chef der einen großen Weltmacht wiederholt seine Irrelevanz in ernsten weltpolitischen, also Kriegsfragen bescheinigt, auf Nachfrage so antwortet, als wäre Israels Überfall auf den Iran so etwas wie eine tapfere Dienstleistung an einem überragenden strategischen Interesse der deutschen Nation. So als hätte ihm noch niemand erklärt, was der israelische Kollege tagtäglich erklärt: dass Israel allein aus seinem eigenen Sicherheitsinteresse heraus, das unterhalb einer kriegerisch abschreckenden Unterwerfung der ganzen Region nicht saturiert ist, seine Feinde definiert und allein sich selbst deren Vernichtung um jeden Preis schuldig ist; und dass es Respekt allein vor dem doch noch viel größeren Partner Amerika hat.
Aber wenn es nur das wäre.
Mit größter Selbstverständlichkeit, so als wäre gar nichts weiter dabei, definiert der Kanzler der – das kann gar nicht oft genug in Erinnerung gebracht werden – drittgrößten Volkswirtschaft der Welt Deutschlands Verhältnis zum Krieg, im Allgemeinen und im Besonderen; nicht neu, aber zeitenwendegemäß vorwärtsweisend.
Im Allgemeinen stellt er klar, dass für seinen Staat militärische Verwüstungsaktionen unter die Kategorie Lösung fallen; vorausgesetzt nur, sein Staat sieht in der Existenz und dem Machtstreben einer anderen Herrschaft ein Problem, dem mit anderen Methoden erpresserischer Schädigung – dem Stoff der Diplomatie – nicht zur eigenen Zufriedenheit beizukommen ist. Dass Merz Deutschlands Problem mit der iranischen Staatsgewalt mit den Stereotypen des moralischen Feindbilds erläutert – „Mord und Totschlag über die Welt gebracht“ usw. –, ist als Eingrenzung des deutschen Kriegsinteresses auf den nahöstlichen Sonderfall gemeint, drückt in seiner moralischen Beliebigkeit aber das Gegenteil aus: Grund für Krieg als Problemlösung gibt es vom deutschen Standpunkt aus im Prinzip überall, wo eine Obrigkeit ihre Macht gegen von ihr definierte Todfeinde durchsetzt – und wo wäre das nicht der Fall! Tatsächlich findet Deutschland Krieg also überall da angebracht, wo es, wie auch immer, sich betroffen sieht: Da wird, so Merz, für uns alle mutig zugeschlagen.
Im besonderen Fall des israelischen Iran-Kriegs bekennt sich die deutsche Staatsführung – einmal mehr – zu ihrem Zynismus in Sachen Krieg. Gemeint ist nicht der Ausdruck „Drecksarbeit“, um den sofort eine politische Anstandsdebatte losgegangen ist: eine Debatte, die im Endeffekt doch nicht das Wunschziel erreicht hat, dass sich irgendwer, Merz selbst womöglich, dafür schämt, die Herstellung „unschuldiger Opfer“ so sauerländisch bezeichnet zu haben; die eher den Konsens bekräftigt, auf den die Moral der „Zeitenwende“ ohnehin zuläuft: dass man sich nicht so zartbesaitet geben soll und im Übrigen auch nicht dauernd das Völkerrecht als Imperativ der Politik beschworen werden sollte, wenn es um die Gewaltseite der nationalen Interessen geht. In einem harten objektiven Sinn zynisch ist der staatseigene deutsche Standpunkt, den eigenen Kriegswillen, zu dem die Führung sich bedingungslos bekennt, von anderen, deswegen befreundeten Mächten und auf deren Kosten exekutieren zu lassen – so wie seit über drei Jahren in der Ukraine. Im besonderen Fall Israel darf man sich in Deutschland sicher sein, dass die womöglich ganz große „Drecksarbeit“ beim ach so skrupellosen US-Präsidenten in den allerbesten Händen ist; und dass mit einer israelischen Aufforderung, dann doch bitte die Bundeswehr in den Kampf für „unsere gemeinsame Sache“ zu schicken, definitiv nicht gerechnet werden muss. Dass Deutschland eine blutige „Drecksarbeit“ für andere erledigt – so wie aus Berliner Sicht Israel, das dafür Lob und Dank verdient –, damit ist weder dort noch überhaupt zu rechnen. Dafür, dass es das wirklich Nötige in eigener Regie erledigen kann, verschafft es sich bis zum Ende des Jahrzehnts die stärkste konventionelle Armee Europas. Wenn es die hat, steht es mit seinem Anspruch auf fremde „Drecksarbeit“ ganz anders da.