Aus der Reihe „Chronik - kein Kommentar!“
Streit über die Arbeitssprache der EU:
Man spricht Deutsch!
Am 1.Juli beginnt die EU-Ratspräsidentschaft Finnlands, und zwar gleich mit einem Eklat. Deutschland boykottiert das informelle Treffen der EU-Industrieminister im finnischen Oulu, nachdem sich die finnische Präsidentschaft trotz vorhergegangener deutscher Forderung geweigert hatte, Deutsch dort als Arbeitssprache zu verwenden.
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Streit über die Arbeitssprache der EU:
Man spricht Deutsch!
Am 1. Juli beginnt die EU-Ratspräsidentschaft Finnlands, und zwar gleich mit einem Eklat. Deutschland boykottiert das informelle Treffen der EU-Industrieminister im finnischen Oulu, nachdem sich die finnische Präsidentschaft trotz vorhergegangener deutscher Forderung geweigert hatte, Deutsch dort als Arbeitssprache zu verwenden. Die finnische Regierung beharrt auf der offiziellen Regelung, neben Englisch und Französisch nur die Sprache der jeweiligen Ratspräsidentschaft – aktuell also der finnischen – in beiden Richtungen zu übersetzen. Während nämlich bei offiziellen Ministertagungen alle elf EU-Amtssprachen gesprochen und übersetzt werden, besteht bei weniger wichtigen Treffen, auf denen es keine Beschlüsse zu fassen gilt, aus Kostengründen nur ein begrenztes Sprachangebot. Deutschland und seine österreichischen Trittbrettfahrer, die sich in diesem Falle einmal mit den „Piefkes“ solidarisch erklären, beharren ebenso nachdrücklich auf ihrem gemeinsam erworbenen Erbhof: Spätestens nachdem nun schon die letzten 12 Monate die Sprache der Präsidentschaft Deutsch war, darf selbige aus der Übersetzungswelt der EU nicht mehr weggedacht werden, muß also auch offiziell mindestens gleichberechtigt neben dem Englischen und eher vor als nach dem Französischen ins Ohr eines jeden europäischen Delegierten dringen. Finnland „bleibt hart“, allein schon um Spaniern oder Italienern keinen „Präzedenzfall“ zu bieten, weshalb auch weitere inoffizielle Treffen ohne Vertreter aus den deutschsprachigen Ländern stattzufinden drohen. Ein „EU-Sprachenstreit“ ist entbrannt.
Wo liegt das Problem? Daß sie einander nicht verstehen würden oder daß es der bundesdeutsche Staatssäckel nicht vermöchte, einem des Englischen nicht mächtigen Abgesandten im Bedarfsfall einen Dolmetscher zur Seite zu stellen, steht nicht zu befürchten. Bei dem von deutscher Seite so freihändig angezettelten Aufruhr geht es sichtlich um Höheres, wenn nicht um das Höchste überhaupt. Die Doppeldeutigkeit des nationalen Eigenschaftsworts „deutsch“ nutzend, erhält das vor- oder nachrangige Auftauchen gleichnamiger Sprache in den Kabinen von Simultanübersetzern Symbolwert für die Bedeutung, die der gleichnamigen Nation in dem um sie herum vereinigten Europa zukommt. Der Hinweis, daß es sich bei der deutschen Mundart um die „meist gesprochene Sprache Europas“ handelt, steht für den ersten Rang, den Deutschland in der Politik des zusammenwachsenden Kontinents für sich beansprucht. Wer Deutschlands heimisches Idiom zur „linguistischen Zweitrangigkeit“ verdammen will, vergreift sich damit auch gleich am Recht auf Anerkennung als europäische Führungsmacht.
Nun ist es zweifellos so, daß diese Erstrangigkeit, wenn sie denn schon so über jeden Zweifel erhaben ist, von einer Handvoll Dolmetschern gewiß nicht abhängt. Um so bemerkenswerter, daß die politischen Herren des europäischen Primus mit seinen meisten Einwohnern, seiner überlegenen Wirtschaftskraft und seinem strategischen Gewicht in der Sprachenfrage so gar keine Großzügigkeit walten lassen. Die neuen rot-grünen Meisterdiplomaten, die soeben Bundesdeutschlands ersten Krieg gewonnen haben, führen sich vielmehr auf wie die borniertesten Provinzidioten, die in Europas hinterletzten Käffern um die Ehre eines zweisprachigen Ortsschildes oder überhaupt bloß um einen schon im nächsten Gebirgstal unverständlichen Ortsnamen kämpfen. Ihnen kommt es offenbar darauf an, bei dieser guten Gelegenheit und an einer Stelle, wo außer ihnen niemand an eine Ehrenfrage gedacht hat, demonstrativ beleidigt zu sein. Das Schröder-Fischer-Kabinett – gerade hat man noch den finnischen Ministerpräsidenten als erfolgreichen Balkanvermittler herzinniglich umhalst – konstruiert einen Fall verletzter deutscher Nationalwürde, läßt sich durch seine paar intellektuellen Untertanen, die deutsche Sturheit an dieser Stelle lächerlich und geradezu blamabel finden, auch nicht im geringsten irritieren, besteht vielmehr darauf, hier definitiv keinen Spaß zu verstehen – schon gar nicht den der Finnen, Verlautbarungen zur Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft von den Deutschen in Latein abzufassen. Dann ist die Sache auch kein Spaß.
Aber was ist sie dann?
Sie ist – um es noch zurückhaltend zu kennzeichnen – ein Dokument des neuen Stils, den der neue Bundeskanzler in Deutschlands Außenpolitik einzuführen versprochen hat: Keine „Leisetreterei“ mehr, keine heuchlerische Verleugnung nationaler Interessen – ob das nun gerade die Wahrheit über das deutsche Auftreten unter Kohl war, spielt da gar keine Rolle. Über die bisher geläufigen Arten und Formen deutschen Auftrumpfens in Europa fällt die rot-grüne Diplomatie das Urteil, man hätte sich viel zu sehr geziert, auf deutschen Nationalinteressen gegen die anderen und auch gegen die Mehrheit der Partner zu bestehen, Sonderanliegen und Vorrechte durchzuboxen und auswärtige Anträge niederzubügeln. Damit soll jetzt Schluß sein. Und damit ist auch schon klar, daß es beim „Stil“ in den Angelegenheiten des höflichen Umgangs mit den übrigen Europäern natürlich gar nicht um bloße Formfragen geht. Gekündigt wird, was man in Berlin heute für falsche Bescheidenheit hält; angesagt wird dem Rest der Euro-Welt, daß die Deutschen bei der Vertretung und Durchsetzung ihrer Interessen in Zukunft sehr schnell mit Ehrenfragen aufwarten werden. Und das ist – in der Welt der Diplomatie noch mehr als in den Sphären der privaten Höflichkeit – die härteste Form, auf Respekt vor dem Recht zu bestehen, das man dem eigenen Interesse beimißt: Sich beleidigt zu erklären und zu geben kommt unter Politikern der härtesten Abmahnung, fast schon einer Drohung gleich.
Im Falle des deutsch-finnischen Sprachenstreits hat diese erste Warnung, den Respekt vor Deutschland nicht zu vergessen, keinen der ansonsten bekannten und ernsthaften Inhalte europäischer Konkurrenz. Also ist die Warnung selbst der Inhalt. Es geht Deutschlands rot-grüner Regierungsmannschaft um die Botschaft, daß Europa sich darauf einstellen muß, mehr deutsch regiert zu werden- was auch immer das dann im einzelnen heißt. Dafür haben sich die Deutschen also Schröder/Fischer gewählt.