Aus der Reihe „Chronik - kein Kommentar!“
Daimler investiert und spart
Mehr Investitionen, die Lohnkosten einsparen – und mehr Ausbeutung, die sie rentabel machen
Mit seinem Programm „fit for leadership“ will Daimler die Kosten im Bereich Mercedes-Benz Cars bis zum Jahresende um zwei Milliarden Euro senken. Und obwohl das Unternehmen nach eigenen Angaben auf dem besten Weg ist, dieses Sparziel zu erreichen, kommt keine Zufriedenheit auf. Die erzielte Rendite hat bisher nämlich nicht die angestrebte Höhe erreicht und auch die „leadership“ unter den Oberklasse-Herstellern der Automobilbranche wurde, was Absatz und Ertrag angeht, noch nicht errungen. Noch mehr „fitness“ muss also her – und die kostet erst einmal Geld.
Aus der Zeitschrift
Systematischer Katalog
Länder & Abkommen
Daimler
investiert und spart
Mehr Investitionen, die Lohnkosten einsparen – und mehr
Ausbeutung, die sie rentabel machen
Mit seinem Programm „fit for leadership“ will Daimler die Kosten im Bereich Mercedes-Benz Cars bis zum Jahresende um zwei Milliarden Euro senken. Und obwohl das Unternehmen nach eigenen Angaben auf dem besten Weg ist, dieses Sparziel zu erreichen, kommt keine Zufriedenheit auf. Die erzielte Rendite hat bisher nämlich nicht die angestrebte Höhe erreicht und auch die „leadership“ unter den Oberklasse-Herstellern der Automobilbranche wurde, was Absatz und Ertrag angeht, noch nicht errungen. Noch mehr „fitness“ muss also her – und die kostet erst einmal Geld.
Investitionen, die zum Ziel haben, weniger Arbeit zu bezahlen ...
„Der Autobauer Daimler investiert in diesem Jahr mehr als drei Milliarden Euro in den Ausbau seiner deutschen Pkw-Werke. ‚Wir wollen in den kommenden Jahren unsere Produktionskapazitäten deutlich erhöhen‘, sagte Mercedes-Benz-Produktionschef Markus Schäfer. Mehr als eine Milliarde Euro soll – was schon bekannt war – in das größte Mercedes-Werk in Sindelfingen fließen.“ (tagesschau.de 10.09.2014)
„‚Das Werk Sindelfingen wird komplett runderneuert‘, sagte der Mercedes-Produktionschef Markus Schäfer. Die Produktion werde auf ein neues und wettbewerbsfähiges Fundament gestellt. … Die historisch gewachsenen Strukturen des Werks, das im nächsten Jahr den 100. Geburtstag feiert, galten bisher als Hindernis für eine kostengünstige Produktion an diesem Standort.“ (Stuttgarter Zeitung, 31.7.14)
Wenn Daimler seine Produktionskapazitäten erhöht, dann geht es nicht einfach darum, künftig mehr Autos zu produzieren. Das Werk lässt sich die „Runderneuerung“ von Sindelfingen 1,5 Milliarden kosten, um die Produktion an diesem Standort kostengünstiger zu machen. Der nicht unerhebliche finanzielle Aufwand rechnet sich, so die betriebswirtschaftliche Kalkulation, wenn dadurch erstens die Arbeitsproduktivität steigt, also die vorhandene oder reduzierte Belegschaft mit fortschrittlicher Technik in gleicher Zeit mehr Fahrzeuge herstellt. Das senkt die Lohnkosten für jedes produzierte Auto bzw. steigert die Anzahl der Autos, die die gezahlte Lohnsumme erbringt. Darauf kommt es dem Betrieb an. Bezogen auf den Output ist die Produktion damit nämlich billiger geworden, wenn zweitens die Einsparung an Lohnaufwendungen für diesen Output größer ist als die Investitionssumme, die, umgerechnet auf die mutmaßliche Funktionsdauer der runderneuerten Strukturen, dafür aufgebracht werden muss. Auf dem Markt kann dann ein Auto für weniger Geld oder – was im Premium-Segment vielleicht mehr zählt – fürs gleiche Geld „mehr Auto“ angeboten werden. Gleichzeitig steigt, in Abhängigkeit von der gelungenen Stückkostensenkung, der Gewinn, der trotz gesenkten Marktpreises pro Produkt eingestrichen wird. Die Produktion ist rentabler geworden und sie ist „wettbewerbsfähig“, d. h. die Konkurrenten können auf dem Markt unterboten und ihnen so Marktanteile abgejagt werden.
Ob und wie weit diese Rechnung aufgeht, zeigt sich allerdings erst im Verdrängungswettbewerb, der heutzutage auf dem globalen Automobilmarkt herrscht. Diesen Markt bevölkern mittlerweile relativ wenige Konzerne, die durch immer mehr Investitionen in, ganz im marktwirtschaftlichen Sinne, immer produktivere Produktion, also in Senkung der Lohnstückkosten und sinkende Verkaufspreise bei gewaltig gesteigerter Anzahl der produzierten Fahrzeuge, den Standard der geschäftlichen Produktivität definieren und weniger rentable Konkurrenten ausgeschaltet haben. Das gleiche Mittel bringen diese Konzerne schon immer und nun erst recht gegeneinander in Anschlag, mit dem Resultat, dass die weltweite Zahlungskraft den Umsatz und die Erlöse kaum mehr hergibt, die den steigenden Kapitalaufwand für Produktionsmittel für alle zum rentablen Geschäft machen würden. Daraus resultieren zum einen „Rabattschlachten“, in denen die Konkurrenten mit Preisnachlässen versuchen, einander den Absatz streitig zu machen; und es ergibt sich zum anderen die Notwendigkeit zu weiteren Investitionen in technische Neuerungen, die erneut die Arbeit ergiebiger machen, um weniger davon bezahlen zu müssen. Schon um im Verkauf überhaupt Gewinn einfahren zu können, kommt es darauf an, dabei nicht ins Hintertreffen zu geraten; und bei dieser Stückpreissenkung einen Vorsprung zu erzielen, ist weiterhin und beständig das Mittel, um mit ordentlicher Gewinnspanne den Markt zu erobern. Dieser Vorsprung ist allerdings, falls er erzielt wird, nie von langer Dauer; dann zieht die Konkurrenz nach oder vorbei und unterbietet ihrerseits den kalkulierten Kampfpreis.
Das Dauerprogramm „Kostensenkung“ führt dazu, dass für
wettbewerbsfähige Produktion inzwischen immense
Kapitalsummen vorzuschießen sind, die zu einem immer
größer werdenden Teil in Produktionsmittel- und verfahren
fließen. Daraus ergibt sich ein beständiger Kampf um die
Rentabilität dieser Kapitalmassen: Mit dem als
Kostenanteil immer geringer werdenden Arbeitsaufwand, ist
nicht nur eine Gewinnmasse zu erbringen, die die
gewaltigen Vorschüsse in Produktionsmittel, Zulieferungen
und sonstige Bestandteile der Produktionskosten inklusive
der sinkenden Lohnkosten sowie die zunehmenden
Aufwendungen für „Marketing“ – also für die
Anstrengungen, die Produktmasse zu versilbern –
rechtfertigt. Es muss auch dafür gesorgt werden, dass der
erzielte „cash flow“ jederzeit ausreicht, problemlos und
prompt alle Verbindlichkeiten zu bedienen und die
Kreditwürdigkeit des Unternehmens für die Fortführung
seines „leadership“-Programms zu erhalten. All dem steht
entgegen, dass die in Produktionstechnik geflossenen
Summen erst nach und nach im Verkauf der damit
hergestellten Waren zurückfließen. Je länger die
Vorschüsse festliegen, desto schlechter für die Rendite.
Um sie möglichst schnell wieder reinzukriegen und damit
Gewinn zu machen, muss rund um die Uhr produziert werden;
gestiegene und weiter steigende Stückzahlen sind
möglichst schnell abzusetzen. Es besteht zudem beständig
die Gefahr, von einem Konkurrenten auf technischem Gebiet
überrundet zu werden und erneut in die eigene
Produktionsanlage investieren zu müssen, noch bevor sich
der erbrachte Kapitalaufwand amortisiert hat. Insofern
macht „small profit, quick return“ Sinn – die Preise und
Kostenkalkulationen der um Absatz konkurrierenden
Unternehmen stehen dergestalt ständig auf dem Prüfstand.
Durch den allseitigen Einsatz von Investitionen als Waffe
in der Konkurrenz wird aus der Freiheit zu rentierlicher
Preissenkung, die sich jeder Betrieb verschaffen will,
der Zwang zur Absenkung der Verkaufspreise. Tendenziell
führt das zu allgemein sinkender Kapitalrendite. In ihrem
Kampf gegeneinander setzen kapitalistische Unternehmen
durch und machen wahr, dass weniger Profit erzielt wird,
wenn der Anteil der bezahlten Arbeit an den
Betriebskosten sinkt. Dem wirken sie mit zusätzlicher,
sofortiger und direkter Kostensenkung entgegen:
Investitionen sind nicht nur bei Daimler, aber eben auch
da, vom Bemühen um Verbilligung der Arbeit, die noch
bezahlt wird, begleitet. Diesbezügliche
Betriebsvereinbarungen werden der Belegschaft im Vorfeld
des zu tätigenden Kapitalvorschusses abverlangt: Wie
mittlerweile üblich, verknüpft das Management seine
(Investitions-)Zusagen mit der Forderung, dass die
Belegschaft einen Beitrag zur Kostensenkung leistet.
(Stuttgarter Zeitung, 11.11.)
... verlangen, dass für Arbeit weniger gezahlt wird
In Sindelfingen wurde Folgendes beschlossen:
„Die mit dem Betriebsrat vereinbarte Übereinkunft umfasst Maßnahmen, mit denen die Wertschöpfungstiefe reduziert, die Arbeitsflexibilität erhöht und die Effizienz gesteigert wird. Dadurch ergeben sich Kostenentlastungen für das Unternehmen in dreistelliger Millionenhöhe über mehrere Jahre gerechnet.“ (media.daimler.com 30.7.)
Das Unternehmen erhält durch die neuen Vereinbarungen
jedoch deutlich mehr Flexibilität beim Personaleinsatz
und kann damit besser auf eine schwankende Nachfrage
reagieren. Zudem sollen die Wagen künftig effizienter
produziert werden, was bedeutet, dass die
Leistungsanforderungen steigen und weniger Zeit für die
Fertigung eines Fahrzeugs benötigt wird. Darüber hinaus
übernehmen künftig externe Dienstleister einen Teil der
Logistik sowie bestimmte Montageaufgaben. Lümali
(Betriebsrat in Sindelfingen) betonte indes, dass die
Versorgung der Produktionsbänder weiter von eigenen
Mitarbeitern erledigt werde. Allerdings hat der
Betriebsrat akzeptiert, dass in diesem Bereich mehr
Leiharbeiter eingesetzt werden dürfen.
(Stuttgarter Zeitung, 31.7.)
Die Erhöhung der Arbeitsflexibilität geht dadurch vonstatten, dass dem Werk Zugriff auf die Hälfte eines jeden Freischichtkontos eingeräumt wird, auf dem ein Beschäftigter seine abgeleisteten Überstunden ansammelt, so dass also das Werk entscheidet, wann diese Mehrarbeit durch Freischichten ausgeglichen werden kann. Es kann so dafür sorgen, dass in Spitzenzeiten anfallende Mehrarbeit von der vorhandenen Belegschaft erledigt wird und diese (nur) bei flauer Auftragslage zu Hause bleibt. Das spart Kosten für zusätzlich zu entlohnende Ersatzkräfte und Lohnzahlungen für Arbeitsstunden, in denen nicht alle Arbeitskräfte optimal ausgenutzt werden können. Von den Arbeitern verlangt es, ihre Lebens- und Freizeit in zunehmendem Maß den Erfordernissen des Betriebs unterzuordnen. Das gilt nun auch für die Nachtstunden, denn in der geplanten Montagehalle soll, statt wie bisher üblich in zwei Schichten, im Drei-Schicht-Betrieb gearbeitet werden. Und was an „Arbeitszeitflexibilität“, wie vom Betriebsrat zu hören ist, bisher sowieso schon praktiziert wurde, ist nun schriftlich fest vereinbart: Das Unternehmen kann Schichten um eine Stunde verkürzen oder verlängern und Pausen werden im Presswerk bei Bedarf durchgefahren.
Die Leistungsanforderungen nehmen zu und die bezahlten
Pausen ab: Eine Umstellung in der Vorgabezeitberechnung
führt im Durchschnitt zu einer Effizienzsteigerung von
3 %
(Brennpunkt Brisant, Juli
2014), im gleichen Zug wird die sachliche
Verteilzeit … von 2 % auf 1 % reduziert
(a.a.O.). Dafür entfallen in der Montage
acht Minuten der sogenannten Steinkühlerpause am Ende der
Früh- und Spätschicht. Ganz direkt erhält Daimler so für
die gleiche Bezahlung mehr Arbeitsleistung.
Daneben überlässt das Werk die Durchsetzung verschärfter
Ausbeutung zunehmend seinen Geschäftspartnern: Reduktion
der Wertschöpfungstiefe heißt, dass bisher im und vom
Werk selbst erledigte Produktionsschritte und
organisatorische Tätigkeiten mit erpresserischen
Preisvorgaben an Zulieferer und Dienstleister vergeben
werden. Wie die bei den niedrigen Abnahmepreisen Gewinn
aus ihrem Unternehmen schlagen, ist ihre Sache, aber auch
gar kein Geheimnis. Sie sorgen ihrerseits für schlanke
und höchst flexible Kostenstrukturen
(Wirtschaft in Baden-Württemberg, Nr. 2 Oktober
2014, Stuttgarter Zeitung), indem sie
Lohnstückkosten senken, ihren Arbeitern für mehr
Arbeitsleistung weniger bezahlen und/oder sie entlassen,
um die Produktion gleich dahin zu verlagern, wo
Arbeitskraft noch billiger verkauft werden muss.
Was Letzteres angeht, so hat sich auch auf dem bundesdeutschen Arbeitsmarkt einiges getan. Arbeitnehmer können durch immer wieder erneuerte Überlassungsverträge länger- und langfristig entliehen werden. Im Werk machen sie dann dasselbe wie die bisherige Stammbelegschaft, kosten aber, dank der mit dem DGB hierfür ausgehandelten Tarifverträge, weniger und haben keine arbeitsrechtlichen Ansprüche, was insbesondere ermöglicht, sie bei Bedarf schnell und kostenneutral wieder loszuwerden. Künftig wird in Sindelfingen die Anlieferung von Teilen ans Band zwar prinzipiell von „eigenen“ Mitarbeitern erledigt, neu entstehender Personalbedarf aber wird ebenso prinzipiell und über die bisher vereinbarte 8 %-Grenze hinaus durch solche Billigarbeiter gedeckt.
Mehr Ausbeutung: Das muss der Belegschaft das Unternehmensgeschenk, mit viel Kapitaleinsatz Arbeiter überflüssig zu machen, schon wert sein
Zu den Verhandlungen über die Senkung der Arbeitskosten
hatte Daimler mit dem dezenten Hinweis auf weltweite
Standortalternativen eingeladen: Allerdings handelt es
sich
, so wurde dem Betriebsrat zu verstehen gegeben,
bei dem Umfang der erforderlichen Investitionen quasi
um ‚ein neues Werk‘. In ein solches könnte das
Unternehmen auch an einem anderen Ort investieren.
(Brennpunkt Juni 2014). Und
es hatte zugleich für die Sindelfinger
Wettbewerbsfähigkeit Verbilligung der Arbeit eingeklagt:
Mercedes-Produktionschef Markus Schäfer sagte auf
StZ-Anfrage, dass das Unternehmen bereit sei, signifikant
in das Werk zu investieren. ‚Gleichzeitig brauchen wir
auch in Zukunft wettbewerbsfähige Arbeitskosten. Daran
müssen wir gemeinsam arbeiten‘, so Schäfer
.
(Stuttgarter Zeitung, 24.6.)
Faktisch werden die Arbeitnehmer mit ihrer Abhängigkeit
von einem existenzsichernden Arbeitslohn und einem
entsprechenden Arbeitsplatz dazu erpresst, den
Anforderungen, die im Namen des Unternehmensgewinns an
sie gestellt werden, nachzukommen. Weil Daimler ihnen die
Arbeit, die sie brauchen, nur gibt, damit und wenn der
Betrieb sich im Wettbewerb um Absatz und Rendite
durchsetzt, müssen sie billiger werden.
Vorgetragen wird das aber als ihr Beitrag zu weiterer
gedeihlicher Zusammenarbeit, mit dem sie sich die
investive Unternehmensgunst zu verdienen hätten. Mit an
Unverschämtheit grenzender Selbstverständlichkeit wird
sich – im Wissen um die Abhängigkeit der Arbeiter vom
Unternehmenserfolg – auf ihre bisherige Willfährigkeit
und Nützlichkeit als „wettbewerbsfähiger“ Kostenfaktor
berufen und erklärt, dass auch in Zukunft
wettbewerbsfähige Arbeitskosten
und Sparprogramme,
die diese zum Ziel haben, „gemeinsames“ Anliegen seien.
Obwohl diese „Gemeinsamkeit“ einen ausgesprochen
gegensätzlichen Inhalt hat – Daimler will mit
gesteigerter Wettbewerbsfähigkeit seine Rendite steigern,
die Arbeiter bezahlen dafür mit Einbußen am Nutzen, den
die Arbeitsplätze für sie haben – trifft die Deutung,
eine kapitalistische Firma sei quasi eine
do-ut-des-Veranstaltung von Kapital- und
Arbeitskraftbesitzern, auf Belegschaftsvertreter, die das
mit der Gemeinsamkeit der Interessen genauso sehen. Nach
getroffener Vereinbarung macht der Sindelfinger
Betriebsrat folgenden Erfolg vorstellig:
„Wir Betriebsräte sind davon überzeugt, dass dieses Ergebnis für den Standort über das Jahr 2020 hinaus Beschäftigung sichert und unsere Wettbewerbsposition verbessert.“ (Brennpunkt Brisant, Juli 2014)
Wenn nicht vorneweg gesagt würde, dass hier eine Erfolgsmeldung der Betriebsräte zu Gehör gebracht wird, könnte man glatt meinen, hier spreche der Daimler-Vorstandschef persönlich: Durch die Betriebsvereinbarung hat sich „unsere“, nämlich die betriebliche Wettbewerbsposition verbessert. Offensichtlich war und ist das auch für den Betriebsrat Ziel und Zweck der Verhandlungen, und dass dafür das Verhältnis von Lohn und Leistung verschlechtert werden muss, ist ihm selbstverständlich. Der Belegschaft, die der Betriebsrat in diesen Verhandlungen vertreten hat, wird als Vorteil, den sie aus ihrer Schlechterstellung zieht, seine Überzeugung präsentiert, dass sie bis auf weiteres als Material für den Betriebserfolg tätig bleiben könne. Weil dieses lausige Versprechen ganz am künftigen Betriebserfolg hängt, sieht es mit ihm entsprechend aus: Zumindest vorläufig verzichtet Daimler trotz gesteigerter Arbeitsproduktivität, verordneter Leistungssteigerung und Leiharbeit auf betriebsbedingte Kündigungen, und bei derzeitiger Geschäftslage sollen Mitarbeiter, deren Arbeitsplätze der Tiefen-Verringerung zum Opfer fallen, an anderer Stelle weiterbeschäftigt werden.
„Bei Fremdvergabe von Leistungen hat der Betriebsrat dafür gesorgt, dass für die Beschäftigten ein vergleichbarer Arbeitsplatz gefunden wird.“ (Stuttgarter Zeitung, 30.7.)
Wie man sich so etwas auch vorstellen könnte, bringt das Management in grundsätzlicher Überlegung zur Fremdvergabe in Daimler-Werken zum Ausdruck:
„Der Produktionschef rechnet nicht damit, dass der eigenen Mannschaft im Zuge dieser Neuausrichtung künftig Arbeit fehlen könnte. Allerdings müssten sich die Beschäftigten laut Schäfer darauf einstellen, andere Aufgaben zu übernehmen. Aus einem Schweißer könnte so etwa ein Mitglied eines Teams werden, das weltweit in einem der Werke beim Anlauf neuer Fahrzeugmodelle hilft.“ (Stuttgarter Zeitung, 11.9.)
Und inwiefern künftig wie viele Stamm-Daimlerianer wo und wie lange gebraucht werden, wird man dann vom Unternehmen schon noch erfahren:
„Derzeit läuft die Fertigung auf vollen Touren, wie Produktionschef Schäfer berichtete. Er wollte aber keine Prognose zur künftigen Entwicklung der Mitarbeiterzahl abgeben.“ (Stuttgarter Zeitung, 30.7.)
Der zweite Erfolg, den der verhandelnde Betriebsrat vermeldet, betrifft den Preis, der für diese „Absicherung“ gezahlt werden musste. Die Verschlechterung der Arbeitskonditionen erfolgt nur im wirklich notwendigen Umfang und Ausmaß, Schlimmeres konnte abgewendet werden:
„Abgewehrt hat der Betriebsrat nach Angaben von Lümali Forderungen der Unternehmensleitung, den Samstag zum Regelarbeitstag zu machen“, (Stuttgarter Zeitung, 30.7.) und: „Uns war wichtig, dass Beschäftigung gesichert und bestehende Tarifverträge eingehalten werden.“ (Stuttgarter Zeitung, 31.7.)
Wenn die schon bisher an Samstagen regelmäßig gefahrenen
Sonderschichten weiterhin mit Zuschlägen abgegolten
werden, wenn Lohnsenkung und Leistungssteigerung
tarifvertragskonform erfolgen und die „eigene“ Mannschaft
nicht direkt entlassen wird, dann ist in den Augen des
Betriebsrats gar nichts wirklich Schlimmes passiert. Dann
ist vielmehr die Verwirklichung eines „Win-Win-Konzepts“
gelungen, wie sie sich der Konzernbetriebsratschef
co-managementmäßig zum Anliegen macht: Gelingt es uns,
die Produktivität zu steigern, ohne die Leute
auszubeuten?
(FAZ, 26.
7.), fragt er und beantwortet das als Fachmann
gleich selber. Es gelingt, wenn man Ausbeutung richtig
definiert: All das, was bei Daimler bis dato passiert,
ist nämlich keine, und die Schönheiten, die zum Zwecke
einer besseren Kapitalnutzung nunmehr vereinbart wurden,
sind es auch nicht. Ausbeutung – das wäre die
tarifwidrige Verschlechterung der derzeitigen
Bedingungen, wenn also von der Stammbelegschaft
Zugeständnisse in Form von längeren Arbeitszeiten und
Lohnkürzungen
(FAZ,
26.7.) verlangt würden, wie das derzeit ja gar
nicht der Fall sei und macht – auch da kennt sich der
Betriebsratschef aus – unternehmerisch nicht allzu viel
Sinn: Er rechnet mal eben vor, dass es nicht etwa auf
individuelle Arbeitszeiten ankomme, sondern auf die
höchstmögliche Betriebsmittelnutzungszeit, und dass es
nach ABC-Analyse ohnehin nicht sinnvoll sei, ausgerechnet
bei den Personalkosten zu sparen: die machten nämlich nur
noch 15 % der Kosten aus.
(a.a.O.) Flexibilisierung und
Mehrschichtbetrieb, Leiharbeit und „Alternativ“jobs in
Indonesien, alles Wege der Produktivitätssteigerung, die
für ihn per se schon mal schwer in Ordnung gehen. Solange
der Leistungsgrad nicht pauschal, sondern durch
veränderte Berechnung erhöht wird und die Kürzung der
Pausenzeit unter Einhaltung bestehender Tarifverträge
erfolgt, wird auch dadurch die Ausbeutung nicht nur nicht
schlimmer – sie findet gar nicht statt. Und solange
Daimler kräftig wächst, gefährdet die ständige
Produktivitätssteigerung noch nicht einmal Arbeitsplätze
bei Daimler, sondern anderswo. Also muss die Belegschaft,
unter tatkräftiger Mithilfe des Betriebsrats, für
glänzende Geschäftsbedingungen sorgen, indem sie für
immer weniger Geld immer mehr arbeitet. Dass dabei
Tarifverträge verletzt werden müssen, ist angesichts
bereits existierender Öffnungsklauseln oft gar nicht
unmittelbar notwendig. Auszuschließen ist es nicht, dann
sind die Verträge zur Vermeidung von „Ausbeutung“ eben
passend nachzuverhandeln. Für die Firmenleitung
jedenfalls gibt es, was die angestrebte leadership
angeht, noch einiges tun.
„Mercedes hat sich vorgenommen, bis zum Jahr 2020 seine Wettbewerber BMW und Audi zu überrunden und auch gemessen an der Rendite die Nummer eins der Branche zu werden. Davon ist der Konzern gegenwärtig noch weit entfernt. Die Wettbewerber verdienen deutlich mehr und Mercedes-Benz Cars verfehlt mit einer Rendite vor Steuern von lediglich 6,2 Prozent (2013) auch die eigenen Ansprüche.“ (Stuttgarter-Zeitung.de, 17.7.14)
Kapitalistische Unternehmen sind Mittel des für sich maßlosen Interesses der Kapitaleigner an Verwertung des eingesetzten Geldes. Und die weltweit umworbene Community der Investoren vergleicht Ertrag und Kursentwicklung ihrer Investments mit alternativen Geldanlagen. Für den eigenen Gewinn und um in diesem Vergleich attraktiv zu bleiben, verpassen alle Kapitalisten ihren Firmen beständig „Facelifts“, „Fitnessprogramme“, „Runderneuerungen“ oder wie die Verschärfung der Ausbeutung heutzutage sonst noch betitelt wird.
„Auch Audi legt neues Sparprogramm auf … Einen Tag vor dem offiziellen Beginn der Werksferien werden nach Informationen der Wirtschafts-Woche die 50 000 deutschen Audi-Beschäftigten im Laufe des morgigen Tages auf das genannte Fitnessprogramm ‚Business 2.0‘ eingestimmt.“ (Wirtschafts-Woche, 18.9.)
„Der Autobauer BMW will in den kommenden Jahren seine Kosten weiter deutlich senken... Grundsätzlich arbeiten wir ständig am Thema Kostenmanagement, um die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens im internationalen Umfeld zu erhalten“, hieß es in einer Stellungnahme des Unternehmens… Dazu kommen einzelne Maßnahmen, etwa an den deutschen Standorten, wo etwa bezahlte Erholungs- und Brotzeitpausen zur Disposition stehen sollen. Von einem massiven Sparprogramm war aber bisher nicht die Rede.“ (Automobil Produktion, 30.7.)
„Porsche gilt als profitabelster Autohersteller der Welt… Porsche hat zudem vor Kurzem angekündigt, dass die Arbeitnehmer auch einen Beitrag zur Sicherung des Stammwerks Zuffenhausen leisten sollen… Die geplanten Maßnahmen umfassen Investitionen von deutlich über 400 Millionen Euro. Sie sollen zu einem Drittel über eine erhöhte Flexibilisierung von Arbeits- und Pausenzeiten finanziert werden.“ (Stuttgarter Zeitung, 8.8.)
Ja wenn das alle machen – dann ist das wohl in Ordnung so. Konkurrenz macht Geldgier zum Sachzwang, alternativlos, notwendig. Irrsinn, der allgemein herrscht, ist die reine ökonomische Vernunft. Und die Ausbeutung der Arbeit hat nicht nur System. Sie ist das System.