Bild als Anführer der „Willkommenskultur“
Eine Million Kronzeugen für Deutschland!
Ja, was ist denn in die Bild-Zeitung gefahren? Da ist von einer nie dagewesenen ‚Flüchtlingswelle‘ die Rede, von einer Million, die Deutschland die Tür einrennen. Und Bild ist begeistert und sagt auch gleich, wovon. Von uns, unserem Land, das hier eine große nationale Aufgabe bereitwillig übernimmt: „Fluchtpunkt Deutschland – 25 Jahre nach der Wiedervereinigung stehen wir vor einer neuen epochalen Aufgabe. Weil das heutige Deutschland weltoffen, freundlich und hilfsbereit ist!“ (Kostenlose Sonderausgabe zum 3.10.2015).
Aus der Zeitschrift
Teilen
Systematischer Katalog
Länder & Abkommen
Gliederung
Bild
als Anführer der „Willkommenskultur“
Eine Million Kronzeugen für Deutschland!
Ja, was ist denn in die Bild-Zeitung gefahren? Da ist von
einer nie dagewesenen ‚Flüchtlingswelle‘ die Rede, von
einer Million, die Deutschland die Tür einrennen. Und
Bild ist begeistert und
sagt auch gleich, wovon. Von uns, unserem
Land, das hier eine große nationale Aufgabe
bereitwillig übernimmt: Fluchtpunkt Deutschland – 25
Jahre nach der Wiedervereinigung stehen wir vor einer
neuen epochalen Aufgabe. Weil das heutige Deutschland
weltoffen, freundlich und hilfsbereit ist!
(Kostenlose Sonderausgabe zum
3.10.2015).
Fluchtpunkt Deutschland: Wir dürfen stolz auf diese Republik sein!
Eine Million auf der Flucht vor Not und Elend nach Europa hoffen auf Aufnahme in Deutschland: ein einziger Beweis für die Güte des Landes, bei dem die Flüchtlinge anklopfen; als erstes schon mal für dessen Aufnahmebereitschaft. Warum kommen die Massen zu uns? Weil ‚wir‘, ob Kanzlerin, Unternehmer oder einfacher Bürger, sie so bereitwillig empfangen.
Weil Bild weiß, dass es
bei ihren Adressaten mit der ‚Weltoffenheit‘ und
‚Freundlichkeit‘ angesichts der Flüchtlinge dann doch
nicht so weit her ist, würdigt das Volksorgan erst einmal
verständnisvoll die nationalistischen Vorbehalte seines
Publikums als Sorge vor einer Überlastung des guten
deutschen Gemeinschaftswillens: Noch ist Deutschland
bange, ob es den Ansturm aus Syrien, Afghanistan, Afrika
verkraftet
– und beschwichtigt:
„Doch sehen wir es positiv: Deutschland ist der Fluchtpunkt für jene geworden, die Frieden suchen, soziale Sicherheit suchen, eine starke Wirtschaft suchen, die Chancen bietet, und die Freiheit suchen für alle Religionen und Meinungen. Ihnen allen fällt dazu ein Ziel ein: Deutschland“.
Egal, weswegen die Flüchtlingsmassen nach Europa fliehen, egal, welche Vorstellungen von Gutgehen, Menschlichkeit und In-Frieden-Leben in Deutschland sie sich in ihrer Not und mit ihren ohnmächtigen Berechnungen und Hoffnungen zurechtlegen: Bild weiß, es sind nur die besten – und sie haben voll recht damit. So ideal, wie die Flüchtlinge laut Bild das Land sehen, so rundum gut, attraktiv, sozial, friedlich ... ist Deutschland.
‚Germany, Germany‘, skandierten Tausende in Budapest:
Wir sind das Hoffnungsziel auf der Flucht vor Elend und
Krieg
. Da nehmen sie Bild das Wort aus dem Mund: So ist
jeder Ankömmling per se eine leibhaftige Einzahlung aufs
deutsche Guthabenkonto in Sachen Güte der Nation. Also
kann und soll das deutsche Volk mit Blick auf das eigene
Land stolz, ‚positiv‘ und damit willkommenswillig
gestimmt sein. Es wäre ja auch unpassend, die Flüchtlinge
mitten in die national inszenierte ‚Willkommenskultur‘
hinein mit der Ansage zu begrüßen: Ihr täuscht euch, wenn
ihr meint, auf euch hätte Deutschland gerade noch
gewartet; auf euch warten die Widerwärtigkeiten einer
Konkurrenzgesellschaft samt ihrer staatlichen Betreuung
sowie ein ganzer Haufen Patrioten, die euch als
unerwünschte Störenfriede anfeinden und die euch auch
schon mal mit Brandsätzen in den Asylantenheimen
begrüßen. Bild beweist an
den Flüchtlingen das Gegenteil: Sie wollen nicht
nur zu uns –
Die Flüchtlinge passen zu uns!
Bild stellt an den
Flüchtlingen fest, dass sie von einer Sorte sind, wie es
sich gehört und wie sie zu diesem Deutschland passen:
Gerade viele syrische Flüchtlinge haben studiert, sind
Ärzte, Ingenieure, Anwälte. Die Leute wollen hierbleiben,
arbeiten, werden Steuern zahlen und zur Rentenkasse
beitragen
. Hier kommt die volkstümliche Manier von
Bild also einmal ganz und
gar positiv zur Anwendung: Die ‚Menschen‘ – die, die zu
‚uns‘ kommen, genauso wie das eigene Volk – werden gleich
nur als sittliches Kollektiv, d.h. nach Kriterien von
Brauchbarkeit und Anstand, von Dienstbarkeit und
Dienstwillen für eine vorgestellte nationale
Gemeinschaft, also von Ein- und Unterordnung unter die
gültigen Anforderungen in den Blick genommen; herauskommt
das Bild einer Zuwanderermannschaft, die Deutschland
materiell und sittlich bereichert. Die Gewissheit, dass
da Leute kommen, die Deutschland verdient haben, weil sie
persönlich alles an Wille und Fähigkeit mitbringen, was
Deutschland dient, verdankt sich keinem näheren Blick auf
die, die Bild da
beurteilt. Umgekehrt: Der Beschluss, die sittliche
Eignungsprüfung positiv ausgehen zu lassen, ergibt das
entsprechende Bild vom Flüchtling als Spiegelbild des
besseren Deutschen. Da kommt Qualität zu Qualität, Elite
zur Elitenation.
Und damit die Botschaft vom guten und nützlichen
Flüchtling, auf die es Bild im Gefolge Merkels ankommt, auch
ordentlich sitzt, zieht Bild noch einmal ausdrücklich das
negative Konstrukt vom potenziellen ausländischen
Schädling aus dem Verkehr, an dem sie selbst immer wieder
mitgearbeitet hat. Das entlarvt sie jetzt als ‚haltlos‘:
Bild entlarvt – 7
Vorurteile über Flüchtlinge
(26.8.). Von Nehmen uns unsere Jobs
weg
bis Sind besonders kriminell
ist alles
falsch!
: Die Widerlegung erfolgt über den
schlichten Verweis auf Fakten. 589 000 offene
Stellen
und die Verbrechensstatistik beweisen jetzt,
dass Ausländer weder Arbeitsplätze wegnehmen noch
besonders ‚kriminell‘ sind. Bild nimmt die Maßstäbe einer
kollektiv vollzogenen ideellen Nützlichkeits- bzw.
Sittlichkeitsprüfung her – ordentlich arbeiten, sich an
die Gesetze halten, als anständig arbeitender Deutscher
ein Anrecht auf einen Job haben –, an denen entlang
Ausländer von überzeugten Patrioten üblicherweise als
minderwertig, weil nicht zum ‚Wir‘ einer vorgestellten
nationalen Gemeinschaft gehörig identifiziert werden, um
das negative Vorurteil als unzutreffend zurückzuweisen.
Weil Bild entschlossen
ist, Merkels Willkommenskultur dem Volk zu
verdolmetschen, passen die ausländischen Flüchtlinge
einfach zu uns: Sie sind das passende Geschenk für den
Stolz des anständigen deutschen Patrioten.
Bild: Das Zentralorgan der Willkommenskultur fürs deutsche Volk
Bild wäre nicht
Bild, wenn es sein
Publikum nur informieren würde. Das Blatt berichtet nicht
nur über lauter Gründe, auf Deutschland stolz zu sein; es
organisiert das Deutschland, auf das jeder stolz
sein darf. Mit einer Wir-Helfen-Bild-Aktion
, mit einem nationalen
Schwarzen Brett so-helfe-ich@bild.de
beweist
Bild seine
Richtlinienkompetenz, seine unverzichtbare Rolle als
Aktivist des Guten im Deutschen. Dafür stellt
das Blatt passende Vorbilder ins Rampenlicht: Lehrer, die
private Sprachkurse, Ärzte, die kostenlose Impfaktionen
anbieten, ehrenamtliche Helfer, die für Bilds Deutschland Ehre einlegen.
Dafür muss es aber auch schlechte Zensuren verteilen,
wenn irgendwer die Identität von Bild-Zeitung, Deutschland und
menschlichem Anstand nicht mitmachen will: Wenn die
Fußballer vom Hamburger Kiez nicht wie die meisten ihrer
Kollegen mit dem Bild-Button Wir helfen
auflaufen, weil sie auch ohne Bild notorisch ausländerfreundlich
sind und die sonstige Hetze der Zeitung nicht leiden
können, dann setzt es was: „Beim FC St. Pauli sind
Flüchtlinge nicht willkommen. Darüber wird sich
die AfD freuen.“ Wer nicht bei Bild mitmacht, stellt sich außerhalb
der sittlichen Gemeinschaft der guten Deutschen.
Die nationale Legende: Wiedervereinigung + Flüchtlingsmärchen = „Wie WIR wieder WIR wurden“
Umgekehrt werden die Flüchtlinge anlässlich einer
Sondernummer Bild
feiert 25 Jahre Wiedervereinigung
eingemeindet in
eine Reihe patriotischer Ereignisse, die – so disparat
sie auch sein mögen: Mauerfall
, Sommermärchen
2006
, Wir sind Papst
– alle für das Eine
stehen: Es sind erhabene nationale Momente, Stationen auf
dem Weg Wie WIR wieder WIR wurden
, nämlich eine
Nation, die ihren Nationalismus selbstverständlich ganz
groß schreiben und mit Leichtigkeit
ausleben kann.
Die Bild-Schreiber malen
extra das Zerrbild eines längst verflossenen
gewalttätigen Nationalismus an die Wand, um es zu
dementieren – diesmal nicht für chauvinistisches
Geheul, Blitzkrieg und Stechschritt
–, um so an
all den disparaten Ereignissen das Eine festzuhalten: das
selbstverständliche Anrecht auf nationalen Stolz und
Ehre. Die Flüchtlinge und der nationale Umgang mit ihnen
werden da eingeordnet als der vorläufige Höhepunkt
deutscher Güte und Größe. Deutschland ist mit seiner von
Bild geistig betreuten
Willkommenskultur und seiner epochalen Aufgabe
der
Flüchtlingsbetreuung nicht weniger als ein Geschenk
an die Menschheit – so wie mit seiner 25 Jahre alten
„Wiedervereinigung“. Zum Jubiläum bieten wir der Welt
nicht nur eine große Party, Deutschland bietet der Welt
Asyl. Dafür ist die uns mehr als Dank schuldig.
Bild: Das Blatt für unsere Flüchtlinge
Als nationales Organ der Willkommenskultur heißt
Bild dann auch die
Flüchtlinge gesondert willkommen. Als Stimme Deutschlands
gibt die Zeitung ihnen mit einer Extrakampagne eine
verständliche öffentliche Einführung in das, worauf es
bei uns ankommt: Eine vor Flüchtlingsunterkünften
verteilte Sonderausgabe in arabischer Sprache erklärt
die ersten 19 Artikel des Grundgesetzes und warum in
Deutschland das Grundgesetz über Bibel und Koran
steht
(8.10.). Zur
Willkommenskultur gehört eben die klare Ansage: Hier gilt
das Grundgesetz und nicht der Koran! – wie Bild gleichzeitig ihren deutschen
Lesern mitteilt. In der Pose einer Herbergsmutter werden
die Zuzügler ermahnt, sich an die hier geltende
Hausordnung zu halten. Der eigenen nationalen Gemeinde
führt Bild damit vor,
dass das Volksblatt sich als öffentlicher Wächter über
das gute Deutschland schon um die ordentliche
Eingemeindung der Fremden kümmert. Und kann Erfolg
melden: „Flüchtlinge freuen sich über
Bild auf
Arabisch.“ Was gibt es Deutscheres, als Bild gut zu finden?! Da kann mit den
Flüchtlingen ja nichts mehr schief gehen.