Wer ist der Antideutscheste im Land?
„Konkret im Krieg“

Konkret zieht ihre Schlüsse aus dem 11. September. Sie beerdigt ihren Antiimperialismus, sieht sich in ihrem Hass auf das deutsche Deutschland bestätigt und den Staat der Juden über jede Kritik erhaben. Ihr sachfremdes Urteil bereitet ihr dann einige bezeichnende Nöte: Es ist gar nicht so leicht, überall den bösen Deutschen und den guten Juden zu finden. Mit absurden Konsequenzen, wenn man die Suche nicht aufgeben will.

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Wer ist der Antideutscheste im Land?
„Konkret im Krieg“

Das kokette Wortspiel aus der Märznummer der Zeitschrift ist ernst. Anlässlich des großen Krieges, mit dem die USA auf die Anschläge des 11.September antworten, um ihre letzten staatlichen wie nichtstaatlichen Feinde auszulöschen, ist in der „konkret“-Redaktion ein kleiner Krieg ausgebrochen, dem sich das Blatt begeistert hingibt: Endlich wieder einmal eine Großkontroverse, bei der sich so richtig gefetzt wird. Aneinander geraten sind Autoren, die zusammen das antideutsche Lager bilden; jetzt kommen sie – nach wie vor eines Geistes – zu der Erkenntnis, dass es sich bei ihrem jeweiligen Widerpart nur um eines handeln kann: um Deutsch-Nationalismus, Populismus, Antiamerikanismus, Antisemitismus, Verrat und um die mehr oder weniger verhohlene Rückkehr eines Antinationalen in den Schoß der Volksgemeinschaft.

Da findet ein noch lange nicht erledigter Weltkrieg neuen Typs statt, amerikanische Bomben verwüsten, was von Afghanistan noch geblieben war; deutsche Hilfstruppen stellen sich an wenigstens 4 neuen Fronten auf, Israel reiht sich in Bush’s „Krieg gegen den Terror“ ein und vernichtet die palästinensischen Ansprüche auf einen eigenen Staat – angesichts all dessen tun „konkret“-Autoren, was sie immer tun: Sie reden über sich, darüber, wo sie stehen, und erlassen Imperative bezüglich dessen, was sich für „die deutsche Linke“ in dieser Lage gehört – nunmehr halt entgegengesetzte.

Der gemeinsame Boden des Redaktionskriegs: Moralische Dienstanweisungen an „die Linke“

Wie eh und je handeln „konkret“-Artikel, wenn sie Tatsachen des Kapitalismus und Imperialismus zum Gegenstand machen, nicht vom Was und Warum derselben. An die Stelle der Ermittlung der Gründe und Zwecke weltpolitischer Großtaten setzen sie die Einschätzung der moralischen Situation: Sie teilen ihren Lesern mit, wo der Feind steht und wie das Objekt der allfälligen Solidarität heißt – kurz, wie der aufrechte Linke sich zu positionieren hat. Denn Stellung zu beziehen, sich auf eine Seite zu schlagen, den Guten die Stange zu halten und den Bösen eine Verurteilung hinterher zu rufen – das gilt in ihren Kreisen als politische Praxis und als der praktische Nährwert aller Theorie. Um Missverständnissen gleich vorzubeugen: Selbstverständlich führt Einsicht in die politischen und ökonomischen Zwecke, die in einem Konflikt am Werke sind, zu einer begründeten Parteinahme – nur eben oft genug nicht für eine der im Streit liegenden Parteien und Alternativen, sondern zur Ablehnung beider. Eine solche Konsequenz erschiene den Machern von „konkret“ jedoch unnütz und unpraktisch; sie fühlten sich „außer der Welt“, unbeteiligt und unwichtig, wenn sie sich nicht an ein prozessierendes Gutes anhängen und ein bereits in die Schusslinie real existierender Mächte geratenes Böses hassen könnten. Sie finden in jeder Konfrontation eine ihrer Solidarität und eine ihres Hasses würdige Seite und pflegen so den Schein von praktischem Eingemischt-Sein, auch wenn ihren hochtrabenden Phrasen vom Kampf, vom Schmieden einer Sperrminorität gegen …, vom Nicht-Zulassen, dass …, und vom Verteidigen von … nichts weiter folgt. Natürlich muss man sich für den Schein eingreifender Parteinahme dann auch auf die vom Imperialismus jeweils angebotenen Alternativen und Fronten einlassen, einerseits wenigstens. Andererseits nämlich hat die Frontstellung, die „konkret“-Autoren sehen und in der sie für und gegen wirkliche weltpolitische Akteure Partei ergreifen, mit deren imperialistischer Konfrontation nichts zu tun; man nimmt die Interessen, die im Kampf liegen, gar nicht zur Kenntnis, sondern setzt an ihre Stelle eine höhere Bedeutung, die man ihnen ziemlich freihändig beimisst – und positioniert sich entsprechend dieser Deutung.

1. Schluss mit dem Antiimperialismus von gestern!

So markiert für den Herausgeber der Zeitschrift, Gremliza, der Golfkrieg von 1991 eine historische Zäsur, die eine Neu-Orientierung der Linken verlangt. Zur Erinnerung: Damals haben die USA den Irak vernichtend geschlagen und ihm das Ölscheichtum Kuweit wieder abgenommen, das der kurz davor besetzt und annektiert hatte. Damit haben sie den Versuch eines volkreichen Ölstaates, sich zu einer Regionalmacht aufzuschwingen, beendet, statt seiner sich als beherrschende Militärmacht in der Ölregion etabliert und unter dem Titel „neue Weltordnung“ darauf hingewiesen, dass sie in Zukunft generell auf diese Weise als Weltordnungsmacht zu verfahren gedenken. Im Stil eines Geschichtsphilosophen nimmt Gremliza das damalige Gemetzel als Aufführung eines Lehrstücks zur Kenntnis, das Bedeutung transportiert und der Welt eine Botschaft mitteilt.

„Das erste große Spektakel, das der Welt ihren neuen Zustand vorführen sollte, war der Golfkrieg des Jahres 1991. Er offenbarte, dass der Antiimperialismus seine bis dahin selbstverständliche moralische Deckung verloren hatte; dass mit Deutschland ein Akteur in die Weltpolitik zurückgekehrt war, der die USA schon einmal an Bösartigkeit aufs Unvergleichlichste übertroffen hatte und wieder übertreffen würde; und dass eine Linke, die ihre letzte realpolitische, weil realsozialistisch geförderte Potenz verloren hatte, sich neu orientieren müsste im neuen Kalten Krieg zwischen Deutsch-Europa und den USA.“ (H.L. Gremliza: Eine Zäsur findet nicht statt, in: Konkret 3/02, 17)

Was ist und an wen richtet sich die Botschaft des Golfkriegs? Na klar: An „die Linke“ – und der offenbart dieser mitteilsame Krieg, dass sie sich mit ihrer überkommenen Imperialismuskritik gründlich umzustellen hätte. Und das nicht aus dem banalen Grund, weil seither eine neue „Weltlage“, eine so vorher nicht da gewesene Art von imperialistischem Vorgehen auf der Tagesordnung steht, der also auch Analyse und Kritik zu gelten haben, sondern weil den bislang üblichen Einwänden ihre „moralische Deckung“ abhanden gekommen wäre. Wie kommt er auf so etwas? Das fehlte ja gerade noch, dass, wer etwas gegen die Zustände einzuwenden hat, sich vorher ein moralisches Guthaben besorgen müsste, bei einer „realpolitisch“ relevanten Instanz womöglich! Der Chefredakteur scheint „Antiimperialismus“ allerdings wirklich nur als moralische Einstellung zu kennen, als Unterscheidung zwischen gut und böse im Weltgeschehen, die ihre Rechtfertigung sonst woher, aber jedenfalls nie und nimmer aus einer richtigen Erklärung des Imperialismus bezieht. Woher dann? Ganz einfach: aus dem, was die Kriege uns erzählen, die richtigen wie die „kalten“, die die wichtigen Staaten auf der Welt gegeneinander führen. Die geben mit ihrer Gewalt die Alternativen vor, auf die es ihnen und deswegen in der Welt wirklich ankommt; und deswegen – meint der „konkret“-Herausgeber – muss und kann es auch den Linken bei ihrer Parteinahme auf keine anderen Alternativen ankommen als diejenigen, die die relevanten Militärmächte mit ihren Drohungen und Schlächtereien gegeneinander eröffnen. Also heißt es angesichts der mit dem Golfkrieg neu aufgemachten Gegensätze für „die Linke“, sich neu entscheiden, ihre Parteilichkeit neu verteilen.

Für einen Zeitschriften-Autor, der sich selber als Mentor „der Linken“ versteht, ist das eine interessante Einstellung. Dass „Linke“ mit ihrem Antiimperialismus und ihrer „Systemkritik“ womöglich im Sinn haben könnten, den Alternativen, die die Staatsmächte ihnen vorknallen, den Feindschaften, in die ihre Obrigkeiten sie hineinreiten, überhaupt dem eingerichteten Gewalthaushalt auf der Welt mitsamt seinen politökonomischen Gründen eine Absage zu erteilen, ist ihm offensichtlich völlig fremd. Er nimmt sich bei aller demonstrativen Intellektualität noch nicht einmal die intellektuelle Freiheit, von den Kontroversen, die die Staaten gegeneinander aufmachen, geistig einen Schritt zurückzutreten, sich die Interessen klarzumachen, die da unversöhnlich aufeinander prallen, sich ein objektives Urteil darüber zu bilden und dann auch mal ein anderes Ergebnis gelten zu lassen als die Zustimmung zu einer der beiden Seiten. Den Anspruch auf parteiliche Anerkennung, den alle Mal beide Kampfparteien in einem politischen Streit erheben, nimmt er so ernst, dass er in seiner Eigenschaft als Moralwachtel „der Linken“ die Verpflichtung verspürt, eine dieser Seiten zumindest für das kleinere Übel zu halten und der die moralische Sympathie zu erklären. Das ist für ihn sittlich geboten; „realpolitisch“ ist es zugleich auch; und nichts anderes kann er sich als „die Sache der Linken“ vorstellen als: den realen Mächten in deren Kämpfen aus höherer moralischer Warte die Daumen zu drücken bzw. eine Niederlage an den Hals zu wünschen.

Völlig klar, dass mit dem Golfkrieg hier eine neue Entscheidungssituation gegeben ist. Früher, meint Gremliza, mag es manchem selbstverständlich vorgekommen sein, für die Opfer des Imperialismus Partei zu ergreifen; denn immerhin stand irgendwie die realsozialistische Weltmacht hinter einer solchen „Option“, und so haben sich „Linke“ nicht gleich lächerlich gemacht, wenn sie contra USA und pro Dritte Welt auf der richtigen Seite zu stehen glaubten. Heute kann er diese Einstellung, in der er rückblickend eigentlich nicht mehr als eine nur scheinbar selbstverständliche moralische Attitüde erkennen mag, aber gar nicht mehr billigen: Nicht er, die Weltlage höchstpersönlich verbietet das. Sie hat mit dem Ende der Sowjetunion auch die Möglichkeit einer generellen Absage an den Imperialismus von der „linken“ Tagesordnung abgesetzt.

Und was steht nun stattdessen drauf?

2. Deutschland – über alles in der Welt bösartig!

Das sieht, laut „konkret“, doch jeder, der nur richtig hinguckt: der neue Kalte Krieg zwischen Deutsch-Europa und den USA. Um hier nur noch einmal kurz an die Fakten zu erinnern: Deutschland hat zu diesem außerhalb der Nato geführten US-Krieg eine gewisse Distanz erkennen lassen, sich nicht mit Waffen und Soldaten beteiligt, sondern nur Funktionen in der Etappe der amerikanischen Truppen erfüllt und hinterher deren Kriegskosten mitfinanziert. Das genügt Gremliza, um es zu einem geheimen Verbündeten des Irak und zum geheimen Feind der USA zu befördern und an Euphrat und Tigris inmitten des heißen Kriegs gegen den Irak einen dann doch bloß kalten Krieg zwischen Deutschland und den USA ablaufen zu sehen. Damit hat der Golfkrieg die Bedeutung, die der „linke“ Weltmoralist braucht, um aus einer unanfechtbaren „moralischen Deckung“ heraus Partei zu ergreifen: Deutschland hat die USA, die selbstredend auch böse, gewalttätig und ausbeuterisch sind, schon einmal an Bösartigkeit übertroffen – „und würde sie wieder übertreffen“. Hitler lebt – nicht in dem metaphorischen Sinn, in dem eifrige Propagandisten Saddam Hussein zum neuen „Hitler der arabischen Welt“ stilisiert haben, sondern in Gestalt der BRD buchstäblich. Mit der bruchlosen Verlängerung des deutschen Faschismus nicht bloß bis in die Gegenwart, sondern gleich bis in alle Zukunft gibt Gremliza die entscheidende Bestimmung seiner neuen Weltlage; und er führt sie ein wie eine offensichtliche Selbstverständlichkeit. Woher hat er diese Kontinuität, wo ist sein Bindeglied von vorgestern zu übermorgen? Findet er sie im Grundgesetz, in der polit-ökonomischen Verfassung des Landes, im Regierungsprogramm oder eben doch in der Volksnatur der Deutschen, ihrer Rasse? Ohne dafür zu argumentieren, insinuiert der Antirassist ein rassistisches Argument: Einmal Deutscher, immer Nazi! – und setzt darauf, dass ihm schon keiner seiner Leser widersprechen wird. Denn ein solcher Einspruch würde – dem Debattierstil von „konkret“ zufolge – als genau der Beweis hergenommen, der bei ihm fehlt: Wer bezweifelt, dass Deutschland das Reich wieder errichten und Juden ermorden will – und das nur noch nicht frei zeigen kann –, der entschuldigt die unverbesserliche Nation, entlarvt sich als Apologet des Deutschtums und belegt, woran er Zweifel anmeldet. Widerspruch entlarvt den Nationalisten – die „Logik“ des Verdachts ist wasserdicht!

Gremlizas Komparativ von böse zu böser macht aus kooperierenden und konkurrierenden imperialistischen Staaten hie den Schrecken der Menschheit und da eine wohltätige Macht. Als Bremse gegen den Wiederaufstieg des furchtbaren Deutschland bekommen der US-Imperialismus, seine Beherrschung der Welt und seine Kriege einen guten Sinn zugesprochen, und der verdient jede linke Solidarität: To keep the Germans down! „konkret“ setzt auf die Unterdrückung der deutschen Nation durch den Nationalismus anderer Nationen und ruft diese zu einer konsequenteren Durchsetzung gegen Deutschland auf. Kriege, die richtigen antideutschen, schätzt er als Beitrag zum Fortschritt der Zivilisation; deutsche Kriege sind Barbarei. Das ist der neue Kompass, den das Blatt seinen Lesern seit Jahren verpasst.

Diese Aufforderung zur fundamentalmoralischen Absage an alles Deutsche erfüllt den Tatbestand der Anti-Kritik. Sie ist eine prinzipielle, weil vor jedem sachlichen Argument ergangene methodische Absage an jede Kritik der BRD in ihrer heute real existierenden Verfassung, mit ihren durchaus neuen kapitalistischen Errungenschaften und imperialistischen Vorhaben, ihrem demokratischen Parteienwesen und ihrer politischen Spaßkultur, die übrigens einiges an antifaschistischer political correctness und daraus gespeiste Kontroversen von extrem hohem Blödheitsgrad einschließt. Nichts davon erscheint den „konkret“-Autoren für sich kritikabel; Grund für eine Verurteilung bietet allein die sachfremde und in ihrem behaupteten Gegenwarts- und Zukunftsbezug bloß unsinnig verfremdende Erinnerung daran, dass knapp 60 Jahre zuvor etwas ganz anderes, der Völkermord an Europas Juden, in Gang war. Ohne die Berichte über die Zeit von ’33 bis ’45 wüssten sie nicht, was sie an der deutschen Rolle in der globalen Marktwirtschaft, am Schmieden der europäischen Union und an deren Konkurrenz zu den USA auszusetzen hätten. Durch die Brille der alten Berichte aber wissen sie, woran sie sind mit diesem Deutschland. Was immer dieses Land tut, welcher Mittel es sich auch bedient, es geht immer um das Gleiche: eine Wiederauflage der Hitlerei, des deutschen Eroberungskriegs, des alten Drangs zur Weltmacht und vor allem – denn erst da ist die „konkret“-Mannschaft sich der „moralischen Deckung“ ihrer gewollten Parteinahme absolut sicher – der Judenvernichtung.

Dem Desinteresse der „Antinationalen“ an einer Kritik der aktuellen deutschen Staatsräson entspricht ihr Desinteresse an einer Kritik des nationalen Denkens. Sie verurteilen am deutschen Nationalismus das Deutsche und eben nicht den Fehler, den die Objekte nationalstaatlicher Herrschaft begehen, wenn sie die Ziele der Staatsmacht zu ihrer Sache machen, nur weil sie von ihr abhängen. Sie kritisieren den Nationalismus nicht – da gäbe es auswärts nichts anderes zu sagen als daheim –, sondern beantragen seine Verkehrung ins Gegenteil. Statt des üblichen Stolzes wird Abscheu, statt der Liebe zum Vaterland wird Hass auf’s nationale „Wir“ zum ewigen Gebot für das Kollektiv der Deutschen – und nur für dieses. Das sehen Antideutsche nämlich bleibend und unheilbar diskreditiert durch den historischen „Fehltritt“, den dieses Kollektiv sich seinerzeit geleistet hat. Und der besteht, nochmals, nicht im Faschismus selbst, auch nicht in ihrer Bereitschaft zu einem zweiten Weltkrieg, überhaupt nicht in einer politischen Einstellung, an der eine wirkliche Kontinuität zwischen den Zeiten der Nazi-Herrschaft und der BRD des 21. Jahrhunderts wirklich ausfindig zu machen wäre, sondern allein im praktisch betätigten Judenhass. Der soll einerseits mit gar keinem politischen Standpunkt zusammenhängen, vielmehr eine ganz spezielle und exklusiv deutsche moralische Singularität darstellen, als solche jedoch andererseits das bleibend Allgemeine am Deutschtum, sein bleibendes Charaktermerkmal ausmachen. Nach einem allgemeineren Grund für den antijüdischen Exzess der Deutschen, in deren ausgrenzender patriotischer Moral womöglich, auch nur zu fragen, lehnen die „konkret“-Autoren ab; so entschieden, als käme ihnen ihre totale moralische Absage an den deutschen Nationalismus abhanden, wenn sie das Nationalistische daran, den von den Nazis so aberwitzig radikalisierten Säuberungswahn, zur Kenntnis nähmen; ja als wäre ihnen daran alles recht, wenn bloß das von ihnen postulierte einzigartig Deutsche nicht wäre. So erweisen sie sich als die letzten Fanatiker der „Vergangenheitsbewältigung“, jenes vom offiziellen Nachkriegsdeutschland auf die Juden beschränkten Schuldeingeständnisses und der auf Israel begrenzten Bereitschaft zur Wiedergutmachung. Sie betätigen sich als Aufpasser über diese langsam verblassende ideologische Pflichtübung und verordnen sie den nachgeborenen Deutschen als die einzige Weise, wie sie allenfalls gute und dann nicht mehr im eigentlichen schlechten Sinn Deutsche werden könnten. Dass die anderen Deutschen sich um diese political correctness nicht scheren, registrieren sie als allseitige deutsche Unbußfertigkeit, fassen diese als einen Willen zur Wiederholungstat auf und interpretieren von da aus die Welt.

3. Der Staat der Juden – über jede Kritik erhaben!

Der wegen Auschwitz erteilten Absage ans deutsche Böse steht die Parteilichkeit für den absolut guten, zu allem berechtigten Staat der Juden gegenüber. Auch der wird nicht als das zur Kenntnis genommen, was er ist, sondern als Wirklichkeit seiner historischen Gründungsideologie; darüber erschließt sich den Antideutschen und eben gar nicht Anti-Nationalen, was für eine segensreiche und heimelige Einrichtung der Nationalstaat doch ist. Allein dem israelischen Exemplar, diesem aber ganz distanzlos lässt Gremliza die alte Sozialkundelüge durchgehen, die politische Herrschaft wäre einzig zum Schutz ihrer Untertanen auf der Welt.

„Israel ist der Staat, dessen ganzer Zweck der Schutz jüdischen Lebens ist. Verlören die Juden ihn, wären sie erneut den Launen der Antisemiten und anderer Proletarier aller Länder preisgegeben. Wer staatliche Herrschaft angreifen will, hat weltweit zweihundert Stück zur Auswahl. Eine Linke, die aus eigener Kraft so gut wie nichts mehr vermag, sollte wenigstens alles unterlassen, was Israel im Kampf um seinen Bestand behindern könnte.“ (Gremliza, konkret 5/02)

Um mit den „Launen der Antisemiten“ anzufangen: Ausgerechnet ein Intellektueller, der eine Zeitung herausgibt, mit seinem Publikum also irgendwie theoretisch verkehrt, hält schon jeden Versuch für absolut nutzlos, privaten Antisemitismus – immerhin wohl auch seinem Urteil nach eine falsche Schuldzuschreibung – anders zu bekämpfen als durch ein Plädoyer für eine überlegene Gewalt, an der dieser nicht korrigierbare Antrieb sich bricht. Für eine Kritik des rassistischen Ressentiments verschwendet er seine Zeilen jedenfalls nicht. Stattdessen füllt er sie mit denunziatorischen Abrechnungen: Über ein kleines „und“ schlägt er mal schnell die Proletarier aller Länder den Antisemiten zu. Vielleicht sind manche Proletarier ja Antisemiten, aber man wüsste doch gerne den Zusammenhang. Sind sie es, weil sie Proletarier sind? Entspricht es ihrer Klassenlage? Ist der Hass auf die Juden nach Gremlizas Einsicht eine automatische, unausweichliche, womöglich gar korrekte Lehre aus ihren Erfahrungen? Oder betätigen sie sich, wenn sie Juden hassen, als Patrioten und gerade nicht als Proletarier? Aber was soll’s: Der Autor will mit seiner flotten Andeutung gar nichts erklären, eine kleine Gemeinheit gegen den gestanzten Berufungstitel der „Linken“ los werden und damit durchaus auch gegen die – von ihm offenbar nur so wahrgenommene – linke „Tradition“, ausgerechnet diesen Menschenschlag agitieren zu wollen. Eine nebenher eingestreute, nicht weiter verfolgte Verleumdung – das macht die Intellektualität des Autors aus. Aber das nur am Rande. Worauf es ihm ankommt, ist – wie immer – ein Ordnungsruf an seine eingebildeten Adressaten, „die Linke“. Die überführt er mit einer eigenen Ironie der Voreingenommenheit: Von 200 Objekten, die er Leuten anzubieten hätte, die unbedingt staatliche Herrschaft angreifen wollen, suchen die sich ausgerechnet und immer nur Israel heraus. Gelungen an diesem netten Angebot – bei dem man schon gar nicht mehr fragen mag, ob Gremliza von linker Kritik an anderen Staaten wirklich noch nie etwas mitbekommen hat – ist die Vorstellung von Staatskritik, die ihm zu Grunde liegt: Er kennt sie als Marotte von Spinnern, die auf einer ziemlich beliebigen Suche nach geeigneten Objekten für ihre Sorte Sprachspiel sind und denen es daher eigentlich gleichgültig sein könnte, worauf sie ihre verbalen Angriffe richten – zumal angesichts der Tatsache, dass sie aus eigener Kraft gar nichts mehr vermögen, auf ihre Kritik sowieso geschissen ist. Wenn die sich trotzdem mit ihrer Kritiksucht ausgerechnet auf Israel stürzen, obwohl sie sich doch prima an andere halten könnten, dann verrät das dem Überwachungsorgan für „linke“ Aktivitäten mindestens erste Ansätze zu einem antisemitischen Vernichtungswillen. Und unter dem Gesichtspunkt liest sich der Vorwurf des Unvermögens ziemlich genau entgegengesetzt: Mit ihren albernen ohnmächtigen Machenschaften könnte „die Linke“ durchaus „Israel im Kampf um seinen Bestand behindern.“ Sonst gar nichts, aber Sharon in seinem gerechten Krieg aufhalten, das soll die impotente Linke dann doch können – eine lächerliche, allerdings sehr konsequente Umdrehung des Größenwahns einer Zeitschriften-Redaktion, die meint, mit ihrer moralischen Parteinahme würde sie aktiv ins Weltgeschehen eingreifen und der guten Sache nützen.

Fest steht jedenfalls: Israel muss seine Kriege gewinnen – wg. Auschwitz. Und damit steht zumindest so viel fest, dass der intellektuelle Kopf von „konkret“ sich ganz fest dagegen entschieden hat und vielleicht schon gar nicht mehr dazu in der Lage ist, im Falle Israels ein paar grundlegende politische Unterscheidungen zu treffen und vor allem eine Staatsräson und ihre ideologische Verhimmelung auseinander zu halten. Wie er die deutsche Nachkriegsideologie von der Wiedergutmachung als eigentlichen, freilich verratenen Existenzzweck und Auftrag des neuen Deutschland missversteht, so verwechselt er die zionistische Idee, auf die sich der israelische Staat beruft, mit dessen praktisch verfolgten Staatszielen. Tatsächlich hat der heutige Staat der Juden einen Existenzgrund und Zweck, den sich der sozialistisch angehauchte Gründervater des Zionismus nie hätte träumen lassen. Da strebt eine allen ihren Nachbarn überlegene Militärmacht nach fortdauernder Dominanz in der Region und dehnt gleichzeitig ihre elementare materielle Grundlage, Staatsgebiet und verfügbares Staatsvolk, ausschließend gegen die vorgefundene Bevölkerung bis zum Jordan aus – eine vollständige Umkehrung des ursprünglichen zionistischen Anliegens, zerstreute und von Übergriffen bedrohte jüdische Gemeinden auf einer britischen Quasi-Kolonie neu anzusiedeln und zu einem friedlichen Gemeinwesen nach Art eines Arbeiter- und Bauernstaats zusammen zu schmieden. Und während die Gründerväter auf die Duldung ihrer Siedlungstätigkeit durch die Kolonialmacht setzten, später dann mit der nötigen Gewalt und unter Einsatz terroristischer Methoden die staatliche Emanzipation erkämpft wurde, macht die Militärmacht von heute mit der amerikanischen Weltmacht gemeinsame Sache, erkauft sich militärische Machtmittel und politische Rückendeckung durch ihren Dienst als strategischer Vorposten der US-Kontrolle über die Gewaltverhältnisse in der Ölregion, an dem die arabische Staatenwelt sich vergeblich abarbeitet und spaltet, und kommt nicht zuletzt deswegen mit ihrem mittlerweile über 50-jährigen Staatsgründungs-Krieg nicht ans Ende. Den Juden in aller Welt winkt in Israel keine sichere „Heimstatt“ mehr, umgekehrt wartet auch kein Pogrom-gefährdetes Ghetto auf ein solches Angebot; stattdessen lebt man als Jude heute rund um „Zion“ am gefährlichsten: Und wenn man nicht dort lebt, wird man von der „Heimat“ als Unterstützer materiell und vor allem moralisch in Anspruch genommen; bis zu der fatalen Konsequenz, dass der israelische Staat jede Kritik an ihm als Antisemitismus denunziert und so, statt zwischen sich und zwar jüdischen, ansonsten aber unbeteiligten Dritten zu unterscheiden, jedes nach dem jüdischen Kalender lebende Gemeindemitglied auf der Welt für seine Gewaltaktionen ideell haftbar macht. – Und das hätten frühe Zionisten und spätere KZ-Opfer beantragt?!

Im Übrigen ist auch der zionistische Einfall, die Diskriminierung der Juden in Europa mit der Gründung eines neuen volksjüdischen Gemeinwesens zu beantworten, nur für Nationalisten unbedingt einleuchtend, also durchaus nicht über alle Kritik erhaben. Nicht wenige Juden sind jedenfalls über ihre Erfahrungen mit dem Nationalismus der anderen nicht auf einen kraftvollen eigenen Nationalismus als Lösung verfallen, haben ihr Heil nicht in einem jüdischen Staat gesucht, sondern haben es lieber mit dem Internationalismus der kommunistischen Bewegung gehalten. Heute ist es gleich doppelt umgekehrt: Da verurteilen israelische Nationalisten aufs Schärfste den Einfall, die Demütigung eines ziemlich rechtlos gestellten Volkes durch eine übermächtige Staatsgewalt und die Verachtung seiner Mitglieder durch die nationalstolzen Mitglieder der Herren-Nation mit dem Kampf um einen eigenen Nationalstaat zu beantworten – an den Palästinensern.

Doch was soll’s: Mit der imperialistischen Sachlage befassen sich Gremliza und seine Co-Autoren ohnehin überhaupt nicht, und mit dem alten Zionismus so wenig wie mit seiner heutigen staatsideologischen Verkehrung. Ihnen geht es um Höheres: um die Pflicht der „Linken“ zu antideutsch-proisraelischer Parteilichkeit. Dabei fällt es ihnen im Traum nicht ein, für einen solchen Standpunkt zu argumentieren. Damit würden sie ja schon einräumen, dass es überhaupt Argumente braucht, also Zweifel auszuräumen wären, wo doch die Lage längst klar ist und bedingungslose Parteinahme das Mindeste, was die Söhne und Töchter der Täter zu tun hätten. Und weil ihre vorgestellten Adressaten es daran fehlen lassen, schreiten sie zur Abrechnung:

Die Linken – lauter Antisemiten!

Die Autoren von „konkret“ stellen die Gemeinde, die sie als „die Linke“ ansprechen, auf ihren antideutschen, immer radikaler ausgestalteten Prüfstand. Dabei stört es sie überhaupt nicht, dass es die angeredete Gemeinde, vor der sie sich so gerne in der Pose des Warners, Mahners und Wegweisers aufbauen, gar nirgends gibt. Sie nutzen im Gegenteil die damit gegebene Freiheit, sich ihr Publikum passend vorzustellen und in ihrer Phantasie mit all den Fehlern auszustatten, die sie ihm verbieten möchten. Wenn sich dann irgendwo tatsächlich ein Linker rührt, der zu Deutschland oder gar zu Israel eine Meinung hat, dann kann er äußern, was er will: Er ist ein Beleg für jenen „linken Antisemitismus“, dessen moralische Vernichtung die Zeitschrift sich zum Daseinszweck gemacht hat.

So fällt der Chef des Blattes über eine schon fast peinlich ausgewogene Stellungnahme der DKP-nahen „Marxistischen Blätter“ zum Nahost-Krieg her und fertigt sie durch eine eingestandene Übertreibung ab:

„Der Zionismus, heißt es, sei Antwort auf die antijüdischen europäischen Nationalismen und folge doch zugleich deren Denkmustern. Zionismus – jetzt überspitze ich ein wenig, aber der Gedanke schwingt mit in diesem Satz und soll mitschwingen – Zionismus folgt den Denkmustern der Nazis. … Wer hier am Werk sieht, was am Werk ist: ein sich selbst nur schlecht verleugnender Antisemitismus …“ (konkret 5/0)

Ein Staatsprogramm ist kein „Denkmuster“; es „folgt“ den Notwendigkeiten und Gelegenheiten, die eine „höchste Gewalt“ für sich sieht. Was den Zionismus betrifft, so mussten dessen Erfinder schon von allein auf die Idee kommen, die Anhänger des jüdischen Volks-Glaubens aus aller Welt aufzusammeln und am Ursprungsort ihres sehr speziellen Gottvertrauens neu anzusiedeln; dafür haben sie mit dem Argument geworben, sie wollten doch nur dem Vorbild der etablierten Nationen und dem ehrenwerten „Denkmuster“ des Nationalismus nacheifern, und haben das selber sicher nicht für eine Schande gehalten. Und die Staatsräson wie die Staatsideologie des heutigen Israel, so sehr sie sich auf den Zionismus berufen mag, ist eine noch ganz andere Sache. Doch nichts von alledem fällt Gremliza zu der angedeuteten Zionismus-Kritik der „Marxistischen Blätter“ ein. Er verbittet sich den kritischen Ton, den er dank entsprechender Verstärkung „mitschwingen“ hört, und benötigt für sein Verdikt, da wäre „Antisemitismus“ am Werk, noch nicht einmal die schlechte Abstraktion eines „Denkmusters“ als Argument-ähnliches Zwischenglied. Stattdessen setzt er sich ausgerechnet mit der entlarvenden Ur-Formel jeder begründungslosen Weltanschauung ins Recht: „wer am Werk sieht, was am Werk ist…“ Die Differenz zum Antisemitismus, die die „Blätter“ für sich in Anspruch nehmen, denunziert er, ohne auch nur irgendein Indiz dafür zu nennen, als von ihm durchschaute ‚schlechte Selbstverleugnung‘ – das Gerichtsverfahren ist wasserdicht, und der Verurteilung entgeht keiner; wer leugnet, schon gleich nicht: Wer zwischen den Groß-Israel-Projekt der Likud-Regierung und dem Anspruch von Juden in aller Welt auf ein Leben ohne rassistische Anfeindungen auch nur den geringsten Unterschied macht, will Auschwitz reaktivieren. Gremliza jedenfalls will zwischen Einwänden gegen das Expansionsprogramm einer regional dominanten Militärmacht und einem gesteigerten Ressentiment gegen Leute, die diese Militärmacht sich als ihre Manövriermasse zurechnet, noch viel weniger unterscheiden können als diejenigen, die er verdächtigt, mit ersteren bloß letzteres zu meinen. Denen haut er zur Strafe eine Gleichung um die Ohren, die der zwar gar nicht verbrochenen, von ihm aber inkriminierten Gleichsetzung von zionistischen und nationalsozialistischen „Gedanken“ an Gemeinheit wenig nachsteht: Wer ganz im Sinne von „konkret“ auf moralische Einmischung ins Weltgeschehen scharf ist, im Gegensatz zu „konkret“ aber den Falschen die Daumen drückt, bloß weil sie so arg gebeutelt werden, der soll doch gleich „nach drüben“ gehen und sich den – Revanchisten anschließen!

„Wenn sie mit um ihre Würde kämpfenden Opfern von Massakern und systematischer Vertreibung solidarisch sein wollen, warum gehen sie dann nicht zur Sudetendeutschen Landsmannschaft?“ (konkret 5/02)

Fast ist man versucht, Gremliza diese Frage zurückzugeben; doch es hätte gar keinen Zweck. Denn der Mann ist ganz einfach der Meinung, dass dem israelischen Staat und seiner Landsmannschaft um der „Opfer von Massakern“ willen eine bedingungslose Solidarität zusteht, auf die andere „Opfer von Massakern“ bzw. deren nachträgliche politische Anwälte keinen Anspruch erheben können. Für ihn sind Israel und die Juden kein Anwendungsfall einer allgemeinen moralischen Verpflichtung, „Bedrängten“ wenigstens ideell zu Hilfe zu eilen, wie „gute Menschen von links“ sie in sich verspüren – sie sind ein moralischer Fall sui generis, eine sittliche Singularität; etwas, was jenseits aller abstrakten „Normen und Werte“ zumindest jeden sensiblen Deutschen zu einem nicht weiter ableitbaren moralischen Engagement verpflichtet. Dass damit Machenschaften der israelischen Staatsgewalt und völkische Rohheiten ihrer Vertreter und Anhänger gebilligt werden, die die Moral des allgemeinen Menschen- und Völkerrechts ansonsten ächtet, ist kein Grund für Zweifel am verlangten Pro-Israelismus – übrigens erst recht kein Anlass, die Rolle von Moral und Menschenrecht in der imperialistischen Welt von heute sowie im Gemütsleben empörter Zeitgenossen einer Kritik zu unterziehen –, sondern eine geradezu willkommene Bewährungsprobe für die Gesinnung, die der Antideutsche „der Linken“ im Lande vorschreiben möchte. Thomas Ebermann z.B. sieht ein und wirbt dafür, dass Israel seine völkischen Reihen geschlossen halten muss und den von ihm Vertriebenen die Rückkehr nicht erlauben kann: Wer das fordert, schreibt er, billigt ja den Staat Israel mit jüdischer Mehrheit faktisch nicht, wodurch es keinen Fluchtpunkt für antisemitisch Bedrängte mehr gäbe (konkret 5/02). Dass Juden in einem säkularen Staat mit Nichtjuden zusammenleben, eventuell gar mit einer Mehrheit solcher, ist nicht zumutbar. Bei Israel geht in Ordnung, was Ebermann bei jedem anderen Staat als ein rassistisches Reinhalten des Volkskörpers geißelt – daheim hat er viel übrig für freien Zuzug von Menschen aus aller Welt, verurteilt die restriktive Asylgewährung und noch mehr die Abschiebungen. Wer dagegen die Vertreibung der Araber verurteilt und für die Opfer Israels auch nur eine bedingte Solidarität erklärt, wie sie die Antideutschen für Israel unbedingt einfordern, der bekommt eine geistige Nähe zu Revanchisten und KZ-Wächtern bescheinigt. Und so weiter: Ganz gleich, was der jüdische Staat unternimmt und warum – die jüdische Atombombe, Rassismus, religiöser Fundamentalismus –, antideutsche Zustimmung ist ihm sicher. Schon wer Israel über den Leisten einer allgemein-menschlichen Sittlichkeit schlägt und seine Politik danach beurteilt, statt gerade deren Brutalitäten zu entnehmen, worin und wie absolut dieser Staat grundsätzlich im Recht ist, versündigt sich an ihm. Umgekehrt: Daran, dass man Israel zubilligt, was man sonst als schreiendes Unrecht verurteilen würde, bewährt sich der wahre und gute Antideutsche. Und daran, dass man diese Parteilichkeit an ihm vermisst, entlarvt sich der Antisemit.

Wahres Linkstum heute: ein methodisch geheiligter Israel-Nationalismus

Dieser Standpunkt, das muss man „konkret“ lassen, ist selber eine moralische Singularität. Seine nächste Entsprechung hat er in einem israelischen Nationalismus, der – wie Nationalisten es eben tun – vom geltenden militanten Staatsinteresse her Freund und Feind und dementsprechend, verbindlich fürs eigene Gemüt und Gewissen, überhaupt gut und böse unterscheidet und jeden Fremden als Verbrecher, jeden Mitbürger als Verräter identifiziert, der diese Unterscheidung unter Berufung auf irgendeine angeblich höhere Moral nicht gelten lässt. Diese nationalistische Unterscheidungskunst ist ihrerseits überhaupt nichts speziell Israelisches, sondern zeichnet jeden Nationalismus aus; sie ist die Quintessenz und der Inbegriff aller patriotischen Parteilichkeit – und nicht nur das. Tatsächlich ist diese Sorte Parteilichkeit sogar der reale Ursprung und das Prinzip aller Moral. Die Idee einer allgemeinverbindlichen Sittlichkeit mag davon abstrahieren; die Sittlichkeit, auf die der moralische Mensch sich verpflichtet, ist alle Mal der zur höheren Norm erhobene Rechtsanspruch des Gemeinwesens, dem er zugehört, auf „verantwortungsvolles“, also Gemeinwohl-dienliches Verhalten; und spätestens der Fall eines nationalen Notstands stellt die banale Wahrheit klar, dass das ideale Kollektiv, von dem alle moralischen Unterscheidungen ausgehen und das als „Stimme des Gewissens“ zu jedem seiner Mitglieder spricht, die idealisierte Fassung der Nation ist, der der Einzelne als bürgerrechtlicher Untertan subsumiert und inkorporiert ist. Umgekehrt gibt die akzeptierte Zugehörigkeit zum „eigenen“ nationalen Gemeinwesen den Standpunkt des verbindlichen Be- und Verurteilens her, mit dem ein moralischer Heini selbstbewusst über die Welt herfällt; stattet ihn auch gleich mit den wirklich gültigen Maßstäben und Richtlinien dafür aus, lässt andererseits im Normalfall einige Freiheiten bei deren Anwendung. Denn gerade weil der moralische Mensch den Standpunkt des gemeinwesentlichen „Wir“ einnimmt und von da aus seine Zensuren verteilt, gerade weil er so parteilich ist, dass er sich selbst für den autonomen Ursprung seiner hochanständig-parteilichen Urteilsfindung hält, traut er sich durchaus auch schon mal ein in aller Verantwortlichkeit, ja gerade aus Verantwortungsbewusstsein vom allgemeinen Konsens abweichendes Urteil zu, und zwar auch und gerade über die Machenschaften der real existierenden nationalen Obrigkeit, die das sittliche „Wir“ ja nicht für sich gepachtet hat. Zum wirklich als Moral „verinnerlichten“ Patriotismus gehört insoweit, normalerweise, ein gewisser – begrenzter, aber immerhin: – Pluralismus bei der Einschätzung von Nutzen und Schaden dieser oder jener Grundsatz- wie Einzelentscheidung der Staatsgewalt für das real existierende höchste Gut, die sittliche Wohlfahrt des Gemeinwesens – oder wie immer die Phrasen des patriotischen Anstands lauten.

So viel Meinungsfreiheit duldet die Israel-Moral oder genauer: die Annäherung an eine borniert-bedingungslose Parteilichkeit für die „israelische Sache“, die die antideutsche Mannschaft sich zurecht konstruiert, nicht. Und zwar deswegen nicht, weil diese Gesinnung so absichtsvoll konstruiert ist. Da geht eben nicht einfach ein Haufen patriotisch angeheizter Israelis ideologisch zu Werk – wenn solche Typen aktiv werden, dann verfolgen sie z.B. Wehrdienstverweigerer als Vaterlandsverräter, aber andere meinen gerade mit ihrer Verweigerung dem Vaterland den besten Dienst zu tun –, sondern da legen externe Intellektuelle sich die Borniertheit israelisch-vaterländischer Parteilichkeit als Standpunkt zurecht, den einzunehmen sie als Antideutsche verpflichtet wären, und nehmen diesen Standpunkt bewusst und methodisch ein. Sie machen zum pflichtbewusst gewählten Gegenstand eines ausdrücklichen Bekenntnisses, was im Normalfall die nicht weiter reflektierte Prämisse des moralischen Urteilens ist. Und damit bringen sie die ganze Härte der moralischen Parteilichkeit zur Geltung, die sonst mehr oder weniger implizit – und nur bei den Extremisten einer „nationalen Sache“ so explizit – in jeder nationalen Moral steckt. Ihr Imperativ, als guter Deutscher wie ein idealtypisch bornierter Israeli zu denken und zu urteilen, gerät völlig folgerichtig zu einer explizit bedingungslosen Affirmation staatlicher Gewalt, zu der es in dieser Borniertheit und dieser Rigidität eigentlich, „normalerweise“, einen israelischen Faschisten bräuchte.

Nun sind Gremliza, Ebermann & Co freilich keine israelischen Faschisten, sondern bloß durchgeknallte deutsche Moralisten. Sie denunzieren und verfolgen auch, Jahwe sei Dank, keine israelischen Vaterlandsverräter, sondern predigen nur der von ihnen imaginierten deutschen „Linken“, dass sie sich eines fortgesetzten Moral-Verrats schuldig macht, weil sie nicht noch bedingungsloser zu Israel hält als jeder noch einigermaßen nüchtern gebliebene israelische Patriot. Ihre praktischen Ansprüche an antideutsches Wohlverhalten bleiben daher doch wieder sehr begrenzt. Man kann in Deutschland nicht gegen Israel und auch nicht gegen die je konkrete Regierungspolitik in Israel demonstrieren! verordnet Thomas Ebermann und rennt damit zumindest bei seiner rotgrünen Regierung, der schwarz-gelben Opposition und geschätzten 99% seiner gar nicht anti-deutschen Mitbürger offene Türen ein. Und auch die im Dienste Israels verrichtete Denunzianten-Arbeit der Zeitschrift beschränkt sich auf Artikel, die im Tonfall der Empörung Israel-kritische Demonstrationen und Verlautbarungen aus aller Welt auflisten: Globalisierungsgegner in Porto Allegre, die UNO, die Linken in Frankreich, Solidaritätsdemonstranten in Berlin, Friedensfreunde auf Ostermärschen – alles Antisemiten.

Der antideutsche Kompass versagt

Im Grunde wären die antideutschen Anti-Antisemiten damit fertig; doch ihr intellektueller Tatendrang ist damit noch keineswegs gestillt. Und zumindest in einer Hinsicht gibt es für sie immerzu zu tun: Wer am Werk sieht, was am Werk ist, der möchte das, was seiner festen Glaubensprämisse nach immerzu am Werk ist, auch immer und überall am Werk sehen. Wenn also in allen Weltaffären von Gewicht insgeheim der große Weltkonflikt zwischen dem ewigen Hitler im unverbesserlichen Deutschen und dem gegen seine Ausrottung ankämpfenden Judentum tobt – und „die Linke“ das andauernd mal wieder nicht sieht und nicht wahrhaben will, also mit der Nase darauf gestoßen werden muss –, dann möchte auch jede Affäre richtig subsumiert sein, damit man sich mit seiner Parteinahme nicht vertut und zuverlässig immer den Richtigen die Daumen drückt – nicht auszudenken, was herauskäme, wenn „die Linke“ fortwährend mit falscher Parteilichkeit dem Guten in den Arm fällt! So klärt „konkret“ artikelweise z.B. darüber auf, dass Milošević – man erinnert sich: ein Feind der „deutschen Machtergreifung auf dem Balkan“ – ein guter Mann sei. Am serbischen Nationalisten, weil er gegen Deutschland steht, wird der Nationalist ignoriert: Er ist ein moderner Staatsmann, der realistische, nicht völkische Lösungen für die Probleme Jugoslawiens gehabt hätte. Arafat, der Feind der Israelis, wird dafür umso schonungsloser als Nationalist entlarvt – was für eine Mitteilung über einen Staatsgründer! – und als mieser, deutsch-artiger Nationalist dazu: Er verheizt zynisch die Jugend für den Fetisch Vaterland und gründet sein Staatsprojekt auf korrupte, verwandtschaftliche Clan-Strukturen. Man vergleiche nur dieses elende deutsche Prinzip der Horde, der Verwandtschafts- und Blutsnation mit der kulturvollen Höhe der amerikanischen und – ausgerechnet – israelischen „Willensnation“, von der „konkret“ nur noch das Oberrabbinat in Jerusalem überzeugen müsste…

Nun liegt es allerdings in der Natur dieser großen und schönen Aufgabe, im Weltgeschehen moralisch Ordnung zu schaffen und überall richtig Partei zu ergreifen, dass es gar nicht so einfach ist, das Deutsch-Böse und das Jüdisch-Gute immer zuverlässig richtig zu verorten. Denn wo das Prinzip, unter das das Weltgeschehen subsumiert gehört, so klar, so eindeutig und so total sachfremd ist, so absurd äußerlich zu den Dingen steht, die aber partout darunter subsumiert werden müssen, da sind phantastische Konstruktionen gefragt; dabei wiederum ist ohne Willkür nicht auszukommen; und im Ergebnis lässt sich fast alles so oder auch genau andersherum deuten. Es ist daher kein Wunder, dass die Einigkeit der antideutschen Autorengemeinschaft bei nächstbester Gelegenheit zerbricht. Und da für sie nie ein Argument zur Debatte, sondern immer die einzig richtige moralische Parteinahme auf dem Spiel steht, ist es erst recht kein Wunder, dass sie sich über der unterschiedlichen „Einschätzung“ namhafter Ereignisse erbittert zerstreitet.

Eben dies ist ihr beim aktuellen Antiterrorkrieg der USA passiert; und damit wären wir – endlich – bei dem „Krieg“, den „konkret“ gegen sich selber führt. Alle, die dazu etwas beizutragen haben, gehen mit demselben geistig-moralischen Rüstzeug zu Werk, „schätzen“ gnadenlos Frontstellungen und historische Situationen „ein“, „entlarven“ deutsche Bösartigkeit einschließlich ihrer perfiden Selbstverleugnung und identifizieren weiße Ritter, die die Fahne des Guten hochhalten. So befragen sie den Krieg der USA gegen das afghanische Regime ausgerechnet darauf hin, ob er Deutschland schwächt und Israel stärkt – dann verdient er ihren antideutschen Applaus – oder umgekehrt – dann läge ein verabscheuungswürdiger Fall von US-Imperialismus vor. Und prompt sind sie entgegengesetzter Ansicht.

Die Antideutschen von der Zeitschrift „bahamas“ tun sich da besonders hervor. Sie sehen die Lage ganz klar: Deutschland plant Krieg gegen die USA, Partner ist der Araber und der ist ein Feind Israels. Ergo: Ein Ami-Krieg gegen Islam, Islamismus, Araber – alles dasselbe – ist Gift für Deutschland und ein Segen für die Juden.

„Es soll immer noch Leute geben, die einen Zusammenhang zwischen dem Massenmord vom 11.September und einer weltweiten Aggression gegen Juden und den jüdischen Staat nicht erkennen.“ (Pankow, Wertmüller, konkret 5/02) „Tatsächlich rüstet Deutschland seit zehn Jahren ideologisch, entwicklungspolitisch und diplomatisch für einen Krieg mit der Dritten Welt gegen den US-Imperialismus. Wichtigster Bündnispartner dafür war und ist die islamische Welt. … (Es) gab oder gibt hierzulande kein ‚Feindbild Islam‘ oder gar ‚antiislamischen Rassismus‘ … Der Islamismus wird als unbedingt zu würdigender Ausdruck einer Kultur genommen, die … das Recht habe, sich gegen ihre selbstgewählten Feinde zu verteidigen, auch wenn diese israelische Zivilisten sind.“ (Wertmüller, Pankow, Kunstreich, konkret 3/02)

Eine üble Allianz haben sie da entlarvt – wie übel, davon haben noch nicht einmal die Chefpropagandisten des Pentagon eine annähernde Ahnung. Denn die wissen gar nicht, dass sie in den Taliban und den islamistischen Fundamentalisten in Wahrheit ein deutsches Prinzip niedermachen und für Libertinage und Kommunismus Krieg führen. Im Afghanistan der Al Kaida geht es nämlich folgendermaßen zu:

„Ein Schwuler wird nicht verfolgt, weil er Linker wäre oder Angehöriger einer Minderheit. Ein Schwuler wird wegen seines höchstpersönlichen Anliegens, dem Wunsch, seine Lust zu befriedigen, verdächtigt und verfolgt. Ihm zur Seite steht die Ehebrecherin, die sich unfreiwillig gegen eine heilige Institution auflehnt, in Wirklichkeit aber nur ihrer individuellen Begierde folgt. … Aber auch der Egoist, der Privatmensch also, der allein seinen Interessen und Geschäften nachgehen will, erregt das Misstrauen seiner um identitäre Gemeinschaft ringenden islamischen Mitbürger und ihres antiimperialistischen Anhangs im Westen. … Gerade diese freiwillig oder unfreiwillig Volksfremden sind es, denen alle Solidarität von Kommunisten gelten muss. Sie sind es, die noch einen Rest von Individualität und Eigensinn, von privater Lebenslust repräsentieren und damit die Hoffnung auf etwas Besseres als die Hölle der negativen Gleichheit, die ihre Mitbürger so mörderisch vollstrecken. … Die Entscheidung gegen den Faschismus und daher gegen den Islam geschieht …in Solidarität mit seinen konkreten Opfern und in Hochachtung vor den individuellen Zielen, die mit ihnen in Verbindung gebracht werden. Für einen Krieg gegen den Islamismus, und sei es unter der Führung der USA, gegen das mörderische Unwesen dieser letztlich doch deutschen Ideologie.“ (ebd.)

So bringt endlich mal einer Ordnung in die unübersichtliche Welt von Tätern und Opfern! Wenn konsequent bei keiner Sache an das gedacht wird, was sie ist, sie stattdessen auf eine soziologische Abstraktion heruntergebracht wird, dann erscheint eben alles Wirkliche erstens gleich und zweitens nur noch als Symbol für gesellschaftskonstituierende Ideen: Islam, Islamismus, identitäre Gemeinschaft, negative Gleichheit – alles nur „Alias-Namen“ für eine verwerfliche deutsche Staatsidee. Die „Hölle der negativen Gleichheit“ ist selber das nächste Inkognito: ein Mittelding offenbar zwischen Faschismus, von dem sich die Bahamas-Leute gemerkt haben, dass er Begierde, Lust und Privatinteresse – wieder alles dasselbe – verbietet, und einer eher linken Idee der sozialen Gleichheit, die sie damit derselben Ekelhaftigkeit bezichtigen. Schwule und ehebrecherische Afghanen dagegen sind Alias-Namen für den westlichen Eigentums-Egoisten. Der erregt zwar nie und nimmer das Misstrauen seiner islamischen Mitbürger, weil es den Typen am Hindukusch gar nicht gibt; dafür aber genießt er die Abneigung mancher Linker im Westen, die damit ihrer Geistesverwandtschaft mit dem Steinigen und Hände-Abhacken der Taliban überführt sind. Vermittels der soziologischen Transsubstantiation werden die Opfer islamischer Blutjustiz zu eigentlichen Mitgliedern der westliche Zivilisation, deren bourgeoiser Individualismus ungefähr das ist, was Kommunisten sich erträumen. Ergo: Der Ami bombt in Afghanistan für Ehebruch, Homosexualität und Kommunismus, während die Taliban auf ihren Hinrichtungsplätzen eine deutsche Ideologie verwirklichen. Auf wessen Seite stehst du, Linker?

Leider immer noch auf der falschen. Und damit ist den „bahamas“-Leuten völlig klar, was der Linke für einer ist, der ihre Anti-Taliban-Solidarität nicht mitmacht: Selber Taliban!

„Im Opfer des islamischen Faschismus erkennt der Antiimperialist die Figur seines lebenslangen Hasses auf Betriebsamkeit, Genuss, Privatheit und Selbstbewusstsein, auf Eigenschaften, die den letzten Bürger, den es nicht mehr gibt, auszeichnen, und die man nun stellvertretend totzuschlagen zulässt, um die Unruhe in sich selbst, angesichts des Terrors der Gleichheit, den man selbst tatkräftig unterstützt, niederzuhalten. Die Entscheidung gegen den Faschismus und daher gegen den Islam … hat in den letzten Monaten nur ein Bruchteil der deutschen Linken konsequent getroffen.“ (ebd.)

Der Antiimperialist offenbart, wenn er dem Ami-Krieg nicht zujubelt, einen komplizierten Übersprungshass. In den schwulen und ehebrecherischen Opfern islamischer Bestrafung hasst er stellvertretend jemand ganz anderen, eine konstruierte Figur nämlich, in der Lebensfreude und kapitalistischer Konkurrenzerfolg identisch gesetzt sind. Es kommt nicht darauf an, ob es diese Figur irgendwo gibt – sie tut ihren Dienst als das Gegenbild jener Linken, die nicht mitmachen wollen beim Bahamas-Krieg: Antriebslose, Ich-Schwache, genussunfähige und moralinsaure Asketen, die dem „letzten Bürger“ sein blutvolles und erfolgreiches Leben neiden. Ihre Sozialkritik ist das Werk schwächlicher Naturen, die sich selbst nicht durchzusetzen vermögen und sich Gerechtigkeit durch negative Gleichmacherei verschaffen wollen, durch Zerstören alles dessen, was Spaß macht, was menschlich über ihnen steht und was abweicht. Die Lichtgestalt des „letzten Bürgers“ schlagen die linken Antiimperialisten nicht bloß ideell, sondern „tatkräftig“ tot, um ihr schlechtes Gewissen beim Hass auf dieses edle Menschentum los zu werden – und Konkret-Autor Elsässer ist ein „ex-antideutscher Populist“, weil er gegen einige Momente dieses Wahngebildes auf Realismus plädiert.

Dabei legt der haargenau dieselbe antideutsche Messlatte an den Antiterrorkrieg der USA an, kommt allerdings zum genau entgegengesetzten Ergebnis, was dessen antideutsche und proisraelische Stoßrichtung betrifft:

„Wer behauptet, Deutschland rüste ‚seit 10 Jahren für einen Krieg mit der Dritten Welt gegen den US-Imperialismus‘ hat nicht mehr alle Tassen im Schrank. Der deutsch-amerikanische Gegensatz wird noch etliche Jahre lang von der deutsch-amerikanischen Waffenbrüderschaft überformt werden. Die US-Army wird die Bundeswehrmacht also nicht stoppen. … Spätestens aus heutiger Sicht ist klar: Die USA haben sowohl 1989 als auch 1991 kein Remake der Anti-Hitler-Koalition gegeben, sie haben sich nicht gegen Deutschland gestellt und nicht für den jüdischen Staat eingesetzt, sondern – genau umgekehrt – Deutschland gehätschelt und mit Israel vabanque gespielt.“ (konkret 4/02)

Überall auf dem Globus wird dasselbe Stück aufgeführt; immer liegt das kosmopolitisch westliche mit dem deutschen Prinzip im Clinch. Dem aktuellen US-Krieg jedoch verweigert Elsässer das Prädikat ‚wertvoll‘, und noch nicht einmal dem Krieg von 1991 gegen den Irak will er den guten antideutschen Sinn attestieren, weil die Amis ihren historischen Auftrag verpasst und das „Remake der Anti-Hitler-Koalition“ verpasst haben, das am Golf eigentlich fällig gewesen wäre – so viel zu der Frage, wer da alles „nicht mehr alle Tassen im Schrank“ hat.

Die schlechte Meinung über den Golfkrieg wiederum führt zum Dissens mit Herausgeber Gremliza, der die welthistorische Gesamtlage genau so sieht; nur möchte er das begehrte Prädikat mal so, mal anders vergeben. Dabei verhehlt er gar nicht, dass seine Sinngebung mit wirklichen Gründen und Zielen der Kriege damals wie heute nichts zu tun hat: Wirkliche Gründe findet er belanglos – relativ zu den entscheidenden Fragen, die der gute Deutsche sich zu stellen hat. Gremliza möchte nur wissen, ob die USA wie 1991 auch heute wieder „aus falschen Gründen und mit falschen Begründungen das Richtige tun“, und kommt aus keinen besseren Gründen zu einem negativen Ergebnis als ’91 zu einem positiven – nämlich eigentlich ganz ohne Begründung:

„Der Staat, in den sich die den deutschen Mördern entkommenen Juden gerettet hatten, war in tödlicher Gefahr. Es gibt kein Prinzip, das es Mitgliedern des Kollektivs ‚die Deutschen‘ erlaubte, in solcher Lage anderes zu tun, als Israels Partei zu ergreifen. Der Krieg, der heute gegen die Taliban und demnächst gegen andere Schurken geführt wird, tut nicht einmal aus falschen Gründen und mit falschen Begründungen das Richtige: Gefahr von Israel abwenden.“ (konkret 3/02)

Das ist er auch schon, der kleine Redaktionskrieg: Die wahnhafte Beziehung des US-Feldzugs auf ihre imaginäre deutsch-jüdische Frontstellung führt zu divergierenden Subsumtionen, die die Redaktionskrieger mit einiger Schärfe und Bitterkeit gegeneinander wenden. In der Art, wie sie sich wechselseitig in die deutsche Ecke stellen, was sie sich und anderen vorwerfen – darin bleiben sie sich nichts schuldig, denn der Methode ihres Weltbilds sind die Feind gewordenen Brüder treu.

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Immerhin, dass die „konkret“-Autoren sich nun wechselseitig exkommunizieren, lässt hoffen; dass sie einander die Rückkehr in den Schoß der Volksgemeinschaft sowie faschistische und populistische Neigungen zutrauen, stimmt zuversichtlich. Ihre Methode der Denunziation wird produktiv. Vielleicht schreiten sie nächstens zur Introspektion und entdecken den Judenfeind in ihrem Inneren, gehen in sich und geben ihre Publikationstätigkeit wg. „sich selbst verleugnendem Antisemitismus“ auf? Solcher Läuterung hätten wir ein paar konstruktive Vorschläge mit auf den Weg zu geben.

– Ist, wer dem Antiimperialismus eine moralische Deckung bis 1991 bescheinigt, nicht ein heimlicher Antisemit, der ganz gezielt verschweigt, dass die Heimstatt der Juden in Palästina ohne die helfende Hand des britischen Imperialismus nie entstanden wäre? Müsste den Imperialismus nicht in Bausch und Bogen – und eben nicht erst ab einem bestimmten Datum – befürworten, wer dem begründeten Verdacht entgehen will, er wolle den verfolgten Juden doch die rettende Heimstatt verweigern?

– Macht sich, wer den Islamismus eine Spielart der abstrakten, negativen Gleichheit nennt, nicht des Antisemitismus schuldig, da er nur auf einen anderen Feind projiziert, was er eigentlich den Juden vorwerfen möchte? Und verrät sich dieser sich verleugnende Antisemit nicht dadurch, dass er an diesem anderen Feind dann doch nur festhält, was er typisch jüdisch findet?

– Und überhaupt: Wenn eine Zeitung schon „konkret“ heißt! Ist das nicht ein unübersehbares Bekenntnis zum antijüdischen Hass auf’s Abstrakte? Wer das Konkrete, Handgreifliche, Bodenständige wahr findet und das Abstrakte, Geistige, Bindungs- und Heimatlose unwahr, der zieht auch die „teutsche“ Ware dem jüdischen Geld vor, den bestimmten Landsmann dem abstrakten, kosmopolitischen Menschen. Millionen sind im Namen dieser Präferenz schon gemordet worden – und „konkret“ bekennt sich noch immer dazu!

Schwachsinn? Eben!