Aus der Reihe „Chronik - kein Kommentar!“
Anti-Rassismus-Konferenz in Südafrika:
Vom feinen demokratischen Unterschied zwischen achtens- und verachtenswerten Diskriminierungen
Anti-Rassismus als Berechtigungstitel für internationale Staatsansprüche. Anti-Diskriminierung als Güteausweis der Klassengesellschaft. Toleranz und Völkerfreundschaft als passende Werte zur staatlichen Scheidung zwischen In- und Ausländern.
Aus der Zeitschrift
Teilen
Systematischer Katalog
Länder & Abkommen
Anti-Rassismus-Konferenz in
Südafrika:
Vom feinen demokratischen
Unterschied zwischen achtens- und verachtenswerten
Diskriminierungen
Die UNO veranstaltet eine Weltkonferenz gegen
Rassismus, rassistische Diskriminierung,
Fremdenfeindlichkeit und damit verbundene Intoleranz
.
Worum es auf dieser Konferenz nur gehen kann, ist
ziemlich klar – den teilnehmenden Staaten zumindest, für
die der angesagte Kampf gegen alle Formen von
Diskriminierung
nur bedeuten kann, die Verfehlungen
anderer anzuprangern und jede Beschlussfassung
zu hintertreiben, durch die sie selbst auf die
Anklagebank geraten oder auch nur in ein schlechtes Licht
gerückt werden könnten. So haben indische Diplomaten
bereits im Vorfeld dafür gesorgt, eine Diskussion über
das Kastenwesen zu verhindern
; die afrikanischen
Staaten reisen mit der Forderung nach
Kompensationszahlungen für erlittene Nachteile aus
Kolonialherrschaft und Sklaverei
an; die arabischen
Staaten wollen auf der Konferenz eine Gleichsetzung
von Zionismus mit Rassismus
erreichen; Israel
wiederum und seine amerikanische Schutzmacht schicken
extra Delegierte zu der Konferenz, um dieser – bei einer
insgesamt derart deutlich antiwestlichen Tendenz
und der eindeutigen Zielsetzung einer Verurteilung
Israels
– eine Absage zu erteilen.
Daneben aber und all dem zum Trotz beteuert der
Veranstalter der Konferenz, der Generalsekretär der UNO,
Kofi Annan, unverdrossen, dass es bei der Konferenz
nicht darum gehe, sich gegenseitig zu beschuldigen. Alle
Delegierten müssen offen dazu stehen, dass Rassismus
überall auf der Welt stattfinde. Dementsprechend müsse
sich jedes Land am Schluss der Konferenz verpflichten,
ein nationales Programm gegen Rassismus auszuarbeiten und
durchzuführen
. Will der Mann die Staaten der Welt zur
Durchführung eines Erziehungsprogramms für ihre Völker
anhalten, damit die den respektvollen Umgang mit den
Bürgern anderer Nationen lernen? Meint er allen Ernstes,
dass er damit bei denen an der richtigen Adresse ist?
Zu allem Überfluss mischen dann noch diverse NGOs auf der
Konferenz mit, die meinen, es gehe darum, alle möglichen,
durch staatliche Praktiken und Unterscheidungen
geschädigte Interessen und Opfergruppen –
Wanderarbeiter, Frauen, Arme, Marginalisierte und
einheimische Völker
– in die Definition des
Begriffs Rassismus
aufzunehmen. Und so ist das
Durcheinander erst einmal perfekt.
Also noch mal von vorne. Dazu, sich auf irgendetwas
verpflichten zu lassen, sind die Staaten jedenfalls nicht
angereist; aus der vom Chef der Vereinten Nationen von
allen Seiten geforderten tätigen Einsicht, dass sie in
Sachen Rassismus bei sich etwas zu bereinigen haben, wird
deswegen auch nichts; das zuständige Komitee kann
diesbezüglich nur das Scheitern aller bisherigen
deklamatorischen Bemühungen
festhalten. Doch auch
wenn sich die Delegierten zum Leidwesen des
UNO-Vorsitzenden lieber wechselseitig mit
Schuldzuweisungen konfrontieren, so zeigt ihre
Anwesenheit auf der Konferenz immerhin eines: dass die
Nationen, die sie vertreten, nicht darauf verzichten
wollen, dies als Mitglieder und mit dem Segen
der Völkerfamilie zu tun, als deren oberster Repräsentant
Kofi Annan sie ja anspricht. Insofern ist es zwar immer
noch daneben, wenn der so tut, als würden die schönen
Grundsätze einer die Völkerfamilie verbindenden
Sittlichkeit die beschlussfassenden Staaten zu
irgendetwas verpflichten, doch mit dem Schein
einer solchen höheren, über ihnen als den obersten
Gewalten schwebenden sittlichen Verpflichtung wissen sie
durchaus selber etwas anzufangen. Versammelt haben sich
da nämlich Staaten, zwischen denen es längst nicht nur
üblich ist, Interessen, die sie aneinander und
gegeneinander auszutragen haben, als von der Gegenseite
zu respektierende Rechte geltend zu machen. Zu
ihren Gepflogenheiten gehört es außerdem, im Namen der
höheren Werte, mit denen sie sich die
Rechtmäßigkeit ihrer Herrschaft bescheinigen und als
ehrenwerte Mitglieder der Staatengemeinschaft vorstellig
werden, die Anerkennung solcher Rechtsansprüche
gegen Dritte durch den Rest der Staatenwelt zu
beantragen; denn durch diese Anerkennung bekommen die von
ihnen beanspruchten Rechte erst die Qualität
mehr oder minder gültiger Rechte; je nachdem,
wie das reale Kräfteverhältnis beschaffen ist zwischen
den Staaten, die sich hinter einen solchen Antrag
stellen, und denen, die ihn ablehnen. Umgekehrt machen
diese Staaten dann gelegentlich auch noch die
Herrschaftsideale, auf die sie sich dabei berufen –
besagte Werte, vom Menschenrecht bis zum
völkerverbindenden Antirassismus –, zum Stoff einer
eigentümlichen Diplomatie; und von dieser dritten Art ist
die Diplomatie, die in Durban stattfindet. In der geht es
den Beteiligten – von ihren jeweils unterschiedlichen und
gegensätzlichen Interessenlagen aus – darum, diese Ideale
als Berufungstitel für sich handhabbar zu
machen, sie nämlich in möglichst passgenau auf ihre
Bedürfnisse zugeschnittene Rechtstitel zu
überführen bzw. von den bereits institutionalisierten
Titeln eine ihren Ansprüchen an den Rest der Staatenwelt
möglichst gemäße Lesart durchzusetzen und als
für alle verbindlich festzuschreiben.
Darüber kommt dann der schlechte Witz zustande, dass sich
die Diplomaten darüber streiten oder einigen, wozu sich
ihre Nationen gemeinsam bekennen wollen, und wie das, was
sie alle zu ächten entschlossen sind, überhaupt zu
definieren wäre; ihre Auseinandersetzungen sind geprägt
von dem Vorwurf, die anderen wollten den edlen Geist der
Veranstaltung – die gemeinsame Verpflichtung
der
versammelten Staaten, gegen Rassismus,
Diskriminierung, Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz
vorzugehen – für ihre Interessen funktionalisieren; denn
darum geht es ja allen Seiten tatsächlich; als Ergebnis
der Konferenz darf die Öffentlichkeit mit Bedauern
konstatieren, dass man über allgemeine Willensbekundungen
zur Ächtung jeder Unterscheidung, Einschränkung oder
Bevorzugung, die auf Rasse, Hautfarbe, Abstammung oder
nationaler Herkunft basiert
, wieder einmal nicht
recht hinausgekommen ist.
Und noch immer lacht keiner. Über den noch schlechteren
Witz nämlich, dass sich da Staaten - die
gewaltbegabten Subjekte der allerwirksamsten
Diskriminierungen und die Brutstätten aller möglichen
rassistischen Umtriebe – zum Kampf gegen Rassismus und
alle Formen von Diskriminierung
aufgerufen gesehen
haben sollen.
*
Aber bitte: Mutig bekennen sich die in Durban versammelten Staaten zu den heiligen Grundsätzen der Sorte von Herrschaft, die sich als die erfolgreichste überall in der Welt durchgesetzt hat. Die und keine andere wollen sie ausüben, also keine Sklaven mehr hüten oder Juden verfolgen, wegen Rasse oder Hautfarbe niemanden mehr drangsalieren, aber auch niemanden wegen seines Geschlechts oder blauen Blutes bevorzugen, sondern ihre Bürger – ohne Ansehen der Person – nur dem für alle gleichen Recht unterwerfen, damit auch wirklich nur die ‚Unterscheidungen‘ zum Tragen kommen, auf die es ihnen als rechtsetzende Gewalten ankommt. Denn das ist ja so klar wie nur was: dass in der Rechtsordnung, die sie in ihrem Inneren durchsetzen, ganz unterschiedliche und gegensätzliche Positionen und Funktionen vorgesehen sind und jede Menge Ausschluss von den berühmten ‚Lebenschancen‘ stattfindet. Das ist ja gerade der Witz an der Gleichbehandlung, die sie als bürgerliche Staatsgewalten ihren Untertanen angedeihen lassen: dass sich deren rechtliche Gleichstellung als Personen, welchen sie allen die Freiheit gewähren, unter Anerkennung der Eigentumsrechte anderer ihre Interessen zu verfolgen, völlig gleichgültig dagegen verhält, ob die überhaupt über ökonomische Mittel zur Ausübung dieser Freiheit verfügen, so dass diese ‚Frage‘ dann zum durchschlagenden Kriterium wird, an dem sich ihre wunderbaren Gesellschaften in Klassen scheiden. Mit ihrem Bekenntnis zur Gleichheit vor dem Gesetz bekennen sich diese Staaten, die jede Form von Diskriminierung selbstredend zutiefst verabscheuen, zur kapitalistischen Eigentumsordnung mit ihrer menschenrechtlich total in Ordnung gehenden Diskriminierung all derer, die dank des von ihnen mit ganz viel staatlicher Gewalt geschützten Privateigentums vom gesellschaftlichen Reichtum ausgeschlossen sind. Die dürfen sich verdingen und, freie Bürger, die sie sind, selbst zusehen, wie sie sich ein Auskommen verschaffen im Dienst an der Mehrung eines Reichtums, der anderen gehört. Für die wiederum spielen Rasse, Geschlecht, Religion, Abstammung und nationale Herkunft bei der Bewertung ihres Personals keine Rolle, eben weil für sie allein dessen Dienst am Erfolg der Unternehmungen zählt, die sie zur Mehrung ihres geldwerten Vermögens anleiern; was sich für sie rentiert, entscheidet sich ja wirklich nicht an der Hautfarbe; und auch Leute anderer nationaler Herkunft lassen sich prächtig ausbeuten. Wenn nun die Staaten – je erfolgreicher der Kapitalismus ist, den sie beheimaten, desto mehr – von solchen Sortierungen Abstand nehmen, bekennen sie sich auch nur ausdrücklich zu ihrer kapitalistischen Raison; dazu nämlich, dass bei ihnen das gesamte Gesellschaftsleben als eine Konkurrenz stattfinden soll, in der allein die kapitalistische Nützlichkeit als Auslesekriterium über die Aufstiegs- und Lebenschancen entscheiden soll.
Die Klassengesellschaft ist also voll ins Recht gesetzt,
das Menschenrecht auf Ausbeutung ist außen vor – und dann
kommt eine Anti-Diskriminierungskonferenz daher, die das
Problem unlauterer sozialer Diskriminierungen
anpacken will. Das mag heiter werden, und es geht auch
gleich so los: Die Kombination von wirtschaftlicher
Armut und sozialer Ächtung
halten die
Konferenzteilnehmer für etwas, was man unbedingt
vermeiden sollte. Niemand soll in ihrer wunderbaren Welt
mehr diskriminiert werden, bloß weil er arm ist. Nicht in
der Armut, in die der Kapitalismus beträchtliche Teile
der Weltbevölkerung stürzt und auf der überhaupt sein
Reichtum beruht, besteht die Diskriminierung, sondern –
ja, in was eigentlich? Dass die Armen und Ausgemusterten
Geringschätzung erfahren, nachdem ihr
marktwirtschaftlicher Gebrauchswert von den Kapitalisten
aller Herren Länder nach dem für sie einzig maßgeblichen
und politischerseits total ins Recht gesetzten Kriterium
rentabler Arbeit für gering oder nicht vorhanden befunden
worden ist? Dass die ökonomisch aus der Gesellschaft
Ausgegrenzten nicht trotz ihrer Marginalisierung
politically correct als voll- und gleichwertige
Staatsbürger angesehen und behandelt werden? Sind noch
ein paar zynische Sprachregelungen gefällig, mit denen
sich vom Kapitalismus ökonomisch ruinierten Massen
bescheinigen lässt, dass sie in ihrer Eigenschaft als
staatliches Menschenmaterial aber alle Hochachtung
verdienen? Oder versprechen sich die Konferenzteilnehmer
von der Ausgabe solcher Sprachregelungen allen Ernstes,
dass sich dann der diskriminierende Umgang mit diesen
Massen ändert? Das wäre allerdings ein bisschen viel
verlangt. Denn der ist dem feinen Laden, den sie
unterhalten, ja überhaupt nicht fremd. Ihre eigene
Parteilichkeit für die Konkurrenz und deren Resultate,
ihr Bestehen darauf, dass keine andere Auslese
stattfindet und stattzufinden hat als die, zu der sie
ihre gleichberechtigten Untertanen alle antreten und die
sie danach entscheiden lassen, ob es denen gelingt, sich
nützlich zu machen, erzeugt den dazugehörigen
Rassismus der Konkurrenz: Der schreibt Erfolg
und Misserfolg in der Konkurrenz den persönlichen
Fähigkeiten dessen zu, der ihn einfährt. Erfolg spricht
daher für Kompetenz; eine Tautologie, die sogar
wissenschaftlich verbürgt ist. Umgekehrt gilt Armut als
Beweis für das Unvermögen desjenigen, der sie erleidet,
und daher auch als gerechtes Ergebnis der Konkurrenz, das
er sich selbst zuzuschreiben hat. Und diesen Rassismus
der Konkurrenz heizen die Staaten, die das Diskriminieren
sozial Schwacher natürlich für total unfair halten,
jederzeit an – z.B. wenn sie wieder einmal zu dem Urteil
gelangen, dass ihnen die Armut und die Armen, die sie zu
verwalten haben, zu teuer kommen, und sie die Behandlung,
die sie den sozialen Opfern ihrer Herrschafts- und
Produktionsweise angedeihen lassen, als gerechte Tat
erscheinen lassen wollen. Dann dient er ja auch einem
guten Zweck.
*
Bei alle dem ist es keineswegs so, dass diese Staaten mit ihrer vielgepriesenen ‚Gleichheit vor dem Gesetz‘ dann nicht auch noch Menschen ungleichen Rechts kennen würden. All diejenigen, für die ein anderes Recht gilt, weil sie Untertanen einer fremden Obrigkeit sind, müssen sie natürlich schon ein wenig diskriminieren; das sind sie ihren eigenen Völkern schuldig und vor allem – aus den allerfundamentalsten staatlichen Gründen – sich selbst. Die Menschen, über die nicht sie, sondern andere Staatsgewalten die Rechtshoheit besitzen, die daher ihrem hohen Anspruch auf unbedingte Verfügbarkeit gar nicht genügen können, haben grundsätzlich kein Recht, sich im Geltungsbereich ihrer Rechtsordnung überhaupt auch nur aufzuhalten. Ihr Aufenthalt dort hat sich durch besondere, nämlich der jeweiligen Obrigkeit einleuchtende und selbstverständlich von ihr zu definierende Gründe, eine nachweisbare spezielle politische oder wirtschaftliche Nützlichkeit, extra zu rechtfertigen; er ist von vornherein und bleibenderweise der gesetzliche Ausnahme- und Sonderfall, den die Staaten durch eine gesonderte Rechtsabteilung, ihre Ausländergesetzgebung, hinsichtlich Befristung etc. pp. minutiös regeln – siehe die derzeitigen deutschen Bemühungen zur Reform derselben. Dass diese gesetzliche Diskriminierung von Ausländern voll in Ordnung geht, ist völker- und menschenrechtlich verbrieft; darüber herrscht zwischen den Staaten der Welt der allersolideste Konsens; und nicht nur zwischen ihnen: Die Scheidung zwischen ihren eigenen Bürgern, die sie mit all den Freiheiten und Rechten ausstatten, die sie ihnen genehmigen wollen, und den Angehörigen anderer Nationalitäten, denen sie den ‚Genuss‘ dieser Freiheiten und Rechte grundsätzlich verweigern; die Diskriminierung letzterer als Menschen minderen Rechts, die auf ihrem Territorium bestenfalls zeitweise zu dulden sind, dürfen und sollen erstere ausdrücklich als Dienst an sich als der Mannschaft begreifen, deren ureigener Volksnatur der Staat verpflichtet ist. Wenn die das dann tun, also im Bewusstsein dessen, was ihnen in ihrer Eigenschaft als angestammtes Staatsvolk zusteht, die pure Anwesenheit von Fremden als Zumutung empfinden, wenn sie ihrer von oben sollizitierten Furcht, von Ausländern überfremdet zu werden, Ausdruck verleihen und in diesem Sinne fordernd an ihre Obrigkeit herantreten, so werden sie darin ausdrücklich bestätigt. Dass derlei Sorgen und Gefühle von einem gesunden Volksempfinden zeugen; dass sie ein Recht darauf haben, in diesen Sorgen und Gefühlen ernst genommen zu werden, bekommen sie von den politisch Verantwortlichen im Lande jeden Tag mitgeteilt. Denn das wissen die ganz genau: Nichts kann Staat und Volk so unverbrüchlich zusammenschweißen wie das „Ausländerproblem“.
Als Urheber dieser gesetzlichen und von ihnen
politmoralisch noch ein wenig weitergetriebenen
Diskriminierung von Ausländern – die man in ihren
mörderischen Konsequenzen selbstverständlich ‚nicht
vergleichen kann‘ mit früheren und heute keineswegs
ausgestorbenen Formen völkischer Auslese –, sind die
Staaten natürlich genau die Richtigen, um gegen
Rassismus, Fremdenhass und Intoleranz
vorzugehen.
Denn wenn ein Urteil über den Menschen die Bezeichnung
rassistisch verdient, dann ist es genau jenes, welches
ihre selbstbewussten Untertanen – von oben durch Wort und
Tat angeleitet – erst über sich fällen und dann als
Maßstab auf die Anderen übertragen: nämlich die von allen
Nationalisten geglaubte und praktizierte Umdeutung des
staatlichen Zwangskollektivs, dem sie angehören, in die
ihrer eigenen völkischen Natur entsprechende
Daseinsweise; die Verkehrung der an ihnen, den
Angehörigen einer Nation gewaltsam hergestellten
Identität, mit Haut und Haar und in allem, was sie
treiben, dem Recht ein und derselben Staatsgewalt
verpflichtet zu sein, in eine ihnen quasi natürlich
zukommende ‚nationale Identität‘, die sie auszeichnet und
von Menschen mit einer anderen ‚Identität‘ unterscheidet.
Dieses sittliche Empfinden hat für die UNO-Staaten
selbstverständlich nichts mit dem Rassismus zu tun, den
sie ächten wollen; es ist ja gerade das patriotische
Bewusstsein, von dem ihre Bürger gar nicht genug haben
können; ihre ‚nationale Identität‘ sollen die ja als
ihren Wert und ihre Würde begreifen. Auch wenn das ohne
eine gewisse Abneigung gegen die Fremden, gegen die man
zwar sonst nichts hat, denen aber dieser Wert und diese
Würde abgeht, kaum zu machen sein wird; und auch wenn es
genau dieses sittliche Empfinden ist, das dann
gelegentlich und nicht zu knapp auch handgreiflich wird
gegen die, die einfach nicht hierher gehören. Das halten
die Staaten dann nicht mehr für gesund, sondern für einen
rassistischen Auswuchs, die Übertreibung eines gesunden
Prinzips – wenigstens die Staaten, die nicht gerade
selbst Anstrengungen zur Säuberung ihres Volkskörpers von
volksfremden Elementen für nötig erachten, die über die
gesetzliche Scheidung von In- und Ausländern hinausgehen.
Und in zivilen Zeiten. Denn wenn sie Krieg führen, ist
das, was in Friedenszeiten als nationalistische
Entgleisung gilt, sowieso Staatsprogramm. Im Frieden aber
rufen sie angesichts der rassistischen Umtriebe, von
denen sie mindestens der Nährboden sind, unter dem Dach
der UNO vereint, sich und ihre Untertanen schon mal mutig
zur Toleranz auf – erdulden soll man sie, die Zumutung,
dass einem fremdländische Menschen über den Weg laufen.
Und Respekt vor ihnen und ihrer andersartigen ‚Identität‘
haben.
*
Aber wie gesagt: Um so ein absurdes Volks- und Völkererziehungsprogramm geht es den Staaten, die sich im südafrikanischen Durban getroffen haben, sowieso nicht. Es geht viel banaler zu in der Staatenwelt. Da haben Staaten der eher inferioren Sorte – arabische und afrikanische, außerdem Palästinenser, die noch nicht einmal einen Staat haben – probiert, zu ihrem Vorteil ein Verfahren zu kopieren, das in der Weltpolitik neuerdings in Mode gekommen ist. Sie haben – ganz so, wie die Mächtigen in der Staatengemeinschaft es auch zu tun pflegen – unter Berufung auf die höheren Werte, die der Kanon der internationalen Sittlichkeit bereitstellt, Rechte angemeldet, für diese Anerkennung gefordert und erfahren müssen, dass dieser Weg nicht für jeden gangbar ist; schon gleich nicht zur Durchsetzung irgendwelcher materiellen Ansprüche als gerechten Ausgleich für erlittenen Schaden.
Amerika hat an der Konferenz gegen Rassismus von Anfang an keinen Gefallen gefunden. Es steht auf dem Standpunkt, dass solche Konferenzen, in denen die aus dem Menschenrecht abzuleitenden Rechte von Staaten verhandelt werden, von amerikanischen Entscheidungen auszugehen haben. Wenn sie das nicht tun, stehen sie von Anfang an im Verdacht antiamerikanischer Umtriebe; erst recht, wenn sie von solchen Staaten angesetzt werden. Und wenn sich dieser Verdacht dann auch noch bestätigt, dann schickt es von vorneherein bloß eine zweitklassige Delegation hin, um auf die Konferenz aufzupassen, stellt dort klar, dass sich deren Vorhaben nicht gehört, und hinterlässt dem Rest die Aufgabe damit zurechtzukommen.
Die Europäer sind sich aus Gründen der Konkurrenz um die
internationale sittliche Kompetenz eine ‚Vermittlung‘
schuldig. Unter der klaren Prämisse, dass ein mea culpa
von ihrer Seite für sie nicht mit Kosten verbunden sein
darf – der Westen will nur Abbitte leisten, die nichts
kostet
–, wird nach einer ‚Kompromissformel‘ gesucht,
die das durch Kolonialismus und Sklaverei verursachte
Leid
würdigt, ohne dass sich aus ihr juristische
Fallstricke für finanzielle
Entschädigungsforderungen
verfertigen lassen. In
diesem Sinne spricht das Schlussdokument dann von einer
Tragödie in der Geschichte der Menschheit
;
Sklaverei wird zugegeben
als Verbrechen gegen
die Menschheit
, welches schon immer als solches
hätte gesehen werden sollen
– dummerweise aber bis
zur gesetzlichen Abschaffung der Sklaverei damals
geltendem Recht entsprach
.
Das haben diese Underdogs jetzt davon, dass sie nicht die Statur haben, Werte in Rechte umzumünzen.