Herbst '89 - Eine Republik starrt ungläubig auf ihre Taten von gestern:
Wie konnte es dazukommen?
So fragen schon wieder mal lauter gute Deutsche, als wäre es nicht viel dringender und als täten sie nicht besser daran zu überlegen und zu planen, was sie eigentlich aus ihrer Republik machen wollen, wo deren etablierte Machtverhältnisse schon völlig aufgemischt sind, anstatt denen das Projektemachen zu überlassen, die schon wieder für die Machtübernahme bereitstehen. Noch dazu ist diese Frage – genau wie ihre auf den gewaltsam beendigten deutschen Nationalsozialismus gemünzte Vorläuferin – schon so gut wie die Garantie dafür, daß noch nicht einmal die Klarheit über das alte SED-System herauskommt, die nützlich sein könnte, um nicht alte Fehler neu aufzulegen oder statt den alten Fehlern das allenfalls Richtige am Bisherigen wegzuschmeißen. Denn diese Frage will im Grunde gar keine Antwort; sie will ein abgrundtiefes moralisches Unverständnis dafür bekunden, daß so viel – vom heutigen Standpunkt aus – furchtbar Schlechtes gestern noch ganz normal war. Dabei haben doch alle, die mit dieser Frage ein Bekenntnis zum Abscheu vor den alten Verhältnissen ablegen, doch selber bis neulich noch die geltenden "guten Gründe" dafür gelten lassen, vielleicht sogar gewußt, womöglich geteilt. Und kritisiert sind die nicht, wenn man sie jetzt verwirft. Wenn's also schon um "Vergangenheitsbewältigung" gehen soll und um "die Lehre" aus 40 Jahren SED-Herrschaft, dann aber auch richtig ...