Aus der Reihe „Chronik - kein Kommentar!“
„Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung“ in Johannesburg:
Die Weltgemeinschaft trifft sich im Namen von „Umwelt“, „Nachhaltigkeit“ und „Entwicklung“ – und schon wieder nur „Stillstand“, „heiße Luft“ und „wenig herausgekommen“? Nicht ganz!
Auf dem UNO-Gipfel in Südafrika geht es um nichts Geringeres als die „Zukunft der Erde“, für die sich die versammelte Staatenwelt verantwortlich erklärt und für die sie einen neuen Sittenkodex verabschiedet. Die globalen Folgen des kapitalistischen Wirtschaftens – Zerstörung von Land und Leuten weltweit – werden zum Gegenstand einer besonderen Sorte Diplomatie. „Nachhaltigkeit“ bildet den universellen Titel, mit dem sich die Verantwortlichen des Weltmarktes dessen zukünftiger und profitträchtiger Fortführung widmen. Und ein Ergebnis steht deshalb längst fest: für die Sauberkeit der globalen imperialistischen Umwelt stellen die Staaten der 3.Welt mit ihrer unproduktiven Armut den Problemfall Nr. 1 dar.
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Systematischer Katalog
Länder & Abkommen
„Weltgipfel für nachhaltige
Entwicklung“ in Johannesburg:
Die Weltgemeinschaft trifft sich im
Namen von „Umwelt“, „Nachhaltigkeit“ und „Entwicklung“ –
und schon wieder nur „Stillstand“, „heiße Luft“ und
„wenig herausgekommen“? Nicht ganz!
Im südafrikanischen Johannesburg findet der Weltgipfel
für nachhaltige Entwicklung
statt. Zu der größten
UN-Konferenz der Geschichte treffen sich 50000
Teilnehmer, darunter alles, was in der imperialistischen
Welt Rang und Namen hat: über hundert Staats- und
Regierungschefs, internationale Konzerne sowie
Nichtregierungsorganisationen aller Art. Auf dem Programm
stehen Fragen der allergrundsätzlichsten Art, über nichts
Geringeres als die Zukunft der Erde
will man
beratschlagen. Die sieht man durch Erscheinungen wie
Ozonlöcher, Klimawandel, Bodenerosion und dergleichen,
aber auch durch Überbevölkerung, weltweites Elend,
verseuchtes Wasser, Krankheiten, zerstörte
Staatsverhältnisse und anderes gefährdet. Jetzt, 5
Minuten vor 12
, soll die drohende Katastrophe noch
einmal abgewendet und dem verantwortungslosen Raubbau an
den Ressourcen der Erde Einhalt geboten werden. Bereits
auf dem ersten Erdgipfel in Rio wurde die
wirtschaftliche Prosperität der höchst unterschiedlichen
Staaten mit den Grundsätzen sozialer Gerechtigkeit und
einer dauerhaft die Umwelt bewahrenden Entwicklung zu
einem gemeinsamen Leitbild für das 21. Jahrhundert
verschmolzen.
(SZ,
26.8.02) Jetzt, 10 Jahre später, kommt man erneut
zusammen, um über die Fortschritte, die im Geiste dieser
Weltformel
erzielt worden sind, Bilanz zu ziehen
und neue Ziele zur Rettung der Menschheit ins Auge zu
fassen…
Es ist schon absurd! Da treffen sich die politischen
Subjekte, die in ihrer Konkurrenz um den Reichtum der
Welt überhaupt erst dafür sorgen, dass es auf der so
„höchst unterschiedliche“ Sorten von Staaten gibt; die
Staatenführer, die von einem nationalen ‚Wachstum‘, das
sie auf Kosten anderer erzielen, nie genug haben können
und in ihrem Kampf dafür die menschlichen und stofflichen
Ressourcen rücksichtslos in Anspruch nehmen, und zwar
wirklich global; die Herren des Weltmarkts, die es zum
Zwecke einer für sie lohnenden Ausbeutung des Globus auch
an dessen gewaltsamer Bewirtschaftung bis in seinen
letzten Winkel hinein nicht fehlen lassen; die Mächtigen,
die um die Mehrung ihres weltweiten Einflusses
konkurrieren und sich zur Durchsetzung der „Ordnung“ auf
der Welt, die ihnen frommt, auch für Kriege nicht zu
schade sind: ausgerechnet diese Staatsmänner, die
allein ihrem imperialistischen Erfolg
verantwortlich sind und sonst nichts, sollen sich, in
einem gemeinsamen Leitbild
miteinander versöhnt,
überhaupt nicht um ihre, sondern der Erde Zukunft
sorgen? Ausgerechnet die, deren Wirken schon den jetzt
Lebenden so schlecht bekommt, sollen ihr politisches
Wirken am Wohlergehen derer ausrichten, die demnächst auf
ihr hausen? Sollten die sich wirklich auch noch darum
kümmern? Absurd – wie gesagt! Andererseits: Gleichgültig
lassen die Wirkungen ihres globalen Herumfuhrwerkens mit
Geld und Gewalt die Machthaber der führenden Staaten
offensichtlich auch nicht. Jedenfalls ist ihnen der
propagierte Dienst an der Aufgabe, eine bessere
Welt
zu schaffen, einigen Aufwand wert. Fragt sich
nur, was sie da eigentlich treiben und mit diesem Aufwand
bezwecken.
I. Von den „globalen Problemen“ und der Methode ihrer völkergemeinschaftlichen Betreuung
a) In ihrer globalen Konkurrenz
richten die Nationen einiges an. Das stimmt die in einer
Weltgemeinschaft
zusammengeschlossenen Staaten bedenklich, und ihre
Bedenken finden auch ihren Niederschlag in dem
Sittenkodex, den sie ihrer Konkurrenz an die Seite
gestellt haben. Damit möglichst auf Dauer zwischen den
Nationen friedliche und freundschaftliche Beziehungen
herrschen mögen, d.h. ihre Konkurrenz so weit wie möglich
in respektierten Bahnen verläuft, nimmt sich das
Völkerrecht als zwischenstaatlich vereinbarte,
rechtsförmige Ausgestaltung dieses Sittenkodex auch der
Folgen an, die die imperialistische Bewirtschaftung des
Globus nach sich zieht und durch die ihr Verkehr
untereinander laufend in Frage gestellt wird. Der
Geschäftsbereich der UNO, der Institution eben, in der
sich die konkurrierenden Souveräne als Mitglieder einer
Weltgemeinschaft
wiederfinden, erstreckt sich auf
den Wirkungsbereich staatlicher Gewaltausübung schon weit
unterhalb der Schwelle zum Krieg. Auch die beachtlichen
Verheerungen von Land und Leuten, die das
Weltmarktgeschehen im schönsten Frieden regelmäßig
zustande bringen, sind heutzutage ein Pflegeobjekt des
Völkerrechts. Sie gelten als potentieller Störfall für
den zivilen Umgang der Staaten miteinander, der die Wege
ebnet für den kapitalistischen Geschäftsverkehr, an dem
allen voran den führenden Nationen so sehr gelegen ist –
und darüber erfahren die negativen Folgewirkungen einen
bemerkenswerten Formwandel: Sie werden als globale
Probleme
registriert, als Bedrohung der
höchsten Schutzgüter
des Völkerrechts –
internationale Wohlfahrt, Gesundheit, Schutz der
Ressourcen etc. – in die politische Agenda der UNO
eingespeist und als solche zum internationalen
Verhandlungsgegenstand. Die sachlichen Gründe
all dieser unschönen Erscheinungen, die im Hinblick auf
die Verfassung der Welt gemeinschaftlich beklagt werden,
wären den Zwecken, die die Staaten der
Weltgemeinschaft
in ihrem Verkehr untereinander
geltend machen, zwar durchaus zu entnehmen. Aber über
diese Zwecke sitzen die Führer der „Völkerfamilie“
selbstverständlich nicht zu Gericht, wenn sie den
weltweiten Stand von Arbeit, Armut, Krankheit und
Umweltzerstörung prüfend in Augenschein nehmen; die
wollen sie zur Geltung bringen und
absichern – es sind schließlich ihre eigenen.
Deshalb gilt ihr Interesse schlicht und ergreifend der
ganzen Welt als dem Inventar der Bedingungen, die ein
erfolgreiches Weiterwirtschaften bei allem sicherstellen
sollen, was die Staaten, die entscheidenden zumal, sich
vorgenommen haben. Wenn dabei dann Handel
&
Krankheit
, Frauen
, Kinder
&
Flüchtlinge
, Armut
& Umwelt
als
grenz- wie völkerübergreifende,
interesselos-überparteiliche, eben weltgemeinsame
Sorge-Gegenstände firmieren, so spricht sich darin also
erst einmal nur die bedingungslose Parteinahme
für alles aus, was an politischen Zwecken in der modernen
kapitalistischen Welt unumstößlich gilt und absolut
anerkannt ist – für alles mithin, was von den Hungernden
und Kranken bis zur verseuchten Natur all die globalen
Probleme
schafft, um die die Völkergemeinschaft sich
dann sorgen soll. Diese Anerkennung schlechterdings aller
Sachnotwendigkeiten, welche die Staaten des Imperialismus
in ihrer und für ihre Konkurrenz eingerichtet haben, ist
die Voraussetzung, von der aus man sich dann den
Kollateralschäden des Konkurrierens widmet. Da diese
Veranstaltung der Aufrechterhaltung des
kapitalistischen Zugriffs auf den ganzen Globus gilt, ist
sie mit dem Bemühen um die Abschaffung auch nur
einer einzigen der beklagten Folgewirkungen dieses
Zugriffs einfach nicht zu verwechseln.
b) Wenn sich so die
Staaten der Welt unter
Anleitung der UNO als Zentralagentur des Völkerrechts und
seines Wertehimmels kritisch den ziemlich ruinösen
Konsequenzen ihres eigenen Tuns für Mensch und Natur
zuwenden, steht also eines vorab fest:
Selbstkritisch werden sie dabei keinesfalls. Im
Gegenteil: Sie entnehmen diesen Konsequenzen den Auftrag
an sich, gegen alle anderen kritisch zu werden.
Jeder nimmt für sich in Anspruch, gar nicht dem eigenen,
sondern dem Interesse aller zu dienen, einen selbstlosen
Kampf gegen…
und für eine Welt ohne…
–
Armut, Hunger und alle anderen Übel, die in der
UNO-Charta registriert sind – zu führen und sich zusammen
mit allen anderen Guten, die es inzwischen ja sogar zur
NG-Organisiertheit gebracht haben, um den weiteren
Bestand des Globus zu sorgen. Sie interpretieren diese
menschenfreundlichen Leitbilder als Zusatzauftrag zu dem
Gewerbe, mit dem sie ohnehin laufend befasst sind und das
bei ihnen so vornehm „politisches Gestalten“ heißt – und
melden so ihre Zuständigkeit für die globalen
Belange an, also für die Zustände in anderen
Staaten, die schließlich unsere gemeinsame Welt
ausmachen. Denn aus Hungerleidern wie Siechen, Sahelzonen
wie Flüchtlingen, Tsetse-Fliegen wie gerodeten Urwäldern
ziehen die Staatsverantwortlichen immer nur den einen
Schluss: In Ordnung zu bringen geht das alles nur, wenn
sie sich zum entschiedenen Fürsprecher dessen
machen, wie sich mit Mensch und Natur ordentlich
umgegangen gehört – und wenn sich alle anderen an das
halten, was sie diesbezüglich für angezeigt
halten. Daher übersetzen sie ganz selbstverständlich die
im UNO-Grundwertekanon niedergelegte, völkerübergreifende
Pflicht zur Bewahrung des Globus
in
Rechte, die ihnen aus dem fälligen
Dienst an dieser völkergemeinschaftlichen Aufgabe
zuwachsen, und buchstabieren sie den anderen als
deren Pflichten vor, ganz wie sie es aus ihrem
sonstigen politischen Verkehr untereinander gewohnt sind.
In dem, was sie da jeweils gerne – für alle anderen,
versteht sich – verbindlich machen wollen, kommen dann
auch wieder sehr schnell ihre konkurrierenden Interessen
zum Vorschein. Die vergessen sie selbstverständlich auch
dann nicht, wenn sie die Welt retten: Bekanntlich führt
der Weg von Armut und Hunger zu satten Negern in Afrika
ja über Märkte, auf die europäisches und amerikanisches
Kapital noch besser zugreifen können muss; die Umwelt
dort und anderswo ist nur über den Export der gesunden
Akkus und anderer Güter, die man selbst zufällig
konkurrenzlos lohnend produziert, zu sanieren; und die
Bekämpfung von Aids und anderen Seuchen ist ohnehin eine
Frage der Heilkräfte unserer pharmazeutischen Industrie,
die man sich nur käuflich erwerben muss. So wird auch
noch aus den propagierten gemeinschaftlichen
Anstrengungen der Staaten zur Sicherung unserer
Zukunft
eine eigene Sphäre ihrer Konkurrenz.
Die dreht sich darum, welche Rechte und
Pflichten den diversen Subjekten der
Weltgemeinschaft – zusätzlich zu denen, die zwischen
ihnen im politischen Alltagsgeschäft ohnehin schon
Streitgegenstand sind – aus ihrer gemeinsamen
Betroffenheit von globalen Problemen
erwachsen und gegen die anderen einklagbar sind.
c) In dieser Konkurrenz zeigt sich,
auch das ist nicht neu, dass das nicht jeder kann. Die
Interessen aus den Sphären von Geschäft und Gewalt, die
da weltweit unterwegs sind, mögen zwar schon global ihre
Wirkung tun, von einer globalen Betroffenheit
kann
deswegen aber noch lange keine Rede sein kann. Eher
verhält es sich so, dass diese Interessen von einer
verschwindenden Minderheit der Staatengemeinde ausgehen
und dann den übergroßen Rest derselben betreffen. Da die
wirklichen Mächte der Welt ganz zufällig auch die
Schwergewichte der UNO sind, hat auch die
Diplomatie auf der höheren
Ebene der Konkurrenz die entsprechenden
Verlaufsformen. Vornehmlich die – als „G7“, „E7“,
„Industrieländer“ usw. zusammengefassten –
kapitalistischen Führungsnationen sind es, die dem Rest
der Staatenfamilie die politische Agenda
diktieren und festlegen, womit genau
dem Wohlbefinden von Mensch, Natur und Umwelt zu dienen
ist. Untereinander sowie mehr oder weniger gemeinsam
gegen andere Staaten minderer Kategorie – „G77+ China“,
HIPC usw. – streiten sie darum, ob überhaupt, und wenn
ja, welche, vor allem aber für wen Verpflichtungen aus
einem allgemein anerkannten Sorge-Thema erwachsen sollen.
Konkurriert wird um die Festschreibung von
Richtlinien und Verpflichtungen in Sachen Armut,
Hunger, Artenschutz usw. Gestritten wird auf höherer
Ebene deshalb mindestens genauso heftig um das Gewicht,
das die für solche Themen zuständigen UN-Ausschüsse und
Gremien überhaupt haben sollen, um das eigene Gewicht,
das man in ihnen hat, usw. Jeder kämpft so um die
Definitionshoheit bezüglich dieser Materie, die
immerhin die inneren Verhältnisse aller anderen Staaten
betrifft.
Die Themen, die da als internationale Sorgegegenstände
verhandelt werden, sowie die Titel, unter denen sie
verhandelt werden, gehen ihnen dabei nicht aus. Erstens
stiften die globalisierten Märkte
und
internationalen Beziehungen
ja tagtäglich die
unliebsamen Folgen, die den zugrundeliegenden Stoff
dieser Konferenzen bilden. Zweitens sorgt die Art ihrer
Behandlung, besagter Streit um Rechte und Pflichten,
dafür, dass sie zu keinem Ende kommen. Denn die
Teilnehmer der unzähligen UN-Konferenzen zu Krankheit,
Armut, Umwelt, Flüchtlingen, Klimakatastrophe,
Artensterben usw. lassen sich ja nie ernstlich auf
Maßnahmen verpflichten, die ihren Interessen
zuwiderlaufen. Also leisten diese Konferenzen auch etwas
anderes: Sie sind institutionalisierte
Streitforen, auf denen die kontroversen
Vorstellungen über die Probleme, die uns alle
angehen
, zur Sprache gebracht werden und um
Folgerungen gerechtet wird. Stets muss aufs Neue geprüft
werden, wozu wer inzwischen bereit ist; welchen
diplomatischen Kurswert welcher „Widerstand“ gegen was
hat; wen man womit für sein eigenes Anliegen gewinnen
oder erpressen kann; wie weit der Wille oder auch die
Fähigkeit reicht, den eingegangenen Verpflichtungen bei
der Emission von Gasen und anderem nachzukommen. Daher
gibt es nicht nur Konferenzen, die ein Thema haben.
Sondern auch solche, die ein Thema fürs Konferieren
vorbereiten sollen. Dann solche, auf denen Beschlüsse
über die nähere „Umsetzung“ von schon getroffenen
Vereinbarungen beratschlagt werden. Und schließlich gibt
es auch noch solche, die den erreichten Stand
der ins Auge gefassten und womöglich sogar schon in
Zielvorgaben und Zeitplänen fixierten
Versprechungen der beteiligten Nationen
insgesamt bilanzieren, begrenzte „Fortschritte“ bei der
einen oder anderen Materie feststellen, anderswo
dringlich gewordenen oder neuen Verhandlungsbedarf
entdecken, und überhaupt die gemeinsame Absicht
zu weiteren Anstrengungen bezüglich sämtlicher Posten der
„Agenda“ bekräftigen. Das sind dann solche
Gipfelveranstaltungen der Routine gewordenen
UN-Diplomatie in Sachen Umweltzerstörung wie jetzt in
Johannesburg. Ein ziemlicher Aufwand, aber anders lässt
sich eine diplomatische Betreuung der „globalen Probleme“
in einer „Weltgemeinschaft“ von imperialistischen
Konkurrenten eben nicht organisieren.
Der Ertrag all dieser schönen Veranstaltungen löst sich also in keinem Fall in Nichts auf. In dieser Form schreiben die versammelten Zuständigen für die Verhältnisse hier und anderswo ihren Anspruch auf Zuständigkeit für die Sicherung des globalen Treibens fort, und zwar ganz nach Maßgabe des ökonomischen wie politischen Kräfteverhältnisses, zu dem sie es in ihrer Konkurrenz gebracht haben. Daher geben diese Konferenzen auch nicht Auskunft über den mal wieder fehlenden Willen zu echter globaler Verantwortung, wie die Kritiker aus den Reihen der Globalisierungsgegner bis hin zum Lager bürgerlicher Journalisten jedes Mal aufs Neue enttäuscht festhalten. Sie geben Auskunft über die vorhandenen Gegensätze und widerstreitenden Ansprüche sowie die realen Machtverhältnisse, die zwischen den maßgeblichen imperialistischen Verantwortungsträgern der Welt sowie zwischen ihnen und den unmaßgeblichen auch sub specie der „globalen Probleme“ herrschen.
II. Von der „Umwelt“ und dem „Geist von Rio“ zur „Nachhaltigkeit“ und der Botschaft von Johannesburg
a) Nach der Umwelt
vor 10
Jahren in Rio ist in Johannesburg also nachhaltige
Entwicklung
der thematische Sorge-Gegenstand der
Weltgemeinschaft – und eines muss man den selbst
ernannten politischen Hegern und Pflegern des Globus
schon lassen: Knapp 5 Minuten vor 12
ist ihnen da
bei der zielstrebigen Übersetzung von Phänomenen des
imperialistischen Ist-Zustandes in einen Schritt hin zur
Beförderung eines sittlichen weltpolitischen
Sollzustandes ein wahres Kunstwerk gelungen. Sicher, für
diese Transformation hat schon der Titel
Umwelt
die Hauptsache auf den Weg
gebracht. Unter seinem Blickwinkel erfreuen sich nämlich
die sattsam bekannten schädlichen Wirkungen, die – wie
ebenfalls nicht unbekannt ist – im Wege der Vollstreckung
aller Sachgesetze eines kapitalistisch-profitablen
Wirtschaftens über Mensch und Natur kommen, einer sehr
speziellen Würdigung. Sie finden Erwähnung, um die
Verletzung eines höheren Gutes namhaft zu machen. Unter
Abstraktion von allen geltenden Zwecken und Interessen,
die den rücksichtslosen Umgang mit den natürlichen
Lebensmitteln einschließen, will man das höhere
Überlebens-Recht des oberirdischen wie fossilen Biotops
geltend machen, in dem diese sich austoben. Und für
dieses wie für alle Rechtsbelange ist der staatliche
Generalaufseher alleinzuständig: Dem wird unter
dem Titel „Umwelt“ als seine Pflicht nahegelegt, in
Anbetracht aller so bedenklichen Folgen, die das
kapitalistische Wirtschaften unter seiner Obhut nach sich
zieht, tätig zu werden. Er soll die Grundlagen dieses
Wirtschaftens sichern – damit „es“, das „Leben“ und
„Überleben“ unter diesen Verhältnissen, auch weitergehen
kann! Diesem ehemals von engagierten Bürgern
vorgetragenen Antrag haben sich die namhaften ideellen
Gesamtkapitalisten des Globus bekanntlich nicht
verschlossen. Die „Umwelt“ ist tatsächlich ihre Sache,
nämlich der Titel geworden, unter dem sie sich wegen
ihres Interesses an einem auch noch in Zukunft
erfolgreichen Kapitalismus Sorgen angelegen sein lassen,
die seinen ruinösen Umgang mit den Ressourcen der
Gegenwart betreffen. In diesem Interesse nehmen sie ihre
politische Entscheidungshoheit wahr und werden national
tätig, inter-national aber selbstverständlich auch. Denn
wer mit seiner Wirtschaft die Ressourcen des ganzen
Globus in Anspruch und entsprechend hernimmt, hat damit
auch das Recht auf Einmischung bei anderen – damit er
weitermachen kann. In diesem Sinne ist die liebe
„Umwelt“, mithin alles, was von maßgeblicher Seite als
Ressource des eigenen Zugriffs für berücksichtigenswert
gehalten wird, schon seit einigen Jahren auch ein
Gegenstand des diplomatischen Gezerres, das die
Völkergemeinschaft ausmacht.
Wenn nach Auskunft derer, die in dieser Gemeinschaft die
Agenda der Politik bestimmen, ab sofort die Pflege dieses
Gutes und anderer Menschheitsanliegen auch noch
nachhaltig
vonstatten zu gehen
hat, so nehmen die politisch Verantwortlichen damit schon
wieder ein Stichwort besorgter Bürger auf. Dieses modern
gewordene Attribut fügt dem mit ‚Umwelt‘ benannten
Sorgestandpunkt eines hinzu: die Abstraktion von allen
bestimmten Sorgegegenständen, an die der Titel „Umwelt“ –
wie politisiert und daher verkehrt auch immer – noch
erinnert. Nachhaltigkeit
soll ja hier nicht einen
Förster daran gemahnen, beim Umhauen seiner Bäume darauf
zu achten, dass auch genügend von ihnen nachwachsen
können. Das Wort soll das Prinzip angeben, nach dem die
Staaten der Welt alles menschliche wie tote Inventar, auf
das sich ihr staatliches Kommando erstreckt, zu behandeln
hätten – verantwortlich nämlich: Der hoheitlich geregelte
Zugriff soll zusätzlich zu allen Gesetzen, nach denen er
wirklich vonstatten geht, auch noch dem höheren
Gesichtspunkt eines gesicherten späteren
Zugreifen-Könnens gehorchen. Mit dem Titel
„Nachhaltigkeit“ verpflichten sich mithin die auf der
Welt maßgeblichen politischen Verantwortungsträger
nachhaltig selbst darauf, dass sie auch in Hinkunft alle
Bedingungen vorfinden, die sie für ihr weiteres Tun
brauchen. Nachhaltigem Handeln
verpflichtete
Politiker geben – für sich wie für alle anderen – eine
moralische Leitlinie ihres politischen Handelns bekannt,
die das Ideal des Gelingens all dessen, was sie
jetzt treiben, auch in weiterer Zukunft ausdrückt. Weil
dieses Schlagwort außer der moralischen
Selbstverpflichtung auf den durchschlagenden und
bleibenden Erfolg von Politik gar keinen Inhalt hat,
passt der Titel auf jeden politischen Inhalt.
Nachhaltige Armutsbekämpfung
und nachhaltige
Steuerpolitik
sind ebenso in den gewöhnlichen
politischen Sprachgebrauch eingegangen wie die
Substantivierung, die den leeren Verantwortungsstandpunkt
auf den Begriff bringt: Politik der
Nachhaltigkeit
, d.h. eine Politik, die erfolgreich
„über den Tag hinaus“ „gestaltet“ – kurz: wirksame
Machtausübung.
Von daher passt diese Worthülse besonders gut zum zweiten
Schlagwort des Gipfels, das nämlich haargenau denselben
methodischen Inhalt hat:
Entwicklung
, zumal „nachhaltig“
verdoppelt, drückt schon wieder gar nichts anderes aus
als das Versprechen, bei der Erfüllung der Bedürfnisse
unserer Generation die Bedürfnisse künftiger Generationen
zu berücksichtigen
. Darin ist immerhin das
Eingeständnis enthalten, dass eine solche
Selbstverständlichkeit zweckmäßigen Wirtschaftens
offensichtlich unter den herrschenden politisch betreuten
Zuständen alles andere als selbstverständlich ist. Die
Politiker, die sich diesem Wert – sogar nachhaltig –
verschrieben haben, versprechen bei allem, was sie tun,
darauf zu achten, dass sie die politische Sache, die
aufgrund ihrer Güte gar keiner Erwähnung mehr wert ist,
unermüdlich voranzubringen und langfristig
auszulegen gewillt sind. Alles, was sie heute in die Wege
leiten, ist mithin zwar noch nicht vollkommen, aber schon
auf dem richtigen Weg unterwegs, will also durch eine
vorausschauende politische Führung nur noch konsequent
vorangebracht werden, eine Aufgabe, die verantwortlicher
Politik alles abverlangt. Soviel steht damit fest: Bei
den maßgeblichen Subjekten der Weltgemeinschaft, die sich
selbst – im Namen des dauerhaften Gelingens ihrer Werke –
zu einem „immer tatkräftig voran!“ anhalten, sind die
vielen beklagenswerten Übel der Welt gut aufgehoben;
allein schon deswegen, weil sie sich ihrer globalen
Verantwortung bewusst sind und versprechen, sich noch
viel mehr als bisher gemeinschaftlich darum zu kümmern,
ihren Globus auch in Zukunft in genau der Verfassung
vorzufinden, in der sie ihn für brauchbar befinden – für
alles, was unter ihrem Kommando jetzt schon an Geschäft
und Gewalt unterwegs ist. Weil mithin die Welt allein
schon dadurch besser wird, dass dieselben, die in ihr
bislang schon das Sagen haben, sie auch weiterhin genau
so bewirtschaften wie bisher, kann man um genau 5 vor 12
die Uhr anhalten: Wenn auch noch nicht alles gut ist:
Alles wird gut, wenn es sich
die Mächtigen der Welt im Verein mit den weniger
Mächtigen vornehmen.
b) Und genau das wird auf der
Konferenz im Süden Afrikas dann auch noch
beschlossen, und zwar verbindlich! Der
Generalsekretär der UNO legt der geschätzten
„Weltgemeinschaft“ die Themenliste vor, die von den für
das Schicksal der Welt Verantwortlichen abzuarbeiten ist.
Er unternimmt dazu einen kleinen Streifzug über den
Globus und hakt dabei die Unterpunkte der Charta seines
Vereins ab: Wir haben die Atmosphäre mit Schadstoffen
belastet, … Wälder abgeholzt, Fischbestände geplündert
und Wasser wie Böden vergiftet, … die Mehrzahl der
Menschheit in Armut, Elend und Verzweiflung
zurückgelassen.
(K. Annan, SZ,
3.9.02) Dann kommt er auf den Grund für all dies
zu sprechen: Wir
sind der Grund, weil wir
uns sehr unverantwortliche Aktivitäten und
Voraussetzungen
(ebd.)
haben zuschulden kommen lassen! Und wenn das so ist, dann
führt auch nur ein Weg aus der Misere – dann müssen wir
eben sehr verantwortliche Aktivitäten und Voraussetzungen
schaffen. Die reichsten Länder müssen diesen Weg
anführen
, der alles zum Besseren wendet.
Verantwortung ist der Schlüsselbegriff für die Zukunft
der Welt
, also geht es um nachhaltig entwickelte
Umwelt oder umweltmäßig entwickelte Nachhaltigkeit – wie
auch immer: Die Entscheidung liegt nicht zwischen
Entwicklung und Umwelt…, das Problem lässt sich auch
nicht auf Arm gegen Reich reduzieren, … die Welt muss
eine Zeit des Wandels und der Verantwortung
einläuten
, usw. usw. Und, wer hätte es gedacht: Die
Welt entlastet den Vorsitzenden ihres völkerrechtlichen
Aufsichtsrats und läutet die Zeit prompt ein. An
Verantwortung jedenfalls lassen sich die zuständigen
Staaten nicht überbieten: Die zum Himmel schreiende Masse
derer, die in extremer Armut
leben? Das erledigen
die reichsten Länder mit einem Federstrich – sie wird
halbiert
, bis zum Jahr 2015, und zwar mit einem
Weltsolidaritätsfonds für freiwillige Beiträge und
Spenden
! Die so bedrückende Zahl der Menschen ohne
ausreichend sauberes Trinkwasser
? Halbieren
wir gleich mit! Die so bedenklichen gesundheits- und
umweltschädlichen Wirkungen von Chemikalien
? Werden
minimiert
! Das kranke Klima
? In Kyoto schon
gerettet!
Soweit zu dem Humor, den die Weltgemeinschaft sich auch 5 vor 12 nicht verderben lässt. Der hat allerdings schon auch seine ernste Seite.
III. Aus purer Verantwortung: Imperialismus auch noch nachhaltig
a) Ein bloßer Scherz ist es nämlich
nicht, wenn die entscheidenden Herren der Welt sich zu
ihrer Verantwortung bitten und den Rest wissen lassen,
dass gut’ Ding’ nur ein wenig Weile braucht, weil sie die
Zukunft entschieden ins Visier nehmen. Die Antworten, die
sie auf die drängenden Probleme der globalen Umwelt parat
haben, sind recht besehen gar keine anderen als
die, die sie, im nationalen Interesse und je nach
Position auf dem Weltmarkt und in der Staatenwelt,
ohnehin immer schon geben und die zielstrebig
auf mehr Geschäft und Einfluss hinauslaufen. So zum
Beispiel gegenüber den
Entwicklungsländern
. Was immer
diese vielen Länder, die den hohen Wert in ihrem Namen
führen, bei ihrem Einzug in den Weltmarkt des Kapitals
als Projekt ihres Aufbruchs verfolgt haben mögen, was
immer ihnen da versprochen wurde, sie sich ausgerechnet
haben, sie sich jetzt noch versprechen und ausrechnen:
Mit dem, was aus allen ihren Projekten geworden ist,
sind sie ein einziges „globales Problem“ – das
verlangt entsprechende ‚Konsequenzen‘. Daher haben sich
diese Länder schon im Vorfeld der Konferenz mit ihrer
Interpretation des Konferenzthemas ins Unrecht gesetzt.
Sie sehen nämlich in der Konferenz die Gelegenheit, auf
Förderung durch die reichen Staaten zu dringen – wenn
schon nicht mehr wegen der hoffnungsvollen Perspektiven,
die sie zu bieten hätten, dann wenigstens wegen der
„Probleme“, die sie haben und den Oberimperialisten nach
deren eigener Auskunft bereiten. Sie fordern
Unterstützung bei der „Armutsbekämpfung“ durch die
Förderung von mehr „wirtschaftlichem Wachstum“ statt der
vordringlichen Verpflichtung auf „Schonung der Umwelt“ –
eine Forderung, in der sie unschwer den Angriff auf ihre
noch verbliebenen Ambitionen entdecken, so etwas wie ein
eigenes national-ökonomisches Programm hinzubekommen.
„Nachhaltig“ ist aus ihrer Sicht in Richtung
„nachdrücklich“ zu übersetzen, so dass daraus eine
Mahnung wird an die reichen Länder, IWF, Weltbank, ihre
eigenen und auch alle anderen Fonds für Entwicklungshilfe
ordentlich mit Geld zu bedenken und so den Staaten der
Dritten Welt
eine gewisse finanzielle Ausstattung
zukommen zu lassen.
Diese Interpretation ist zwar sprachlich korrekt,
politisch jedoch überhaupt nicht. Wenn die reichen Länder
verkünden, was sie im Dienst an einer nachhaltigen
Entwicklung
und Not leidenden Umwelt
alles zu
tun gedenken, so teilen sie ja damit auch mit, was für
sie alles keinesfalls mehr in Frage kommt. Genau
das, was von ihnen verlangt wird, haben sie ihres
Erachtens lange genug gemacht: „Entwicklungshilfe“
gewährt – zu lange, weil nämlich mit den Besorgnis
erregenden Resultaten, wie sie in den armen Ländern
überdeutlich zu besichtigen sind: Ein einziger Abgrund
von Elend, Krankheit und Umweltsauerei sind die! Weiter
so – und auch noch nachdrücklich – kommt in ihrem Fall
also überhaupt nicht in Frage. Doch lässt man sie
deswegen selbstverständlich noch lange nicht allein. Man
buchstabiert ihnen die Pflichten vor, die aus ihrem
Status als „Umweltproblem“, „Armuts-“, „Seuchen-“ sowie
„Krisenregion“ erwachsen. Das heißt in diesem Fall
genauer: Man macht sie mit dem Umgang vertraut, den man
mit ihnen zu pflegen gewillt ist. Und der beruht geradezu
darauf, dass von eigenständigen und erst recht von
ausreichenden Quellen staatlicher Macht bei der Mehrzahl
von ihnen nicht die Rede sein kann.
b) Zum Beispiel plädieren
die Staaten Europas,
insbesondere Deutschland, dafür, dass sich die „Dritte
Welt“ in passender Weise für das umweltschonende Projekt
einer erneuerbaren Energie aus Wind, Sonne und
Biomasse
zur Verfügung stellt. Der deutsche Kanzler
ist da nachgerade vorbildlich in der Anmahnung
konkreter Schritte und verbindlicher
Vereinbarungen
. Er dringt darauf, gleich allen
Staaten der Welt eine feste Quote vorzugeben, mit der sie
ihre jeweiligen nationalen Energiehaushalte
CO2-vermindernd regeln müssen: Das
wäre ideal. Dann hätte man nämlich einen Rechtstitel
erwirkt, der einen nicht nur dazu ermächtigt,
die Grundlage des nationalen Wirtschaftslebens
fremder Nationen ein wenig der eigenen Aufsicht zu
unterstellen: Mit dem wäre dann auch schon der Weg dazu
gebahnt, deren Energieversorgung zum Geschäftsbereich der
eigenen Unternehmen aufzubereiten. Also macht der Kanzler
sich – in schöpferischer Anwendung der
Gleichheitszeichen, die der UN-Generalsekretär zwischen
„Armut“ und „Umwelt“ als „globalen Problemen“ gesetzt
hat, – dafür stark, dass eine konsequente
Armutsbekämpfung am besten mit der Reduktion von
CO2-Emissionen zu machen ist, die von
Windrädern und anderen feinen Geräten aus Deutschland
besorgt wird. Gelder für Staudämme und andere
Großprojekte
, an denen wir nichts verdienen, sind
dagegen eindeutig Fehlinvestitionen. Wenn diese Gelder
aber in unsere ökologisch vorbildlichen
High-Tech-Produkte investiert werden, selbstverständlich
wiederum nicht. Dafür können sich die
Entwicklungsländer dann schon einmal
Milliarden-Zusagen der EU
aufs Konto gutschreiben.
Doch man verspricht nicht nur, sie als Zukunftsmärkte
einer deutschen Öko-Industrie zu subventionieren. Von
Frankreich und Großbritannien wird ihnen auch eine
gigantische Summe von 100 Millionen für verschiedene
Projekte
spendiert, genauer gesagt nicht ihnen,
sondern Banken und Unternehmen. Die sollen diese Projekte
machen, auf dass dann irgendwann Privatinvestitionen
in Höhe von mehreren Milliarden Dollar in die
Entwicklungsländer fließen
(FAZ,
3.9.) – und die Erträge, die sie abwerfen, aus
ihnen gleich wieder heraus.
Generell lässt man von Europas Seite aus die Staaten der
unteren Kategorien wissen, dass es mit ihnen
nicht so weitergeht und schon gar nicht so wie
bei uns. So z.B. der französische Präsident: Wenn die
ganze Menschheit sich beim Energieverbrauch und im
Konsumverhalten so verhielte wie die Industrieländer
– ja, was wäre dann? Wären dann nicht alle Hungerleider
schlagartig satt? Und alle wenigstens mit Wasser und
Aborten versorgt? Nein, dann nämlich – bräuchte es
zwei weitere Planeten, um die Bedürfnisse der restlichen
Menschheit zu befriedigen.
Im Unterschied zu
Atombomben stehen die aber nun einmal dem französischen
Präsidenten für seinen Kampf um eine gesunde Umwelt nicht
zur Verfügung: Deshalb, so Chirac, gebe es keinen
anderen Ausweg, als
– vielleicht in den
Industrieländern für ein Wirtschaften zu sorgen, bei dem
alle anderen mit satt werden? Selbstverständlich nicht,
sondern genau andersherum: – für die Länder der
Dritten Welt ein Entwicklungsmodell zu finden, das die
Umwelt weniger vernichtet und verschmutzt
(SZ, 3.9.). Nur so lässt sich
der eine Planet verantwortlich bewirtschaften, den wir
nur haben: Die einen beuten ihn nachhaltig aus, und die
Armuts- und Seuchenregionen halten sich mit ihren
Emissionen zurück.
c) Dem Vertreter der
Weltführungsmacht in Sachen
Sauberkeit auf dem Globus bleibt es dann
vorbehalten, den Staaten der „Dritten Welt“ nochmals
eindringlich zu vergegenwärtigen, was für ein
Problem sie für die Vormacht der Ersten und damit für die
ganze Welt sind und was daraus für sie zu folgen hat.
Außenminister Powell wartet mit einer Begründung auf,
warum die USA immerhin ihr Erscheinen auf der Konferenz
für angebracht halten. Wenn man wo erfasst hat, was
Verantwortung für unser aller Mutter Erde eigentlich
bedeutet, dann in Washington: Nachhaltige Entwicklung
ist … ein wesentlicher Sicherheitsfaktor. Armut,
Umweltschäden und Verzweiflung zerstören Völker,
Gesellschaften und Nationen. Diese unheilige
Dreieinigkeit kann Länder, ja sogar ganze Regionen
destabilisieren.
(Die Welt,
26.8.) Von wegen ‚friedlichem Zusammenleben der
Völker‘ und so: Das ist mal Klartext zum Geist des
Völkerrechts und zum wertvollen Gedanken der
„Nachhaltigkeit“ schon gleich. Gegen hungernde,
vergiftete und verzweifelte Völker haben die USA – so für
sich genommen – ja nichts. Aber wenn sie etwas nicht
leiden können, dann sind es störende
Folgen, die daraus für ihr imperialistisches
Weiterwirtschaften erwachsen könnten. Die
Destabilisierung gleich ganzer Regionen in der von
Amerika kontrollierten Welt, zu der diese Völker
blöderweise auch noch in ihrem jämmerlichen Zustand
imstande sein könnten: das ist das Umweltgift,
das die Vormacht der Völkergemeinde zu bekämpfen
verspricht. Von den USA als potentielle Störquelle ihrer
Weltordnung begutachtet zu werden: das ist der
Gesichtspunkt, unter dem die staatlichen Armenhäuser der
„Dritten Welt“ immerhin noch beachtenswert sind, und
entsprechend fallen die Angebote aus, die Amerika ihnen
als Grundlage für nachhaltig gute Beziehungen zu machen
hat:
„Die USA werden drei sehr wichtige Botschaften nach Johannesburg mitnehmen. Zuallererst sind wir der Unterstützung nachhaltiger Entwicklung verpflichtet. Wir werden ebenso dafür eintreten, dass nachhaltige Entwicklung im eigenen Land mit vernünftigen Maßnahmen und guter Regierungsführung beginnen muss. Sowohl öffentliche Fördermittel als auch privates Kapital sind dann am effektivsten, wenn sie an Regierungen gehen, die gerecht regieren, in ihr Volk investieren und wirtschaftliche Freiheit fördern.
So wichtig öffentliche Hilfe für die Verbesserung der Lebensumstände der Menschen sein mag, Handel und privater Kapitalfluss haben eine noch größere Bedeutung … Dieses Geld ins Land zu bringen, ist nicht einfach. Kapital ist feige. Es flieht vor Korruption und schlechter Politik, vor Konflikten und Unberechenbaren. Es scheut Unwissenheit, Krankheit und Analphabetentum. Kapital fließt dorthin, wo es willkommen ist. Es fließt in Länder, in denen Frauen arbeiten dürfen, Kinder lesen und Unternehmer träumen können. Gute Maßnahmen allein sind jedoch nicht genug. Die Menschen müssen in der Lage sein, die Chancen zu ergreifen. Die dritte Botschaft, die wir nach Johannesburg mitnehmen, lautet daher, dass Regierungen, die Zivilgesellschaft und der Privatsektor bei der Mobilisierung von Entwicklungsressourcen partnerschaftlich zusammenarbeiten müssen, um menschliche Produktivität freizusetzen, Armut zu mildern, ein gesundes Umfeld zu fördern und nachhaltiges Wachstum zu unterstützen.
Die Vision der Vereinigten Staaten für Johannesburg ist, auf diesen drei Botschaften – Engagement, gute Maßnahmen und Partnerschaften – aufzubauen, indem wir die Industrie- und Entwicklungsländer einladen, gemeinsam mit uns unsere Volkswirtschaften und Gesellschaften für Wachstum zu öffnen, denn Wachstum ist der Schlüssel, um Menschen aus der Armut zu befreien.“ (ebd.)
Wenn schon sonst nichts, so hat der größte Profiteur der kapitalistischen Weltwirtschaft für die verelendeten Staatswesen, die er im Verein mit der Handvoll seiner erfolgreichen Kollegen zurücklässt, doch ein paar wertvolle Botschaften übrig. Botschaft Nummer 1: Wenn sie nur gut regiert werden, die armen und verzweifelten Völker; wenn ihre Regierungen nur das machen, was man auch in Washington vernünftig findet, sich einfach nur effektiv um kapitalistisches Wachstum kümmern – dann werden auch sie noch etwas: Staaten nämlich, in denen Kapital wächst. So einfach ist das, be happy! Das Kapital dazu fehlt vorläufig noch? Don’t worry! Botschaft Nummer 2 hilft weiter: Wo Kapital willkommen ist, geht es gerne hin. In die USA zum Beispiel, wo es schon hingegangen ist; und in ein paar andere Länder auch noch, weil in denen gut regiert wird, wie dem blühenden Unternehmertum unschwer zu entnehmen ist. Wo aber – in Amerika undenkbar! – Kinder nicht lesen können und Frauen sich fürs Wachstum gar nicht nützlich machen dürfen, da wird schlecht regiert und da haben prompt Unternehmer keine Träume. Was es da braucht, sind einfach ‚gute Maßnahmen‘, und auf eine solche zielt ohne Zweifel Botschaft Nummer 3. Die zeigt den Weg, wie auch aus diesen Ländern noch so feine zu machen gehen wie das, aus dem der Außenminister gerade eingeflogen ist: Sich gemeinsam anstrengen und einfach loslegen mit der Produktion von Wachstum! Dann ist es da und fehlt nicht immer! Das wäre alles.
Auch Staaten also, die in der weltweiten Konkurrenz ums Wachstum in Grund und Boden gewirtschaftet worden sind, sollen in ihren Diensten fürs Wachstum einfach nicht nachlassen – und wenn es schon nicht ihr eigenes ist, dann ist es eben das Wachstum der anderen. Wenn ihnen also Kapital fehlt, weil amerikanische und andere Multis längst alle dortigen „natürlichen Reichtümer“ als Mittel ihres Geschäfts in Anspruch nehmen und dabei Land und Leute ruinieren, dann sollen die politischen Herrschaften diese Verhältnisse wenigstens unter Kontrolle halten und das Land, das sie jeweils regieren, als Zone einer – auch in ihrem Fall noch irgendwie vorstellbaren – kapitalistischen Bewirtschaftbarkeit in Ordnung halten. Wie sie das machen sollen, ist allein ihre Sache. Dazu haben sie ja schließlich ihre Souveränität. Hauptsache, sie machen ihre Sache gut. Und wenn das Kapital dann doch nicht kommt, wissen sie wenigstens, warum. Dann haben sie nämlich noch immer nicht gut genug regiert …
So propagiert auch Amerika unter dem Titel der
nachhaltigen Entwicklung
nur das, das aber
entschieden, was es ohnehin auf seine Fahnen
geschrieben hat: amerikanische Weltordnung und
gesicherte Freiheit seines kapitalistischen
Zugriffs. Dass in diesem imperialistischen Programm
auch die Staaten der Dritten Welt
ihren Platz
haben und gefordert sind, ist der Tribut, den
die Weltmacht Amerika selbst diesen Kreaturen noch zollt
und den sie sich auf der Konferenz abholen können.