Aus der Reihe „Chronik - kein Kommentar!“
Bei der Wahl zum Europäischen Parlament erhält der Kanzler einen ‚Denkzettel‘ und gibt ihn postwendend ans Wahlvolk zurück:
Richtlinien zum korrekten Verständnis von Wahlen, der Agenda 2010 und Deutschlands Platz in der Welt

Was aber sagt der, der die Wahlschlappe der SPD nach guter demokratischer Sitte politisch zu verantworten hat? Der „angezählte Kanzler“ zeigt sich stoisch. Eisern weist er bereits in der Wahlnacht jede noch so zarte Forderung nach einer publikumsfreundlichen Modifikation seiner Reformpolitik zurück: „Ich kann für keine andere Politik stehen. Ich kann nur diese Politik weiterführen und ich will nur diese Politik weiterführen.“

Aus der Zeitschrift

Bei der Wahl zum Europäischen Parlament erhält der Kanzler einen ‚Denkzettel‘ und gibt ihn postwendend ans Wahlvolk zurück:
Richtlinien zum korrekten Verständnis von Wahlen, der Agenda 2010 und Deutschlands Platz in der Welt

Harte Zeiten für die SPD. Nach ihrem Debakel bei der Wahl zum Europäischen Parlament befindet sich die Partei nach dem sachkundigen Urteil der Öffentlichkeit im freien Fall (FTD, 14.6.). Schon rufen Parteigenossen die größte Vertrauenskrise seit Gründung der Republik (NRW-Ministerpräsident Peer Steinbrück) aus, kritisieren das zu hohe Reformtempo (NRW-Landesvorsitzender Harald Schartau), warnen vor einem Aufruhr in der SPD (Linken-Sprecherin Andrea Nahles), fordern eine Kabinettsumbildung, prophezeien eine Kanzlerdiskussion (ein Anonymus aus der Regierung) oder sogar eine Kanzlerdämmerung.

Was aber sagt der, der all das nach guter demokratischer Sitte politisch zu verantworten hat? Der angezählte Kanzler (Die Welt, 16.6.) zeigt sich stoisch. Eisern weist er bereits in der Wahlnacht jede noch so zarte Forderung nach einer publikumsfreundlichen Modifikation seiner Reformpolitik zurück: Ich kann für keine andere Politik stehen. Ich kann nur diese Politik weiterführen und ich will nur diese Politik weiterführen. Zwei Tage nach der Wahlniederlage besucht er die Jahrestagung des BDI, präsentiert an dieser berufenen Stelle noch einmal die Koordinaten seiner Politik und lässt sich von den Wirtschaftsbossen der Nation für seinen unbeirrbaren Willen, sie kompromisslos fortzusetzen, den Rücken stärken: Ich werde weiter machen, solange mein Mandat reicht, zunächst bis 2006.

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Mit seiner kaltschnäuzigen Reaktion blamiert Schröder demonstrativ die sozialkundliche Vorstellung, der kleine Mann könne die Parteienkonkurrenz um sein Wahlkreuzchen zu einem gewissen Einfluss auf den staatlichen Gebrauch der Macht ausnutzen. Mit dem Verweis auf die andauernde Gültigkeit seines Mandats besteht Schröder gegen alle nach dem ‚Vertrauensentzug‘ durch die Wähler laut gewordenen Erwartungen nach einer Modifikation seiner Politik darauf, dass die Wähler ihm ihr Vertrauen längst geschenkt und ihn bis 2006 mit der höchsten Macht im Staat ausgestattet haben, damit er sie nach seinem besten Wissen und Gewissen zum Wohle des deutschen Volkes, also zum Wohle Deutschlands, gebrauche. Von daher hat der Kanzler nicht einmal ganz Unrecht, wenn er mit seiner nach allen demokratischen Regeln errungenen Souveränität des Amtsinhabers die öffentlich gepflegte demokratieidealistische Verwechslung eines Stimmzettels mit einem Denkzettel zurückweist und klarstellt, wer hier noch denkerische, aber auch moralische Aufgaben zu bewältigen hat:

„Die Rückschläge vom Sonntag sind schmerzlich. Sie können mich aber nicht daran hindern, die Reformpolitik fortzusetzen. Der mit der Agenda 2010 beschrittene Weg ist notwendig, damit Deutschland bestehen kann. Dass die mit Einschnitten und Belastungen verbundenen Reformen in der breiten Bevölkerung nicht positiv gewürdigt werden … liegt auch daran, dass sich die Menschen mit den notwendigen Veränderungen noch nicht abgefunden haben. Es ist noch nicht hinreichend erkannt worden, dass und warum Reformen im Gesundheitswesen, bei den Renten und beim Arbeitsmarkt notwendig sind.“

Aus seiner Wahlschlappe heraus macht Schröder kalt lächelnd den Übergang zur Wählerbeschimpfung: Nicht er wäre mit seinem drastischen Verelendungsprogramm auf dem Holzweg, sondern die davon Betroffenen mit ihrem protestlerischen Wahlverhalten. Des Kanzlers Tenor: Die Leute können einfach noch nicht richtig wählen! Die ausbleibende Zustimmung für den ‚sozialen Kahlschlag‘ zur Gesundung des nationalen Geschäftswesens lastet er ihrer mangelhaften Einsicht in die ‚notwendigen Veränderungen‘ sowie ihrem hartnäckigen ‚Besitzstandsdenken‘ an und erinnert daran, dass nicht nur er als Bundeskanzler einen Auftrag hat, sondern auch das Wahlvolk, sofern es ein demokratisch mündiges sein will: Das politische Denken und Meinen hat nicht einfach um die eigenen, im Vergleich zum großen Ganzen immer ‚kleinlichen‘ Belange zu kreisen, sondern muss sich auf die Ebene der längst feststehenden Staatsnotwendigkeiten erheben und diese ohne Rücksicht auf die eigene Schädigung zum Maßstab des Wählens machen. Eine funktionierende Demokratie erfordert nun einmal einen funktionierenden Nationalismus. Es geht schließlich darum, ob ‚Deutschland bestehen‘ kann, also um nichts weniger als um eine Art Staatsnotstand. Und dessen Behebung muss gerade denen, die in den Verhältnissen und Sachzwängen, die als ‚Deutschland‘ firmieren, als abhängig Beschäftigte ihre Dienste tun, jedes Opfer wert sein, weil sie sowieso nur als Anhängsel eben dieser Verhältnisse existenzfähig sind. Schröder verlässt sich in der Begründung seiner Reformpolitik ganz auf die unwidersprechliche Macht des Faktischen: Gezielt erinnert er an die real existierende Abhängigkeit jeder Verdienstmöglichkeit per Arbeitsplatz von der Konkurrenzfähigkeit des Standorts Deutschland, um die Opfer seiner Reformpolitik aufzufordern, die ‚notwendigen Einschnitte und Belastungen‘ erstens zu ‚erkennen‘ und sich zweitens damit ‚abzufinden‘.

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Noch etwas muss man dem Kanzler lassen: Er verdächtigt die bundesrepublikanische Wählerschaft nicht nur der politischen Unmündigkeit, er tritt auch aufklärerisch gegen sie auf. Seine lapidare Botschaft: Die ‚Notwendigkeit‘, die Volkswirtschaft im ‚globalisierten Wettbewerb‘ auf einem der obersten Ränge zu halten, fordert ihre Reformierung nach den unerbittlichen Kriterien des Geschäfts und verbietet jede sozialmoralische Verwässerung des Reformwerks. Als käme es ihm darauf an, Lenins altes Verdikt, demzufolge die Regierung eines bürgerlichen Staates nichts als „der geschäftsführende Ausschuss der Bourgeoisie“ ist, zu rehabilitieren, stellt er klar, dass auch eine verantwortungsbewusste sozialdemokratische Regierung das Kapitalinteresse zum Maßstab aller Politik machen und den nationalen Kapitalismus vor den Überlebensinteressen seines Fußvolks retten muss. Also buchstabiert Schröder seinem wehleidigen Wahlvolk die Logik des Kapitalismus in aller Rohheit vor: Am Sozialstaat interessiert nicht seine Funktion, kapitalistisch produzierte Notfälle in sozialverträgliche Bahnen zu lenken, sondern allein seine Kosten, welche als Teil der Lohnkosten der Volkswirtschaft ‚Wettbewerbsschwierigkeiten‘ bereiten. Und er weiß auch, wie die Finanzen, anstatt sie im Sozialbereich konsumtiv in den Sand zu setzen, Erfolg versprechend im Sinne der Konkurrenzfähigkeit des Standorts investiert werden müssen:

„Wir müssen die sozialen Sicherungssysteme in allen Bereichen verändern, um Ressourcen frei zu bekommen für die Zukunftsaufgaben Bildung, Betreuung von Kindern, Forschung und Entwicklung. Das sind die Aufgaben, die vor uns stehen. Dafür müssen wir die gegenwärtigen und zu einem guten Teil auch die zukünftigen Mittel mobilisieren … Wir müssen die sozialen Sicherungssysteme verändern, um sie erhalten zu können, aber auch um Ressourcen für Zukunftsinvestitionen frei zu bekommen.“

Da heißt es immer, die Sozialkassen wären wegen einer chronischen Vermehrung der Alten, Kranken und Arbeitslosen nicht mehr finanzierbar und müssten gesund gespart werden, um ihre segensreichen Dienste weiter leisten zu können. Von wegen. Der Kanzler leistet sich da eine offenere Sprache: Sozialausgaben hält er zum guten Teil für reine Verschwendung, weil sie bloß dem Lebensunterhalt nutzloser Sozialfälle dienen, für ‚die Zukunft‘ aber nichts bringen. Mit dieser Formel ist das Programm, dem privatwirtschaftlichen Profitstreben mit allen verfügbaren Mitteln auf die Sprünge zu helfen, gleichzeitig unmissverständlich benannt und ideologisch verbrämt: Unterschiedslos sind in diesem Synonym für die nationale Wohlfahrt Unternehmer und ihre Mannschaften, Politiker und ihre Untergebenen zu einem großen Gemeinschaftswerk vereint, dessen weiteres Gelingen oberste Aufgabe der Regierung und gemeinsames Interesse aller Beteiligten sein muss. Das so apostrophierte nationale Anliegen schließt allerdings sehr klassenmäßige Differenzierungen ein: Für die einen bedeutet das Programm ‚Zukunftsinvestitionen‘ mit seiner Umverteilung der Finanzen vom ‚Sozialen‘ hin zur ‚Wirtschaft‘ gegenwärtige Opfer und die trostlose Aussicht, auch künftig als standortzerstörerische Unkost der Ökonomie behandelt zu werden, für die anderen bringt es auf der Stelle bessere Geschäftsbedingungen und die hoffnungsfrohe Aussicht auf höhere Gewinne. All das ist in der Abstraktion ‚Zukunft‘ ausgelöscht und zu einem gemeinsamen Ziel zusammengeschlossen. Damit dies plastisch wird und seine Moral entfaltet, zitiert der Kanzler auch noch die lebendigen Inkarnationen des nationalen Futurs als Kronzeugen für sein Verelendungsprogramm. ‚Unsere‘ Kinder symbolisieren das künftige Gedeihen des Volkes und verpflichten den lohnabhängigen Teil der gegenwärtigen Generation zum Verzicht: Nicht zuletzt für künftige Generationen, für unsere Kinder und deren Kinder tun wir das, was sich mit dem Begriff Agenda 2010 verbindet.

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Schröder lässt noch tiefer in die höheren Gründe seiner unnachgiebigen Haltung blicken. ‚Damit Deutschland bestehen kann‘, ist ein erstklassiger Listenplatz unter den Exportnationen allenfalls die halbe Miete. Ohne einen ebenso erstklassigen Platz im exklusiven Kreis der Weltführungsmächte ist das, was Schröder pathetisch als Überlebensfrage der Nation beschreibt, nicht zu haben.

„Deutschland definiert in diesen Zeiten seinen Platz neu. Deutschland muss ihn neu definieren … Wir sind weitergekommen, in diesem Sinne Deutschlands Platz in der Welt und damit in Europa neu zu definieren. Ich denke, es kann ruhig deutlich werden, dass das ein erfolgreicher Weg gewesen ist. Wir müssen jetzt erklären, dass dies natürlich innenpolitische Konsequenzen hat … An meine eigenen Leute appelliere ich, zu begreifen, dass das, was wir nach außen geschafft haben, und was viel Unterstützung bekommen hat, im Inneren seine Fortsetzung finden muss, sonst bleiben die außenpolitischen Erfolge Halbheiten.“

Das ist mal ein Wort: Die Agenda 2010, die dem deutschen Geschäftsleben auf die Sprünge helfen soll, ist nur die eine Hälfte eines viel wichtigeren nationalen Projekts. Das Zusammenstreichen der Sozialkosten soll das Wachstum auf Vordermann bringen, und das Wachstum soll die staatlichen Geldquellen zum Sprudeln bringen, damit Deutschland sich als Führungsmacht der EU etablieren und gegen die gerade machtvoll entstehende neue amerikanische Weltordnung eigenständige weltpolitische Positionen geltend machen kann. Ein erfolgreicher Antiamerikanismus ist der Kern von Schröders außenpolitischer Agenda. Deutlich spielt er auf sein populäres Taktieren gegen Amerikas Irakkrieg an und ermahnt seine Mannschaft, ihm durch opferbereites Mitmachen den nötigen volkswirtschaftlichen Output sicherzustellen, auf Basis dessen seine Regierung ‚Deutschlands Platz in der Welt neu definieren‘ kann. Auch für dieses höchst anspruchsvolle imperialistische Programm hat der Kanzler Sprachregelungen fürs humanistische Herz im Angebot. Sein weltweites Mitmischen in der Etappe der Amikriege will er als einzige Friedenstat verstanden wissen:

„Die USA haben erkannt, dass man militärische Auseinandersetzungen, Kriege allein gewinnen kann, für das Gewinnen von Frieden aber verlässliche Freunde und Partner braucht. Und das wollen wir sein. Das werden wir sein.“

Da macht sich die amerikanische Supermacht mit einem weltweit angelegten Antiterrorkrieg auf, den ganzen Globus flächendeckend in Amerika-freundliche Staaten zu verwandeln, und die deutsche Politik will sich in diesem gigantischen Programm als nicht zu übergehende politische Größe aufbauen. Schröder präsentiert sich als Realist mit großen Visionen: Am kriegerischen Zerlegen missliebiger Staaten kann Deutschland die Amis bis auf weiteres nicht hindern, aber in der anschließenden Etablierung genehmer Gewaltverhältnisse sollen sie an Deutschland nicht vorbei kommen. Das ist mit den deutschen Friedensmissionen gemeint, und die müssen genauso wie die Kriege ‚gewonnen‘ werden, sind also von vornherein als Fortsetzung des Krieges mit anderen und ähnlichen Mitteln angekündigt.

Und solche Aussichten sollen die Opferbereitschaft der kleinen Leute beflügeln! Schröder spricht seine Genossen wie den Rest seiner ‚lieben Mitbürger/innen‘ daher gleich als stramme Patrioten an, die sich anlässlich außenpolitischer Machterweise ihrer Herrschaft immer gleich über einen Positionsgewinn von ‚uns allen‘ freuen. Eine zweifelhafte Freude, vermittelt er damit doch gleichzeitig die Botschaft, dass sie nur als Manövriermasse der Nation zählen und sich entsprechend aufzuführen haben: Wem eine erfolgreiche Konkurrenz gegen Amerika gefällt, der muss auch im Innern mit amerikanischen Verhältnissen einverstanden sein.

Mindestens bei der versammelten Kapitalistenschaft verfehlt dieses Schulbeispiel geistiger Führung seine Wirkung nicht – zumal es den Sachverständigen des Profits natürlich geläufig ist, dass ihr Geschäftsinteresse sowohl in der Reformagenda wie auch in Schröders imperialistischen Ambitionen allemal aufgehoben ist. BDI-Präsident Rogowski hält es für opportun, den von seinen Genossen im Stich gelassenen Kanzler demonstrativ das Vertrauen ‚der Wirtschaft‘ auszusprechen, und lobt unter herzlichem Beifall der Anwesenden den lieben Herrn Bundeskanzler für seine reformfreudige Verbesserung der Geschäftsbedingungen:

„Die Agenda 2010 ist trotz des heftigen Gegenwindes aus den eigenen Reihen ohne Alternative … Zurück ist keine Alternative, Stillstand auch nicht. Die Regierung hat einen wichtigen Reformkurs eingeleitet … Auch wenn es noch so wehtut: Durchhalten, durchschwimmen, denn aufhören zu schwimmen heißt Untergang und den wünschen wir Ihnen nicht … Wir bauen auf Sie!“

Und das können sie auch. Wie zum Hohn auf die traditionelle sozialdemokratische Reformpolitik gibt der Reformkanzler abschließend ein altes, in seinem Sinn umgedrehtes Motto der Arbeiterbewegung vor seinen amüsiert die Ohren spitzenden Kapitalisten zum Besten: Wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren. Gemeint ist damit nicht mehr der proletarische Kampf um, sondern der regierungsamtliche gegen die sozialstaatliche Fürsorge für die kleinen Leute.

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Auf wen Schröder nicht mehr bauen will, steht damit auch schon fest: Die Gewerkschaften werden – wie die Presse fröhlich verkündet – mit ihrem Angebot, dem bedrängten Kanzler in alter sozialistischer Verbundenheit beizuspringen, demonstrativ links liegen gelassen. Und das, obwohl sie schon längst jede Menge tätige Einsicht in die Notwendigkeit zeigen, den größten Teil des Sozialstaats auf den Misthaufen der Geschichte der Arbeiterbewegung zu werfen. Ein total widerspruchsloses Mitmachen beim Sozialabbau kommt für sie jedoch nicht in Frage, würden sie sich dadurch doch selbst überflüssig machen. DGB-Chef Sommer wittert im historischen Tief der sozialdemokratischen Sympathiewerte sogleich eine gute Chance, sich der rapide schwindenden Mitgliederschaft durch eine irgendwie noch erkennbare, wenigstens symbolische ‚Verteidigung‘ ihrer sozialen Belange und gerechten Gefühle zu empfehlen und wartet – um das aus Sicht der Arbeitnehmer Schlimmste zu verhindern – in einem offenen Brief an den Kanzler mit bescheiden dosierten Änderungsvorschlägen für die Agenda 2010 auf. Schröders ehrgeizige Pläne mit Deutschland vertragen jedoch nicht den geringsten Kompromiss. Also weist er das generöse Angebot einer Restitution der alten sozialdemokratisch-gewerkschaftlichen Symbiose überraschend brüsk (SZ, 22.6.) zurück und fordert eine bedingungslose Unterstützung für seinen Sozialabbau mitsamt nationalem Aufbruch: Die Offerte ist nicht geeignet, das Verhältnis zwischen SPD und Gewerkschaften zu verbessern.

Gleichzeitig, liest man, werden die ersten zwei ‚Parteirebellen‘ der ‚Initiative für Arbeit und Gerechtigkeit‘, die ihre Sorge um die für einen sozialdemokratischen Machterhalt nun einmal unabdingbare Wählergunst in die Forderung nach einer sozialpolitischen Re-Profilierung der SPD überführt und mit der Drohung einer Parteineugründung unterstrichen haben, aus der Partei ausgeschlossen. Auch das eine deutliche Botschaft und Warnung für ähnlich unruhige Genossen: Die herkömmliche sozialdemokratische Interessenvertretung und Profilpflege passen definitiv nicht mehr zu dieser Partei.

Perfekt zur SPD-Linie passt hingegen die öffentliche Selbstinszenierung des Kanzlers: Seine gezielte Brüskierung jedes interessenvertreterischen Antrags auf einen arbeitnehmerfreundlichen Anstrich seiner Reformpolitik, seine demonstrative Kumpanei mit ‚der Wirtschaft‘, seine zur Schau gestellte Arroganz der Macht sind alles Elemente einer Sympathiewerbung mit einer nationalistischen Art von Dialektik: Je kompromissloser er alle ‚unnützen‘ Ansprüche zurückweist, desto mehr sollen sich seine Opfer darauf besinnen, dass sie ja eigentlich und vor allem Teile der Nation sind, und ihn dank seiner puren Verpflichtung auf diesen höchsten aller Werte achten und wählen. Schröder will nicht als das ‚kleinere Übel‘ der sozial Unzufriedenen gewählt werden, sondern als Kanzler einer neuen deutschen Machtentfaltung.