Aus der Reihe „Chronik - kein Kommentar!“
VW sichert deutsche Arbeitsplätze – demnächst sogar regelmäßig samstags und zum Normaltarif
„Ökonomie in der Anwendung des konstanten Kapitals“ (Marx): VW gestaltet seine Produktion rentabler, indem die Firma einen Tag pro Woche länger arbeiten lässt. Die Rentabilität wird noch zusätzlich erhöht, wenn – wie VW dies verlangt – für die künftig regelmäßig anstehenden Samstags-Schichten der ehemals gezahlte Zuschlag entfällt.
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Systematischer Katalog
Länder & Abkommen
VW sichert deutsche Arbeitsplätze – demnächst sogar regelmäßig samstags und zum Normaltarif
Einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ zur Lage auf dem
Weltmarkt für Automobile ist zu entnehmen, wozu es die
kapitalistische Marktwirtschaft unter anderem auch
bringt. Etwa 20 Mio. Autos sollen es gegenwärtig sein,
die mangels zahlungskräftiger Nachfrage unverkäuflich
sind, Kenner des Marktes rechnen aus ihnen eine 40%ige
Überkapazität in der Autobranche
heraus, mit
steigender Tendenz. Von einer bevorstehenden globalen
Autokrise
ist die Rede, weil nach den Zusammenbrüchen
in der asiatischen Krisenregion
auch die
Marktaussichten in den USA einen Rückgang der Geschäfte
erwarten lassen. Doch ein tüchtiges Autounternehmen
entdeckt in dieser Lage, die manchen Konkurrenten zur
Stillegung seiner Anlagen zwingt, eine ausgezeichnete
Geschäftsgelegenheit für sich. Zwei Tage später meldet
dasselbe Blatt:
„Die Volkswagen-AG will zur Sicherung der Arbeitsplätze und der Wettbewerbsfähigkeit in den sechs deutschen Werken den Samstag zu einem normalen Arbeitstag ohne Zuschläge machen. … Ziel sei, möglichst an sechs Tagen mit drei Schichten zu arbeiten. VW könne bei entsprechender Ausnutzung aller 38 Werke bei vier Arbeitstagen vier Millionen, bei fünf Tagen fünf Millionen und bei sechs Tagen sechs Millionen Autos bauen.“ (SZ, 5.10.)
‚Ökonomie in der Anwendung des konstanten Kapitals‘ heißt
bei Marx nüchtern die Methode, mit der VW seinen
Konkurrenten zeigt, wo auf dem Weltmarkt für Autos
Kapazität zuviel ist und wo nicht. In seinen Fabriken und
an seinen Maschinen gedenkt das Unternehmen demnächst
einfach noch mehr von den Arbeitskräften zu mobilisieren,
über die es verfügt. Wie ein Chef des Unternehmens es
vorrechnet, bringt ein wöchentlicher Arbeitstag
zusätzlich dem Unternehmen innerhalb eines
Geschäftsjahres eine Million Autos mehr, ohne
eine einzige zusätzliche Investition zu tätigen. Der
Hauptposten des konstanten Kapitals der Firma, in den
38 Werken
und ihren sündhaft teuren Arbeitsplätzen
vergegenständlicht, wirft schlicht darüber mehr Profit
ab, daß die Anlagen vermehrt produktiv ausgenutzt
werden: Der längere Einsatz der rentablen Arbeit macht
sie noch ein wenig rentabler. Diesen bequem zu
erlangenden Vorteil, schlicht durch vermehrten Zugriff
auf menschliche Arbeitskraft Masse wie Rate des Profits
seines Kapitals zu erhöhen, übersetzt die Leitung des
Unternehmens in die aktuelle Lesart des ewigen Sachzwangs
Wettbewerbsfähigkeit
, und die ist es dann, die
demnächst nicht nur – wie jetzt noch – ausnahmsweise,
sondern generell das Arbeiten auch samstags gebietet. Mit
einer Ausbeutung seiner Arbeitskräfte, die zwischen zwei
Sonntagen allein noch an der Zahl der rechnerisch
möglichen Arbeitsstunden und Werktage ihre Schranke
findet, will sich VW seinen Erfolg auf den Weltmärkten
sichern. Daß es darüber die weltweit vorhandene
Überkapazität
schlagartig um eine Million weiterer
Autos erhöht, ist genau der Witz der Sache, weil unter
der die Konkurrenz zu leiden hat.
Damit die Einführung eines weiteren Normalarbeitstages
die für den Profit des Unternehmens erfreulichen
Wirkungen nicht schmälert, hat die Arbeit am Samstag
freilich auch noch unter einem anderen Gesichtspunkt
normal zu werden. Die bisher übliche Ausdehnung der
Arbeitszeit auf den Samstag hat das Unternehmen bislang
mit Zuschlägen zum Normallohn entgolten. Jetzt, wo der
Profit der Firma die samstägliche Mehrarbeit als
Regelfall verlangt, ist sie auch bloß noch nach den
Tarifen zu entlohnen, die für die regelmäßige Arbeitszeit
gelten. Wie auf die Mehrarbeit seiner Lohnabhängigen
selbst, so hat das Unternehmen zur Sicherung seiner
Wettbewerbsfähigkeit
auch auf deren Verbilligung
ein absolutes Recht, und weiß dafür auch einen ungemein
schlagenden Grund: Für ein Samstagsauto zahlt der
Kunde ja nicht mehr als für ein Mittwochs- oder
Montagsauto
(ebd.).
Die Verfügungsmacht über Arbeitskräfte, die von ihnen frei gehandhabte Festlegung von Arbeits- und Lebenszeit der vom Lohn Abhängigen ist das Geschäftsmittel kapitalistischer Unternehmen. Wenn ihnen die Aussicht auf vermehrten Gewinn winkt, machen sie von ihrer Verfügung entsprechenden Gebrauch, und wenn VW mit seinen Autos mehr verdienen will, kommandiert es seine 100000 Arbeiter im Standort Deutschland einfach auch noch samstags zum rund um die Uhr rotierenden Schichtbetrieb.
Die offiziellen Vertreter der Belegschaft – Gewerkschaft
und Gesamtbetriebsrat – lehnen den Abbau der Zuschläge
strikt ab
(ebd.). Da sie
ansonsten aber nichts ablehnen, sie im Gegenteil vor
allem bedingungslos für sichere Arbeitsplätze
sind, zollen sie auch allen gegebenen Bedingungen
Anerkennung, von denen nach Auskunft ihres Vorstands der
internationale Konkurrenzerfolg der Firma nun einmal
abhängt. Dieser geht daher ganz beruhigt von der
erfolgreichen Durchsetzung des neuen Lohn- und
Leistungsverhältnisses bei VW aus: Ich glaube, bevor
Autos an Standorte außerhalb Deutschlands verlagert
werden, wird man alle Register ziehen, um Kosten
einzusparen. Wir kämpfen ja nicht gegeneinander, sondern
miteinander für die Sicherung von Arbeitsplätzen
(ebd.). Noch ein Vorteil,
wenn man neben der Arbeitszeit der Belegschaft auch noch
über „Co-Management von Betriebsräten“ verfügt.