Aus der Reihe „Chronik - kein Kommentar!“
Verbot von „Blutdiamanten“:
Der Imperialismus zivilisiert Afrika – durch Ausschluss vom Weltmarkt!
So also sind die Geschöpfe des Imperialismus in Afrika beieinander: ihr menschliches Inventar lebt im Elend, es gibt ein oder zwei Rohstoffe, um deren Aneignung bewaffnete Gruppen kämpfen, die je nach Außenbeziehung den Status von Banden oder Regierungen haben. Was stört? Dass sie mit diesen Einkünften nicht bestellte Kriege führen, weshalb man sie per Embargo vom Weltmarkt abschneidet und einfach wieder ein bisschen zurückentwickelt.
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Systematischer Katalog
Länder & Abkommen
Verbot von „Blutdiamanten“:
Der Imperialismus zivilisiert Afrika
– durch Ausschluss vom Weltmarkt!
Nach etlichen Jahren Bürgerkrieg in Ländern wie Angola,
Sierra Leone und dem Kongo setzt sich in den für den
Weltfrieden verantwortlichen Kreisen die neue Erkenntnis
durch, dass die Menschen wahrscheinlich in Frieden
leben könnten, wären ihre Länder nicht zu reich an
Diamanten.
(SZ, 9.5.)
Eine Studie der Weltbank, die auf der Analyse von 47
Bürgerkriegen basiert, die von 1960 bis 1999 vorwiegend
in Afrika stattgefunden haben
, hat diese Annahme
bestätigt: „Wertvolle Rohstoffe, beispielsweise
Diamanten sind viel häufiger die wahren Ursachen von
Bürgerkriegen als politische, ethnische oder religiöse
Spannungen. Reine Geldgier treibe Rebellengruppen in den
Kampf, um den Regierungen die Kontrolle über diese
rentablen Schätze zu entreißen. Die Anführer von
Aufständen gäben zwar zumeist vor, für Rechte
unterdrückter ethnischer und religiöser Gruppen oder für
die Beseitigung sozialer Missstände zu kämpfen. Dies sei
jedoch oft nur ein Vorwand.“ (FAZ, 20.6.) Dieser Diagnose schließt
sich jetzt auch der Weltsicherheitsrat an und reagiert:
Das schon für Angola geltende Embargo auf Diamanten wird
mit einer begrenzten Dauer von 18 Monaten auch auf Sierra
Leone ausgedehnt. Darüber hinaus erhalten die führenden
Industriestaaten den Auftrag, sich über ein
Zertifikatswesen zu verständigen, durch das künftig die
sogenannten Blutdiamanten von legal exportierten Steine
zu unterscheiden sind.
Die Diagnose: Unverantwortlicher Umgang mit Reichtumsquellen!
Die neue Weltlage macht also auch den Blick frei für die
wahren Ursachen
von fast 40 Jahren Bürgerkrieg in
Afrika. Endgültig vorbei sind die Zeiten, in denen
afrikanische Freiheitsbewegungen in der Ausrichtung nach
Osten eine nationale Alternative zur politökonomischen
Einbindung ihrer Länder in den Weltmarkt sehen konnten
und sich deshalb politisch, ethnisch oder religiös
bestimmte Volksgruppen oder auch angeschlagene
Regierungen westlicher Sympathien, Gelder und Waffen
sicher sein konnten, wenn sie der Unterbindung
sozialistischer Umtriebe dienten. Also fragen sich die
Sachverständigen der imperialistischen Weltordnung, warum
das jetzt, wo dem Mord und Totschlag in Afrika einfach
jeder gute politische Sinn und Zweck fehlt, einfach nicht
aufhören will mit den vielen Bürgerkriegen, und nach
der genauen Analyse des Datenmaterials
haben sie
folgendes Gesetz herausgefunden: Je stärker die
Wirtschaftskraft eines Landes einseitig auf Edelsteinen,
Rauschgiften, Kaffee oder anderen begehrten Rohstoffen
basiert, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass
starke Rebellengruppen schwache Regierungen angreifen und
das Land in langwierige Bürgerkriege verwickeln.
Eine
interessante Diagnose und ein noch interessanteres
Eingeständnis: Da ist von Ländern die Rede, die
hinsichtlich ihrer „Integration in den Weltmarkt“ nichts
mehr zu wünschen übrig lassen: Sie beliefern
Industrieländer mit Rohstoffen, und das ist auch schon
alles, was sie an Wirtschaftskraft
vorzuweisen
haben. Zugleich aber ist das, was man diesen Ländern als
ihren ‚Reichtum‘ zuschreibt, offensichtlich nichts, was
in diesen Ländern auch nur irgendwie die Rolle einer
nationalen Reichtumsquelle spielen würde, als
ökonomische Potenz eines Landes
firmieren könnte.
Die begehrten Rohstoffe
dort taugen gar nicht als
Lebensmittel, weder der einheimischen Bevölkerung noch
auch von so etwas wie einer geordneten Nation; von Nutzen
sind sie für ein außerhalb der Landesgrenzen beheimatetes
Geschäftsinteresse, im Land verbleiben die Erlöse aus
ihrem Export; und diese Gelder haben den Charakter einer
Pfründe, sind so etwas wie eine private Beute;
um die zu kämpfen, ist in diesen Ländern dem Vernehmen
nach der einzige lohnende Erwerbszweig. So also sind
offenbar die Geschöpfe beieinander, die der Imperialismus
sich in Afrika im Wege der „Integration“ des Kontinents
in seinen Weltmarkt geschaffen hat: Ihr menschliches
Inventar hat außer dem Elend, in dem es haust, keine
Perspektive, ein politisch irgendwie geordnetes
Innenleben gibt es nicht; dafür aber gibt es einen oder
vielleicht zwei Rohstoffe, um deren Aneignung bewaffnete
Gruppen kämpfen, die je nach ihren Außenbeziehungen den
Status von Banden oder Regierungen haben. Die sind es
auch, von denen die Weltmarkt-Geschäfte dieser Länder
unterhalten und die Geschäftsinteressen der
kapitalistischen Welt gleich doppelt bedient werden: Sie
verkaufen Diamanten und anderes Zeug dorthin, wo
Rohstoffe lohnend verwertet werden, und mit dem Geld, das
sie dafür kriegen, beehren sie den Weltmarkt als Käufer
und verschaffen sich auf ihm die Waffen, die sie zum
Unterhalt ihrer Reichtumsquelle brauchen. So gäbe es in
ökonomischer Hinsicht am Resultat ihrer „Entwicklung“ an
sich nichts auszusetzen – wären diese Länder nicht in
politischer Hinsicht solche Problemfälle, und bei der
Erklärung, warum sie mit ihren Bürger- und anderen
Kriegen andauernd unangenehm auffallen und darüber zu
einzigen Störquellen der imperialistischen
Geschäftsordnung werden, bleiben die sachverständigen
Ursachenforscher an Zynismus nichts schuldig: Nicht
das Elend, das aus ihnen im Zuge ihrer ausgiebigen
imperialistischen Bewirtschaftung geworden ist, macht sie
zu Problemfällen – der Reichtum, über den sie
verfügen, ist Grund aller Übel! Im selben Maß, in dem es
in diesen Zonen überhaupt noch etwas gibt, um das es sich
zu kämpfen lohnt, steigt doch glatt die
Wahrscheinlichkeit
, dass dann auch tatsächlich um
das, was es gibt, gekämpft wird – ein untrügliches Indiz
erstens dafür, dass es garantiert die Verkehrten sind,
die sich da bereichern wollen! Und zweitens dafür, dass
man praktisch überall dort, wo der Reichtum so
einseitig
beschaffen ist, diese falsche
Bereicherung durch die Falschen zu gewärtigen hat. Ob in
Angola, Sierra Leone oder im Kongo: Überall hat man sich
einseitig
auf den Diamantenexport verlassen,
anstatt auf eine möglichst breite Diversifizierung der
Produktenpalette
– ja, Maschinenbau, Autos, Chemie
oder IT: das wär’s gewesen! – zu setzen – und weil es
sich auch bei dieser einseitigen
Orientierung
der afrikanischen Länder immer noch
um Quellen von Reichtum handelt, sind weite Teile des
Kontinents ein einziges Kriegsgebiet! Weil diese Kriege
das ganze wunderschön „entwickelte“ Afrika verwüsten, das
die imperialistischen Mächte unter Aufwand von ganz viel
Mühe und noch mehr Kosten den Negern spendiert haben,
steht nicht nur fest, dass sie diese von ihnen nicht
bestellte Gewalt auf keinen Fall zulassen können: Da
Bürgerkriege häufig schwer errungene
Entwicklungsfortschritte wieder rückgängig machen und die
hohe Zahl von Flüchtlingen und Vertriebenen mit hohen
menschlichen und wirtschaftlichen Kosten verbunden sind,
ist es das Ziel der internationalen Staatengemeinde und
der Hilfsorganisationen, diese Kriege möglichst zu
verhindern.
Aus ihrer Diagnose geht auch schon
hervor, wie sie Afrika zu befrieden gedenken.
Die Therapie: Falsche Bereicherung unterbinden!
Aus dem Scheitern der jüngsten, Sierra Leone gewidmeten Befriedungs-Mission ist man im UN-Weltsicherheitsrat klug geworden. Da hat die UNO alles Erdenkliche zur Aussöhnung von Rebellen und Regierung unternommen, wollte – was in diesem Land offenbar keinen großen Unterschied macht – den Chef der Aufständischen zum Vize-Präsidenten und Diamanten-Minister küren und seine Horden unter Zusicherung von Straffreiheit zum Frieden überreden. Der Versuch ging daneben, nicht die 40000 Rebellen, sondern 500 UN-Blauhelm-Soldaten wurden entwaffnet und als Geiseln festgesetzt, und ein wenig Frieden kehrte erst mit der überlegenen Armee ein, die Großbritannien nach Freetown entsandte. Das war der Weltgemeinschaft Lehre genug: Wer sich ihrem Diktat, Frieden zu geben, nicht unterordnet, wird der einzigen Quelle seiner Machtmittel beraubt, über die er noch gebietet: Er wird durch denselben Weltmarkt einfach ausgetrocknet, auf dem er sich ersichtlich nicht zu benehmen weiß.
In der nicht so recht definierbaren Grauzone zwischen
Schurkentum und Staatlichkeit angesiedelt, bestehen so
besehen Teile Afrikas aus kriminellen Banden
, die
in der Lage sind, aus beispielsweise Erlösen des
illegalen Diamantenverkaufs Waffen in ihr Land zu
schmuggeln
(FAZ, 27.5.),
weshalb man es bei der da verkauften Ware auch eher nicht
mit einem Mineral zu tun hat – Diamanten sind die
besten Freunde der Rebellen
(FAZ, 20.6.) – und aus demselben Grund
auch zwischen Kohlenstoff und Kriegen eine eindeutige
Relation besteht: Die amerikanische Regierung schätzt,
dass rund 15 Prozent aller Diamanten aus afrikanischen
Kriegsgebieten kommen. Und solange es einen Markt gibt,
werden die Konflikte trotz aller Friedensverträge nicht
beendet werden.
(SZ
17./18.6.) Der Schluss liegt also auf der Hand:
Der feine Weltmarkt, der da zur Finanzierung völlig
unsinniger Kriege zweckentfremdet wird, gehört in seiner
Unterabteilung ‚afrikanischer Edelsteinhandel‘ unter
politische Aufsicht gestellt, und so verhängt der
Weltsicherheitsrat eine Handelssperre über Diamanten, die
aus dem unruhigen Sierra Leone kommen: „Das Embargo
soll den Rebellen der Revolutionary Unity Front (RUF),
die schätzungsweise neunzig Prozent der sierra-leonischen
Diamanten-Schürfgebiete kontrollieren, den Geldhahn
zudrehen.“ (NZZ,
7.7.2000) Nicht nur fürs imperialistische
Weltgeschäft ist sie also gut brauchbar, diese ach so
schlimme einseitige
Abhängigkeit von Ländern wie
Sierra Leone von nur einer
Reichtumsquelle. Sie
ist auch wie geschaffen dafür, einem als ein einziger
politischer Unruheherd definierten Staatswesen mit einem
Schlag den Hahn zuzudrehen. Und so, wie Afrika nun einmal
beieinander ist, kann es bei der Austrocknung der
einzigen Einkommensquelle Sierra Leones nicht bleiben.
„Das Geschäft mit den Diamanten vermehrt nicht nur
den Blutzoll der Bürgerkrieger, es korrumpiert auch
scheinbar unbeteiligte Länder.“ (Spiegel, 29/00) In einem im März
veröffentlichten Bericht der UNO zum illegalen
Diamantenhandel von Angolas Unita-Rebellen wurden schon
Togo, Burkina Faso und Ruanda wegen ihrer Beihilfe zum
verbotenen Handel mit Diamanten aus Unita-Quellen
kritisiert
, (taz, 17.3.)
im Zusammenhang mit dem Bürgerkrieg in Sierra Leone ist
nunmehr auch Liberia in die Schlagzeilen geraten: Dieses
Land hat es in den vergangenen zwei Jahren geschafft,
Diamanten im Wert von über 300 Millionen Dollar offiziell
zu exportieren, obwohl Liberia fast keine Edelsteinminen
besitzt.
(SZ, 9.5.) Das
ist höchst verräterisch, und weil man schon einmal in
Liberia ist, fallen einem auch gleich die nächsten
unsympathischen Nachbarn ein: Ähnliche Zahlen lassen
sich für Ruanda, Uganda oder Simbabwe anführen, die alle
im Kongo beteiligt sind, und deren Eliten sich an den
Bodenschätzen dort schadlos halten.
(SZ, 17./18.6.) Auf ihre Transitgebühren
müssen diese Staaten zukünftig verzichten, damit das
grenzübergreifende Ausräuchern afrikanischer Banden auch
gescheit funktioniert. Wenn die Bloßgestellten das als
Angriff der Weltgemeinschaft auf die Souveränität ihrer
Staaten
(Spiegel, 29/00)
verstehen, haben sie richtig verstanden: Ihr staatliches
Existenzrecht verdienen sich diese politischen Gebilde in
Afrika dadurch, dass sie die Dienste gewährleisten, an
denen ein imperialistisches Interesse besteht. Außer
durch Wohlgefallen sollen sie besser nicht auffallen,
schon gleich nicht so unangenehm störend wie mit ihren
Kriegen. Tun sie dies dennoch, werden sie bestraft. Zwar
nicht mehr mit einem Expeditionskorps, aber schon auch
mit Gewalt und so in einer Sprache, die auch sie
verstehen: Man entwickelt sie einfach wieder ein bisschen
zurück, schneidet sie von dem Weltmarkt wieder ab, auf
dem sie eine so schlechte Figur machen! So zivil
zivilisiert man heute die Wilden!
*
Und noch etwas trifft sich da ausgezeichnet im
Zusammenhang mit einer einseitig auf Diamanten
basierenden Wirtschaftskraft. So einfach und
übersichtlich wie bei seinen Lieferanten, sieht der
Weltmarkt auch auf der Nachfrageseite aus, und weil der
kapitalistische Monopolist des Welt-Diamantengeschäfts
sich sein doch so süßes Symbol der Liebe, Schönheit
und Reinheit
ungern weltöffentlich mit Blut beflecken
lässt, macht auch er bei der Sortierung zwischen guten
und bösen Klunkern mit: Die südafrikanische
Diamant-Minengesellschaft De Beers, die rund 70
Prozent aller Rohdiamanten der Welt und rund die Hälfte
aller Diamantenminen kontrolliert, versprach jetzt die
volle Unterstützung bei dem Bemühen, den Handel mit
‚Konfliktdiamanten‘ zu ‚isolieren.‘
(SZ, 17./18.6.) Das muss man ihnen
lassen: humanitäres Gespür haben sie, die Bosse von De
Beers. Wenn die Quellen, an denen sie sich geschäftsmäßig
bedienen, von den politischen Hütern der Geschäftsordnung
mit einem Mal geächtet werden, wissen sie augenblicklich,
dass es ab sofort schlecht für ihr Geschäft ist,
wenn es mit Schmuggel, Kriegen und ähnlichen Rohheiten
assoziiert wird. Gut für es hingegen ist, wenn
sie versprechen, dass ihre Waren demnächst aus
menschenrechtlich einwandfreien afrikanischen
Abbaugebieten kommen. Doppelt lupenrein kommen also
demnächst die Steine aus Afrika auf den Markt, ohne
Einschluss und ohne Kindersoldaten.