Aus der Reihe „Chronik - kein Kommentar!“
UNO-Reform
Wer zahlt, schafft an! – Wem gehört die UNO?

Der von den USA und Deutschland jeweils angemeldete Reformbedarf bezieht sich auf den Einfluss der eigenen Nation und muss (besser) gewährleistet sein.

Aus der Zeitschrift

UNO-Reform
Wer zahlt, schafft an! – Wem gehört die UNO?

  1. Ted Turner, ein „Medienmogul“, erntet nicht nur beim Freundeskreis der Vereinten Nationen offene Kinnladen, als er am Vorabend der Eröffnung der Generalversammlung seine Absicht bekannt gibt, der UNO eine Milliarde Dollar zu spenden, den Börsengewinn seiner Beteiligung an Time-Warner aus den letzten neun Monaten, wie er vorrechnet. Zugleich fordert er die USA auf, endlich ihre UNO-Schulden zu tilgen.

    Alle Welt applaudiert. Es treten aber gewisse Probleme auf, wenn eine Milliarde Dollar von einem Privatmann in eine öffentliche Einrichtung fließt und sei es die der Weltgemeinschaft (SZ 23.9.); und zwar nicht nur ein paar Buchungsprobleme bei der UNO. Schließlich sind die Vereinten Nationen keine Spendensammeleinrichtung wie das Rote Kreuz oder die Caritas, sondern eine Organisation der Staatenwelt, ständige Börse der Diplomatie der Nationen, der schon ihre Satzung verbietet, private Spenden zu kassieren. Deshalb wird über eine Stiftung für humanitäre Zwecke verhandelt, damit Turner sein Geld überhaupt loswerden kann. Privates Sponsoring ordentlicher Politik mag dem Ami-Milliardär völlig normal vorkommen. Als guter US-Bürger teilt er da den Standpunkt seiner Regierung, nach dem die Welt dem Dollar und den gehobenen Ansprüchen seiner Besitzer offen zu stehen hat. Für ihn ist es wohl nur eine Frage des Geldbetrags, einmal in der internationalen Politik nach dem Rechten zu sehen. Schließlich werden „Big Spender“ sogar im Weißen Haus empfangen, was auch nur dann Skandal macht, wenn sich hinterher herausstellt, daß es Chinesen waren. Bei den Vereinten Nationen ist dieses Verfahren weniger adäquat. Es wäre ja auch schlecht vorstellbar, daß sich ein Privatmann anbietet, mal eben eine militärisch vorgetragene Friedensaktion wie die in Somalia zu finanzieren und dabei verlangt, daß statt des UNO-Emblems das Logo seines Senders CNN zu zeigen wäre.

    Um solchen Einfluß auf die UNO geht es dem Milliardär aber auch gar nicht. Seine Spende steht für die Kritik des amerikanischen Liberalen an der Republikanerfraktion, der die ganze UNO nicht paßt, die nicht einsieht, daß man für dieses Gremium gutes amerikanisches Geld herausschmeißt, und souverän die Dienste übersieht, die diese Institution für die Weltordnung leistet. Ob die Liberalen eine klare Vorstellung davon haben, daß die UNO den USA nützt, darf bezweifelt werden. Sie stehen aber auf dem Standpunkt, daß die US-Regierung gut daran täte, sich dieses Instrument zu erhalten.

  2. Aus der Zeit von Boutros Ghali, dem letzten Generalsekretär der UNO, stammt die amerikanische Kritik an der angeblich zu teuren und aufgeblasenen Organisation. Der hatte sich doch tatsächlich den Einfall der US-Diplomatie, US-Ordnungsaktionen im Auftrag der Völkergemeinschaft abzuwickeln, zu Kopf steigen lassen und sich eingebildet, als Chef der Weltorganisation auch einmal selbständig Initiativen entwickeln zu können. Er hat zum Einsatz in Somalia gedrängt und sich gleich auch selbst als Chef der Eingreiftruppe vorgeschlagen.
    „Im Senat ist man vor allem darüber erbittert, daß die UNO, die in weiten Kreisen nicht nur als unfähig und bürokratielastig, sondern auch als antiamerikanisch und ‚sozialistisch‘ (was immer das in diesem Kontext heissen mag) eingestuft wird, zu einem Viertel von Washington finanziert wird – beziehungsweise finanziert werden sollte, denn gegenwärtig schulden die USA der Weltorganisation (nach Angaben der UNO) mindestens 1,3 Milliarden Dollar. Eine der Bedingungen des Senats ist die Reduktion des amerikanischen Beitrags. Zu den übrigen gehören die Auflösung mißliebiger Unterorganisationen und eine generelle Eingrenzung des Tätigkeitsfeldes.“ (NZZ 18.07.)

    Die Erbitterung über überflüssigen Aufwand und Personaleinsatz ist nicht mit Einsparungen und einer „Verschlankung“ der Organisation erledigt. Das Antiamerikanische und – gleichbedeutend – Sozialistische der UNO liegt für einen eingefleischten Verfechter amerikanischer Weltherrschaft wie Senator Jesse Helms schon darin, daß in den Vereinten Nationen auch noch andere Staaten mitreden dürfen und deshalb die UNO-Unternehmen nicht einseitig von den USA definiert werden. Daß etwa ein senegalesischer Jurist amerikanische Todeszellen inspizieren kann, nur weil er einen entsprechenden Auftrag der UN-Menschenrechtskommission und damit die Vollmacht hat, den Amerikanern ausgerechnet ihr eigenes Menschenrechtsargument vorzuhalten, bringt so einen in Wallung, weil er schon diese Untersuchung für eine unerträgliche Einschränkung amerikanischer Souveränität hält. Wie die US-Justiz ihre Todeskandidaten behandelt, geht nur sie etwas an. Solche UNO-Aktivitäten gehören abgeschafft, dürfen jedenfalls nicht auch noch mit amerikanischen Steuergeldern finanziert werden.

    Dieser Standpunkt hat nicht nur den alten Generalsekretär seinen Job gekostet. Auch der neue Generalsekretär Kofi Annan, der amerikanischer Wunschkandidat war, sieht sich bei der Eröffnung der jährlichen Generaldebatte zu der Vorlage eines Reorganisationspakets gezwungen, das dreizehn Prozent des Etats und einige Posten einspart. Bei der Vorlage ruft er die USA auf, ihre Schulden jetzt vollständig und ohne Bedingungen zu bezahlen.

    „Der Erfolg dieses Reformprogramms erfordert … eine enge Partnerschaft und Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten. Sie sind es ja, von denen die Vereinten Nationen ihre Mandate erhalten und die sie mit Ressourcen ausstatten.“ (Kofi Annan in seiner Vorlage zum Reformprogramm vom 14.07.)

    Er scheint also aus der Lektion seines Vorgängers gelernt zu haben, daß da, wo die Mittel herkommen, auch die Aufträge abzuholen sind. Clinton versichert darauf seine Bereitschaft, die Rückstände zu bezahlen, verweist aber auf Verhandlungen mit dem Kongreß, der die Zahlung mit einer Reihe von Bedingungen verknüpft. Es kommt also weiter darauf an, wie sehr Clinton den Kongreß überzeugen und der sich davon überzeugen lassen will, daß die Aktivitäten der UNO amerikanischen Ansprüchen genügen. Nur dann und wenn überhaupt die Beitragspflichten reduziert werden, will die amerikanische Außenministerin immerhin einen Teil der Außenstände bezahlen:

    „Die USA zahlen bislang ein Viertel des UN-Haushalts und verlangen eine Reduzierung ihres Beitrags auf 20 Prozent. Albrights Vorstoß stieß aber bei anderen Beitragszahlern wie etwa Deutschland auf Unverständnis, weil eine Neubemessung der Beiträge offenbar nicht abgestimmt ist.“ (SZ 23.09.)
  3. Kinkel teilt die UNO-Kritik der Amerikaner weitgehend, sieht die Prioritäten aber anders:
    „Entweder wir überwinden jetzt den Reformstau und beenden endlich die ausschließliche Beschäftigung mit uns selbst, oder die UN werden politisch an Bedeutung verlieren.“ (SZ 25.9.)

    Die UNO-Reform kommt Kinkel wie eine Selbstblockade vor, statt dessen sollte die UNO doch die globalen Probleme der Menschheit lösen. Dabei denkt er nicht an Hunger, Krieg oder Seuchen. Der „Reformstau“ soll darin bestehen, daß Deutschland noch keinen ständigen Sitz im Sicherheitsrat hat – natürlich mit Vetorecht –, um seinen neugewonnenen Status als Siegermacht des Kalten Krieges zu demonstrieren. Diese Reform muß also durch, soweit bleibt die „Beschäftigung mit uns selbst“ sogar der wichtigste Tagesordnungspunkt. Das größte Problem der Deutschen mit der Welt der Diplomatie wäre damit gelöst. Wenn nicht, schade sich die UNO selbst. Sie müßte dann auf Deutschland in angemessener Position verzichten. Kinkel:

    „Dieses wichtigste Gremium der UN muß die politischen Realitäten von heute widerspiegeln… Der Sicherheitsrat kann nicht glaubhaft und effektiv der Friedenshüter des 21. Jahrhunderts sein, wenn er in seiner Zusammensetzung auf dem Stand von 1945 verharrt.“ (SZ 24.9.)

    Rußland noch mit Vetorecht im Sicherheitsrat und Deutschland draußen vor der Tür, so eine Organisation der Vereinten Nationen kommt dem deutschen Außenminister im Jahr 1997 schon beinahe lachhaft vor. Deutschland muß also in den Sicherheitsrat und nicht zu viele andere, damit der „wirtschaftliche Riese“ endlich auch politisch angemessen seinen Weltmachtanspruch repräsentieren kann und allseits anerkannt bekommt. Der deutsche Staatsmann, der jetzt auch in jedem Winkel der Welt eigene Interessen zu verteidigen hat, kann sich keine UNO-Mission mehr vorstellen, der er nicht zuvor explizit zugestimmt hätte. Höhere Beiträge will er deshalb nicht akzeptieren.

    „Deutschland ist der drittgrößte Beitragszahler und dabei soll es auch bleiben.“

    „Wer zahlt, schafft an“ heißt die Devise, nach der sich Wirtschaftsmacht in politischen Kredit übersetzen soll. Deshalb soll aber mehr Einfluß nicht auch gleich höhere deutsche Zahlungen heißen. Soviel hat er von den Amerikanern schon gelernt. Nur für friedenserhaltende Missionen kann er sich vielleicht höhere Beiträge vorstellen. Kriege waren schon immer etwas teurer. Ob mit oder ohne UNO-Mandat.