Aus der Reihe „Chronik - kein Kommentar!“
Bundespräsident und Verteidigungsminister mahnen ihr Volk:
Töten und Sterben für Deutschland – eine zweifellos ehrenwerte Sache!
Als hätten sich Verteidigungsminister De Maizière und Bundespräsident Gauck abgesprochen, nehmen beide kurz hintereinander die Gelegenheit wahr, ihre Gesellschaft mahnend an die Ehrbarkeit des Soldatenberufs zu erinnern. Ihrer Meinung nach pflegen die Deutschen nämlich eine geistige Distanz zu ihren Soldaten, ein „Nicht-Wissen-Wollen“ (Gauck), das nicht akzeptabel ist, weil es die Wertschätzung vermissen lässt, die dieser Berufsstand verdient hat. Die Erläuterung, warum man den Hut vor deutscher Militärgewalt zu ziehen hat, bleiben beide nicht schuldig.
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Länder & Abkommen
Bundespräsident und
Verteidigungsminister mahnen ihr Volk:
Töten und Sterben
für Deutschland – eine zweifellos ehrenwerte
Sache!
Als hätten sich Verteidigungsminister De Maizière und
Bundespräsident Gauck abgesprochen, nehmen beide kurz
hintereinander die Gelegenheit wahr, ihre Gesellschaft
mahnend an die Ehrbarkeit des Soldatenberufs zu erinnern.
Ihrer Meinung nach pflegen die Deutschen nämlich eine
geistige Distanz zu ihren Soldaten, ein
Nicht-Wissen-Wollen
(Gauck), das nicht akzeptabel ist, weil
es die Wertschätzung vermissen lässt, die dieser
Berufsstand verdient hat. Die Erläuterung, warum man den
Hut vor deutscher Militärgewalt zu ziehen hat, bleiben
beide nicht schuldig. So Gauck in seiner Rede vor der
Bundeswehr (12.06.12):
„Soldaten und Militär – das war mir in den ersten fünf Jahrzehnten meines Lebens allgegenwärtig. Es sind keine guten Gefühle, ... wenn ich mich erinnere an die Aufmärsche, an die Militarisierung der Schulen, an die Erziehung zum Hass, an die Ablehnung eines Zivildienstes durch Partei und Staat, an die militärische ,Absicherung‘ einer unmenschlichen Grenze. ... Ich habe das Militärische also kennengelernt als eine ... Begrenzung der Freiheit. Und nun stehe ich ... vor der Bundeswehr, zu der ich seit 22 Jahren auch ,meine Armee‘ sagen kann. ... Diese Bundeswehr ist keine Begrenzung der Freiheit, sie ist eine Stütze unserer Freiheit. Welch ein Glück, dass es gelungen ist, ... in diesem Land eine solche Armee zu schaffen: eine Armee des Volkes, im besten, eigentlichen Sinne, ... an demokratische Werte gebunden, an Grundgesetz und Soldatengesetz; eine Armee unter Befehlsgewalt eines Zivilisten, rekrutiert aus eigenverantwortlichen Bürgern und heute auch Bürgerinnen, die zu kritischen Geistern gebildet werden ...“
Die Stellung des Bundespräsidenten zum staatlich
organisierten Instrument der Gewaltausübung gründet ganz
in seiner Parteilichkeit für oder gegen das
Staatswesen, das es einsetzt. Sein Hass auf die
ehemalige DDR begründet seine „unguten“ Gefühle gegen die
Volksarmee als einer unmenschliche Gewalt- und
Unterdrückungsmaschinerie, die wiederum jeden Abscheu
gegen den Staat, der sie kommandiert, rechtfertigt und
bestätigt. Im geschätzten Deutschland hingegen ist die
Armee das schiere Gegenteil ihres Pendants im ehemaligen
Feindstaat, nämlich eine höchsten Werten verpflichtete,
freiheitliche
Bereicherung der Menschheit, also
eine grundsätzlich gute und erhabene Sache, die sich
durch demokratische Werte
auszeichnet, vom
Zivilisten
an der Spitze, der das Töten und
Sterben im Einklang mit Grundgesetz und
Soldatengesetz
befiehlt, bis hinunter zum
eigenverantwortlichen
und kritischen
Fußsoldaten, der gehorcht. Eine dermaßen herrliche Truppe
gereicht natürlich wiederum dem Staatswesen, in dem sie
beheimatet ist, zu allen Ehren. So zirkulär bestätigen
sich im jeweiligen Fall das Urteil über den Staat und
sein militärisches Instrument, nach dem schlichten
Strickmuster, dass sich das Staatsoberhaupt die passenden
Belege für seinen parteilichen Standpunkt schafft.
Der hochgelobten „Zivilgesellschaft“ mit ihren demokratischen Institutionen, die den einzigartig freiheitlichen Charakter der Bundeswehr verbürgen, kann der Bundespräsident allerdings den Vorwurf nicht ersparen, dass von der Opferbereitschaft und Einsatzfreude ihrer Soldaten für die Gemeinschaft ein schlechtes Licht auf sie fällt. Dabei bleibt allerdings von den herausragenden Eigenschaften der Truppe, mit denen Gauck eben noch ihre unendliche Überlegenheit gegenüber den Kriegshandwerkern der DDR bebildert hat, herzlich wenig übrig. Denn ein leuchtendes Vorbild für das zivile Leben ist die Bundeswehr gerade nicht aufgrund der hoch gelobten erzdemokratischen Unterschiede zur Volksarmee der DDR. Was Gauck an der voller Abscheu geißelt, zeichnet die demokratische Wehrmacht vor allem anderen aus – sie ist der perfekt organisierte Gewaltapparat, deren Mitglieder in ihrem Gehorsam die unbedingte Aufopferung im Dienst der Nation verkörpern:
„Freiheit ist ohne Verantwortung nicht zu haben. Für Sie, liebe Soldatinnen und Soldaten, ist diese Haltung selbstverständlich. Ist sie es auch in unserer Gesellschaft? ... Manche verwechseln Freiheit mit Gedankenlosigkeit, Gleichgültigkeit und Hedonismus. ... Und vergessen dabei allzu gern, dass eine funktionierende Demokratie auch Einsatz erfordert ... und manchmal auch das Äußerste, was ein Mensch geben kann: das Leben, das eigene Leben. Diese Bereitschaft zur Hingabe ist selten geworden... Hier, in der Bundeswehr, treffe ich auf Menschen mit der Bereitschaft, sich für etwas einzusetzen – gewissermaßen auf ‚Mutbürger in Uniform‘! … Für solche Menschen hat das Wort ‚dienen‘ keinen altmodischen Klang, es ist Teil ihres Lebens...“
Wo er eben noch die Militarisierung
einer
Gesellschaft durch ihre Obrigkeit auf den Tod nicht
ausstehen konnte, fällt dem Bundespräsidenten im nächsten
Schritt ein, dass die deutsche Zivilgesellschaft nach
seinem Geschmack viel zu wenig soldatische Tugenden
verinnerlicht hat. Das Dienstverhältnis von Befehl und
Gehorsam stilisiert Gauck zur vornehmsten Tugend und
beispielhaften Verwirklichung der Freiheit
verantwortungsbewusster Staatsbürger, die er der
Gesellschaft als Vorbild verordnet. Er feiert den
Berufsstand, in dem der Wille des Individuums außer in
der Unterordnung unter die Pflicht nichts verloren hat,
als die höchste Form, in der es freiwillig im Einsatz für
die Gemeinschaft und den Staat aufgeht. Daran gemessen
findet Gauck in seiner Gesellschaft an allen Ecken und
Enden schäbigsten Materialismus vor – auch der deutlich
überzeichnet, weil so verwerflich. Damit verrät er nicht
weniger als die Grundwahrheit über das
Verhältnis von Staat und Bürger, nämlich welchen
Anspruch eine Staatsgewalt auf das gesamte Leben
ihrer Menschen hat und praktiziert: Vor allem Eigennutz
steht der Bürger im Dienst seiner Nation, seiner
freiheitlich-demokratischen Existenzbedingung, bis in den
Tod hinein – das ist die Prämisse und die nicht
geringe Nebenkost allen zivilen Lebens in einem Staat der
Freiheit
. Der geht erklärtermaßen über die Leichen
seiner und fremder Bürger – was in diesem Fall überhaupt
nicht gegen den Staat spricht. Umgekehrt: Die
Hingabe
und Bereitschaft
, mit der sich die
Mutbürger
selbstlos für die Kriegseinsätze ihrer
Obrigkeit hergeben, adelt das blutige Handwerk – und
damit die Staatsgewalt, die es organisiert.
Der Bundesverteidigungsminister lässt sein
Staatsoberhaupt beim Kampf an der Meinungsfront gegen
Gleichgültigkeit
und Gedankenlosigkeit
nicht allein. In Günther Jauchs Sonntag-Abend-Talkrunde
zum Thema „Trauma Afghanistan – welche Spuren hinterlässt
der Krieg?“ (10.06.12) tritt auch De Maizière für die
rechte Wertschätzung des Soldatenberufs ein:
„Der heutige Abend leistet hoffentlich einen Beitrag zu der gesellschaftlichen Anerkennung, der öffentlichen Wertschätzung und der Würdigung dessen, was die Soldaten hier tun. Das tun sie ja nicht für sich, das tun sie auch nicht für mich, sondern das tun sie für unser Land. ... Wenn Soldaten für unser Land notfalls ihr Leben einsetzen und unser Land verteidigen, dann haben diese Soldaten auch Anspruch darauf, dass das Land sie verteidigt, unabhängig davon, wie man zum Afghanistan-Einsatz steht. Ich bin auch grundsätzlich gegen Krieg... Ich habe das Konzept der Sendung so verstanden, dass wir differenzieren wollen. Über den Afghanistan-Einsatz diskutieren wir gerne, auch gerne hier oder ein anderes Mal. Aber davon zu trennen ist, was unsere Soldaten leisten, in unserem Namen. ... Und die Kraft muss eine Gesellschaft haben: zu differenzieren. Jawohl, das sehen wir politisch pro oder contra, aber zu unseren Soldaten stehen wir alle. Das wäre mein Wunsch.“
Ein berechnendes Zugeständnis, das der
Verteidigungsminister da macht, der selbst
grundsätzlich gegen
jeden Krieg ist, den er nicht
führt: Man darf gegen deutsche Kriegseinsätze sein, wenn
man umso parteilicher für die Soldaten ist, die diese
Kriege durchführen. Man darf die deutsche
Afghanistan-Politik falsch finden, wenn man nur das
soldatische Opfer im Namen der Nation, die diese Politik
veranstaltet, bedingungslos in Ehren hält.
So besehen zieht sich jeder Kriegskritiker einen
schwerwiegenden Verdacht zu, den er auszuräumen hat. Er
muss sich nämlich fragen lassen, ob seine kritische
Sichtweise nicht die Differenzierung
schuldig
bleibt, die verlangt ist – und deshalb eine fraglos gute
Sache in den Schmutz zieht. Das heilige Opfer des
Soldaten fürs Vaterland verbietet eben jede
Kritik, die auf diese Sache ein schlechtes Licht zu
werfen droht.
Die Ehrerbietung vor dem Soldatenhandwerk gebietet auch
die Verneigung vor dem Veteranen, der seinen Dienst
praktisch unter Beweis gestellt hat. Auch hier klafft
noch eine schmerzliche Lücke: Jahrzehntelang durfte dem
unbekannten deutschen Soldaten diese Ehrerbietung nur
etwas verschämt-versteckt auf dem Niveau von
Friedhofsmahnmalen entgegengebracht werden, da ihn sein
letzter großräumiger Diensteinsatz fürs
nationalsozialistische Vaterland weltweit so eindrücklich
bekannt gemacht hatte, dass dem Nachfolgestaat der allzu
öffentlich zelebrierte Stolz auf den Veteranen politisch
nicht opportun erschien. Gottseidank ist diese unschöne
Periode deutscher Vergangenheitsbewältigung nach
öffentlichem Dafürhalten inzwischen abgeschlossen,
deshalb möchte der Verteidigungsminister, dass wir
eine Veteranen-Politik in Deutschland entwickeln. Alle
Nationen haben das. Das ist keine Hurra-Veranstaltung,
sondern die öffentliche Wertschätzung dessen, was
Soldaten tun.
Nichts ehrt den politischen
Veranstalter von Kriegseinsätzen eindrucksvoller als
seine Veranstaltungen zur öffentlichen Verehrung derer,
die er an die Front schickt.