Aus der Reihe „Chronik - kein Kommentar!“
Die taz zum deutschen Militäreinsatz in Afghanistan: Parteilichkeit alternativ

Was fehlt in einer demokratischen Öffentlichkeit, die in ihrem Pluralismus den Sprachregelungen der Politik aufs Wort glaubt, nichts von dem in Frage stellt, worüber die Machthaber mit Gesetzeskraft verfügen? Richtig, da fehlt eine Alternative, und in Gestalt des alternativen Journalismus einer taz gibt es die auch: „Die Grundsätze, die ich in der taz gelernt habe, lauten: Nichts und niemandem glauben, Macht und Herrschaft immer in Frage stellen, sich auf die Seite der Unterprivilegierten stellen, Streitlust und Humor nicht verlieren.“

Aus der Zeitschrift
Systematischer Katalog
Länder & Abkommen

Die taz zum deutschen Militäreinsatz in Afghanistan: Parteilichkeit alternativ

Was fehlt in einer demokratischen Öffentlichkeit, die in ihrem Pluralismus den Sprachregelungen der Politik aufs Wort glaubt, die nichts von dem in Frage stellt, worüber die Machthaber mit Gesetzeskraft verfügen? Richtig, da fehlt eine Alternative, und in Gestalt des alternativen Journalismus einer taz gibt es die auch: Die Grundsätze, die ich in der taz gelernt habe, lauten: Nichts und niemandem glauben, Macht und Herrschaft immer in Frage stellen, sich auf die Seite der Unterprivilegierten stellen, Streitlust und Humor nicht verlieren. (Ute Scheub, Mitbegründerin der taz, Anzeige in der taz, 30.6.08) Ein verantwortungsvoller Journalismus soll bei allem Engagement für Wahrheit und Gerechtigkeit und bei aller Streitlust gegen die Herrschenden freilich schon herauskommen. Da fragt es sich, ob dieses Häuflein aufrechter Kämpfer seinem selbstgestellten hohen Auftrag gerecht wird.

Die Berichterstattung über die aktuellen Kriege einer Nation ist da immer eine anspruchsvolle Aufgabe für kritische Chronisten. Der stellen sich anlässlich der Ausweitung des deutschen Kampfauftrags in Afghanistan auch die alternativen Zeitungsmacher von der taz:

„Unübersichtliches Afghanistan.
Dass die Bundesregierung ihren Bürgern den Sinn des Afghanistan-Einsatzes nicht zu vermitteln vermag, ist nicht der größte Vorwurf, der in diesem Zusammenhang zu erheben ist. Schlimmer ist, dass auch die Afghanen selbst am Einsatz der Bundeswehr zu zweifeln beginnen. Vor dem Kommunikationsproblem steht immer das Problem in der Sache.
Doch hängt beides miteinander zusammen. Je schlechter die Nachrichten aus Afghanistan werden, desto unangemessener klingen aus dem Munde des Verteidigungsministers die immergleichen Worthülsen von der ‚friedlichen Entwicklung‘ bis zum ‚Konzept der vernetzten Sicherheit‘. Und mit der jetzt angetretenen Kampftruppe und der Entscheidung für 1.000 zusätzliche Soldaten dürfte die Diskrepanz zwischen wolkigen Reden und hässlichen Berichten noch wachsen.
Die Opposition fordert deshalb unablässig eine ‚ehrliche Zwischenbilanz‘. Neu macht jetzt auch die Idee die Runde, eine überparteiliche Kommission (...) einzurichten, die eine solche Zwischenbilanz erstellen und ohne Rücksicht auf Koalitionsbefindlichkeiten formulieren soll. (...)
Man kann sich leicht vorstellen, in welche Fleischwölfe eine deutsche Kommission im großkoalitionären Wahlkampf geraten würde. Vermutlich ist es aber auch eine irrige Vorstellung, dass eine Kommission die tausend verschiedenen Wahrheiten aus und über Afghanistan verschmelzen könnte. Die Bundeswehr kann überhaupt nicht offen kommunizieren. Die Nato-Partner stellen eigene Bedingungen. Der junge afghanische Staat muss gelenkt werden, soll aber souverän wirken. Niemand überblickt, was die zivilen Organisationen alles machen.
Einfach ‚raus‘ kommt die Bundesregierung da sowieso nicht. Aber wenn sie nicht selbst die Bedingungen erklärt, unter denen sie drin bleibt, übernehmen das die Einsatz-Gegner.“ (taz, 1.7.)

Da kann man nun doch nicht meckern: Auch von ihrem Leib- und Magenblatt werden die Reste der deutschen ‚Friedensbewegung‘ mit dem Krieg am Hindukusch vertraut gemacht, wie es sich gehört, nämlich zuallererst in Form einer verantwortungsvollen Perspektive, unter der man ihn zu betrachten hat. Die ergibt sich vorliegend daraus, dass die Frau Redakteurin für ihre Weigerung, zum Krieg in Afghanistan auch nur einen geraden Gedanken zu fassen, gleich im ersten Wort ihres Kommentars den Gegenstand ihrer Betrachtung haftbar macht: Unübersichtlich wäre, was da zwischen NATO-Mächten und Taliban in Afghanistan läuft, und darüber verbreitet sie sich dann im Weiteren. Sie hat sich auf den aparten Gesichtspunkt verlegt, den deutschen Militäreinsatz als ein Kommunikationsproblem zu besprechen, näher: als Problem der Bundesregierung, ihren Bürgern den Sinn, mithin die guten Gründe zu vermitteln, den bzw. die sie für den Einsatz deutschen Militärs in Afghanistan auf jeden Fall weiß bzw. hat. Dieses kommunikative Defizit begründet für eine, die es im Dialogverkehr von oben nach unten gerne eindeutig und übersichtlich mag, in jedem Fall einen Vorwurf. Zwar scheint es andere und sogar gewichtigere Kritikpunkte zu geben, die in diesem Zusammenhang an die Adresse der Regierung zu richten wären. Ja, die gute Frau erwähnt sogar eine Sache, über die zu diskutieren allemal vordringlicher wäre als über die Formen ihrer kommunikativen Vermittlung. Aber danach steht ihr der Sinn offensichtlich überhaupt nicht. Das spricht sie nur an, um gleich mit dem nächsten Satz jede Befassung mit dem, was bei diesem Krieg Sache ist, auszuschließen und sich allein mit der Sache zu befassen, die ihr am Herzen liegt: Wie schlecht der Krieg doch zu den Worthülsen passt, in denen von den Verantwortlichen über ihn geredet wird, stößt ihr unangenehm auf; von Frieden ist immer die Rede, und von dem kann wohl mitten im Krieg überhaupt nicht die Rede sein – was für ein Skandal! Nichts und niemandem glauben: Wie man sieht, kann man dabei journalistisch einfach nichts verkehrt machen, wenn man die politischen Gründe des deutschen Militäreinsatzes im Wege einer strikten Nichtbefassung als außer jeder Diskussion stehend abhakt – und auf der Grundlage dann gnadenlos in dem Missverhältnis herumstochert, das ein gebildeter Freund politischer Schönfärberei zwischen dem Titel ‚Friedenseinsatz‘ und den Leichen allemal entdeckt, die regelmäßig in hässlichen Berichten auftauchen. Wo zwischen der grundguten politischen Absicht Deutschlands in Afghanistan, die ja wohl feststeht, und den Handlungen, die sie vor Ort unglücklicherweise nach sich zieht, noch immer soviel Hässliches klafft, ruft das kritische journalistische Ethos nach einer Hilfestellung von oben, um weiter am Glauben an die gute Absicht festhalten zu können: Eine ehrliche Zwischenbilanz wäre das mindeste, was man da von seiner Regierung verlangen kann, gut daher, dass die Opposition, die wir haben, in dem Sinne schon unterwegs ist. Auch die Idee, dazu eine überparteiliche Kommission zu bestellen, ist im Grundsatz unbedingt zu befürworten: Eine überparteilich deutsche, daher wahrhaft nationale Expertenrunde verbürgt per se die Ehrlichkeit dieser Bilanz, den Worten, mit denen sie dem Volk das deutsche Engagement im Krieg vermittelt, könnte man bedenkenlos glauben. Könnte man, denn da zeichnet sich schon das nächste kommunikative Desaster ab: Ein Wahlkampf steht dem Land ins Haus, und bei dem, das weiß man ja, herrscht immer Hochkonjunktur in Sachen Falschmeldungen! Da geht es den Parteien um Stimmen für sich und nie um die Wahrheit, gerät also erst recht alles durcheinander, was das ohnehin schon schwierige ehrliche Kommunizieren zwischen Regierung und Volk betrifft. Und apropos Wahrheit: Lässt sich zu Afghanistan überhaupt etwas Handfestes sagen? Wo jeder auf alle Fälle irgendwie recht hat mit dem, was er sagt, und es daher nicht nur tausend verschiedene Wahrheiten gibt, sondern auch noch eine Bundeswehr, die ihre eigene Wahrheit nicht verrät? Wo sich auch noch Nato-Partner mit ihren Waffen bei der Wahrheitsfindung einmischen, es ferner einen gelenkten Staat gibt, damit er souverän wirkt, sowie zivile Organisationen, von denen sogar die taz nichts weiß: Was soll man sich da überhaupt noch zu sagen trauen?! Eines jedenfalls ist sicher: Wer unter den Stichworten ‚Ehrlichkeit‘ und ‚Wahrheit‘ einfach nichts von dem, was er anspricht, für sich nimmt und entschlossen alles mit allem zu einem kommunikativen Vermittlungsproblem zusammenrührt, für den ist natürlich Afghanistan dermaßen unübersichtlich, dass er über nichts Bestimmtes mehr irgendetwas sagen kann! Aber was er damit sagen will, versteht man auch so ausgezeichnet: Macht und Herrschaft immer in Frage stellenso schreibt man, wenn die eigene Herrschaft ihren Krieg führt und den gerade ein wenig eskaliert, für die Freunde des Friedens alternativ seine Zeitung voll. Man stellt rein gar nichts in Frage von all dem, was die politischen Herren bezwecken und tun – bezweifelt aber umso entschiedener die Überzeugungskraft der Sprachregelungen, die sie für ihre Machenschaften kursieren lassen. Da, bitteschön, möchte man als Experte für Frieden schon besser bedient werden von seiner Regierung, gibt sich aber auch diesbezüglich selbstverständlich keiner großen Illusion hin: Kaum hat man seinen unglaublich herrschaftszersetzenden Antrag formuliert, von Worthülsen verschont und mit einer etwas stringenteren Kriegsrechtfertigung bedient zu werden, konstruiert man sich ein ganzes Rattennest von Problemen für die Botschaft zurecht, dass die politischen Befehlshaber des Kriegs das Kommunikationsproblem, das man ihnen angehängt hat, wohl nie gescheit in den Griff bekommen werden. Und vermutlich deswegen, weil in dieser gelungenen Allianz von studierter Blödheit und Parteilichkeit noch der Humor fehlt, der zusammen mit der Streitlust versprochen war, holt unsere Frau Kommentatorin in der Abteilung Herrschaftskritik noch zum ultimativen Hieb aus. Einfach ‚raus‘ aus Afghanistan kommt Deutschland sowieso nicht – das ist ihr schon deswegen so klar, weil die Nation ja ihre auch ihr einleuchtenden guten Gründe fürs Hineingehen hat. Aber eine Regierung, die sich in ihrem vergeblichen Ringen um goldene Worte womöglich auch noch von den Gegnern ihres Krieges die Bedingungen vorsagen lässt, unter denen sie ihn weiterführt: Das ist ja wohl der Gipfel an Nicht-Souveränität beim Kriegführen wie beim Kommunizieren – und solche Schlappmänner haben die studierten Journalisten der taz auch im Namen aller Unterprivilegierten im Land nicht verdient!

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Was genau die Frau W. von der taz an überzeugungskräftigen Sprachregelungen aus dem Mund des Regierungssprechers ab sofort gerne vernommen hätte, verrät sie einem allerdings nicht. Um da auf dem Laufenden zu bleiben, ist der friedensbewegte Leser gut beraten, als Alternative zur alternativen taz ab und an in der FAZ zu blättern. Dort steht täglich im Klartext, in welche Worte die Rechte gekleidet gehören, die sich Deutschland in der imperialistischen Konkurrenz herausnimmt, in Afghanistan wie anderswo. Aber so ein reaktionäres Blatt fasst ein fortschrittlicher alternativer Mensch nicht einmal mit der Beißzange an.