Aus der Reihe „Chronik - kein Kommentar!“
Spendierhosen für gewerkschaftliche Zurückhaltung beim Lohn
Ende 2010 „scheint sich in der Metall- und Elektroindustrie eine Geldlawine in Bewegung gesetzt zu haben. Ein Unternehmen nach dem anderen teilt mit, seine Beschäftigten am Aufschwung zu beteiligen. Zwei Wochen vor dem ersten Advent warten immer mehr Beschäftigte auf’s Christkind.“ (FAZ, 13.11.10)
Die Öffentlichkeit ist erstaunt über das weihnachtliche Wunder. Unternehmer, die sonst um jeden Pfennig feilschen, rücken Geld heraus, ganz ohne Druck der Gewerkschaft...
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Spendierhosen für gewerkschaftliche Zurückhaltung beim Lohn
Ende 2010 scheint sich in der Metall- und
Elektroindustrie eine Geldlawine in Bewegung gesetzt zu
haben. Ein Unternehmen nach dem anderen teilt mit, seine
Beschäftigten am Aufschwung zu beteiligen. Zwei Wochen
vor dem ersten Advent warten immer mehr Beschäftigte
auf’s Christkind.
(FAZ,
13.11.10)
Die Öffentlichkeit ist erstaunt über das weihnachtliche Wunder. Unternehmer, die sonst um jeden Pfennig feilschen, rücken Geld heraus, ganz ohne Druck der Gewerkschaft. Das „Geschenk“ war allerdings im Tarifvertrag 2009 schon ausgemacht: Zur Absicherung der langen Laufzeit des Vertrags bis 2012 über alle Konjunkturlagen hinweg war den Unternehmen erlaubt, je nach Gewinnlage, also ihren betrieblichen Berechnungen, die Lohnerhöhung von 2,7 % zum April 2011 um zwei Monate aufzuschieben oder auch vorzuziehen. Letzteres tun jetzt manche Unternehmen, die den „Aufschwung“ bei sich unzweifelhaft angekommen sehen.
Die Gewerkschaft ist zufrieden, sieht sie doch im
Vorziehen der Tariferhöhung die Honorierung der
„Kooperation“, die die Arbeitgeber in der Krise endlich
schätzen gelernt haben: Es gab in der Krise bei der
Beschäftigungs- oder Standortsicherung eine Phase der
Kooperation.
(Schild, IGM
Frankfurt) Was wir schon kannten an
partnerschaftlichem Verhalten hat sich in der Krise noch
mal verfestigt.
(Vassiliadis, IG
BCE)
Das Modell gleiche Augenhöhe
(Schild) sah so aus: In einvernehmlichen
Verhandlungen wurden den Arbeitnehmern gemäß den
Erfordernissen des Kapitals Kurzarbeitszeiten verordnet,
Lohnkürzungen (von erheblichen finanziellen Einbußen
durch Ergänzungstarifverträge
berichtet die FAZ am
27.12.) und Zulagenstreichungen beschert sowie ein
längerfristiger Tarifvertrag abgeschlossen, der im ersten
Jahr keine und ab April 2011 die besagte Lohnerhöhung von
2,7 % bringt.
Die Gegenseite hat zur „Sicherung der Arbeitsplätze in
der Krise“ das Ihre beigetragen, indem sie die Lohnopfer
dankend angenommen und sie in Unternehmensgewinne
umgemünzt hat. Jetzt, nach Überwindung der Krise auf
Kosten der Belegschaften, dürfen sich die Arbeitgeber
über dauerhaft fixierte Krisenlöhne freuen und auf dieser
Grundlage ihre Methoden der Leistungssteigerung und
Kosteneinsparung umso lohnender im Aufschwung in Anschlag
bringen. (Mit den Kostenstrukturen aus der Krise den
Aufschwung bewältigen.
(FAZ,
13.11.) Die Arbeitnehmer ihrerseits dürfen –
sofern sie nicht der Sanierung zum Opfer gefallen sind –
mit entsprechend bescheidenen Einnahmen in der
Haushaltskasse auch gleich auf Jahre rechnen und sich
entsprechend einteilen.
Kein Wunder, dass die Arbeitgeber voll des Lobs gegenüber
einer Gewerkschaft sind, die den Arbeitsplatz nicht an
dem misst, was er ihren Mitgliedern bringt, sondern
anerkennt, dass die Anwendung von Arbeitskräften sich für
die Unternehmen ausreichend lohnen muss und der ‚Erhalt
von Arbeitsplätzen‘ deswegen Lohnopfer auf Seiten der
Arbeitskräfte erfordert. Diese gewerkschaftlichen Dienste
fordern die Unernehmer auch für die Zukunft ein: Was
wir in der Krise geschafft haben, schweißt auch im
Aufschwung zusammen!
(Thyssen-Vorstand, FAZ, 27.12.) Der
vertrauensvolle Umgang darf nicht mit der Krise
enden!
(Arbeitgeberverband
Gesamtmetall)
Und das wird er auch nicht, wenn es nach der Gewerkschaft
geht. Sie hält die Forderung nach einer außerordentlichen
Lohnerhöhung, einen „Nachschlag“ für ihre Mitglieder im
Aufschwung für unpassend. Denn: Die IG Metall steht zu
ihren Verträgen. Wie immer im Leben kippt es mal in die
eine und mal in die andere Richtung!
(Burkhard, IG Metall)
Interessenvertretung ihrer Mitglieder, das heißt für sie,
zuverlässiger Tarif- und Vertragspartner für die
Unternehmen sein und den Unternehmern die Vertragstreue
vorleben, die sie auch von ihnen in „schlechten Zeiten“
erwartet. Dabei übersieht sie geflissentlich, dass die
Unternehmer mit der Macht des Eigentums alle Freiheiten
haben, Verträge mit der Gewerkschaft obsolet werden zu
lassen, wenn „die Lage des Unternehmens“ es wieder einmal
„erforderlich“ macht, die Kosten radikal zu senken, die
Beschäftigungs- und Lohnbedingungen in den Betrieben den
„Erfordernissen der Konkurrenz“ neu „anzupassen“,
Tarifgegebenheiten aufzukündigen, Betriebe zu- und
anderswo an Billiglohnstandorten neu aufzumachen... Das
ist die Freiheit, die die gewerkschaftliche Vertragstreue
der Kapitalseite garantiert.
Und dafür werden die gewerkschaftlich Vertretenen jetzt
glatt auch einmal belohnt. Auf dem festen Boden
gewerkschaftlicher Vertragstreue und der mit ihr
festgeschriebenen lohnenden Verfügung über ihre
Arbeitskräfte anerkennen die Unternehmer mit ihrem
freiwilligen lohnpolitischen Zugeständnis die vom
Tarifpartner organisierten Opfer. Ein Teil von ihnen
zieht die Lohnerhöhung von 2,7 % um zwei Monate vor. So
bekommt ein Mitarbeiter ein um 0,4 Prozent höheres
Bruttoarbeitsentgelt
, verkündet zufrieden der
Arbeitgeberverband Gesamtmetall.
Billiger war eine „Geldlawine“ selten zu haben.