Aus der Reihe „Chronik - kein Kommentar!“
Airbus, Huygens, Telekom – Was der deutsche Imperialismus alles kann:
Schröders Rollout zum Jahresanfang

Der Kanzler will die Welt und seine heimische Mannschaft wissen lassen: Dass Deutschland in und mit seinem Europa auf der Erfolgsspur ist, viel kann und noch mehr will und sich beim Erfolghaben so leicht von niemandem übertreffen und schon gar nicht aufhalten lässt.

Aus der Zeitschrift

Airbus, Huygens, Telekom – Was der deutsche Imperialismus alles kann:
Schröders Rollout zum Jahresanfang

Es ist ja gar nicht so, dass unsere Regierung sich nur um die stromlinienförmige Verwaltung der neueren deutschen Armut kümmern würde. Die „Agenda 2010“, „Hartz IV“ und das Sparen an Kranken und Alten hat sie sich ja nicht einfach so zum Spaß ausgedacht.

Zum Start ins neue Jahr sorgen deutsche Politiker, Schröder – voll der Richtlinienkompetenz – allen voran, dafür, dass der Sinn der Sache allgemeinverständlich unter die Leute kommen und für gute Stimmung sorgen möge.

Der liegt, so einfach kann die komplexe moderne Welt manchmal strukturiert sein, in der Mehrung kapitalistischen Reichtums auf und von deutschem Boden aus und in der Stärkung des politischen Vermögens des Gemeinwesens gegen alle anderen Nationen, die dasselbe wollen. Und dass dieses zweifach einsinnige Vorhaben unter Führung des rotgrünen Kanzlers vorankommt, das will der die Welt und seine heimische Mannschaft, die er dafür verhaftet, wissen lassen: Dass Deutschland in und mit seinem Europa auf der Erfolgsspur ist, viel kann und noch mehr will, und sich beim Erfolghaben so leicht von niemandem übertreffen und schon gar nicht aufhalten lässt.

Und wie der Typ aus der bekannten Sparkassenwerbung, der zum Beweis seines Konkurrenzerfolges die Fotos von Auto, Haus und Pferdepflegerin auf den Tisch knallt, so lässt es auch der Kanzler zum Jahresanfang richtig krachen:

  • Der dickste Airbus aller Zeiten hat sein „Rollout“, wird fast zwei Wochen lang als das finale Überholmanöver „europäischen Ingenieurgeistes“ gegenüber Boeing gefeiert und in gemeinsamen Feierstunden von Politik und Kapital zur besten Sendezeit als Durchbruch in die Zukunft der Flugzeugindustrie angekündigt: in eine Zukunft, in der sich einerseits die Amis warm anziehen und „wir“ noch schärfer darauf aufpassen müssen, dass „uns“ die „machtbewussten Franzosen“ in der gemeinsamen Firma nicht die Butter vom Brot, d.h. nicht zu viele kapitalschaffende Arbeitsplätze vom Standort nehmen.
  • Ähnliches wird auch anlässlich der Landung der Forschungssonde „Huygens“ auf einem Saturnmond vermittelt: Europa lässt sich von dem Vorsprung des amerikanischen Weltmarktführers in Sachen Weltraumforschung nicht entmutigen, hat die Verfolgung aufgenommen, beweist, dass das Sonnensystem den Amis nicht allein gehört und hat mit „Galileo“ bald sowieso das viel bessere GPS-System!
  • In Sachen Tsunami sind „wir Deutschen“ nicht nur die uneigennützigsten Hilfeweltmeister, wenn man einmal von dem unpassend übertriebenen Ehrgeiz der Australier absieht: Das flutbedrohte Asien soll nicht nur mit „nachhaltiger“ Hilfe und allerlei „Partnerschaften“ überzogen werden, für deren korrekte Organisation man sich natürlich in Zukunft vor Ort auch ein bisschen einmischen muss. In der Region und auch gleich noch im Rest der Welt gibt Deutschland mit deutscher Warntechnik dem Tsunami keine Chance mehr! Dass die Fachleute noch so ihre Zweifel haben, spielt für die Botschaft keine Rolle: Schröder hat in Zukunft auch die Monsterwellen fest im Griff!
  • Und damit nicht genug: Im selben Geist stellt der Kanzler zur Zehnjahresfeier der Telekom-Privatisierung die Firma als weltmarkttüchtigen „Global-Player“ aus deutschem Hause vor, der es versteht, nicht nur seinen Beschäftigten sondern auch den konkurrierenden „Marktteilnehmern“ weltweit die Hölle heiß zu machen. Und kaum hat die berüchtigte LKW-Maut, die vor Jahresfrist noch als deutsche Blamage gehandelt wurde, ein paar Tage lang funktioniert, kündigt Schröder das System schon als „Exportschlager“ an, das uns „die anderen“ bald aus den Händen reißen werden.

Das alles soll dem von persönlichen Erfolgen nicht verwöhnten, aber für nationale Großtaten empfänglichen Volk von Hartz-IV-Kunden, lohngekürzten „Opelanern“ und sonstigen Patienten, die bestimmt schon ganz scharf darauf sind, ein Ticket für den neuen „Super-Airbus“ zu lösen, gute Laune machen. Die verantwortlichen Manager wissen ohnehin, was sie am Standort Deutschland haben. Insofern ist der Tatbestand der nationalen Stimmungsmache erfüllt.

Die wendet sich aber auch nach außen und ist dabei nicht weniger unsympathisch: Die ganze Angeberei präsentiert mit viel Selbstgewissheit die geballte imperialistische Konkurrenzmacht „der Deutschen“ im Weltmaßstab, lobt Deutschland als führenden Weltkapitalstandort, führt vor, was dieses Deutschland – gegen alle anderen – alles vermag und dass es, genau deswegen, auch in Zukunft viel und noch mehr dürfen muss. Denn: Was die deutsch-europäische „Führungsmacht“ kann – oder zu können behauptet – ist Grundlage für ihre Ansprüche auf und gegen den Rest der Welt. Ihr großspuriges Auftreten steht für eine weltpolitische Offensive.

Die öffentlichen Beobachter all dessen, die die Botschaften des Kanzlers von Berufs wegen „transportieren“, geben sich manchmal ein wenig amüsiert, wenn der ihrer Ansicht nach wieder einmal recht dick aufträgt und der Versuchung unterliegt, aufzuschneiden (SZ, 29.1.05). Wenn aber, wie im Falle Schröders, die konstatierte Angeberei durch den mehrfachen Gewinn kapitalistischer Exportweltmeisterschaften beglaubigt ist und mit dem eigenen nationalen Wünschen zusammenfällt, können sie ihm auch die Anerkennung nicht versagen, wenn er, wie beim Weltkapitalistentreffen in Davos, wieder einmal auf die Pauke haut. Vorteil Schröder! konstatieren sie, als hätten sie ein interessantes Tennismatch zu kommentieren, als der dort ausgerechnet auch noch mit den Opfern prahlt, die er zur Erringung deutscher Erfolge seinem Volk abgenötigt hat: Erst hat er es dazu gebracht, den kapitalistischen Anschluss Ostdeutschlands zu finanzieren, – kein anderes Land muss das schaffen, kein anderes Land kann das schaffen – und dann hat er ihm sogar noch das beste Gesundheitssystem und den besten Niedriglohnsektor der Welt aus den Rippen geschnitten! N. Piper von der SZ hält das für zu dick aufgetragen. Gerade bei der Verbilligung des Gesundheitswesens oder in Fragen des Niedriglohns gibt es in Deutschland noch viel zu verbessern, gerade wenn und damit die Verantwortung Deutschlands in der Welt weiter wächst. Piper hat den Kanzler also ziemlich genau verstanden.