Unserem Freund Boris sein Geld ist kaputt
Die Nationalökonomie Russlands und ihr Beitrag zur Weltlage

Jelzin gilt in diplomatischen Kreisen als nicht zurechnungsfähig, ist aber auch beliebt und wird als „verlässlicher Partner“ geschätzt, so oft man sein politisches Benehmen mit dem seiner russischen Widersacher vergleicht. Der Rubel ist sehr unbeliebt, die mit ihm angestellten Rechnungen sind nicht aufgegangen; alle zurechnungsfähigen Spekulanten meiden diese Geldsorte, die sie als verlässliches Mittel für ihre Geschäfte nicht mehr ansehen mögen. Das Mißtrauen in das russische Geldwesen bringt auch die Kalkulationen mit eigentlich gesunden Geldern durcheinander, sodaß sich, wg. Russland, die schlechten Nachrichten häufen.

Aus der Zeitschrift

Unserem Freund Boris sein Geld ist kaputt
Die Nationalökonomie Rußlands und ihr Beitrag zur Weltlage

Ende August 1998 ist in Moskau ein gewisser Jelzin an der Macht; andererseits herrscht in der Russischen Föderation eine Geldkrise. Jelzin gilt in diplomatischen Kreisen als nicht zurechnungsfähig, ist aber auch beliebt und wird als „verläßlicher Partner“ geschätzt, sooft man sein politisches Benehmen mit dem seiner russischen Widersacher vergleicht. Der Rubel ist sehr unbeliebt, die mit ihm angestellten Rechnungen sind nicht aufgegangen; alle zurechnungsfähigen Spekulanten meiden diese Geldsorte, die sie als verläßliches Mittel für ihre Geschäfte nicht mehr ansehen mögen. Das Mißtrauen in das russische Geldwesen bringt auch die Kalkulationen mit eigentlich gesunden Geldern durcheinander, so daß sich, wg. Rußland, die schlechten Nachrichten häufen.

Gute Nachrichten gibt es indes auch. Wie es die ehernen Gesetze des Humors gebieten, machen sie aus dem Stoff der schlechten Nachrichten das Beste. Der imposante Niedergang östlicher Macht ist nämlich grundsätzlich zu begrüßen:

„Deutschland ist dasjenige westliche Land, das den russischen Abstieg von der Supermacht zu einem krisengeschüttelten, auf Hilfe angewiesenen Staatswesen besonders einfühlsam begleitet hat… Dazu gehört eben auch, wie diskret Bonn mit dem angeschlagenen Präsidenten umgeht.“

Eines ist nicht zu bezweifeln: Der Vergleich mit den Scherereien, die die alte Weltmacht SU für das kapitalistische Reich deutscher Nation bereithielt, geht ganz gut, wenn man die Umstände besichtigt, die das neue Rußland macht. Ob er viel nützt, wenn es gilt, mit den Scherereien fertig zu werden, die vom Jelzin-Staat und seinen Erben ausgehen, ist allerdings fraglich. Wenn sich die guten Nachrichten wie Sturmwarnungen ausnehmen, dann haben auch die borniertesten Anwälte des Imperialismus, Marke post-sowjetisch, bemerkt, daß ihnen von seiten des russischen Kombinats „Marktwirtschaft und Demokratie“ einiges ins Haus steht. Das neue Rußland ist nämlich seit seiner Gründung mit seiner Haltbarkeit beschäftigt – und es beschäftigt seine westlichen Liebhaber deswegen dauernd mit der Frage, welche Wege das russische Staatswesen zur Wiedergewinnung seiner Macht einschlägt.

*

Die einschlägigen Befürchtungen, im Osten könnte sich ein politischer Wille zur Rückkehr ins alte Sowjetsystem breitmachen, sind grundlos. Außer an Geld und anderen Lebensmitteln mangelt dem russischen Volke auch an bolschewistischer Einstellung zum Ungemach, das ihm seine Reformer aufherrschen. Die Warnungen vor dem großen „Rückfall“ verdanken sich den Wahrnehmungsstörungen, die im freien Westen den politischen Sachverstand ausmachen. Der entdeckt, daß angesichts des Notstands, in den die ach so sympathischen Reformer das Land heruntergewirtschaftet haben, auch einmal Initiativen zur Rettung der Nation fällig sind. Und dergleichen läßt sich schon deswegen mit „Kommunismus“ identifizieren, weil solche Rettungsaktionen allemal auch mit der außenpolitischen Nachgiebigkeit Schluß machen, die das neue, geschwächte Rußland gegenüber seinem feindseligen Vorläufer auszeichnet.

*

Obwohl sich die ansehnlichen Versuche des GegenStandpunkt, dem interessierten Blick der westlichen Öffentlichkeit auf das gewendete Rußland ein paar Erklärungen der post-sowjetischen Verhältnisse entgegenzusetzen, als einigermaßen vergeblich erwiesen haben – die Qualität und das Ausmaß dieser imperialistischen Affäre sind der Redaktion einen neuen Anlauf wert. Geplant ist eine gesonderte Veröffentlichung mit reichlich Argumenten, die die mehr als merkwürdigen Leistungen eines Umsturzes würdigen, der nach wie vor als „Reformprozeß“ mit allerlei „Schwierigkeiten“ verharmlost wird.