Aus der Reihe „Chronik - kein Kommentar!“
Klarstellungen zur Riester-Rente: Sparen macht frei!

Der Minister für Arbeit und Soziales ist verärgert über einen Beitrag des ARD-Magazins Monitor. Das hatte unter dem Titel „Arm trotz Riester: Sparen fürs Sozialamt“ berichtet, dass „Hunderttausende, möglicherweise Millionen“ nicht von ihrer Riester-Rente profitieren werden: „Schon für einen Durchschnittsverdiener lohnt sich Riester nicht, nämlich dann, wenn er 2030 in Rente geht und nicht mehr als 32 Jahre voll in die gesetzliche Rentenkasse einbezahlt hat.“

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Klarstellungen zur Riester-Rente: Sparen macht frei!

Der Minister für Arbeit und Soziales ist verärgert über einen Beitrag des ARD-Magazins Monitor. Das hatte unter dem Titel Arm trotz Riester: Sparen fürs Sozialamt berichtet, dass Hunderttausende, möglicherweise Millionen nicht von ihrer Riester-Rente profitieren werden: Schon für einen Durchschnittsverdiener lohnt sich Riester nicht, nämlich dann, wenn er 2030 in Rente geht und nicht mehr als 32 Jahre voll in die gesetzliche Rentenkasse einbezahlt hat.

Die Sache, über die „Monitor“ berichtet, ist ein Stück gelungener Verarmung des Volkes durch Staat und Kapital. Lohnsenkungen und Entlassungen der Unternehmen haben für sinkende Einzahlungen in die Rentenkasse gesorgt. Und die Politik hat die Kassenknappheit verschärft, indem sie die nötige Erhöhung der Beiträge nicht nur unterbunden, sondern zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft Lohnnebenkosten gesenkt und die eingehenden Rentenbeiträge noch weiter verringert hat. Zum Ausgleich, nämlich zur Sanierung der Kasse, hat sie die Kassenleistungen in einer Weise gekürzt, dass in Zukunft viele Renten unterhalb der Grundsicherung (früher: ‚Sozialhilfe‘) von 627 Euro liegen werden. Die Perspektive sicherer Altersarmut ist Grundlage der seit Jahren laufenden Volksaufklärung diverser Sozialminister: Um Armut im Alter zu vermeiden, muss der künftige Rentner zusätzlich zu den 19-20 % seines Bruttolohns, die in die gesetzliche Rentenkasse fließen, noch ein zweites Mal „privat“ vorsorgen. Dafür macht der Staat sogar ein Lockangebot: Der Mensch soll weitere Teile seines Nettolohns nicht ausgeben, sondern in eine gesetzlich geförderte „Riester-Rente“ einzahlen. Spätere Rentenleistungen aus den empfohlenen Sparverträgen sind für den Staat selbstverständlich Privateinkommen, die er zur gesetzlichen Rente dazuaddiert; erst wenn die Summe immer noch unter dem Grundsicherungsbetrag liegt, spendiert er die Differenz.

Diese wenig bekannte Sachlage deckt Monitor auf:

„Wie Sie wissen, werben Banken, Versicherungen und natürlich die Politiker mit der Riester-Rente. Auch für gering Verdienende soll sich das lohnen. Im Alter gibt es dann auf die schmale staatliche Rente etwas oben drauf. Leider nicht so ganz einfach. Was selbst Experten nicht wissen: Wer Pech hat, der spart mit seinem Riester-Vertrag nicht für den eigenen Lebensabend, sondern fürs Sozialamt.“

Die Kritik des kritischen Magazins setzt recht spät an. Dass die staatliche Rente oft unter dem Sozialhilfeniveau liegt, dass der zukünftige Rentner doppelt fürs Alter sparen muss, all das ist abgehakt, wenn Frau Mikich ihre zweifache Anklage erhebt: Der Ertrag der „Riester-Rente“ wird sich beim Sparer oft gar nicht bemerkbar machen; und das sagen Politiker, Banken und Versicherungen noch nicht einmal offen und ehrlich, sondern werben unehrlich fürs „Riestern“ als Mittel gegen Altersarmut. Als Zeugen lässt das Magazin u.a. den Rentenexperten der Regierung, Bert Rürup, zu Wort kommen, der allerdings einen ganz anderen Leidtragenden als die materiell Betroffenen namhaft macht: Die Akzeptanz eines Rentensystems schwindet in dem Maß, in dem für langjährig Versicherte durch Beiträge erworbene Anwartschaften keine hinreichende Distanz eben zur Grundsicherung haben. Nicht die armen Rentner, die soziale Akzeptanz des Rentensystems könnte Schaden nehmen.

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Wo der Skandal eigentlich liegt, weiß der Arbeitsminister noch besser: Nicht bei ihm und seinem Ressort, sondern bei „Monitor“. Er bestreitet die Berechnungen des Magazins – ein wenig:

„Leistet der Durchschnittsverdiener nicht nur Beiträge zur Gesetzlichen Rentenversicherung, sondern auch an eine Riester-Rente, übersteigt das Alterseinkommen aus beiden Quellen bereits nach 20 Jahren den durchschnittlichen Grundsicherungsbedarf.“

Das sitzt. Nicht erst, wer volle 32 Jahre, sondern „bereits“ wer schlappe 20 Jahre in zwei Rentenversicherungen einzahlt, hat ein Alterseinkommen auf Sozialhilfeniveau. Jedenfalls nach amtlicher Rechnung, der zufolge „die Rente“ seit eh und je „sicher“ ist. „Monitor“ hat also Unrecht; seine Behauptungen sind unseriös und wurden wider besseres Wissen aufgestellt; der Vorwurf der arglistigen Rentnertäuschung ist zurückgegeben. Unbestritten bleibt allerdings immer noch stehen, dass „Riestern“ sich für viele eben doch nicht lohnt. Deswegen legt das Ministerium nach:

„Die These, ‚Geringverdiener lassen besser die Finger von der Riester-Rente, da sie im Alter sowieso von der Sozialhilfe leben werden‘, kann nicht überzeugen. Mit der gleichen zynisch-pessimistischen Grundeinstellung könnte man sämtliche Sparvorgänge und in letzter Konsequenz auch die Erwerbstätigkeit einstellen und auf die Versorgung durch das Gemeinwesen (nicht erst im Alter) vertrauen.“ (Bundesministerium für Arbeit und Soziales, 11.1.)

Diese „These“ hat „Monitor“ zwar gar nicht aufgestellt. Das Magazin hat nicht dazu aufgerufen, das private Sparen fürs Alter zu lassen, sondern nur aufgedeckt, wie wenig sich das für viele „Durchschnittsverdiener“ lohnen wird. Das reicht dem Minister jedoch, um die Reporter als verantwortungslose Typen anzuschwärzen, als Zyniker, die zu Sozialschmarotzertum aufrufen und damit einer „Grundeinstellung“ Vorschub leisten, die „in letzter Konsequenz“ „das Gemeinwesen“ ruiniert. Er erinnert die Redakteure an ihre Verantwortung als „vierte Gewalt“, die in diesem Fall eben in der Nicht-Aufklärung bestanden hätte. Wer, wie „Monitor“, den künftigen Rentnern so offen auf die Nase bindet, dass sie von ihren Sparanstrengungen nichts haben werden, betreibt eine gnadenlose Verunsicherung gering verdienender Menschen (W. Riester)

Aufklärungsarbeit leistet das Ministerium dafür selber in ganz grundsätzlicher Hinsicht, nämlich über das Wesen der Sozialhilfe im Kapitalismus: Der Lebensunterhalt muss vorrangig durch den einzelnen selbst gewährleistet werden. Nur wer dazu nicht in der Lage ist, hat Anspruch auf staatliche Fürsorge. Auch im Alter von selbstverdientem Geld zu leben, ist Pflicht; mit staatlicher Nothilfe zu kalkulieren, ist ungehörig – Almosen für „sozial Schwache“ sind schließlich etwas ganz anderes als Subventionen für Geschäftemacher! Nur wer beim besten Willen mit der Bemühung, mit seiner selbsterwirtschafteten Armut im Alter allein zurechtzukommen, scheitert, darf Sozialhilfe erwarten. Die ist kein Recht, sondern ein Gnadenbrot. Dass also so mancher nur fürs Sozialamt spart, wie „Monitor“ kritisiert, ist kein „Skandal“, sondern „ordnungspolitisch“ korrekt und genau so gemeint.

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Kollegen von der schreibenden Zunft sind damit nicht gleich zufrieden. Sie finden erst einmal auch nicht ganz in Ordnung, was „Monitor“ aufgedeckt hat, und setzen gleich einen Akzent, der die Sache auf das Feld der funktionalen Gerechtigkeit verlagert:

„Kann es wahr sein, dass Menschen, die fleißig Eigenbeiträge für die Riester-Rente zahlen, nach ihrem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben aber doch nur die Grundsicherung bekommen, also die Sozialhilfe für Rentner? Es ist wahr und tatsächlich werden sie keinen Cent mehr auf der Hand haben als Rentner, die ihr Leben lang nichts für die eigene Vorsorge tun.“ (Nürnberger Nachrichten, 12.1.)

Nicht die Armut im Alter, noch nicht einmal unbedingt die Fruchtlosigkeit des Zusatzsparens findet diese Zeitung empörend, sondern den Umstand, dass der fleißige Sparer sich nicht besser stellt als sein sparfauler Nachbar. Die Gerechtigkeitslücke, so ihr konstruktives Bedenken, dürfte dem Sparwillen schlecht bekommen. Deshalb gibt sie dann aber auch dem Minister Recht, der vor einer Verunsicherung der Kleinverdiener warnt – mit Argumenten, die echt Mut machen: Sparen fürs Alter lohnt sich immer, schon weil heute niemand wissen kann, wie viel Elend die Zukunft noch bringt. Das ist eine Rechnung mit vielen Unbekannten: Vielleicht fällt die gesetzliche Rente ja doch ein bisschen höher aus als gedacht, so dass man mit „Riester-Rente“ schneller über den Sozialhilfesatz kommt – oder, was denselben Effekt hätte, die Sozialhilfe wird niedriger: Niemand kann die Höhe künftiger Sozialhilfesätze abschätzen. (FAZ, 12.1.) Immerhin wäre es aber förderlich, wenn die Regierung sich doch dazu durchringen könnte, durch etwas mehr gerechte Großzügigkeit etwas für die Spar-Motivation zu tun. Ausgerechnet die FDP steuert einen praktikablen Vorschlag bei, wie ein sozial gerechter Unterschied zwischen Sparer und Nichtsparer zu schaffen wäre, ohne die Staatskasse zu strapazieren: Einen Freibetrag von hundert Euro würde sie von der Verrechnung der „Riester-Rente“ mit der aufstockenden Sozialhilfe ausnehmen und unverkürzt beim Sparer belassen.

Wenn Sparen am Ende aber doch nichts nützt, bleibt es immer noch eine gute, in einem höheren Sinn nützliche Anstrengung, sich autonom mit der bevorstehenden Altersarmut einzurichten. Das erklärt die FAZ in ihrer unnachahmlichen Art ihrem Publikum: Ein Zugewinn an Würde ist dem zukünftigen Kleinrentner sicher und mit Geld ohnehin nicht aufzuwiegen: Die private Absicherung ist ein Wert an sich, auch für Geringverdiener. Sie macht unabhängiger von staatlicher Fürsorge, sie macht jeden Sparer ein Stück freier. (12.1.)