Aus der Reihe „Chronik - kein Kommentar!“
Eckpunktepapier zur Reform des Beamtenrechts:
Lohn für Leistung statt Dienst nach Vorschrift
Dem obersten Dienstherrn geht es um die Effizienz und die Kosten seines Beamtenapparates. Durch eine „Modernisierung des Verwaltungsmanagements“ soll sein Apparat fit gemacht werden für die „Herausforderungen der Zeit“.
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Eckpunktepapier zur Reform des
Beamtenrechts:
Lohn für Leistung statt Dienst nach
Vorschrift
Der Plan von Schily, Beamtenbund und Gewerkschaft, ein
flexibles und leistungsgemäßes Beamten- und
Besoldungsrecht zu schaffen
und in diesem Sinne auch
die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes neu zu
gestalten
, wird begeistert aufgenommen, zugleich wird
mangelnde Radikalität beklagt. Vor allem von den nicht
Betroffenen. Die FAZ sieht einen Durchbruch
, die
SZ hat Appetit auf mehr
, auch der taz ist das
Vorhaben zu wenig
, dem Spiegel entpuppt es sich
als Reform-Placebo
, der Chef von Verdi hält es für
einen Meilenstein
, die Stammtische und deren
Presseorgan Bild sind sich ebenfalls einig:
Endlich
. Den Unkündbaren an die Wolle zu gehen,
das scheint den Kündbaren und ihren Vertretern nur
gerecht. Werden den Lohnabhängigen nicht selber gerade
mit der Drohung der Entlassung die Löhne runter- und die
Leistung raufgeschraubt? Wenn so etwas nun auch die
treffen soll, die bisher von dieser Erpressung
ausgenommen sind, hilft das zwar nicht dem Geldbeutel,
aber offenbar immens der Stimmung. Damit liegt das Volk
goldrichtig: Mit der Gerechtigkeitsoptik beim
Opferbringen bezieht es sich auf sein eigenes Opfer schon
mal nicht mehr ablehnend – Hartz IV ist fast schon durch
– und bezeugt, dass die von oben angeleierte Hetze über
die faulen Säcke
(Schröder), die uns alle zu viel
kosten
(Hundt), unten
wunschgemäß angekommen ist. Jetzt erscheint die geplante
Umkrempelung des Beamtenwesens glatt als Dienstleistung
des Staates am Gerechtigkeitssinn seiner lohnabhängigen
Bevölkerung.
Dem obersten Dienstherrn geht es um banalere Anliegen um
die Effizienz und die Kosten seines
Beamtenapparates. Durch eine Modernisierung des
Verwaltungsmanagements
soll sein Apparat fit gemacht
werden für die Herausforderungen der Zeit
.
Rückblickend bezichtigt sich der Staat, er hätte sich
einen ineffizienten, leistungsschwachen Moloch geschaffen
und wäre einem falschen, weil kostentreibenden Prinzip
gefolgt. Heute mag er überhaupt nicht mehr verstehen,
wieso er über hundert Jahre lang die staatliche
Verwaltung seines Kapitalismus nicht nach dessen
Bezahlungsprinzip – viel Leistung für wenig Lohn –
organisiert hat, sondern nach den althergebrachten
Grundsätzen des Berufsbeamtentums
.
Bis gestern hielt es der staatliche Dienstherr jedenfalls
nicht für einen Fehler, seine Beamten ein Leben lang zu
alimentieren
. Deren Tätigkeit besteht im Ausüben
von einem Stück Staatsgewalt, das sie von ihm übertragen
bekommen. Mit ihrer Amtsgewalt vollziehen sie hoheitliche
Aufgaben. Anträge abzulehnen oder zu genehmigen, Regungen
der Bürger nach erlaubt und verboten zu sortieren,
letztlich über jeden Willen der privaten Subjekte zu
entscheiden, ist ihr Dienst. Der politische Aufseher weiß
um die Eigenart der Ökonomie, unter die er alle zwingt:
Damit die Freiheit des Eigentums gilt, die
Marktwirtschaft ihren Gang geht und im erwünschten und
geforderten Maß nationalen Reichtum einspielt, muss die
Staatsgewalt letztlich alle beaufsichtigen und alles
regeln. Die berufsmäßigen Exekutoren dieser staatlichen
Aufsicht sind ihrer Aufgabe entsprechend „Staatsdiener“
und unterstehen einem „Dienstherrn“. In diese dem
feudalen Verhältnis entnommenen Vokabeln kleidet der
Staat seine Ansprüche an seine verlängerten Arme. Er
verlangt eine verantwortungsvolle und unparteiische
Ausübung der Staatsgewalt. Der Beamte qualifiziert sich
für diesen besonderen Beruf daher durch staatsbürgerliche
Gesinnung und Treue zur Verfassung; ein untadeliger
Lebenswandel wird selbst im Privatleben gefordert. Dafür
bietet dieses spezielle Dienstverhältnis dann auch etwas:
die Garantie der lebenslangen Versorgung. Gerade der
ausdrückliche Verzicht auf die existenziellen Bedrohungen
der freien Lohnarbeit ist das in der freien
Marktwirtschaft in der Tat bestechende Angebot für die
erwartete besondere Treue
. Bezahlt wird der
Staatsdiener nicht für bestimmte erbrachte Leistungen, er
wird für die Erfüllung seines Amtes alimentiert
.
Neben der Einrichtung einer Hierarchie der
Laufbahngruppen – mittlerer, höherer Dienst –, bei der
sich der Staat an der Hierarchie der Berufe seiner
Klassengesellschaft orientiert, kennt die staatliche
Fürsorgepflicht auch Kriterien, die in der freien
Wirtschaft überhaupt nicht üblich sind: Mit
Dienstaltersstufen beim Gehalt und Zulagen für den
Familienstand berücksichtigt er glatt ein Stück weit die
Lebenshaltungskosten seiner Diener. Damit gilt der Beamte
dann als freigesetzt von privater und materieller
Interessiertheit im Dienst und kann ganz nach seinen
Vorschriften anderen nämliche machen.
Auf diesen speziell in Deutschland vergleichsweise ausgedehnten Sektor waren die politischen Organisatoren der Nation das letzte Jahrhundert ungemein stolz, hielten ihn für einen entscheidenden Pluspunkt unseres Gemeinwesens und empfahlen ihn aufstrebenden Entwicklungsländern. Heute hält der Staat das einfach nicht mehr aus. Unzufrieden mit dem erwirtschafteten nationalen Reichtum geht es ihm dabei sehr grundsätzlich um die Kosten seines Apparats. Unter Anwendung „betriebswirtschaftlicher Methoden“ soll für „Wirtschaftlichkeit und Qualität“ gesorgt werden. Die ganze Verwaltung soll nach dem Muster der Geschäftswelt reformiert werden: aus einem Amt wird ein Arbeitsplatz, aus dem Dienst wird Arbeit, aus einem Verwaltungsakt ein Produkt und aus einer Gebühr der Preis für eine Dienstleistung.
Nun ist der Staat kein Betrieb, der Rentabilitätsrechnungen anstellt, um einen Überschuss über die Kosten, die er für seine Einrichtungen und sein Personal verausgabt, zu erwirtschaften. Seine Dienstkräfte arbeiten auch dann nicht in dem Sinn wirtschaftlich, wenn ein modernes Verwaltungsmanagement sie mit neuen Leistungsanforderungen und einem flexiblen Besoldungssystem bekannt macht. Sie erfüllen Staatsaufgaben und die Finanzmittel, die dafür verausgabt werden, stellen ökonomisch betrachtet unrentable Kosten dar. Aber was den Umgang mit seinen Bediensteten angeht, ist der Staat offenbar zu der Auffassung gelangt, dass er von der privaten Wirtschaft noch einiges lernen kann. Er nimmt sich deren kostensenkende und leistungssteigernde Methoden zum Vorbild, um seinen Apparat auf Vordermann zu bringen.
Ihrer Kritik, das alte System sehe nur eine
unzureichende Verknüpfung des individuellen Einkommens
mit der tatsächlich wahrgenommenen Funktion und der
erzielten Leistung vor
, lassen die Verantwortlichen
Taten folgen. Mit dem Ziel der Leistungs- und
Kostenorientierung des öffentlichen Dienstes
stellen
sie die gewünschte Verknüpfung zwischen Leistung und
Bezahlung durch die Einführung einer
Leistungskomponente
her. Und wie immer geht es
dabei nicht darum, dass Leistung bezahlt wird, sondern
darum, Leistungsanforderungen zu definieren und von deren
Erfüllung Gehaltszahlungen abhängig zu machen. Ein
kostenbewusster Umgang mit den staatlichen Dienstleistern
verbietet deren garantierte Alimentierung und erfordert
die organisierte Konkurrenz um Lohn, also die Einführung
von Einkommensunsicherheit. Deren Wirkung auf die
Motivation
zu unbezahlter Mehrarbeit ist die gar
nicht verschwiegene Absicht bei der Kopplung der
Bezahlung an die Leistung
. Im Eckpunktepapier stehen
damit 20% des Gehalts auf dem Spiel. Dermaßen begeistert
von dem erpresserischen Effekt dieser
betriebswirtschaftlichen Methode
auf
Wirtschaftlichkeit und Qualität
der Arbeit, macht
das Papier gar kein Aufheben darum, dass in vielen
Amtsstuben noch gar nicht ersichtlich ist, worin denn die
geforderte Mehr-Leistung überhaupt bestehen und wie sie
denn gemessen werden könnte. Das wird sich schon ergeben.
Mit der vorgesehenen Experimentierklausel zur
Gestaltung laufbahnrechtlicher Regelungen in den Novellen
der entsprechenden Beamtenrechtsgesetze
bekommen die
Vorgesetzten einen erweiterten
Gestaltungsspielraum
, um den gewollten
Wettbewerb
zu inszenieren.
Um die Loyalität des Staatspersonals machen sich die Reform-Protagonisten dabei keine Sorgen. Die halten sie heutzutage allein schon durch die Gehaltszahlung für einen Arbeitsplatz für umso mehr gegeben, je näher sie den öffentlichen Dienst am freien Arbeitsmarkt ausrichten. So organisieren sie zunehmend für das Staatspersonal eben die Bedrohungen, die dieser Markt für seine Teilnehmer bereithält.