Aus der Reihe „Chronik - kein Kommentar!“
Der Papst prangert die Indolenz der Welt gegenüber dem Flüchtlingselend an
Klarstellungen der Öffentlichkeit zum Verhältnis von Politik und Moral
Seine erste Reise führt Papst Franziskus, „der die Leiden der Armen in den Mittelpunkt seines Pontifikats gestellt hat“ (FAZ), auf die Mittelmeerinsel Lampedusa, weil er auf diesem „Symbol für den Umgang mit Flüchtlingen“ den geeigneten Ort sieht, für sein Anliegen eines gottgefälligeren Umgangs mit seinen Schutzbefohlenen zu werben. Er lässt in seiner Rede beim Bußgottesdienst keinen Zweifel daran, dass er die von der EU zum „Schutze ihrer Außengrenzen“ gewaltsam praktizierte Politik der „Festung Europa“ für eine einzige Versündigung an den von der Hl. Kirche vertretenen Werten der Mitmenschlichkeit hält.
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Systematischer Katalog
Der Papst prangert die Indolenz der
Welt gegenüber dem Flüchtlingselend an
Klarstellungen
der Öffentlichkeit zum Verhältnis von Politik und
Moral
Seine erste Reise führt Papst Franziskus, der die
Leiden der Armen in den Mittelpunkt seines Pontifikats
gestellt hat
(FAZ), auf
die Mittelmeerinsel Lampedusa, weil er auf diesem
Symbol für den Umgang mit Flüchtlingen
den
geeigneten Ort sieht, für sein Anliegen eines
gottgefälligeren Umgangs mit seinen Schutzbefohlenen zu
werben. Er lässt in seiner Rede beim Bußgottesdienst
keinen Zweifel daran, dass er die von der EU zum
Schutze ihrer Außengrenzen
gewaltsam praktizierte
Politik der Festung Europa
für eine einzige
Versündigung an den von der Hl. Kirche vertretenen Werten
der Mitmenschlichkeit hält. Er beklagt das Schicksal der
Armseligsten
, der unzähligen Brüder und
Schwestern
, die im Mittelmeer bei der Suche nach
einem besseren Leben
den Tod gefunden haben, und das
derjenigen, die es unter Einsatz ihres Lebens in den
Hoheitsbereich der EU geschafft haben. Er geißelt diese
Verhältnisse als Ausdruck eines beschämenden Egoismus
der heutigen Welt
, sieht hinter den qualvollen bis
tödlichen Wirkungen des EU-Abschreckungsregimes auf die
Hilfesuchenden eine Kultur der Gleichgültigkeit
,
deutet die Schrecken als Abwesenheit von brüderlicher
Solidarität
und Barmherzigkeit und gibt auch zu
erkennen, bei welchen konkreten Subjekten er diese
Defizite insbesondere festgestellt hat, indem er für sie
bei seinem Chef Fürsprache hält:
„Wir bitten Dich, Vater, um Verzeihung für diejenigen, die mit ihren Entscheidungen auf höchster Ebene Situationen wie dieses Drama geschaffen haben“. (zit. nach SZ 8.7.13)
Mit denen will er nichts zu tun haben, die Begleitung
seiner Reise durch den für die Flüchtlingspolitik
zuständigen italienischen Minister lehnt er ab. Dieser
Papst will mit der Autorität seines Amtes, seinem hohen
moralischen Anspruch und Zeugnissen gelebter
Nächstenliebe
für die geplagten Kreaturen etwas
bewirken
, ein Zeichen setzen, dass die Regierungen
ihre Einwanderungspolitik überdenken
und das
Gewissen wachrütteln, damit sich die Tragödien nicht
wiederholen
. (Spiegel Online 8.7.)
Das ruft in der deutschen Öffentlichkeit ein begeistertes
Echo hervor – einerseits. Sie ernennt ihn zum
Gewissenserwecker
, Prediger des Weltethos
und erfreut sich an der Art und Weise, wie er uns und
unseren Regierungen ein schlechtes Gewissen macht und die
Leviten liest: Wo ist Dein Bruder?
Das sollen wir
uns, der kleine Mann und der große Machthaber,
gleichermaßen fragen angesichts der Gräuel im Mittelmeer.
Jeder prüfe sein eigen Werk – wer wollte da schon ohne
Schuld sein! Die deutsche Öffentlichkeit lobt die
moralische Wucht seines Auftritts, seine persönliche
Glaubwürdigkeit
und seine Empathie für die Ärmsten
buchstäblich in den Himmel.
Ganz anders sieht die Würdigung bei der Frage des Effekts der päpstlichen Anstrengungen aus – der Einfluss auf die praktische Politik und der Nutzen für die Lage der armen Teufel sind gleich null:
„Es werden trotzdem wieder Menschen beim Versuch sterben, Lampedusa, das gelobte Land, zu erreichen; sich trotzdem immer neue Menschen in Somalia und Eritrea auf den Weg machen und gewissenlosen Schleppern ihr letztes Geld geben. Europa wird trotzdem neue Mauern bauen, um diese Menschen abzuschrecken.“ (SZ 9.7.)
Mit dem Verweis auf die Faktenlage weisen die öffentlichen Meinungsbildner dem Papst seinen wirklichen Zuständigkeitsbereich zu. Seine Philippika halten sie für absolut nutzlos – und halten zugleich am Lob des Nutzlosen fest, weil ihr Ertrag nämlich auf einer ganz anderen Ebene als der praktisch politischen liegt:
„Er lenkt die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf die Existenzen am Rande und damit in die Mitte der Menschlichkeit. Politiker und Bürger, so sie ihr Christsein ernst nehmen, müssen sich von nun an etwas einfallen lassen, wenn sie das Flüchtlingselend für unerheblich halten wollen.“ (SZ, ebd.)
Die Affirmation der beklagten politischen Realität, an
der sich nun einmal nichts ändern lässt, wird hier
ergänzt durch die Wahrheit über die Moral: Sie ist kein
ernst zu nehmender Einspruch gegen irgendwelche
„Missstände“ und ihre Gründe, sondern gehört in den
Gewissenshaushalt der Erdenbürger und des öffentlichen
Diskurses als gute ‚menschliche‘ Haltung, die man zu und
neben den praktisch gültigen politischen Interessen
pflegt, die als ‚persönliche Einstellung‘ Hochachtung
verdient, aber niemals als wirkliche Leitlinie
politischen Handelns missverstanden werden darf. Um
dessen Bereicherung hat sich der Papst verdient gemacht,
indem er die Gewissensprüfung verschärft und der
Öffentlichkeit neue Parameter zur höchst kritischen
Würdigung des politischen Geschehens geliefert hat:
Nichts schöner, als den Innenminister von der
Christenpartei der Heuchelei zu überführen, weil er sich
bei seinen humanitären Krokodilstränen zu wenig hat
einfallen lassen
!
So landet eine Kritik, die die wirkliche Welt an dem gottgefälligen Bild von ihr misst und deshalb auch immer nur die Abwesenheit von Menschlichkeit und Barmherzigkeit, statt dessen allenthalben Egoismus und Hartherzigkeit vorfindet, nie bei einer Kritik der Zwecke, die die so sehr verdammte Wirklichkeit bestimmen, sondern auf dem aller moralischen Kritik gebührenden Platz: Wo der oberste Hüter der Moral mit dieser die Welt verbessern will, sorgt die Öffentlichkeit für ihre korrekte Einordnung.