Aus der Reihe „Chronik - kein Kommentar!“
Felix Austria: Der Briefbomber ist „keiner von uns“!
Der anständige österreichische Nationalismus exkommuniziert einen Gesinnungsgenossen, der mit ausländerfeindlichen Attentaten zu weit geht und dem Ansehen der Nation schadet.
Aus der Zeitschrift
Teilen
Felix Austria: Der Briefbomber ist „keiner von uns“!
Die Bajuwarische Befreiungsarmee
, auf deren Konto
eine Vielzahl von Briefbombenattentaten mit Toten und
Verletzten gehen, entpuppt sich als ein
psychopathischer
Einzeltäter. Der ist nun in
Gewahrsam, und in Österreich herrscht allgemeine
Erleichterung. Das ist erstaunlich.
Die Erleichterung gilt nämlich einem Verdacht, der die
Österreicher angelegentlich der an Ausländer und der
Ausländerfreundlichkeit bezichtigte Inländer adressierten
Sprengstoffbriefe recht heftig umtrieb: Gut möglich, daß
der Absender aus unserer Mitte kommt; gar nicht so
unwahrscheinlich, daß ein ganzer Haufen unserer lieben
Mitmenschen mit Rat, Tat und Sympathie dahinter steckt;
und schon gleich ziemlich sicher, daß in Sachen
geistiger Urheberschaft
die Kreise ziemlich weit
ins öffentliche politische Leben hinein zu ziehen sind.
Kaum ist der Täter gefaßt und als gemeingefährlicher
Spinner enttarnt, vergißt diese liebe Gemeinschaft, daß
sie sich bis gestern noch selbst für die Gefahr gehalten
hat, sie selbst sich wegen des Umstands, daß ihr
Ausländerfeindschaft irgendwie zum natürlichen
Bestandteil ihres Alltagslebens geworden ist, einiges
zugetraut hat. Kaum ist der verrückte Herr Fuchs
eingesperrt, will sich keiner mehr erinnern, daß er die
letzten drei Jahre seinem Nachbarn den Übergang vom
gewöhnlichen Lästern über Tschuschn
und andere zum
handgreiflichen Vollzug gut – und gerne – zugetraut hat.
Kaum ist die größte Herausforderung des
österreichischen Rechtsstaates seit 1945
mit der
Verhaftung dieses Mannes bewältigt, machen sich
Regierung, Parteien, Justiz und Medien daran, den
Schatten zu bewältigen, der auf die Nation immerhin doch
hätte fallen können, hätten sich ihr eigenen
Verdächtigungen nicht so elegant ad acta legen
lassen:
„Gott sei Dank war der Bombenterror nach menschlichem Ermessen die Tat eines verrückten Einzeltäters. Der Ruf Österreichs im Ausland hätte sehr gelitten, wenn es wieder braune Flecken gegeben hätte“ (Wiener Altbürgermeister und Bombenopfer Helmut Zilk).
Der Dank geht an die goldrichtige Adresse. Denn der um
Flecken so besorgte Vertreter des offiziellen Österreich
weiß gar nicht, wie recht er mit dem Verdacht
hat, den er nunmehr aus dem Verkehr ziehen darf.
Mörderischer Rassismus
ist nämlich überhaupt keine
Frage der Anzahl der Missetäter – nur
Einzeltäter
oder doch Gruppe
–, auch nicht
eine Frage des Etiketts – nur bajuwarisch
oder doch braun
–, sondern erklärt sich aus der
Gesinnung, die da zur Tat schreitet. Und die ist
ebenfalls kein gleichermaßen rätselhaftes
wie
vereinzeltes
Phänomen
, sondern das Werk
einer gelungenen öffentlichen Volkserziehung und daher
recht weit verbreitet.
Typen wie der Austria-Bomber
sind aufmerksame und
sehr gelehrige Zeitgenossen. Von ihren Politikern hören
sie, daß sie sich ihr Vaterland als ein volles
Boot
vorzustellen haben, in dem für Fremde einfach
kein Platz mehr ist. Für Asylanten
,
Wirtschaftsflüchtlinge
und ähnliche Wesen schon
gleich nicht, so daß sie darüber aufgeklärt sind, daß es
sich bei denen um eine Flut
handelt, von der ihre
schöne Republik überschwemmt
wird. Daraus ziehen
sie den ersten Schluß in die richtige Richtung und sind
auf ihren lila Paß unglaublich stolz. Sie halten sich
angesichts der Überfremdung
allerorten, auf die
sie von den Volkserziehern ihrer demokratischen Parteien
hingewiesen werden, für so etwas wie die verschworene
Schiffsmannschaft im Boot Österreich. Als Mitglieder
einer Schicksalsgemeinschaft, die dieses Transitland zu
Füßen der Alpen vor Ausländern zu schützen hat, grenzen
sie sich von denen dann nicht nur miet- und sonstwie
rechtlich, sondern auch moralisch-geistig ab – und
verachten sie gebührend. Wenn so gut erzogene
Volksgenossen dann entdecken müssen, daß in Österreich
trotzdem und noch immer Ausländer herumlaufen, dann
ziehen sie ihren zweiten Schluß. Sie werden nicht in
ihrer Ideologie der verschworenen Volksgemeinschaft irre,
sondern an den verantwortlichen Stellen, die nicht so
durchgreifen, wie es sich gehört. Offenbar wird höheren
Ortes die Rückführung in die Heimatländer
– eine
politische Praxis übrigens, bei der der Rechtsstaat mehr
Ausländern zu Leibe rückt, als alle rechtsradikalen
Fremdenhasser im deutschsprachigen Raum zusammen das je
hinkriegen könnten – gar nicht ernsthaft und entschlossen
betrieben.
Bloß den dritten Schluß zieht dann – offenbar – doch nur
eine verschwindende Minderheit der anständigen
österreichischen Bürger. Den nämlich, daß angesichts der
Lage wohl private – und auch praktisch wirksame –
Amtshilfe vonnöten ist. Und kaum kommt die dann von
solchen wie dem Herrn Fuchs, wollen sich alle anderen
ehrbaren Österreicher in dem überhaupt nicht mehr
wiedererkennen können. Zwar halten auch sie es nicht gut
aus, wenn sie auf der Straße, im Wirtshaus und auf dem
Arbeitsamt immer noch welche von denen treffen, die doch
eigentlich längst weg sein sollten, und denken sich
selbstverständlich auch, daß das doch wohl nicht wahr
sein darf. Die Tat aber, die aus ihrer eigenen
Gesinnung ziemlich locker folgt, finden sie dann ganz und
gar unverständlich
bis verrückt
. Die
Anwesenheit von Slowenen, Türken und Zigeunern schreiben
sie zwar selber dem Wirken von schlappen Politikern zu.
Aber wenn einer dann gegen diese Nicht-Österreicher und
ihre unpatriotischen Sympathisanten im eigenen Land
vorgeht, dann kann nie und nimmer österreichischer
Nationalismus die Bastelanleitung gewesen sein, nach
der die Bomben zur Bestrafung der
Tschuschenrepublik
gebaut wurden: Herr Fuchs
hat seine eigene Ideologie
(Sika, Chef der
österreichischen Exekutive). Die hat er freilich. Fragt
sich nur, woher.
Im Geiste dieser Gewißheit wird der Attentäter Zug um Zug
aus der Gemeinschaft exkommuniziert, und mit ihm auch
alle kritischen Wortmeldungen, die es sich mit dem
braunen Geist
in Österreich nicht ganz so einfach
machen wollten:
„Das linkslinke ‚profil‘ versucht weiterhin zu behaupten, Fuchs, das ‚Bombenhirn‘, sei kein Einzelgänger. Wo dieses rotfaschistische Magazin auch immer jemanden aufzutreiben vermag, der bereit ist anzudeuten, dieses ‚Bombenhirn‘ sei Teil einer rechtsextremen Verschwörung gegen Österreich, holt man ihn sofort nach Wien.“ (Kronenzeitung)
Wieder ganz unter sich und mit sich im Reinen, fühlen
sich die Österreicher dann entsprechend erleichtert.
Fuchs ist dummerweise zwar einer von ihnen. Aber genau
besehen ist sein Paß das einzige, was an ihm für
Österreicher, wie sie im allgemeinen so sind und denken,
typisch ist. Vielleicht kommt ja auch noch der Nachweis,
daß es ein Ausländer war, der dem Mann aus Gralla
seine Ideologie eingeflüstert hat.