Editorial
Nach dem Wegfall der SU steht im freien Westen fest, dass eine „neue Weltordnung“ geschaffen werden muss. Ehemalige Friedensbewegte zeigen sich jetzt sehr angetan von der Notwendigkeit imperialistischer Großtaten und mischen sich gerne ein in die Konkurrenz um die Aufteilung der Welt.
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Editorial
1. Das war ein Fest, als vor zehn Jahren die frohe Botschaft ertönte: „Kommunismus tot!“ Die Verwalter des sagenhaften Ostblocks, die über ein „Reich des Bösen“ herrschten, hatten sich entgegen allen Eintragungen in ihren Steckbriefen gar nicht so böse benommen. In einer spektakulären Wegwerfaktion haben sie ihr „System“ beseitigt und ihre Nationen umgekrempelt. Die dazugehörigen Völker kriegten „Marktwirtschaft & Demokratie“, das bewährte Lebensmittel des guten Westens verordnet. Einen kurzen Augenblick lang war die Welt in Ordnung.
2. Doch einen Moment später schon
stand im freien Westen fest, dass eine neue
Weltordnung
geschaffen werden muss. Die „alte“ war –
Gott sei Dank – weg. Jetzt war es Zeit, all das zu
erledigen, was den Inhabern des Patents auf
„Marktwirtschaft & Demokratie“ bislang zu tun verwehrt
war. Jahrzehntelang war die „Welt geteilt“, so dass eine
ganze Reihe Staaten als Markt nicht zur Verfügung
standen, weil sie keinen veranstalteten. Statt dessen
bemühten sie sich, mit einem Gewaltapparat, der ihnen gar
nicht zustand, um Respekt und Einfluss in der
Staatenwelt. Nun, nach ihrer Läuterung, besteht
Gelegenheit, ihnen beizubringen wie Marktwirtschaft geht.
Da sie an Kapitalmangel laborieren, ist „Hilfe“ angesagt.
Durch diese lassen sich erstens die Geschäftsbedingungen
der Marktwirtschaft nachdrücklich vermitteln; zweitens
ist die Hilfe dazu geeignet, endlich klar zu stellen,
dass „friedliche Koexistenz“ auf Unterordnung beruht – am
besten gedeiht sie, wenn die gewendeten Nationen auch an
der Sicherheitspolitik der gestandenen Demokratien
mitwirken.
Auch in Bezug auf die übrige Staatenwelt konnten die
demokratischen Weltmächte ihr Amt als Platzanweiser nur
unzureichend wahrnehmen, so lange die Sowjetunion samt
Block die Welt mit ordnete. Mit der Konkurrenz der Waffen
auf der obersten Etage des Kriegshandwerks war es ja
nicht getan. Verbündete waren auszurüsten, bei der Stange
zu halten oder zu gewinnen. Zahlreiche „konventionelle“
Waffengänge waren zu bestreiten und der Werbe-Etat für
die Ausschaltung sowjetischen Einflusses, die
„Entwicklungshilfe“ und die von lauter falschen
Rücksichten geleitete Betreuung der „Blockfreien“ waren
sehr aufwendig. Jetzt ist erst der Blick frei für eine
vorurteilslose Sortierung der nationalen Produkte des
„kalten Krieges“; und der Weg für Taten, die ökonomisch
und strategisch brauchbare Staaten herstellen. Das
Programm ist in Arbeit; es schließt von riesigen
Spekulationen des „globalen“ Finanzkapitals über die
Prospektion von Bodenschätzen bis zum Krieg alles ein,
was den Namen Imperialismus
verdient und
unterbunden gehört.
3. Unter der „alten Weltordnung“ hat einmal ein Teil der Menschheit in der freien Welt gelitten. Links und grün waren Leute, die erschrocken sind, dass ein Weltkrieg in Planung ist, mit Atomwaffen und ungewissem Ausgang. Gewiss schien ihnen nur das Ausmaß an Zerstörung, der auch ihre Heimat zum Opfer fallen würde. So haben sie ihrer politischen Führung geraten, es nicht zu weit zu treiben. Ihr Protest galt der damaligen Bewegung der Erhaltung „des Friedens“ – so bescheiden waren die Bedenkenträger und Demonstranten, und so zufrieden mit dem status quo, seiner Geschäftsordnung und den Leistungen von Staat & Kapital unterhalb des befürchteten Zerstörungswerks. Ganz konsequent waren sie nur in einer Hinsicht: In ihrer Fürsorge für Schmetterlinge und Frieden haben sie nie darauf bestanden, dass die Bedrohung dieser schützenswerten Güter eine Notwendigkeit ist, ohne die es ihre marktwirtschaftlich verfasste Nation nicht tut.
4. Seitdem die Nationen, in denen Freiheit herrscht, mit der Herstellung einer „neuen Weltordnung“ befasst sind, zeigen sich die Kritiker von einst sehr angetan von der Notwendigkeit imperialistischer Großtaten. Gemeinsam mit den früher kritisierten Figuren aus Politik und Wirtschaft, unterstützt von einer scheinselbständigen Intellegenzia in den Medien, verfechten sie alle Erfordernisse, die ihre kapitalistische Nation auf Grund ihrer Geschäftsordnung und gültigen Interessen so entdeckt. Sie finden überhaupt nichts dabei, an der Konkurrenz um die Aufteilung der Welt – per Amt oder ideell – teilzunehmen. Ob es um die Verteilung des Reichtums und seiner Quellen geht oder um die gerechte Regelung des Gewalthaushaltes der entlegensten Staaten – „unser“ Interesse muss wahrgenommen werden. Das erzwingt die „Globalisierung“, die über uns gekommen ist; und wenn wir wissen, wie sich ein afrikanischer Staat oder eine jugoslawische Restrepublik zu benehmen hat, dann sorgen wir für „Stabilität“, womöglich für eine demokratische „Zivilgesellschaft“. Das Streben nach Geld und Macht auf dem ganzen Globus ist politisch korrekt, hat mit „Nationalismus“ nichts zu tun, weil Kapital und Handlungsfähigkeit, sicherheitsmäßig, nun einmal die Lebensmittel unseres Ladens sind. Wenn „der“ Weltkrieg keine „Gefahr“ mehr ist, sondern überall und dauernd geplant und abgewickelt wird, dann fördern wir an jedem Punkt der Erde „Friedensprozesse“. Wenn wir auf Grund unserer Interessen überall eingemischt sind, so zeugt das nicht von Imperialismus – sondern vielmehr davon, dass der „Nationalstaat“ überholt ist. Das machen wir auch den Irrläufern klar, die nicht kapieren wollen, dass es für den „Standort“ ihrer Wahl auch nützliche Neger gibt. Patriotismus heute besteht wie immer darin, sich für die Projekte der Nation heranziehen zu lassen – durch die verordnete Dosis von Lohn und Gesinnung. Eigenmächtige Verstöße werden im vorbildlichen antifaschistischen Kampf der Regierung geahndet. Die hat ein Recht nicht nur auf die Schaffung der „Konflikte“ und „Probleme“, sondern auch auf ihre der „Modernität“ verpflichtete Bewältigung. Zumal sie es – ob sie nun an Europa bastelt, das kaspische Öl ins Visier nimmt oder Milosević, ob sie auf G7- und WTO-Tagungen tätig wird oder an amerikanischen Dollars und Sicherheitsbedürfnissen Anstoß nimmt – nicht nur mit pflegeleichten Ausländern zu tun hat. Die Konkurrenz schläft ja nicht und verfügt in mancher Hinsicht über eine bessere Ausstattung, was die Überwindung imperialistischer Defizite, europäisches Denken eben, notwendig macht.
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So viel als Inhaltsangabe für dieses Heft und leider auch für die nächsten Nummern.