Aus der Reihe „Chronik - kein Kommentar!“
Voll integrierter, echt deutscher Neger halb totgeschlagen!
Wie groß ist der Schaden für Brandenburg und Deutschland?
In der Osternacht wird in Potsdam ein „37-jähriger schwarzer Deutscher“ niedergeprügelt und liegt seitdem im Koma. Ein „extremer Einzelfall“, wie die Staatsanwaltschaft Potsdam versichert. Eben fast einer von den „99 Menschen, (die) seit der Wende von Tätern mit rechtsradikalem Hintergrund getötet“ wurden, eines der Opfer der „jeweils mehr als 700 rechten Gewalttaten in den vergangenen Jahren“
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Voll integrierter, echt deutscher
Neger halb totgeschlagen!
Wie groß ist der Schaden für
Brandenburg und Deutschland?
In der Osternacht wird in Potsdam ein 37-jähriger
schwarzer Deutscher
(Tagesspiegel, 25.4.06) niedergeprügelt
und liegt seitdem im Koma. Ein extremer
Einzelfall
, wie die Staatsanwaltschaft Potsdam
versichert. Eben fast einer von den 99 Menschen, …
(die) seit der Wende von Tätern mit rechtsradikalem
Hintergrund getötet
wurden, eines der Opfer der
jeweils mehr als 700 rechten Gewalttaten in den
vergangenen Jahren
(SZ,
19.4.).
Von solch singulären Ereignissen wollen sich
demokratische Politiker nicht den Ruf ihres Gemeinwesens
beschädigen lassen. Schließlich arbeiten sie sich seit
Jahren daran ab, ihre guten Deutschen mit den
politischen Problemen aufzuregen, die sich aus
Asylantenflut, erwünschter und weniger
erwünschter Zuwanderung und schlecht
integrierten, terrorverdächtigen
Parallelgesellschaften ergeben; und bedrängen ihr
Volk, sie als die kompetenten Agenten dergestalt
berechnend geschürten Problembewusstseins immer wieder zu
wählen, anstatt die Sache immer wieder in
Einzelfällen selbstständig in die deutsche Faust
zu nehmen. Deshalb ist es sehr verständlich, wenn der
brandenburgische Innenminister Schönbohm überhaupt einen
falschen Eindruck und darüber hinaus gerade jetzt
verhindern
will,
„dass das Land Brandenburg unmittelbar vor der Fußballweltmeisterschaft ungerechtfertigt in ein schlechtes Licht gerückt wird. Brandenburg ist kein braunes Land. Ich muss mich wehren, wenn dieser Eindruck erweckt wird.“ (Tagesspiegel, 25.4.)
Das – aus Schönbohms Sicht gerechtfertigte – günstige Licht für die Nation hat nicht nur dieser Innenminister im Blick. So kommt es zu einem, vom nationalen Standpunkt doch eigentlich erfreulichen, pluralistischen Wettbewerb um die angemessene Bewältigung des Ereignisses, das neben dem besagten schwarzen Deutschen, vor allem dem deutschen Ansehen in der Welt einige Dellen beigebracht haben soll. Woraus dann, so sind sie die Politiker, doch wieder unschöner Streit entsteht über die geeignete Art, jedenfalls diesen Schaden wieder auszubeulen, wenn schon das Opfer die staatsbürgerliche Hyperaktivität einiger Brandenburger in Sachen Ausländerpolitik nicht überleben sollte.
*
So zieht also die Bundesanwaltschaft unter Führung ihres
Chefs Nehm die Ermittlungen in diesem Fall an sich, wie
schon ein paarmal innerhalb der letzten Jahre, und
erklärt ihn zu einer Frage der inneren Sicherheit
(Tagesspiegel, 25.4.).
Eigentlich ist die Behörde nach dem
Gerichtsverfassungsgesetz nur zuständig für die
Verfolgung von terroristischen Vereinigungen. Bei
Einzeltätern erlaubt aber der § 120 des Gesetzes die
Übernahme durch die Bundesanwaltschaft, wenn eine Tat
geeignet ist,
„den Bestand oder die äußere oder innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen“.
Anders als in zahlreichen anderen Fällen, die in der
demokratisch gesonnenen Presse aufgeregt aufgelistet
werden, in denen die örtlich zuständigen
Staatsanwaltschaften nur mäßiges Interesse an von Rechten
verprügelten Ausländern oder Linken zeigten, wird hier
entschlossen der juristische Overkill in Stellung
gebracht und damit deutlich gemacht, wie ernst
eine verantwortliche deutsche Justiz hier und heute
wieder einmal solche Ereignisse nimmt und wie wenig sie
sich aktuell die Duldung nicht staatlich autorisierter
Ausländerfeindlichkeit nachsagen lassen will, wenn
demnächst die Welt zu Gast
sein soll bei ihren
deutschen Freunden
: Die wollen bei dem ganzen
Aufwand, den die Fußball-WM kostet und dem Aufsehen, das
sie weltweit erregt, möglichst gut dastehen.
Sportliche Großveranstaltungen sind eben, und das ist für
niemand ein Geheimnis, geschweige denn ein Problem,
Anlässe für die Präsentation der nationalen Pracht, Macht
und Herrlichkeit des Veranstalters, weshalb Nationen es
zu ihrem Interesse machen, solche
Veranstaltungen im eigenen Land durchzuführen und ihre
Ehre daran setzen, sie zum Erfolg für
sich werden zu lassen.
*
Einen anderen Ansatz verfolgen die Innenminister Schäuble (Bund) und der schon zitierte Schönbohm (Brandenburg), beide CDU:
Sie werfen dem Generalbundesanwalt ein überzogenes
Vorgehen
vor, erklären es – vor allem Schönbohm – für
„übertrieben, dass dieser (der Bundesanwalt)
die Ermittlungen an sich gezogen habe“ und
kritisieren, Nehm habe aus der Sache ein Politikum
gemacht und zu einer Stigmatisierung Brandenburgs
beigetragen. Der politische Schaden für Brandenburg sei
erheblich
. (www.dradio.de/aktuell, 24.4.)
Schönbohm hält offenbar nichts davon, dass Deutschland
und Brandenburg derlei Ereignisse mit den großen Kalibern
des Strafrechts bewältigen und damit wieder Ruhe
ins Spiel bringen und den Ball flach halten wollen. Er
hält es eher für einen Fehler, überhaupt sein gutes
Bundesland in eine Privatsache mit
hineinzuziehen und ein Politikum
daraus zu machen,
wenn sich ein dreckiger Nigger
und andere
betrunkene Schweine
– so die wechselseitigen
Beschimpfungen der Kombattanten – prügeln; wo Brandenburg
und sein Innenminister erstens damit nichts zu tun haben,
also an nichts schuld sind, und zweitens die Sache selber
hätten staatsanwaltschaftlich erledigen können. Zumal
wenn, wie im vorliegenden Fall, dem Dialog zwischen
Tätern und Opfer zu entnehmen ist, dass die ersteren gar
nichts gegen Fremde, allenfalls etwas gegen dreckige
Nigger hatten, also ein fremdenfeindlicher Hintergrund
alles andere als sicher ist
(Schönbohm, ebd.).
Mit Schäuble geht im Live-Interview eines Radiosenders sein deutsches Gerechtigkeitsgefühl durch. Er setzt nicht auf schlichte Exkulpation wie sein brandenburgischer Kollege, sondern wirbt um gerechte Einschätzung und Verständnis gegenüber der verbreiteten Übung des Ausländerklatschens:
„Es werden auch blonde und blauäugige Menschen Opfer von Gewalttaten, zum Teil sogar von Tätern, die möglicherweise nicht die deutsche Staatsangehörigkeit haben. Das ist auch nicht besser.“ (Die Zeit, 27.4.)
Also erstens: Als Innenminister ist Schäuble natürlich,
ganz abstrakt, gegen jede unerlaubte Gewaltanwendung,
egal ob von In- gegenüber Ausländern oder umgekehrt.
Zweitens aber: Muss man wirklich so ein Geschrei um einen
vermöbelten Neger machen, solange niemand
deutsche Gewaltopfer beklagt? Deutsche, die sogar
Ausländern zum Opfer fallen, denen es nach Schäuble
offenbar am allerwenigsten zusteht, Deutsche zu schlagen.
Wer sich darüber nicht aufregt, soll gefälligst auch bei
einem halb erschlagenen Neger die Schnauze halten!
So wiegelt der Innenminister die herrschende Aufregung ein wenig ab. Und manchen blonden und blauäugigen Menschen auch ein wenig auf, der nun auch noch von seinem Verfassungsminister bestätigt bekommt, was er sich schon lange gedacht hat: Dass doch auch immer wieder Ausländer ungerecht auf ihm herumtrampeln.
Jenseits dieser Gerechtigkeitsfragen hat Schäuble aber auch eine Erklärung dafür, dass den Deutschen gegenüber Ausländern öfter mal die Hand ausrutscht. Sie haben eine Art historisch begründetes Ost-Defizit:
„Als Bürger der DDR konnten sie wegen der Abschottung durch die Mauer keine Erfahrungen mit ausländischen Mitbürgern sammeln.“ (www.dradio.de, ebd.)
Schäubles liberale Kritiker zweifeln an seiner These: Würden die weniger zuschlagen mit Erfahrungen mit ausländischen Mitbürgern? Waren nicht auch in der DDR einige Ausländer unterwegs? Und was ist mit den Jungen, die die DDR gar nicht mehr kannten? Egal: Schäuble wollte sagen, dass es die DDR ist, die an solch unerwünschten Ereignissen irgendwie schuld ist. Das schlechte Licht, das auf Deutschland anlässlich solcher Ereignisse fällt, haben nicht die Deutschen, sondern die alten Umtriebe der DDR-Kommunisten verdient. Denn: Ausländerhass ist auf keinen Fall etwas Deutsches, sondern, wie die meisten schlechten Gewohnheiten auf der Welt, etwas Kommunistisches.
*
Wenn man aber einen Schritt von der unübersichtlichen
Tagesaktualität zurücktritt, etwa von den Nachrichten-
und Kommentarspalten, und die mehr Überblick gewährenden,
lichten Höhen des Feuilletons gewinnt, kann man Schäubles
gut gemeinter, analytischer Blutgrätsche zu Lasten des
Kommunismus und zugunsten des deutschen Volkscharakters
nicht mehr ohne Weiteres zustimmen: Denn dort, wo die
vornehmen Fremdwörter auch für die hässlichen Sachen im
Leben nur so perlen, weiß man, dass Xenophobie … eine
anthropologische Konstante (ist)
(SZ, 25.4.). Darüber sollte man sich also
nicht so aufregen und jeden
Entrüstungsmaximalismus
über totgeschlagene
Ausländer ebenso wie vorschnelle Urteile darüber, dass
Deutschland ausländerfeindlich
sei, vermeiden.
Entscheidend ist allein, dass die
Mehrheitsgesellschaft und ihre staatlichen Institutionen
fremdenfeindliche Ressentiments nicht politisch
decken.
(SZ, ebd.)
Solange also die Nehms, Schönbohms und Schäubles die
Bande, die sie immer wieder ein bisschen scharf machen,
politisch und rechtsstaatlich im Zaum halten, ist die
Sache halb so schlimm: Schön ist das nie
, meint
der Feuilletonist ganz abgeklärt dazu, wenn immer wieder
mal einer als Scheißnigger
(SZ, ebd.) angesprochen wird, der
anthropologischen Konstanten halber. Genau
deswegen aber ist es auch keine maximale
Aufregung wert. Und ein Blick in die Statistik könnte ihn
richtig hoffnungsfroh stimmen, wenn er es nicht ohnehin
schon wäre: Obwohl sich das Xenophobe im
deutschen Anthropos als ziemlich dynamische
Konstante erweist, und
„nach 33 Prozent vor knapp fünf Jahren … heute 54 Prozent der Deutschen in den hier lebenden Ausländern eine ‚Gefahr der Überfremdung‘“ (sehen) und „nur noch 38 Prozent eher von einer ‚kulturellen Bereicherung‘ durch Ausländer sprechen“ (SZ, 29./30.4./1. Mai), ging „die Zahl der rechtsradikalen Gewalttaten in Brandenburg … in den letzten Jahren zurück.“ (SZ, 25.4.)
Das ist doch mal eher schön: Die Brandenburger im Speziellen und die Deutschen im Allgemeinen können die Ausländer also immer weniger leiden, ohne sie aber deswegen immer mehr zu verprügeln! Bravo Deutschland! Die WM kann kommen.