Aus der Reihe „Chronik - kein Kommentar!“
Ein später Kollateralschaden
General, vermeintlich immer noch und jetzt erst recht in humanitärer Mission im Kosovo unterwegs, verzweifelt an seinem Auftrag
Als Idealist geordneter Gewaltverhältnisse fordert der Statthalter der Nato im Kosovo, Klaus Reinhardt, mehr Mittel für den Wiederaufbau des Kosovo; er missversteht seine Mission gründlich, indem er die menschenrechtlichen Titel, unter denen der gewonnene Krieg geführt wurde, mit dessen Zweck verwechselt: Die Zersetzung des serbischen Unrechtsstaats wird durch das Besatzungsregime vollendet – die Restaurierung einer Staatlichkeit im Kosovo zählt nicht zu den notwendigen Unkosten des Krieges.
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Ein später
Kollateralschaden
General, vermeintlich immer noch und
jetzt erst recht in humanitärer Mission im Kosovo
unterwegs, verzweifelt an seinem Auftrag
Seit drei Monaten ist Klaus Reinhardt der oberste Statthalter der NATO im Kosovo. Das ehrenvolle Kommando scheint ihm allerdings nicht wenig Verdruss zu bereiten; zu Anfang des Jahres ist der Vier-Sterne-General „mächtig aus der Haut gefahren“ (SZ 20.1.) und hat sich in ziemlich unsoldatischer Art über seine Auftraggeber beschwert:
„Das gesamte Kosovo-Budget der UN lag für 1999 bei 125 Millionen Mark. Das ist ein Viertel dessen, was die NATO an einem Tag an Geld verbombt hat. Es ist abenteuerlich dumm, dass wir damals die Finanzen aufbrachten, doch jetzt, wo es um den Wiederaufbau geht, fehlen sie. Die internationale Gemeinschaft hat erstmals in der Geschichte die Verpflichtung übernommen, ein Land vorübergehend zu regieren – da genügt es nicht, ein paar Beamte herzuschicken und ihnen zu sagen: Macht mal!“ (Die Woche, 21.1.2000)
Der General muß da was in den falschen Hals bekommen haben – seit wann denn werden Kriege zum Zweck eines nachherigen vorbildlichen Wiederaufbaus veranstaltet?! Es sind die menschenrechtlich-humanitären Rechtfertigungstitel, mit denen die Nato ihren letzten Krieg ausstaffiert hat, die der General so hemmunglos mit dem wirklichen Kriegszweck verwechselt, dass er auch die Nachkriegsaufgabe, für die er vor Ort verantwortlich zeichnet, gründlich missversteht. Da hat nicht etwa die überlegene Kriegspartei den Gegner zum Rückzug aus einem Teil seines Hoheitsgebiets gezwungen und setzt sich nun selber dort fest – nein, für den General hat „die internationale Gemeinschaft“ – „erstmals in der Geschichte“! – eine „Verpflichtung“ übernommen, und zwar zum vorübergehenden Regieren eines Landstrichs. Und da meint der Mann, dass sich das westliche Kriegsbündnis ein standesgemäßes Auftreten schuldig ist und mindestens so zivilisatorisch regiert, wie es zuvor gebombt hat: In Sachen gutes Regieren gehört sich jetzt geklotzt und nicht gekleckert!
Und nun? Nun muß der KFOR-Chef an allen Ecken und Enden feststellen, daß die Repräsentanten dieser feinen internationalen Gemeinschaft, die Aufsichtsmächte, gar nicht daran denken, die faux frais für den Wiederaufbau einer Staatlichkeit im Kosovo springen zu lassen. Mit der Verkleinerung des serbischen Unrechtsstaats, mit der Beendigung der serbischen Hoheit ist das gute Werk der internationalen Gemeinschaft, was die Provinz angeht, in der Hauptsache nämlich schon erledigt; mehr als einen festen Nato-Stützpunkt auf dem Balkan, ein stabiles Besatzungsregime in der befreiten Provinz haben die Menschheitsbeglücker von der NATO für ihr Schutzobjekt namens Kosovo gar nicht geplant. Und das zivile Leben in den Nachkriegsruinen, das das Nato-Regime vorsieht, bemißt sich in erster Linie am Respekt gegenüber der neuen Obrigkeit, und nicht einmal in zweiter Linie, sondern gar nicht daran, ob es auch genug zu heizen und zu fressen gibt. Das frustriert einen Haudegen, der so gerne mal gezeigt hätte, was für ein zivilisierter Bürger in seiner Uniform steckt. Schon am allerelementarsten Lebensmittel, das er kennt, fehlt es im Kosovo:
„Von Recht und Ordnung fehlt jede Spur. Seit wir hier sind, wurden über 4000 Verbrecher festgenommen – davon sind nur 200 in Haft. Das zeigt die ganze Problematik. Es gibt hier derzeit kein Rechtssystem. Wenn die internationale Gemeinschaft weder die Polizisten noch das Geld zu ihrer Bezahlung liefert, dann braucht sich niemand zu wundern, wenn das hier nicht schnell weitergeht.“ (Die Woche, 21.1.)
Die verantwortlichen Stäbe in Brüssel und Washington werden schon sehen, was sie davon haben, wenn sie dem Statthalter im Kosovo keine Polizisten und Richter schicken. Mehr dürfen sie sich dann wirklich nicht von ihm erwarten, als dass er vor Ort nach Kräften bloß für die Durchsetzung des Nato-Besatzungsregimes sorgt. Und Freunde dort verschaffen sie sich mit dem auch nicht, wenn der Einzug der Demokratie im Kosovo ganz allein darauf beschränkt bleibt:
„Es sei doch einfach so, wenn man die Menschen im Kosovo nicht bezahlen könne und sie sich ihren Lebensunterhalt nicht verdienten, meint Reinhardt, ‚wird ihre Freude über den Einzug der Demokratie auch nicht groß sein‘.“ (SZ 18.2.)
Das wird die da oben von der internationalen Gemeinschaft aber mitnehmen.