Aus der Reihe „Chronik - kein Kommentar!“
Kampftag der Arbeiterklasse: Love-Parade für Jobs
Mit einer Love-Parade für Jobs demonstriert der DGB in moderner und jugendlicher Form für die Erlaubnis zur Arbeit – egal zu welcher Bezahlung und welchen Bedingungen.
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Kampftag der Arbeiterklasse: Love-Parade für Jobs
Der DGB hat es schon seit langem kapiert. In Anbetracht von 4 Millionen Arbeitslosen ist ihm klar, dass das große Bedürfnis der Menschheit darin besteht, arbeiten zu dürfen – für andere. Gewisse Gesichtspunkte, die die Beschäftigten vielleicht interessieren könnten, entfallen dabei natürlich. Welchen Nutzen die Arbeit für die Leute hat, unter welchen Bedingungen die Arbeit stattfindet und wie lange der Dienst am fremden Eigentum geleistet werden muss – solche Fragen, die das Interesse von Arbeitern zum Gegenstand machen, hat er sich längst abgeschminkt und auch seinen Mitgliedern erfolgreich ausgetrieben.
Ganz zu schweigen von etwaigen Alternativen zum kapitalistischen Modell Deutschland, die so abseitig nun auch wieder nicht sind. Statt ewig nach mehr Arbeit für alle zu schreien, könnten sogar Gewerkschafter von heute darauf kommen, dass die erreichte Produktivkraft locker dafür ausreichen würde, die Arbeit für alle zu erleichtern und zu reduzieren. Aber das ist für moderne, gewerkschaftliche Arbeitsmanager wiederum zu weltfremd, und passt auch nicht zu ihrem Anliegen, die brachliegenden Arbeitskräfte der Nation zu mobilisieren, genauer gesagt, vom Kapital mobilisieren zu lassen.
Ein großes Nachholbedürfnis bestand aber anscheinend doch
noch: dem Schrei nach Arbeit eine moderne Form zu
verpassen. Das ist ihm jetzt gelungen. Weil es in unserer
heutigen Medienlandschaft so entscheidend ist, gute Ideen
und richtige Parolen auch ‚mediengerecht‘ zu
präsentieren, verzichtet er in Schwerin auf eine
ritualisierte Kundgebung mit Funktionärsreden, roten
Fähnchen und Bratwurstduft
(SZ,
2.5.), so dass dort prompt das spektakulärste
Gewerkschaftsereignis an diesem Tag
(DGB) stattfindet, die Job-Parade, ein
echtes Mega-Event.
Nicht von gestern ist bereits die Einladung über
www.jobparade.de. 20 Sattelschlepper werden aufgestellt,
47 DJs engagiert, die bis zu 30000 Watt starke mannshohe
Anlagen bedienen; zum Anheizen der Stimmung geben sich
die üblichen Go-go-Girls her. Das turnt an und bringt auf
die Straße, nämlich 45000 Jugendliche, die nichts
besseres zu tun haben, als bei heißen Rhythmen und
dröhnenden Beats
auf den Trucks herumzutanzen und so
auf ihre Art den Tag der Arbeit
zu feiern
(Spiegel). Doch bei allem
Spaß verliert die Jugend das Wesentliche nicht aus den
Augen und stellt ihre Forderungen: „Jugend in Arbeit –
jetzt“, „Wir sind die Zukunft! Umfinanzierung jetzt! Wer
nicht ausbildet, muss zahlen!“ Auch Kapitalisten sind
herzlich eingeladen – als Sponsoren des Umzugs – und
zahlen gerne. Als kleine Gegenleistung der Gewerkschaft
dürfen sie ihre Werbebotschaften auf den LKWs plazieren,
neben den DGB-Parolen.
Die guten Noten für die moderne und jugendliche
Form erhält dieser Unsinn natürlich
hauptsächlich deswegen, weil auch sein Inhalt
stimmt – der Ruf nach Arbeit und die damit verbundene
Ermahnung an die Unternehmer, Arbeitsfähige und
Arbeitswillige nicht einfach von der Arbeit
auszuschließen: Ihre kräftigen Gewinne müssen die
Unternehmer endlich auch in neue Arbeitsplätze
investieren.
(Schulte, DGB
1.5.) Statt wertvolles Humankapital brachzulegen,
sollen Deutschlands Kapitalisten ihren Ausbeutungswillen
gefälligst umfassender und verantwortungsvoller
praktizieren. Sowas kommt an bei der deutschen
Öffentlichkeit.
Die Forderung knüpft an eine gute alte Tradition an. Denn
so ähnlich hat schon einmal ein großer Freund des
deutschen Volkes seinen tiefen Respekt vor der nationalen
Arbeiterschaft bekundet und ihr den selbstlosen Dienst an
der Nation verordnet. Dafür hat er diesem Dienst die Ehre
erwiesen, die ihm gebührt, und den „Tag der Arbeit“ zum
nationalen Feiertag erklärt. Womit auch der Kampfauftrag
an die Unternehmerschaft und ihre Verantwortung in Sachen
Sozialpartnerschaft feststanden: Die Arbeitskraft und
der Fleiß des Volkes sind das größte nationale Kapital,
das nicht länger brachliegen darf. Der Aufruf ergeht
deshalb an alle, durch entschlossene Maßnahmen der
Arbeitsbeschaffung die Sorge um die Sicherheit des
Arbeitsplatzes aus der Welt zu schaffen.
(zitiert nach Martin Broszat, Der Staat Hitlers,
München 1976)
Auf diese schöne Tradition hat sich der DGB besonnen und demokratisch und modern, wie er ist, den Ruf nach Arbeit in die heutige Spaßkultur eingebaut. So ändern sich Form und Geschmack, die Sache bleibt. Und das ist es, was die Öffentlichkeit honoriert, dass nämlich die ganze Anspruchshaltung des deutschen Proletariats sich auf das Betteln um Beschäftigung reduziert. Damit ist dann auch garantiert, dass für Beschäftigung die Kapitalisten zuständig sind, und die Massenarbeitslosigkeit auch in Zukunft das gesellschaftliche Problem Nr.1 bleibt.