Aus der Reihe „Chronik - kein Kommentar!“
Milošević ausgeliefert:
Von der Gerechtigkeit, die ein UN-Kriegsverbrechertribunal in das Zusammenleben der Völker bringt
Der „Verbrecher“ soll spüren, dass er einer ist: „Kriegsverbrecher Slobodan Milosevic sitzt endlich in einer kargen Zelle in Scheveningen, die Welt jubelt.“ (Bild, 30.6.)
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Milošević ausgeliefert:
Von der Gerechtigkeit, die ein
UN-Kriegsverbrechertribunal in das Zusammenleben der
Völker bringt
Ein „Triumph über das Böse“
Sicherlich verfügt das Balkan-Monster
(Bild, 30.6.01) Milošević über
haufenweise Skrupellosigkeit, Machtwillen und
Verschlagenheit. Auch jenes sture Rechtsbewusstsein, das
einen Staatsmann beim Dienst an der guten Sache seiner
Nation im Bedarfsfall über Leichen gehen lässt, wird ihm
gewiss nicht fehlen. Dass es sich deswegen aber bei den
selbst ernannten Aufsehern über das Gute in der
Staatenwelt, die über den Mann ein Gericht tagen lassen,
um sympathischere Zeitgenossen handeln würde, lässt sich
nicht gerade behaupten. Der menschenrechtlich kultivierte
Geist, in dem die Vertreter der Öffentlichkeit ihrem
Minister Fischer und seinen Kollegen Respekt für den
gelungenen Abschluss eines Kapitels ihrer Außenpolitik
zollen und sich für die gelungene Überstellung des
Schlächters von Belgrad
(Bild, 30.6.) bedanken, lässt wenig an
Häme, Rachsucht und Vernichtungswillen aus, um den
Sieg des Rechts über das Böse
(SZ, 30.6.) so richtig schön auszukosten.
Mit Güte ist das Gute, das da gesiegt hat
(NZZ, 2.7.), kaum zu
verwechseln. Der Verbrecher
soll spüren, dass er
einer ist: Kriegsverbrecher Slobodan Milošević sitzt
endlich in einer kargen Zelle in Scheveningen, die Welt
jubelt.
(Bild, 30.6.)
Wegsperren, Kasernieren, Debatten über die richtige Form
der Verwahrung. Strenge Beobachtung des
Gefängnisaufenthalts durch TV-Moderatoren, die alle
Tugenden offenbaren, die sie auch zur Führung von
serbischen Gefangenlagern befähigt hätten. Bloß keine
Luxuszelle mit Montecristo-Zigarren und Whisky
(Wickert, ARD). Die
freizügige Auflistung eines Strafregisters aus
Massengräbern, Konzentrationslagern, Folter,
Vergewaltigung, ethnischer Säuberung und Attentaten
(Bild, 30.6.) bezeugt, dass
an der Schuld dieses Monsters kein Zweifel besteht. Keine
Idiotie aus dem Wörterbuch des Gutmenschen wird
ausgelassen, um triumphierend auf sich selbst deuten zu
können, welchen Mann man da ausgeschaltet hat. Hinweise
auf ein krankes Hirn
(NZZ,
1.7.) und eine traumatische
Familiengeschichte
(NZZ,
1.7.) verweisen auf die nötige Therapie:
Sicherheitsverwahrung, sofern er sich der Justiz nicht
durch Selbsttötung entzieht.
(NZZ, 1.7.) Das soll er nicht. Den Mann
will man ein wenig leiden sehen. Seht ihn euch an, den
Feigling: Er schwitzt. Diabetiker. Sein Puls dröhnt.
Bluthochdruck. Er hat Angst vor Angina pectoris.
(Bild, 30.6.) Wo bleibt
übrigens Mira Marković, die Hexe aus Belgrad
(Bild, 27.6.), und Sohn
Marko, das Früchtchen? Verbrecherische Sippschaft läuft
immer noch frei herum. FAZ-Leitartikler wissen auch
nicht, warum dieser Bulldogge ohne Gesichtsknochen
(Bild, 30.6.) eigentlich noch
die Gnade eines zivilisierten Prozesses erwiesen wird.
Sie spielen mit dem Gedanken der Todesstrafe, die aber in
den Richtlinien des Genfer Tribunals nicht vorgesehen
ist.
(FAZ, 30.6.).
Eigentlich schade.
In allen Äußerungen dokumentiert sich so ziemlich
derselbe Geist, den man in Milošević einst unbedingt hat
bekämpfen müssen. Hier allerdings geht er vollkommen in
Ordnung, weil er einer guten Sache dient. Die Bestrafung
des Täters entspricht nämlich, wie man hört, einem
fundamentalen Gerechtigkeitsprinzip
(SZ, 29.6.) der internationalen
Staatengemeinschaft, von Gerechtigkeit vor allem für
die Opfer
(SZ, 29.6.)
spricht der deutsche Außenminister Fischer. Zum Schutz
der Opfer hat es während des Krieges leider nicht
gereicht, ohne einige Kollateralschäden an Toten durch
den Bombenhagel im Dienste des Menschenrechts war dem
Bösewicht bedauerlicherweise das Handwerk nicht zu legen.
Dafür aber genießen die Opfer jetzt wenigstens postum die
Genugtuung, dass der Verantwortliche an allen Toten und
allem Elend auf dem Balkan zur Rechenschaft gezogen wird.
Und nicht nur das: Mit der Überstellung des ehemaligen
Staatschefs von Jugoslawien an das UN-Kriegstribunal
kommt erstmals ein Schwert der Weltjustiz
(SZ, 30.6.) zum Einsatz. Die
gibt es zwar nicht, weil die Staaten der Welt eine ihnen
selbst als den höchsten, Recht setzenden Subjekten
übergeordnete rechtliche Aufsichts- und
Durchsetzungsinstanz gar nicht kennen. Die Indizien eines
rechtsförmigen Prozesses aber liegen untrüglich vor, so
dass sich eben gut behaupten lässt, dass der eine
Forderung des internationalen Rechts erfüllt, die
Verantwortlichen für die Verbrechen am Balkan zur
Verantwortung zu ziehen
(US-Präsident Bush, SZ, 29.6.). Einfach
dadurch, dass ein von der Weltmacht des Guten
eingerichteter und von ihren Verbündeten unterstützter
Strafgerichtshof einschlägig tätig wird, kommt dieses
internationale Recht
auf die Welt, und zusammen
mit dem auch die höhere Gerechtigkeit ins Zusammenleben
der Völker. Die besteht in nichts anderem, als dass
Mächte von Rang sich zum Ankläger und Vollstrecker einer
von ihnen für illegitim befundenen staatlichen
Gewaltausübung machen, was man aber, wenn man nur
konsequent genug von allem abstrahiert, auch als einen
großartigen Sieg der Moral interpretieren kann: Pathos
ist angebracht – ein Triumph über das Böse.
(SZ, 30.6.)
Wie das Gute unaufhaltsam vorankommt
Freilich: Ein wenig leidet die höhere Sittlichkeit und
Gerechtigkeit, in deren Namen die internationale
Staatengemeinschaft da unterwegs sein soll, schon unter
den Methoden, mit denen sie herbeigeführt wird. Zu dem
feinen Ideal will es nicht so gut passen, dass die
politischen Hebammendienste, die zu seiner Verwirklichung
nötig sind, im Winken mit eventuellen geldwerten
Gegenleistungen bestehen. Dass man sich auch noch darüber
Sorgen macht, ob der serbische Staat die kleine
innenpolitische Zerreißprobe übersteht, die man ihm mit
dem Diktat zumutet, seinen abgewählten Vorsteher
auszuliefern. Aber kaum hat man sich auf diesem Wege zu
einem gewissen Eingeständnis durchgerungen, dass die hohe
Gerechtigkeit zwischen Staaten eben doch bloß das
Ideal des Macht- und Kräfteverhältnisses ist,
das zwischen ihnen herrscht, sie sich also ganz dem
Einsatz der entsprechenden erpresserischen Mittel
verdankt, über die überlegene Staatsgewalten verfügen,
entschließt man sich doch wieder dazu, den verlogenen
Schein zu kultivieren, der vom Dienst der Gewalt am
höheren Recht kündet. Dem eher skeptischen Befund:
Etwas gar plötzlich ist der serbische Diktator und
Kriegshetzer Milošević nach Den Haag verfrachtet worden.
(…) War die schnelle Abschiebung im Sinne einer höheren
Gerechtigkeit unumgänglich, weil es sonst zu noch
größeren Kalamitäten gekommen wäre? Hätte man denn nicht
noch etwas länger warten können, um zu vermeiden, dass
Djindjićs Entscheidung wie ein ausländisches Diktat
erscheint?
(NZZ, 2.7.)
folgt das Dementi sogleich hinterher: Keinesfalls ist
diese ‚höhere Gerechtigkeit‘ der bloße Titel, mit dem
sich eine überlegene militärische Allianz die Kompetenz
zuweist, über einen anderen, ihr hoffnungslos
unterlegenen Staat zu richten. Genau umgekehrt hat man es
zu sehen, und alles, was da an Einsatz von Machtmitteln
nötig war, zu begreifen als unumgänglichen Dienst an dem
noblen Zweck, der Gerechtigkeit zum Sieg zu verhelfen.
Was also heißt da schon, ‚erscheint wie ein Diktat‘?
Natürlich war es eines! Die ihm gesetzte Frist zur
Auslieferung Miloševićs – bis zur Eröffnung der
Geberkonferenz – hat Djindjić pünktlich eingehalten, und
damit er das tat, mussten eben einige politische
Machenschaften eingefädelt werden, die wegen ihrer
gesunden Abwägung von rechtsstaatlichen Mitteln und
politischer Vernunft
(FAZ,
3.7.) grundsätzlich zu loben sind. Politisch
vernünftig für Jugoslawien ist nämlich, wenn dieses Land
allen Forderungen nachkommt, die von den westlichen
Freunden des Rechts angemeldet werden, und dabei
selbstverständlich alles ignoriert, was es in ihm an
eigener Rechtsstaatlichkeit gibt: Legitim ist die
Machtausübung in Jugoslawien, wenn sie so vonstatten
geht, wie der Westen sie sich wünscht, und so ist
Djindjić nicht nur sehr vernünftig, wenn er ein Urteil
des jugoslawischen Verfassungsgerichtes ignoriert, das
die Auslieferung untersagt. Ein geschickter
Schachzug
von ihm ist es auch, ein von dem
Unrechtssubjekt Milošević erfundenes Gesetz dafür zu
nutzen, die Auslieferung für rechtmäßig zu erklären, so
dass rechtsstaatlich betrachtet sogar die Umgehung des
Rechtsstaats in Ordnung ist, letztlich. Wo doch noch ein
Rest an schalem Geschmack bleibt, dass die höhere
Gerechtigkeit über einfach nicht zu leugnende niedere
Berechnungen in die Welt gekommen ist – nüchtern ist
festzuhalten: der Weg zur Verhaftung Miloševićs war
vor allem interessengeleitet und politisch motiviert.
(SZ, 3.7.) –, hilft der
bewährte Grundsatz fürs rechte Verständnis, wonach
überlegene, im Endeffekt also erfolgreiche Mittel einfach
nicht übel sein können: Gerne weisen die maßgeblichen
Vorstände der NATO und der Jugoslawien-Geberkonferenz
darauf hin, dass erst ihre diplomatischen
Interventionen den gehörigen Druck verursacht hätten
(FR, 30.6.), mit der die
mutige Entscheidung der serbischen Regierung
(FR, 30.6.) zustande kommen
konnte. Während die USA schon im Vorfeld der
Geberkonferenz klarstellen, dass es ohne Überstellung
Milošević kein Geld aus Washington gebe
(FR, 30.6.), lässt die deutsche
Bundesregierung verlauten, dass Berlin die harte
Haltung der USA teilt
und man dies dem guten Djindjić
in mehreren Telefonaten und Briefen
(FR, 30.6.) auf Deutsch mitgeteilt habe.
Großes Lob also für die konsequent harte Haltung
(FR, 30.6.), mit der man die
Einhaltung internationaler Völkerrechtsprinzipien
durchsetzen muss. Letztere und die höhere Gerechtigkeit,
die im Anliegen der westlichen NATO-Mächte auf
Auslieferung und Bestrafung des Verbrechers vorliegen,
besteht also genau darin, dass der Staat Jugoslawien sich
der überlegenen Macht beugt, die da von ihr die
Selbstdefinition eines Anwendungsfalls für internationale
Strafjustiz verlangt. Der Triumph der
Gerechtigkeit
(FAZ,
30.6.) resultiert aus einer erzwungenen
nochmaligen Kapitulationsgeste eines mit Krieg und
Nachkriegssanktionen entmachteten Staatswesens, das sich
mit der Auslieferung seines abgewählten Regenten um die
Beglaubigung des Scheins verdient machen soll, es wäre
eine höhere Gerechtigkeit des Völkerrechts, die von den
NATO-Staaten exekutiert wird: Die
Weltgemeinschaft
, die in Gestalt des Tribunals
Recht spricht, setzt sich aus den Krieg führenden Staaten
der westlichen Allianz zusammen, die mit dem Prozess
gegen Milošević das letzte Kapitel ihres Kriegsprogramms
gegen den von ihnen als feindlich definierten
Machtanspruch des jugoslawischen Staates eröffnen. Und
nicht nur das allein:
Der neue imperialistische Rechtszustand
Mit dieser interessanten Fortschreibung des Völker-
genauso wie des Strafrechts kommt nämlich auch in
politischer Hinsicht ein neuer Tatbestand in die
Welt. Mit ihrer überlegenen Macht maßen sich die Staaten
der NATO da nichts geringeres an als ein globales
Aufsichtsrecht über den Rest der Staatenwelt. Die
USA und die Mächte Europas etablieren sich als Instanz,
die über allen Rechten steht, die andere
Souveräne zur Wahrung ihrer nationalen Interessen geltend
machen. Deren Anerkennung als Souveräne und damit die
allererste Voraussetzung eines politischen Verkehrs von
Gleichen unter Gleichen versteht sich für alle, die der
prüfenden Begutachtung durch diese Instanz unterliegen,
keineswegs mehr von selbst. Es unterliegt dem
Ermessen der selbst ernannten Hüter des Völker-
und Menschenrechts, Staaten den Respekt vor ihrer
Souveränität zu gewähren oder nicht und ihre Macht für
grundsätzlich illegitim zu befinden. Sie, die aus ihrer
überlegenen Gewalt nicht nur mit allergrößter
Selbstverständlichkeit die Befugnis ableiten, in ihrer
‚Weltordnung‘ nach dem Rechten zu sehen, sondern bei
Bedarf die aus dieser ihrer Rechtsauffassung
resultierenden Urteile auch gewaltsam vollstrecken,
erklären sich zu institutionalisierten Richtern
über alle anderen Staaten. Von denen verlangen sie, sich
den Respekt zuallererst zu verdienen, mit dem sie zum
internationalen politischen Verkehr zugelassen sind: Sie
haben sich dem Recht der Aufsicht über sich selbst zu
unterstellen, grundsätzlich anzuerkennen, dass sie von
einem exklusiv dazu ermächtigten Staatenverband am
Maßstab des Völker- und Menschenrechts gemessen und
daraufhin überprüft werden, ob sie sich beim Gebrauch
ihrer Macht auch wirklich nichts zuschulden kommen
lassen, woran die Hüter der Weltordnung Anstoß nehmen
könnten. Diese Scheidung der Staatenwelt in
solche Exemplare, die über fremde Souveräne zu Gericht
sitzen, und eben in solche, die minderen Rechts sind und
über deren Souveränität gerichtet wird, kommt mit dem
Gerichtshof in Den Haag in die Welt. Dort wird in der
Person Milošević über staatliches Verbrechertum
verhandelt, also die mit dem Krieg schon praktisch
erteilte, grundsätzliche Zurückweisung von Rechten einer
jugoslawischen Souveränität in einen gültigen
Rechtszustand überführt: Die Anerkennung Jugoslawiens als
halbwegs respektables Mitglied der Staatengemeinschaft
steht unter dem Vorbehalt, dass sich dieser Staat in
einer Art permanenter kollektiver Unterwerfungsgeste
seinen Status, Objekt von Beaufsichtigung zu sein, als
Inhalt seines eigenen nationalen Willens
zurechtdefiniert. Die Ablieferung von Milošević an seine
Richter ist die nochmalige Ächtung jenes alten
Repräsentanten des für unpassend befundenen serbischen
Nationalismus – diesmal aber auch von denen mitgetragen,
die der heutigen serbischen Nation vorstehen. Den
Verdacht der Nachfolgerschaft in diesem unseligen
Nationalismus sollen sie entkräften, weil sie ja
schließlich die Nachfolger des geächteten Nationalisten
sind, weswegen dessen Auslieferung für sie auch nur der
Anfang ihrer Prüfung ist: Mit dem Gebot einer weiteren
Zusammenarbeit mit dem Haager Kriegstribunal
und
der Auslieferung von Kriegsverbrechern
, die in
diesem Land noch immer in staatstragenden Ämtern sitzen,
wird den neuen Regenten Jugoslawiens ein permanentes
Vergangenheitsbewältigungsprogramm auferlegt, mit dem sie
selbst unter Beweis stellen dürfen, wie erfolgreich sie
allen serbisch-nationalistischen Drangsalen abgeschworen
haben und wie gut sie sich in ihrer neuen Rolle, von
imperialistischen Gnaden regieren zu dürfen, einzurichten
verstehen:
„Mit dem Sturz des Despoten im Oktober, seiner Verhaftung im April und der Auslieferung im Juni haben die Serben im Eiltempo eine in Grundzügen glaubhafte und für andere Völker Beispiel gebende Wende vollzogen. Die Zeit zwischen dem „Hosianna“ und dem „Kreuziget ihn“ war jedoch zu kurz und zu turbulent, um sich neben dem alten Regime auch vom alten Denken zu lösen. Die Hypothek der Milošević-Ära lastet nicht nur auf dem verarmten Land, sondern auch auf den Köpfen. Es wird die Aufgabe der Belgrader Eliten sein, diese Hypothek durch eine offensive Beschäftigung mit der Vergangenheit abzutragen.“ (SZ, 30.6.)
Das sind die Hypotheken, die man als ehemaliger
Staat eines Despoten nicht mehr so leicht los wird,
das ist der gültige imperialistische
Rechtszustand – und was war im Vergleich zu dem doch
Breschnews ‚Doktrin der begrenzten Souveränität‘ im
eigenen Lager für eine matte Sache! Anders als der
gleichfalls zerbombte Irak mag das Land ja einen
Regierungswechsel hingekriegt und die passenden Eliten
etabliert haben, die als willige westliche
Ansprechpartner
parat stehen. Aber auch das nutzt
ihm nichts. Den dauerhaften Generalvorbehalt sollen die
Belgrader Eliten beim Regieren entkräften, ihre Politik,
die sie in Wahrnehmung ihres Amtseides zum Wohle ihrer
serbischen Nation betreiben, könnte womöglich – auf
Nationalismus zurückfallen! Auf serbischen noch dazu! Und
weil sie diesen Verdacht schlechterdings nicht entkräften
können, solange sie überhaupt nur regieren, steht fest,
dass dieses Land auf nicht absehbare Zeit einfach nicht
richtig regiert werden kann. Weltpolitik als Strafgericht
– das wird interessant: In Den Haag ist mit Frau dal
Ponte der Maßstab etabliert, an dem entlang die
Machthaber in Belgrad offensiv
demonstrieren
dürfen, dass sie eigentlich nur zur Abwicklung verbotener
serbischer Machtambitionen regieren, an die Überprüfung,
wie gut sie dies tun, machen sich dann fallweise die
NATO-Mächte. Und für den ersten großen Schritt in die
richtige Richtung geizen sie auch nicht mit Anerkennung:
Der Lohn für die Anerkennung der neuen imperialistischen Rechtslage
fällt allerdings auch bezeichnend aus. Der Goldregen
internationaler Hilfe
(Spiegel
27, 2.7.), die Geberlaune der internationalen
Staatengemeinschaft
(Handelsblatt, 3.7.) und großzügige
Hilfe
(SZ, 3.7.), die
Serbien wieder vollständig in die internationale
Gemeinschaft zurückführt
(Handelsblatt, 3.7.) und glatt alle
Erwartungen übertrifft
(ebd.), beläuft sich auf einen Bruchteil
der Kosten, die dem Westen der Krieg gegen das Land wert
war. Von wegen, mit Geld hätte man Jugoslawien zur
Nachgiebigkeit bewegt, ein Do-ut-des mit diesem Staat
nötig gehabt: Das Land, das bankrott ist, erhält als
Belohnung für seine dem Westen gegenüber gezeigte
Fügsamkeit den Status zugewiesen, mit allen anderen
Empfängerländern westlicher Gelder auf einer Stufe zu
stehen. Sonst bekommt es nichts, weder Mittel für
irgendeine Art von Aufbau
seiner kriegszerstörten
Infrastruktur noch die Anerkennung irgendeines
politischen Interesses, das seine Regenten verfolgen. Die
sollen einfach nur für ‚Stabilität‘ sorgen, wie und womit
eigentlich, ist dem Westen egal. Was an Geldern
tatsächlich gezahlt wird – Im August sollten wir eine
erste Rate von 300 Millionen Euro erhalten. Plötzlich
wird uns mitgeteilt, dass davon gleich 225 Millionen Euro
einbehalten werden. (…) Zwei Drittel der Summe sind
‚Strafzinsen‘, weil Milošević sich zehn Jahre weigerte,
diese Kredite zurückzuzahlen
(Djindjić im Spiegel 29, 16.7.) –, sind
Aufwendungen für die Aufrechterhaltung eines Kredits, an
der die westlichen Gläubigerländer ein Interesse haben.
Auf der anderen Seite darf sich Jugoslawien in der
Position eines Bittstellers einrichten, der die
zugesagten Gelder täglich von neuem beantragen muss.
Von einer irgendwie gearteten Aufbauhilfe durch die
westlichen Staaten ist nichts in Sicht, eine eigene
ökonomische Aufbauleistung Jugoslawiens unvorstellbar,
die Abhängigkeit des Staates von Gratifikationen der
westlichen Geberländer absolut – und das ist die ganze
positive Leistung, die sich diese ‚Geber‘ auf ihrer
Konferenz hoch anrechnen und als
Demokratie-Dividende
(Kanzler
Schröder) desselben Landes vorstellen, das sie
selbst mit ihrem Krieg und Sanktionsregime entmachtet und
entrechtet haben. Und ein anderer Zyniker kann das auch
noch als Werk der Geschichte interpretieren, die in ihrem
Gang ja bekanntlich immer für Gerechtigkeit sorgt:
Serbien und die Bundesrepublik Jugoslawien in ihrer
heutigen Verfasstheit sind ein Produkt des brutalen
Herrschaftswillens Miloševićs. Um seiner Macht willen hat
er Kriege führen, Völker vertreiben und Staaten formen
lassen. Nachdem sich Milošević wohl für immer von
Jugoslawien hat verabschieden müssen, ist es auch für den
Westen Zeit für einen Abschied von Jugoslawien.
(FAZ, 30.6.)
Vielleicht nimmt aber auch das Rest-Jugoslawien in seiner
gegenwärtigen Verfassung seinen Abschied von der
westlichen Gemeinschaft, in der es nun endlich doch
irgendwie angekommen ist. Djindjić mag seine Botmäßigkeit
gegenüber den Aufsichtsmächten noch so sehr als Akt
eigener Machtvollkommenheit begreifen und noch so viele
Berechnungen daran knüpfen, dass aus seiner Unterwerfung
unter das Diktat des Westens der Auftakt für einen
jugoslawischen Neuaufbruch wird: Mehr als das faktische
Eingeständnis des umfassenden ökonomischen wie
politischen Bankrotts seines Staates als Souverän eigenen
Vermögens hat er mit seiner forschen Machtprobe
gegen innerjugoslawische Widerstände einfach nicht
abgeliefert. Und die Felder, auf denen sich seine
nächsten Machtkämpfe abzeichnen, sprechen eher auch nicht
für eine Gesundung des Staatswesens, das er regiert. In
seinem Vorgehen gegen alle, die der Unterwerfung des
jugoslawischen Staates unter westliche Diktate wenigstens
noch eine Grenze ziehen wollen und den Standpunkt
vertreten, die Souveränität des Landes sei doch noch mehr
als nur ein westliches Geschöpf, hat der Student aus
Deutschland
, der das Land regiert, ja auch schon die
Gesamtstaats-Institutionen
zur Disposition
gestellt, die es dort noch gibt. Das macht die ohnehin
nicht sehr haltbare Konstruktion dieses Staates
Rest-Jugoslawien – der Landesteil Montenegro ist mit
seinem Sezessionismus ja auch schon gut unterwegs – noch
ein wenig unhaltbarer.
Auch im Falle dieses neuen, erfolgreich zum willigen
Mitmachen in der Ordnung des Westens bekehrten
Jugoslawien zeichnet sich also ab, dass die Stabilität
auf dem Balkan
, zu deren sorgsamer Pflege die neuen
Machthaber in Belgrad ja auch mit auserkoren sind, eher
nicht zustande kommen wird. Aber der insgesamtige
Schuldtragende ist immerhin schon einmal in Den Haag
festgesetzt.