Aus der Reihe „Chronik - kein Kommentar!“
„Linksruck“ in Schweden
Besorgt registriert die Presse, dass die sozialdemokratische Regierung Schwedens auf die Tolerierung durch die ehemalige KP angewiesen ist. Die gewendeten Kommunisten wollen am Sozialstaat festhalten und propagieren eine „menschlichenfreundliche“ „soziale Marktwirtschaft“. Damit gelten sie heute als suspekte Typen.
Aus der Zeitschrift
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„Linksruck“ in Schweden
Daß im Norden ein besonderer Menschenschlag haust, eigenwillig und dickschädelig, das bestätigen wieder einmal die jüngsten Meldungen aus dieser Weltgegend in der hiesigen Presse.
Da verfällt ein norwegischer Regierungschef doch glatt auf die abstruse Idee, „Teile der Einkünfte aus dem Rohölexport an die Bevölkerung auszuschütten“, und muß erst durch die gerechte Strafe der „internationalen Finanzmärkte“, die „vor allem kleine Staaten, die sich nicht an die Ratschläge der Finanzexperten halten“, trifft, zu der Einsicht gebracht werden, daß gutes Geld nur gutes Geld bleibt, wenn es sich in den Händen konzentriert, in denen es sich vermehrt, und nicht für irgendwelchen Sozialkrimskrams verplempert wird.
Die in Schweden regierenden Sozialdemokraten haben dagegen längst eingesehen, daß sowas nicht geht, und sich deswegen vom „schwedischen Modell“ verabschiedet. Aber statt ihre Leistung zu honorieren, „bestraft“ sie der schwedische Wähler, undankbar und uneinsichtig, wie er ist, indem er ihnen eine ordentliche Mehrheit verweigert. Das findet die SZ sehr ungerecht: „Göran Persson hat in den letzten vier Jahren den Etat saniert, für diese Sparpolitik wird er nun vom Wähler abgestraft.“ Besonders hart ist die „Strafe“ zwar nicht ausgefallen, immerhin können die Sozialdemokraten ja weiter regieren, aber eben nur mit der Tolerierung durch die ehemaligen Kommunisten, die jetzt als „Linkspartei“ firmieren. Der SZ schwant Schlimmes: „Die ehemalige Kommunistische Partei Schwedens hat ihre Fühler nach der Macht ausgestreckt.“
Was aber ist denn nun eigentlich so furchtbar „links“ an dieser Partei, daß die SZ so eindringlich vor ihr warnen muß? Links ist, daß sie sozialdemokratische Politik macht: sie fordert die „Wiederauflage des Wohlfahrtsstaates der siebziger Jahre“ und „versucht sich wieder am dritten Weg“. Der war zwar dezidiert antikommunistisch (schließlich sollte er eine Alternative zum Kommunismus darstellen), aber heute, wo es nur noch einen Weg gibt, gilt schon die Erinnerung daran und an den Sozialstaat von damals als gefährlicher Irrweg. Links an dieser Partei ist für die SZ auch, daß sie mit christdemokratischen Sprüchen daherkommt wie: „Erst der Mensch, dann die Finanzen“ (so die Parteivorsitzende Schyman). Dieser uralte Kalauer, mit dem ein Ludwig Ehrhardt einst die Menschenfreundlichkeit der „Sozialen Marktwirtschaft“ propagiert hat, klingt für die SZ heute unglaublich „naiv“. Und zwar deswegen, weil überhaupt noch ein anderer Standpunkt als der des Geschäfts geltend gemacht wird.
Wer heute noch sein prinzipielles Einverständnis mit dem Gang der kapitalistischen Geschäfte mit den humanistischen Sprüchen von damals verbrämt, ist nicht auf der Höhe der Zeit. Heute sind eben andere, umstandslosere und radikalere Bekenntnisse zur Marktwirtschaft gefragt, Bekenntnisse dazu, daß in der Wirtschaft das Geschäft das Maß aller Dinge ist und der Mensch sein Anhängsel. Alles andere ist verdächtig.