Aus der Reihe „Chronik - kein Kommentar!“
„Ein Strahl Hoffnung für die Welt“:
Die Internationale Konferenz für Erneuerbare Energie in Bonn
Die Konferenz für Erneuerbare Energie in Bonn ist ein voller Erfolg. Für die Umwelt. Für die 3. Welt. Für den Frieden. Die „globale Energiewende“ und ein neues Zeitalter hat begonnen, das „Zeitalter der erneuerbaren Energien“ (Trittin). Schließlich steht „die Energiefrage im Zentrum der großen politischen Herausforderungen dieses Jahrhunderts, dieses Jahrtausends“ (Wieczorek-Zeul, FR), und alles Übel dieser Welt hat ein Ende, wenn der Siegeszug der „renewables“ erst einmal eingeleitet ist.
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Systematischer Katalog
Ein Strahl Hoffnung für die
Welt
:
Die Internationale Konferenz für
Erneuerbare Energie in Bonn
1. Gute Nachrichten aus dem Reich der Umwelt- und Entwicklungs-Diplomatie: die Weltformel ist gefunden, die Koalition der Willigen geschmiedet!
Die Konferenz für Erneuerbare Energie in Bonn ist ein
voller Erfolg. Für die Umwelt. Für die 3. Welt. Für den
Frieden. Die globale Energiewende
und ein neues
Zeitalter haben begonnen, das Zeitalter der
erneuerbaren Energien
(Trittin) beginnt. Schließlich steht
die Energiefrage im Zentrum der großen politischen
Herausforderungen dieses Jahrhunderts, dieses
Jahrtausends
(Wieczorek-Zeul,
FR, 1.6.), und alles Übel dieser Welt hat ein
Ende, wenn der Siegeszug der „renewables“ erst einmal
eingeleitet ist.
Auf diese Sicht der Dinge haben sich Delegierte aus über
150 Nationen verständigt, die sich – zwei Jahre nach dem
„Erdgipfel“ von Johannesburg – auf Einladung der
deutschen Regierung getroffen haben, um den Worten
Taten folgen zu lassen und einen ambitionierten
Aktionsplan zum globalen Ausbau der erneuerbaren Energien
zu erstellen
(Trittin,
Abschlussrede).
Und so wird die Welt gerettet:
– „Erneuerbare Energien tragen nachhaltig zum Klimaschutz bei“
„denn ihr Betrieb ist nahezu klimaneutral. Bisher nutzen wir aber weltweit nur ein Prozent des technisch abschöpfbaren Potenzials der erneuerbaren Energien. Wenn wir sie massiv ausbauen, könnten wir den wachsenden Energiehunger der Welt befriedigen, ohne den Klimawandel zu verschärfen.“ (Trittin: Den Klimawandel global angehen, Regierung-Online, 29.04.)
In einem sind sich die Klimaschützer mit den Betreibern
der bisherigen, so gar nicht „klimaneutralen“
Energieproduktion einig: Alles nur ein
technisches Problem. Und sie sind sich zugleich
darüber einig, dass dies nicht die Wahrheit und alles nur
eine Frage des Geldes ist: Weltweit ist der
breite Ausbau erneuerbarer Energien nur möglich, wenn die
Anlagen durch Massenproduktion billiger werden.
Einig ist man sich also in der Hauptsache: An der
politischen Ökonomie des Geldes, nach der der
Energiehunger der Welt erzeugt und gestillt wird, soll
sich gar nichts ändern. In diese zerstörerischen, weil am
Profit und sonst nichts orientierten Kalkulationen soll
eine Technologie eingefädelt werden, die diese
schädlichen Nebenwirkungen nicht hat – als lägen die
Nebenwirkungen an der Technologie, und nicht an der
politischen Ökonomie, die ihren Einsatzes diktiert und
die erklärtermaßen eine Anwendung der bereits vorhandenen
klimaneutralen
Technologien mangels Rentabilität
unterbindet. Und als wären die neuen Technologien immun
gegen negative Konsequenzen, wenn sie erst einmal zum
Hilfsmittel rentabler Stromproduktion gemacht und dem
entsprechenden Optimierungszwang unterworfen werden. Als
ließe sich der Profit zum Mittel für die Zwecke
des Klimaschutzes degradieren – und das ausgerechnet
dadurch, dass man den Klimaschutz mit dem begeisterten
Hinweis Rechnet sich!
explizit als Mittel für
neue, zukunftsträchtige Geschäfte empfiehlt.
– „Erneuerbare Energien bekämpfen die Armut“
„Zwei Milliarden Menschen – das ist rund ein Drittel der Weltbevölkerung – haben überhaupt keinen Zugang zu einer vernünftigen und ordentlichen Energieversorgung. Ihnen fehlt es am Notwendigsten: an Energie, um Wasserpumpen zu betreiben und damit sauberes Trinkwasser zu bekommen, an Strom, um an Information, Kommunikation und Bildung teilzuhaben. Aber es fehlt ihnen auch an Energie, um selbst ihre eigenen Rohstoffe zu verarbeiten und damit wirtschaftliche Entwicklung möglich zu machen.“ (Schröder, Rede anlässlich der Konferenz für erneuerbare Energien)
Eine schöne Bilanz des Siegeszuges der kapitalistischen
Produktionsweise, die der Kanzler der kapitalistischen
Vormacht Europas da zieht. Und eine Herausforderung an
uns
:
„Die Weltgemeinschaft will bis 2015 den Anteil der Menschen halbieren, die in absoluter Armut leben. Dazu brauchen wir Energie – damit Medikamente gekühlt werden, damit in Schulen Licht brennt, damit Handwerker Maschinen betreiben können. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen wir eine Milliarde Menschen mit Energiedienstleistungen aus erneuerbaren Quellen versorgen.“ (Wieczorek-Zeul, FR, 1.6.)
Die Ursachen der absoluten Armut gehen uns nichts an. Das
ist die erste frohe Botschaft. Zuständig sind wir nur für
die Halbierung des Effekts. Und die – das ist die zweite
gute Nachricht – ist ganz leicht zu haben. Denn
absolute Armut
hin oder her – genau genommen fehlt
es nur an ein bisschen Strom: Ohne
Stromversorgung herrscht perspektivloses Elend. Und
mit Stromversorgung? Mit Stromversorgung
brennt in den Schulen Licht
, die Menschen haben
Zugang zu Information und Bildung
, und Slumbewohner
verarbeiten in geselliger Runde vor ihren Hütten die
Rohstoffe ihres Landes.
Und schon ist ihre Armut
nicht mehr absolut, sonder ziemlich relativ – jedenfalls
im Vergleich zu der anderen Hälfte, der auch bis 2015
nicht zu ein paar Kilowattstunden verholfen werden kann.
Damit hat sich’s dann aber auch. Denn:
„Zweifellos würde sich die Menschheit den ökologischen Ast absägen, auf dem sie sitzt, wenn die unterentwickelten Länder die Wirtschaftsweise der G8-Staaten übernehmen.“ (Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 30.5.)
Woraus natürlich überhaupt nicht folgt, dass die
G8-Staaten ihre zerstörerische Wirtschaftsweise
abzuschaffen hätten. Dass noch nicht einmal der Globus
den Kapitalismus aushält, spricht dafür, dass
erfolgreicher Kapitalismus ein Privileg der
„Entwickelten“ zu bleiben hat. Was andererseits aber auch
nicht bedeutet, dass die „Unterentwickelten“ nicht
kapitalistisch wirtschaften, sondern sich Weltmarkt,
Herrschaft des Geldes, also der verheerenden
Wirtschaftsweise der G8 entziehen sollten: An
Anti-Kapitalismus ist bei der Warnung vor Übernahme des
herrschenden Erfolgsweges nicht gedacht. Kapitalismus
schon – nur nicht im großen Stil, nicht als
Erfolgsnummer wie in der „Ersten Welt“. Das ist
freilich auch nicht zu befürchten: Die absolute
Armut
ist schon Produkt kapitalistischer Verhältnisse
ohne kapitalistischen Erfolg. Dabei soll es also
bleiben – im Prinzip. Für das kapitalistische Elend aber
haben wir etwas anzubieten. Und zwar nicht einfach Hilfe.
Sondern Hilfe, die sich rechnet:
„Gerade in netzfernen Gebieten sind erneuerbare Energien die wirtschaftlich beste Möglichkeit zur Stromversorgung. Vor allem Fotovoltaik, kleine Wasserkraftwerke und Biomasse. Stromleitungen in entlegene Gebiete sind sehr viel teurer.“ (Trittin, Klimawandel…) „So ist abseits der dicht besiedelten Länder und Anballungen ein Stromnetz kaum rentabel zu betreiben. Dagegen reicht schon eine kleine Solaranlage aus, um in einer afrikanischen Siedlung zumindest die Pumpe zu speisen, die trinkbares Wasser zu Tage fördert und damit Krankheit und Tod verhindert.“ (SZ, 29.5.)
Kapitalistisch wirtschaften können kleine
Handwerksbetriebe
auch auf niedrigstem Niveau, und
mehr als eine Trinkwasserpumpe ist für netzferne
Elendsgebiete – die auch dauerhaft solche bleiben sollen
– nicht erforderlich. Für solche Fälle ist eine kleine
Solaranlage
preisgünstig und ausreichend. So wird aus
der lästigen Notwendigkeit, die Armut zu verwalten, ein
interessantes Exerzierfeld für künftige Technologien und
aus der Chance, sogar noch am Elend zu verdienen, eine
Win-Win-Strategie
, von der Industrie- und
Entwicklungsländer gleichermaßen profitieren
.
– Erneuerbare Energien sichern den Frieden
„Die Auseinandersetzung um gesicherten Zugang zu fossilen Energiereserven führt längst zu globalen Spannungen. Krieg um Öl ist kein Zukunftsszenario, sondern Realität.“ (Bundesumweltminister Trittin, Armut und Klimawandel global angehen, Regierung-Online, 29.4.)
Hier, wo es mal angebracht wäre, ist von dem sonst überall zuständigen „Wir“ der „führenden Industrienationen“ nicht die Rede. Die „Auseinandersetzung“ ums Erdöl hat kein politisches Subjekt; die wird nicht von „uns“ geführt, sondern „führt“ ihrerseits zu „Spannungen“, die zwar „global“ sind, aber von einem so süßen kleinen Land wie der BRD nie und nimmer ausgehen. Allenfalls gestatten wir uns eine unmissverständliche Anspielung auf die amerikanische Supermacht, die sich ihren „Krieg ums Öl“ nicht vom Berliner Umweltminister hat genehmigen lassen – der allerdings auch nicht zögert, fremde Bodenschätze zu den „Energiereserven“ zu zählen, zu denen auch Länder wie das Seine einen „gesicherten Zugang“ benötigen und beanspruchen. Einen real existierenden Krieg würde er natürlich nicht darum führen – warum auch, das erledigen ja schon die Amerikaner und machen sich damit unbeliebt. Aber dass „Energiereserven“ unter die gesicherte Kontrolle der Weltwirtschaftsmächte gehören, die davon rentablen Gebrauch zu machen verstehen, und dass das allemal einen Krieg wert ist, das ist auch einem aus der Friedensbewegung hervorgegangenen Mitglied der Schröder-Regierung geläufig: so geläufig, dass er es für ein prima Werbeargument für alternative Energiequellen hält, wenn er daran erinnert, womit Nationen wie die von ihm mitregierte kalkulieren, wenn es mit dem „gesicherten Zugang“ zu den „fossilen Energiereserven“ einmal nicht klappt. Sichere Energieversorgung muss sein, sonst setzt’s was; auch Deutschland ist nur unter der Bedingung bereit, Frieden zu geben – wenn das nicht für neue Energiequellen spricht!
– „Die Botschaft von Bonn heißt: Taten statt Worte“ (Trittin)
„In den Eröffnungsreden herrschte Aufbruchstimmung. Da war nichts von dem weinerlichen Ton, der frühere Konferenzen prägte. Die Zuversicht speist sich aus all den konkreten Projekten, die im Plenarsaal und in zahlreichen Präsentationen am Rande vorgestellt werden. Traumtänze sind das nicht: 240 potenzielle Investoren – darunter große Finanzdienstleister und Ölmultis wie Shell und BP – prüfen, wo sie ihr Geld am besten für erneuerbare Energien einsetzen können.“ (SZ, 3.6.)
Stolz präsentieren die Veranstalter das kleine Wunder
von Bonn
(SZ, 5.6.):
Endlich hat die ökologische Moral eine Chance – jetzt, wo
auch der Profit dafür spricht. Statt sich wie auf den
Vorgängertreffen auf eine Korrektur der Politik
festzulegen und dann doch nur wechselseitig zu blockieren
– schließlich will keine Nation aus Sorge um die
Nachhaltigkeit des Wachstums darauf verzichten,
das eigene aktuelle Wachstum mit aller gebotenen
Rücksichtslosigkeit zu fördern –, hat sich in Bonn eine
Koalition der Willigen
getroffen und durch
freiwillige Selbstverpflichtung
auf die Ziele
„festgelegt“, die sich die jeweiligen Nationen aus ganz
anderen Gründen als dem Klimaschutz ohnehin vorgenommen
haben.
2. Die energiepolitische Sache: Strategien für den (teilweisen) Ersatz eines strategischen Gutes
„Ich denke, auch der Zeitpunkt der Konferenz ist gerade richtig gewählt. Denn die aktuelle Entwicklung zeigt uns die Notwendigkeit auf, zu belastbaren Absprachen, zu einer Umorientierung der globalen Energiepolitik zu kommen. Auch diejenigen, die das Thema ansonsten recht zögerlich behandeln, sehen inzwischen die Dringlichkeit einer solchen Strategie ein.“ (Schröder, Motto der Rede anlässlich der internationalen Konferenz für erneuerbare Energien)
Die aktuelle Entwicklung, von der der Kanzler spricht, ist ein Anschlag, den al Kaida am Vorabend der Konferenz auf die Ölanlagen in Saudi-Arabien verübt, und ein Ölpreis, der die historische Höchstmarke von 40 Dollar pro Barrel übersteigt. Die Aufregung über beide Ereignisse wirft ein bezeichnendes Licht auf die Aufbruchsstimmung, die die Branche der erneuerbaren Energien derzeit erfasst:
Die Umstände, die den Ölpreis in die Höhe getrieben
haben, lassen auch für die Zukunft nichts Gutes erwarten
und verweisen auf eine Schwachstelle der nationalen
Energieversorgung. Erdöl mag zwar leicht abzubauen,
universell zu verwenden und damit grundsätzlich
alternativlos billig sein – aber die Lagerstätten, die
diesen Treibstoff des Weltkapitalismus beherbergen,
liegen fast ausnahmslos außerhalb der Grenzen der
Nationen, die diesen Stoff zu ihrer Macht- und
Reichtumsentfaltung verkonsumieren. Und diese
Schwachstelle macht sich zunehmend bemerkbar, seitdem
Amerika mit dem globalen war on terror
die Welt im
Allgemeinen und die Ölregion des Nahen Osten im
Besonderen einem verschärften Kontrollregime unterwirft.
Das ist für die großen Ölverbraucher auf dem
kapitalistischen Globus nämlich nur einerseits gut. Dass
die USA sich mitten auf der größten fossilen
Energiequelle der Welt als überlegene Militärmacht
aufstellen, ist andererseits erstens die
Reaktion auf „Entwicklungen“, die die Herrschaft über die
Gegend und ihre Dienste am globalen Kapitalismus
tendenziell unsicher machen und schon gemacht
haben. Diese Reaktion ist zweitens, wie es
aussieht, nicht übermäßig dazu angetan, den Zugriff auf
„unsere Energiereserven“ wieder problemlos zu
gewährleisten: Bis auf Weiteres stiftet Amerikas Feldzug
mehr Unruhe als sicheren Geschäftsgang. Und was
perspektivisch dann doch an Sicherheit fürs
Geschäftemachen zustande kommt, das ist drittens
für Amerikas kapitalistische Konkurrenten überhaupt das
größte Problem: Die Weltmacht tendiert ganz heftig dazu,
die Verfügung über die Petroleumzufuhr politisch zu
monopolisieren; ihre unwilligen Verbündeten
jedenfalls finden es nötig, sich auf eine gar nicht mehr
ferne Zukunft vorzubereiten, in der nicht das Öl knapp,
sondern der freie Zugriff darauf seitens der großen
Schutzmacht des freien Welthandels von koalitionärer
Gutwilligkeit abhängig gemacht wird.
Aus dieser ungemütlichen Perspektive ziehen Deutschland &
Co nun zwar zuerst und vor allem den Schluss, dass man
sich andere Ölquellen sichern muss; möglichst exklusiv
und möglichst an amerikanischen Einsprüchen vorbei. In
ihrem Drang nach größtmöglicher Versorgungssicherheit
bleiben diese Staaten dabei aber nicht stehen: Sie
kümmern sich auch um die Erschließung neuer, zusätzlicher
Energiespender. Zu dem gleichen Zeitpunkt, zu dem die
Kernenergie weltweit eine Renaissance erlebt
(Die Zeit, 22.7.), stehen
daher auch die alternativen
Energien vor ihrem
historischen Durchbruch – eine Ironie der Geschichte, die
die Doppeldeutigkeit des Wortes alternativ
beleuchtet.
Noch ist die aktuelle Nutzung erneuerbarerer
Energien dadurch beschränkt, dass eine Energiegewinnung
aus Windkraft, Sonnen- und Erdwärme – soll sie auch nur
annähernd konkurrenzfähig sein – an besondere klimatische
und geographische Voraussetzungen gebunden ist. Ein
regenerativer Energiemix
, der auch Biomasse als
einen vom Wetter unabhängigen Baustein mit einbezieht,
soll diese Abhängigkeit mindern. So richtig
revolutioniert wird die nationale Energieversorgung durch
die Erneuerbaren freilich erst dann, wenn es gelingt,
diese Beschränkung vollständig zu beseitigen: Langfristig
soll mit Hilfe der Wasserstofftechnologie
Energie
durch die Aufspaltung von Wasser in H und O speicher- und
transportfähig, die Produktion der Energie somit von
ihrer Nutzung entkoppelt werden; auf diese Weise lässt
sich mit den renewables
von der Wärme- bis zur
Treibstoffversorgung auch das gesamte Anwendungsspektrum
der nationalen Energieversorgung bestreiten.
Die Einführung dieses Verfahrens – technisch heute schon möglich – scheitert noch an den hohen Kosten, die die Umrüstung der Infrastruktur verursachen würde. Aber die Entwicklung dieser Technologie wird vorangetrieben und ihr Einsatz in die Wege geleitet. Imperialistische Nationen sichern so wesentliche Bedingungen ihres Geschäfts wie die nationale Energieversorgung nicht nur räumlich nach allen Himmelsrichtungen, sondern auch gegen die Unwägbarkeiten, die eine spätere Zeit mit sich bringen mag; und kein verantwortungsbewusster Staatsmann will sich nachsagen lassen, er würde wegen kurzfristiger Vorteile die Augen vor den „Herausforderungen der Zukunft“ verschließen.
So werden auf der Konferenz eine Reihe zukunftsweisender
Projekte vorgestellt. Da wird nicht nur über offshore
Windparks, die Wasserstoff produzieren
, sondern auch
über die Nutzung von Erdwärme in Island, das künftige
Kuwait des Nordens
spekuliert und eine
euro-mediterrane Energiepartnerschaft
, mit der
Sonnenenergie aus der Sahara für die Energieversorgung in
Europa genutzt werden soll, schon mal „angedacht“. Mit
der allergrößten Selbstverständlichkeit werden
geopolitische Rollenzuweisungen über die halbe Welt
vorgenommen, und im gleichen Tonfall, in dem jetzt über
unser Öl
gesprochen wird, werden ganze Landstriche
für unsere Energieversorgung der Zukunft
ideell in
Beschlag genommen. Das selbstredend absolut friedlich;
imperialistischer Kriegsgrund war früher einmal allein
der metaphorische „Platz an der Sonne“; um den
gesicherten kapitalistischen Zugang zur Sonne wird es
niemals Krieg geben
(Wieczorek-Zeul, taz, 2.6.) –
vorausgesetzt die Herren der Sahara stellen ihr Land
bereitwillig und billig zur Verfügung und garantieren die
Sicherheit künftiger Wasserstoff-Pipelines…
Auch wenn es noch ein weiter Weg ist, bis aus der
erneuerbaren Energie ein Gefechtsfeld wird, das für den
Kampf der Nationen um Macht und Reichtum bedeutsam ist –
wegen der enormen Potentiale
, die in dieser
Technologie schlummern, richten die führenden
imperialistischen Nationen schon jetzt einen
strategischen Blick auf diese Branche. Deutschland, nicht
von ungefähr Gastgeber der Konferenz, verweist stolz
darauf,
„Technologie- und Marktführer bei der Windenergie zu sein, ein Drittel des Windstroms weltweit zu produzieren, und eine Spitzenposition bei der Technologieentwicklung im High-Tech Solarstrombereich einzunehmen. … Eine der wenigen boomenden Branchen in Deutschland sind die Erneuerbaren Energien“ (Trittin).
Einen Markt, der ein kontinuierlich wachsendes
Geschäftsvolumen und weltweiten Einfluss verspricht,
möchte Deutschland nicht nur benutzen, sondern
im Idealfall auch gleich beherrschen. Der
Weltmeister in Sachen Windenergie subventioniert mit
Einspeisungsvergütungen, Sonderabschreibungen usw. das
Geschäft mit der Produktion erneuerbarer
Energie, um auf dieser Basis Deutschland zum
führenden Standort für Produktion und Export der
Produktionsmittel dieser Branche zu machen; und
er nutzt auch die kleinsten Nischenmärkte
, um
seine Zukunftstechnologien in einem umfassenden Spektrum
voranzutreiben und ihre weitere Markteinführung durch
eine Verbreiterung der Produktion zu begünstigen:
„Geothermie in Ostafrika, Windenergie in Ägypten, Fotovoltaik in Südafrika. … Diese Projekte sollen als Leuchttürme auf andere Entwicklungsländer ausstrahlen.“ (Wieczorek-Zeul)
Damit der Leuchtturm auch gesehen wird, gibt’s Kredit aus Berlin, und Deutschland präsentiert sich – nicht nur für Entwicklungsländer – als zuständige Adresse für alle Nationen, die ihre geographischen Gegebenheiten in energiepolitisches Kapital verwandeln wollen.
So macht das alberne Gerede von der Versöhnung von
Ökologie und Ökonomie
und der Sonnenkraft, die den
Frieden schafft
dann doch seinen guten
imperialistischen Sinn.