Aus der Reihe „Chronik - kein Kommentar!“
Was wird aus Kohls Stasi-Akte?
Darf, soll, muss Kohls Stasi-Akte öffentlich zugänglich gemacht werden? Der betroffene Ex-Kanzler, der gerade in freimütiger Bekennermanier sein ‚Tagebuch‘ aus dem Parteispendenskandal veröffentlich hat, ist strikt dagegen.
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Was wird aus Kohls Stasi-Akte?
Darf, soll, muss sie öffentlich zugänglich gemacht
werden? Diese Frage kommt anlässlich der Suche nach Kohls
geheimgehaltenen Spendern im parlamentarischen
Untersuchungsausschuss auf, wird dort abschlägig
beschieden und beschäftigt Politik und Öffentlichkeit,
seit die neue Chefin der Gauck-Behörde entsprechend
bisheriger Praxis bereit war, Journalisten Einblick in
die Akten zu geben
(SZ,
27.12.), so eben, wie es das
Stasi-Unterlagengesetz bei ‚Personen der Zeitgeschichte‘
vorsieht. Der betroffene Ex-Kanzler, der gerade in
freimütiger Bekennermanier sein ‚Tagebuch‘ aus dem
Parteispendenskandal veröffentlich hat, ist strikt
dagegen. Aber nicht nur er. Auch ein der Parteilichkeit
für Kohl unverdächtiger SPD-Mann wie Innenminister Schily
hält die Öffentlichmachung für eine zweifelhafte
Praxis
, die er notfalls per Kabinettsanweisung zu
untersagen
(ebd.) droht.
Brandenburgs SPD-Ministerpräsident Manfred Stolpe meldet
sich aus eigener Erfahrung
und plädiert für
Grenzen der Öffentlichkeit mit einem interessanten
Argument: Die Praxis könnte Schule machen und die
Herausgabe der Kohl-Akten ein ‚Dammbruch‘ sein, der eine
Flut weiterer Veröffentlichungen aus Akten westdeutscher
Politiker und Wirtschaftsgrößen nach sich zöge, ‚die uns
noch für viele Jahre in Atem halten könnten‘.
(SZ, 23.12.) Der Mann gibt
erfrischend ehrlich Auskunft darüber, was jenseits der
üblichen demokratischen Parteiengehässigkeit Solidarität
unter den Regierenden stiftet. Er befürchtet
offensichtlich nicht wiedergutzumachenden Schaden durch
zu viel ungewollte Öffentlichkeit, Schaden nicht für
diese oder jene Person, sondern für die gesamte
‚politische Klasse‘. Deren Ansehen könnte leiden, wenn
bekannt wird, wie Politiker und Wirtschaftsgrößen
außerhalb der Öffentlichkeit denken, reden, beratschlagen
und handeln.
Wo er recht hat, hat er recht! Nicht, dass nicht alles Entscheidende bekannt und an den praktischen Taten zu besichtigen ist, was da allenfalls ‚enthüllt‘ werden kann. Aber die alltäglichen Machenschaften, Intrigen und das gar nicht zurückhaltende Anspruchsdenken seiner Akteure kämen so zur Sprache, wie es diese Akteure keinesfalls schätzen: nämlich ohne die Aura, mit der sie und die Öffentlichkeit ihr Treiben normalerweise umgeben. Ohne entsprechende Inszenierung, dass sie selbstlos im Dienste höherer Werte und im Interesse aller unterwegs sind, ist dem Innenleben von Politik und Wirtschaft der banale und gar nicht bewundernswerte Inhalt ihres Geschäfts anzusehen: Machtausübung und private Reichtumsmehrung. Die Offenlegung der Diskrepanz zwischen der Präsentation ihres Treibens als Dienst am Volk und der Rücksichtslosigkeit, mit der sie bei der Verfolgung nationaler und wirtschaftlicher Interessen vorgehen, ist ja wirklich alles andere als vertrauensstiftend und deswegen nach dem Geschmack von demokratischen Politikern mit ihrem unstillbaren Bedürfnis nach rückhaltloser Bewunderung für ihre Verfolgung von Macht- und Geschäftsinteressen verwerflich und untragbar. Der aus dem ‚Stasi-Staat‘ in die freiheitliche Demokratie hinübergewechselte Stolpe plädiert deshalb dafür, zwischen dem professionellen Geschäft von Politik und Wirtschaft, das die dafür Befugten unter sich und unter Ausschluss der Öffentlichkeit regeln, und der Präsentation desselben für den Rest der Nation gebührend zu trennen. Ein nettes Eingeständnis, wie demokratische Politiker ihr eigenes Metier beurteilen und was sie an einer demokratischen Öffentlichkeit schätzen, von der sie dann wieder gar nicht genug haben können: Dienen soll sie als Sprachrohr und Bühne zur Selbstdarstellung der Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft, damit das Wählervolk ihnen gebührenden Respekt entgegenbringt und ‚das Vertrauen‘ ausspricht. Auch wenn und gerade weil mündige Bürger diesem Verlangen mit dem Bewusstsein nachkommen, sie wüssten natürlich im Grunde, dass Politik ein ‚schmutziges‘, weil gar nicht so selbstloses ‚Geschäft‘ wie behauptet ist, legen demokratische Macher auf den Schein so großen Wert, dass ihnen Ehre gebührt, weil sie die Last der Verantwortung für die Nation tragen.
Die Regierenden und nationale Wirtschaftsgrößen am
Maßstab der gewöhnlichen, von jedermann durchschauten,
aber mitgetragenen demokratischen Inszenierung schlecht
aussehen zu lassen, das war nun allerdings wirklich nicht
der Sinn der Öffnung der Stasi-Archive. Die sollte
nämlich nach dem Willen ihrer Urheber dem gegenteiligen
Zweck dienen – wieder nach Auskunft Stolpes: Das
Unterlagengesetz sei für die Jahre nach der Wende richtig
gewesen. Es habe dazu gedient, Verbrechen gegen die
Menschlichkeit aufzudecken. Diese Arbeit sei aber im
Wesentlichen getan.
(SZ,
23.12.) Das, was im Hinblick auf die hiesigen
Politfiguren keinesfalls gewünscht ist, das war die
erklärte Absicht in Richtung eingemeindeter Osten: Es
sollten ‚Dämme‘ geöffnet, eine öffentliche ‚Flut‘ von
‚Enthüllungen‘ erzeugt werden. Diejenigen, die ein paar
unzensierte Einblicke ins interne Treiben der
herrschenden Elite bei sich schon für die Eröffnung einer
‚Schlammschlacht‘ halten, welche das Vertrauen in sie
mutwillig untergraben soll, wollten dem ehemaligen
Personal des eingemeindeten Osten nachträglich jede
moralische Qualität streitig machen – und das in
praktischer Absicht. Sie wollten abrechnen mit der
erledigten DDR und haben dafür den historischen
Glücksfall ausgeschlachtet, dass sie alle Auskünfte über
die Interna des Feindstaates in die Hand bekommen hatten
und für ihre Abrechnung nutzen konnten – ohne dass es
noch eine Vertretung des entgegengesetzten
Staatsinteresses gab, die sich dagegen hätte verwahren
und ihre Auffassung von Legitimität verteidigen können.
Deswegen haben sie den Bürgern drüben das nicht
alltägliche Angebot gemacht, sie dürften, was gegenüber
dem eigenen Staat undenkbar wäre, Einblick nehmen in die
Fahndungsergebnisse des Dienstes, der sie ehemals
ausgiebig überwacht und auf ihre Staatstreue Acht gegeben
hat, der sie als Abweichler schikaniert oder auch nur als
normale Mitmacher beobachtet hat. Diejenigen, die als
Dissidenten eingestuft waren, haben darüber zwar ohnehin
Bescheid gewusst, weil sie die praktischen Folgen ihrer
Einstufung als Staatsgegner in Form von Schikanen,
Berufshindernissen, Hausarrest oder auch Gefängnis zu
spüren bekommen haben; sie haben also eigentlich nicht
mehr nachzusehen brauchen. Und den anderen, die von der
alltäglichen Beachtung gewusst, aber nicht viel an
Repression bemerkt haben, hätte es ohnehin egal sein
können. Sollte es aber nach dem Willen der neuen
Herrschaft nicht! Ostbürger sollten und durften deshalb
Verdacht hegen, dass, und nachforschen, ob und von wem
sie bespitzelt worden sind. Sie sollten und durften sich
als Opfer des alten Systems verstehen, sollten und
durften dem Bedürfnis nach Abrechnung mit den
Stasi-Figuren nachgehen, unabhängig davon, ob sie unter
der Bespitzelung gelitten haben. Zu finden war da
genügend. Schließlich haben die DDR-Behörden – wie jeder
andere Staat – ihre (potentiellen) Gegner beobachtet und
drangsaliert, vor allem jene, die mit dem auswärtigen
Feind, also hauptsächlich der BRD, sympathisierten. Ganze
Aktenberge haben sich aufgetürmt, weil der
realsozialistische Staat dem von ihm eingeforderten
Bekenntnis zum Realen Sozialismus, bzw. dem
Opportunismus, mit dem es erbracht wurde, misstraut hat.
Deswegen hat die Partei nicht nur über erklärte
Staatsfeinde, sondern auch über die alltäglichen
Diskrepanzen zwischen offiziellem Bekenntnis der Bürger
und privaten Äußerungen ihrer Unzufriedenheit und Kritik
sorgfältig Buch führen lassen. Unzählige IMs haben sich
dafür aus Berechnung oder mehr oder weniger unter Druck
zur Verfügung gestellt und auf diese Weise ihre vom
System eingeforderte Loyalität bewiesen. Als Opfer dieses
‚Systems von Bespitzelung‘ sollte und durfte sich also
der Ex-DDR-Bürger begreifen und die an den Pranger
stellen, die über seine Meinungen und Verhaltensweisen
mehr oder weniger eifrig und mit mehr oder weniger
Konsequenzen ‚Erkenntnisse‘ gesammelt haben. Wer das
gewesen ist, das vor allem nämlich sollten die jeweils
Betroffenen selbständig herausfinden. So wurde mit dem
Recht auf Akteneinsicht ihr privates Rachebedürfnis
anerkannt, aufgestachelt, vom neuen Staat mit dem
passenden Material beliefert – und als eine moralische
Wiedergutmachung für erlittene Unterdrückung im alten
Staat ausgegeben, die ihnen der neue Staat
gerechtigkeitshalber angedeihen lässt.
Beschlossen und in Szene gesetzt wurde das massenhafte Unternehmen ‚Stasi-Opfer dürfen ihre Peiniger auskundschaften‘ gleichwohl nicht wegen des Drangs ostdeutscher Bürger, an ihren ehemaligen Stasi-Wächtern ideell Vergeltung zu üben. Es war Teil und diente der Legitimierung und Beförderung des Anliegens ihrer neuen Obrigkeit, mit dem alten Staat gründlich abzurechnen. Die fahndungswilligen Zonis waren bloß die nützlichen Idioten für ein Säuberungsprogamm, das die siegreiche Herrschaft am lebenden Inventar des erledigten Staats vollziehen wollte. Das wurde einer Gesinnungsprüfung unterworfen, wie sehr es sich als Parteigänger des erledigten Staates, als Macher oder aktiver Mitmacher aufgeführt hat – und dementsprechend sortiert. Die neuen Herren entschieden über die Zulassung zu den höheren und niederen Stellen in ihrem erweiterten Apparat. Die Entscheidung, wer zum weiteren Kreis der anerkannten Elite und Anwärter auf höhere und niedere staatliche Stellen gehören durfte, trafen sie nach dem Grundsatz: Nur, wer an der Feindschaft zu seiner alten Heimat keinen Zweifel läßt, ist dazu berechtigt. In diesem Sinne wurde gründlich aufgeräumt mit allen, die man als Parteigängern des alten Regimes dingfest machte, weil sie mit ihrer Vita oder Position zu entsprechendem Verdacht Anlass boten – es war naturgemäß die übergroße Mehrheit in staatstragenden Positionen. Lehrer, Wissenschaftler und andere Staatsbedienstete wurden unter tatkräftiger Mitwirkung ehemaliger Kollegen aus ihren Positionen mit den Methoden hinausgesäubert, die der neue Dienstherr der Stasi angekreidet hat. Prominente aus Kultur, Sport und öffentlichem Leben, die der DDR als Identifikationsfiguren für ihre Bürger gedient hatten, wurden unter lebhafter Beteiligung west- und ostdeutscher Intellektueller, also der Fachleute in Sachen Pflege einer sauberen demokratischen Diskussionskultur, mit einem Denunziations- und Hetzwesen bedacht, das manche Karriere ruiniert hat, mindestens aber in einem öffentlichen zerknirschten Sündenbekenntnis mit demonstrativem Abschwören enden musste, wollte man nicht ein für alle Mal ins moralische und kulturelle Abseits gestellt werden. Und erst recht der Bestand an Politfiguren wurde durchgemustert und mehrheitlich von vornherein für unwert befunden. Außerdem wurden nicht wenige Polit-Konkurrenten, die zunächst die Wende überstanden und geglaubt hatten, in den neuen Westparteien als Vertreter der Ost-Bürger Karriere machen zu können – Schnur, de Maizière von der CDU, Böhme von der SPD und andere –, über ihre Vergangenheit und damit darüber belehrt, dass Überläufertum noch lange keinen Berechtigungsausweis darstellt. So wurde das politische, öffentliche und Kulturleben in die Hand der richtigen Seite und ihrer Vertreter genommen. Dafür wurden die Akten von berufener Stelle verwandt. Und dem durften die Zonen-Bürger mit ihrem privaten Erkundungsdrang zuarbeiten. Die Entlarvung von IMs, die öffentliche Debatte über ihre Vergehen und der Fingerzeig auf ihr Stillschweigen – wer sich zu seinen ehemaligen Diensten bekannte, wurde selbstverständlich gleich aussortiert –, das beförderte und bereicherte die ohnehin beschlossene negative Auslese, die mit der Rücksichtslosigkeit, Gehässigkeit und all dem parteipolitischen Intrigantentum durchgezogen wurde, das demokratische Politiker auszeichnet, die sich absolut im Recht und mit entsprechender Macht ausgestattet sehen.
Die Zustimmung im Westen hatten sie sowieso, und damit es auch im Osten an entsprechender Überzeugung nicht mangelte, lieferte das Material der Gauck-Behörde und der Umgang mit ihm laufenden Nachhilfeunterricht, für den die beleidigten Zonenbürger die Kronzeugen spielen durften. Denn das persönliche und öffentliche Studium der Stasi-Akten belegte – ad personam – ein ums andere Mal das Urteil, das für die Veranstalter des Dauertribunals ohnehin feststand: Dass es sich um einen Unrechtstaat gehandelt hat. Dabei ging es nicht darum vorzuführen, dass da ein Regime sein andersdenkendes Volk zum Opfer gemacht hat, sondern um die umgekehrte Botschaft: Jeder, der seinen persönlichen Spitzel entdecken und aufdecken durfte, bestätigte das Urteil, dass alle, die zu diesem Staat gehalten haben, im Grunde solche Typen, eben Parteigänger und tätige Gehilfen eines Un-Staats gewesen sind. Diskreditiert werden sollte also der alltägliche Gehorsam des DDR-Volkes selber, um alle Restbestände eventuell noch vorhandener Loyalität gründlich moralisch zu erledigen. Ganz nebenbei ist durch diese demokratische Inszenierung des Unrechtsurteils über den DDR-Staat auch noch der Rest an Zoni-‚Identität‘ nach Kräften schlecht gemacht worden, den Ost-Bürger fürs eigene Selbstbewusstsein als heutige gute Deutsche aus ihrem alten Laden herüberretten wollten: dass man früher zumindest im zwischenmenschlichen Bereich nicht so egoistisch und kalt gewesen sei, wie es in der westlichen ‚Ellenbogengesellschaft‘ üblich sei, und insofern doch ein moralisches Plus auf seiner Seite habe. Von wegen ‚Solidarität‘! Hinter dem Schein von normalem Leben und Mitmenschlichkeit lauert der Überwachungsstaat! Mit dem Monopol der Machtausübung haben die demokratischen Macher also zugleich ihr Monopol auf die gültige Herrschaftsmoral durchgesetzt. Daran haben sie die Zonen-Bürger, soweit sie sich nachträglich als Opfer verstanden und auf Rache sannen, aber auch nur als solches zur neuen Republik bekehrtes und von seinem Geist beseeltes Volk, teilhaben lassen. Das war der zweite Ertrag der ‚Aufarbeitung der Vergangenheit‘ Marke Ost.
So haben die siegreichen Demokraten ein neues – ihr Regime installiert; so gründlich, dass als demokratischer Sonderfall nur die PDS übrig geblieben ist, die sich gegen die Denunziation mit lauter Dementis zur Wehr setzt und als geläuterte Vertretung guter Deutscher Marke Ost in der Parteienlandschaft über 5% etabliert hat. Für dieses umfassende Säuberungsprogramm konnte es gar nicht genug Öffentlichkeit geben; dafür war die Gauck-Behörde gedacht, und dafür hat sie ja auch ihren Beitrag geleistet.
Und jetzt auf einmal soll dieselbe Behörde mit ihrem
sorgfältig archivierten und aufgeschlüsselten Material
über die Machenschaften westdeutscher Politiker Auskunft
geben!? Ein ziemlicher Wahnwitz und eine
Zweckentfremdung, wie Zuständige quer durch alle Parteien
zu Protokoll geben. Damit haben sie schon wieder recht.
Daran haben sie beim Beschluss, eine öffentliche
Dauerabrechnung mit dem ‚SED-Regime‘ zu veranstalten,
wirklich nicht gedacht. Also haben sie jetzt das holde
Problem, wo und wie für die Gauck-Behörde die Grenzen des
Nachforschungsrechts und der Veröffentlichungspflicht zu
ziehen seien. Prompt tut sich für sie aber auch das viel
schwierigere Problem auf, wieweit die Kumpanei unter
ihnen reicht und wo die politische Berechnung überwiegt,
den politischen Gegner gehörig ins Abseits stellen zu
können. Richtig dafür sein können nur die, die sich von
möglichen Enthüllungen nicht betroffen sehen, also die
Grünen, oder die die bevorzugten Opfer der laufenden
Anti-Stasi-Kampagne sind und den Spieß gerne einmal
umdrehen möchten, also die PDS. Die sind es denn auch –
natürlich schon wieder nur im Namen der Bürger drüben,
die doch ein Recht auf Gleichbehandlung von Ost- und
Westdeutschen bei der Aktenveröffentlichung
(SZ, 27.12.) haben, wie
ausgerechnet der SPD-Bundespräsident beipflichtet, der
offensichtlich an höhere Gesichtspunkte demokratischer
Einheitskultur denkt. Ein bisschen moralische
Wiedergutmachung für die Selbstgerechtigkeit der neuen
Herrschaft, das ist es also, was Zonis als eingemeindete
Deutsche verlangen dürfen. Die Gegner berufen sich
dagegen auf den eindeutig einseitigen Sinn des
Unterlagen-Gesetzes und beharren darauf, dass die
passenden Grenzen gezogen werden müssen – natürlich
nicht, um eine Sonderregelung für Westdeutsche
(Stolpe) zu schaffen, sondern
nur um anständige Bürger nicht zum Opfer von
Stasi-Machenschaften werden zu lassen und das saubere
demokratische Klima nicht zu vergiften: Geht das etwa in
Ordnung, wenn dank der bundesdeutschen Rechtslage der
Stasi ein nachträglicher Triumph vergönnt wird, indem mit
ihrer Hilfe der Kanzler der Einheit und möglicherweise
auch noch andere bloßgestellt werden? Eben!
Passender Weise hat Kohl vorerst mit seiner Klage vor
Gericht Recht gekriegt und die Stasi-Akten bleiben bis
zur Gerichtsentscheidung im Sommer auf jeden Fall erst
einmal unter Verschluss. Gegebenenfalls ist zu überlegen,
ob man das Stasi-Unterlagengesetz nicht ändern
sollte
(Stolpe, SZ,
24.12.), weil nur eine Novellierung des
Stasi-Unterlagengesetzes Klarheit bringen könnte.
(SZ, 27.12.) Das haben sie
nun davon, dass sie nicht gleich gesetzlich verfügt
haben, dass die Akten ausschließlich zur Entlarvung von
Stasi-Figuren benutzt werden dürfen. Aber dafür ist sich
der Rechtsstaat wieder mal zu fein gewesen. Jetzt heißt
es deshalb eventuell nachbessern, um die Sache ‚klar‘ zu
machen.