Aus der Reihe „Chronik - kein Kommentar!“
Banken- und Haushaltskrise in Berlin:
„Berliner Filz“ – oder Bankkapital im öffentlichen Dienst?

Die Stadtfinanzer haben sich verspekuliert. Zu dem ohnehin schon gewaltigen Schuldenstand von ca. 70 Milliarden DM muss Berlin weitere 6 Milliarden aufnehmen, um die Pleite der Berliner Bankgesellschaft abzuwenden, deren Hauptanteilseigner das Land Berlin ist. Klar ist allen politischen Akteuren, dass mit noch mehr Sparsamkeit und Bescheidenheit des Volkes, d.h. Einsparungen an öffentlichen Personalkosten und ‚Dienstleistungen‘ in Berlin, der verschlechterten Haushaltslage zu begegnen ist.

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Gliederung

Banken- und Haushaltskrise in Berlin:
„Berliner Filz“ – oder Bankkapital im öffentlichen Dienst?

Im Juni 2001 ist es so weit: Stadt und Land Berlin sollen „finanziell am Ende“ sein. (FAZ, 23.6.01) Zu dem ohnehin schon gewaltigen Schuldenstand von ca. 70 Milliarden DM muss Berlin weitere 6 Milliarden aufnehmen, um die Pleite der Berliner Bankgesellschaft abzuwenden, deren Hauptanteilseigner das Land Berlin ist. „Der Spiegel“ (11.6.01) meldet – eher unglaubwürdig, wo sie sich doch schon wieder 6 Milliarden leiht – sogar das Ableben der deutschen Hauptstadt und weiß auch schon die Todesursache: Sie soll „langsam und qualvoll an ihrem Filz erstickt“ sein, weil einige aktive Politiker als leitende Angestellte der Pleitebank tätig waren. Während die Kollegen von der FAZ zwar weniger reißerisch, aber mit gebotenem Ernst Deutschland auf eine sehr teure oder eine sehr triste Zukunft seiner Kapitale vorbereiten: Deutschland muss zahlen – oder Abschied nehmen von den Illusionen des leuchtenden Metropolis. (FAZ, ebd.) Die politischen Parteien der Stadt reagieren angemessen: Die SPD hält jetzt nach so vielen Jahren in der Koalition mit der CDU endgültig die Verdächtigungen nicht mehr aus, sie könnte auch irgendwie für die akute „Banken- und Haushaltskrise“ mitverantwortlich sein. Deshalb erlaubt sie sogar den Ex-SEDlern von der PDS, beim Sturz des Regierenden Bürgermeisters mitzuhelfen, um damit die Schuldfrage der dringend nötigen öffentlichen Klärung zuzuführen, und übernimmt den Posten selber mit einem total neuen Mann, der sich sofort offensiv zu seinen sexuellen Neigungen und drohend zu seinem Sparwillen gegenüber der Bevölkerung bekennt: Wenn die Chefs so viel Geld verbrannt haben, dann hat bestimmt „jeder in der Stadt begriffen, dass wir alle für diese alte Politik die Zeche zahlen“ und „harte Einschnitte“ aushalten müssen. (Neubürgermeister Wowereit, Der Spiegel, ebd.)

Berlin – eine reiche Grunderbin

Dass Berlin heute einen Schuldenberg verwaltet, der so ungefähr der Staatsschuld von Venezuela entspricht, ohne mit dem vielen in Umlauf gebrachten Kredit ein hauptstädtisches Geschäftsleben in Gang gebracht zu haben, das halbwegs solide Einkünfte für die öffentlichen Haushalte beschert und so deren Schulden rechtfertigt: Das ist der sachliche Gehalt des Vorwurfs, die Stadt habe sich zugrunde gewirtschaftet. Dieser Vorwurf kommt solange nicht auf, wie sich öffentliche Schulden, auch wenn es mal ziemlich viele sind, als eine Art politische Betriebskosten für ein erfolgreiches kapitalistisches Wirtschaften ausnehmen. Ein dergestalt gedeihliches Verhältnis von öffentlichen Schulden und wachsendem privaten Reichtum haben die Berliner offenbar nicht hinbekommen.

An den nötigen Mitteln zur Sanierung ihres Etats und zur Betreuung des örtlichen Kapitalwachstums scheint es der Stadt zu Beginn ihrer Hauptstadtkarriere nicht zu fehlen. Schließlich ist sie so etwas wie ein reicher Erbe. Anfang der neunziger Jahre, nach dem Anschluss der DDR, fällt der heutigen Bundeshauptstadt mit Ostberlin immerhin eine komplette zweite Hauptstadt in den Schoß. Was immer man damals von dem mit dieser Erbschaft verbundenen Zuwachs an östlichen Berlinern hält – heute haben sie sich zu beachtlichen Teilen als dauernd beleidigte Falschwähler und Arbeitslose entpuppt, die für ihre volkswirtschaftliche Überflüssigkeit auch noch unter erheblichen Kosten mit Sozial- und Arbeitslosenhilfe bedient werden wollen –, der Boden, auf dem sie leben, wird jedenfalls von Anfang an als ein gewaltiges Stück Zuwachs an öffentlichem Reichtum der Stadt betrachtet.

Mag der zu DDR-Zeiten auch bloß ein schlichtes Stück Erdoberfläche des Arbeiter- und Bauernstaates gewesen sein, auf dem man seinem realsozialistischen Tagwerk nachging: Sobald er in den Machtbereich der mit demokratischer Gewalt grundgesetzlich garantierten kapitalistischen Eigentumsordnung gelangt, wird aus jedem Quadratmeter unschuldiger DDR-Scholle ein Stück einer „Immobilie“, die einem Eigentümer gehört. Dass diese Eigentumsordnung flächendeckend jedweden materiellen Reichtum, sei er eine „bewegliche Sache“ im Rechtssinn oder eine „unbewegliche“ – eine Immobilie eben –, auf einen privaten oder „öffentlich-rechtlichen“ Eigentümer bezieht, hat bekannte Folgen: Jeder, der in der rechtmäßig aufgeteilten Welt einen „Flächenbedarf“ anmeldet, weil er ein Dach über dem Kopf braucht oder ein Grundstück, auf dem er Waren produzieren und in einem kapitalistischen Betrieb fremde Leute sein Eigentum vermehren lassen will, muss bei dem zuständigen Grundeigentümer vorsprechen, über Verkauf oder Überlassung verhandeln und ihm dafür ein Angebot in Geld machen, das der nicht ablehnen mag. Insofern stellt Grund und Boden für seinen Eigentümer eine Einkommensquelle dar, und zwar eine, an der keiner vorbeikommt. Wo immer in der kapitalistischen Gesellschaft ein Geschäft stattfindet, das eine Betriebsfläche, einen Laden oder ein Büro benötigt, oder ein Lohn verdient wird, dessen Empfänger sich zwei Zimmer/Küche/Bad leisten kann: Der Grundeigentümer ist dabei und kassiert einen Teil des Lohns oder des Betriebsgewinns ab. Dies steht ihm wegen seines staatlich garantierten Eigentumsrechtes zu, mit dem die öffentliche Rechtsgewalt die unterschiedlichen Klassen von Eigentümern in ihrer Gesellschaft, und die der Lohnempfänger dazu, in ein gegensätzliches und deswegen auch rechtsverbindlich geregeltes Verhältnis setzt. Der Grundherr, der wegen dieses Rechtes seinen Tribut fordern kann, braucht sich ansonsten in die Produktion oder den Umschlag des gesellschaftlichen Reichtums nicht einzumischen und – wenn er genug davon einnimmt – sich schon gleich nicht den Tag mit Arbeit zu verderben.

Sein säuberlich im Kataster verzeichnetes Eigentum vermag dem Grundbesitzer aber nicht nur ein regelmäßiges Einkommen ohne Arbeit zu stiften. Die „wirtschaftliche“ Betrachtung der aus Miete oder Pacht erzielten Einkünfte ergibt darüber hinaus, dass diese nach kapitalistischer Logik nichts anderes sein können als die Verzinsung einer bei gegebenem Marktzins „erschließbaren“ Grundsumme. Darüber bekommt das Grundstück selbst einen berechenbaren Wert zugeschrieben und wird, ist es erst einmal dergestalt „kapitalisiert“, zu einem vorgeschossenen Immobilienkapital, das sich seiner „Ertragskraft“ nach mit allen anderen Kapitalarten, die im großen kapitalistischen Gesamtladen ihr eingeborenes Recht auf Vermehrung geltend machen, vergleicht. Und wenn es die „gute Wohn- oder Geschäftslage“ des Grundstückes erlaubt und die daraus resultierende Nachfrage auf dem Markt für Miet- oder Geschäftsimmobilien, die hier im Unterschied zu Preisen auf anderen Märkten, wo mit dem Verkaufserlös Produktionskosten zu realisieren sind, wirklich einmal den Preis für die Überlassung der Flächennutzung bestimmt, es hergibt, dann kann der glückliche Eigentümer, ausgehend von seinen hohen Mieten, seinen Grundstückswert hoch- und sich selber mit Recht reich rechnen; und oft kann er es auch in Mark und Pfennig werden. Und mit den Fortschritten kapitalistischen Wachstums wächst der Bedarf nach und damit der veranschlagte Wert von Grund und Boden quasi automatisch mit; mit dieser Wertsteigerung rechnet anlagesuchendes Finanzkapital wie auf ein Naturgesetz, wirft sich deshalb auf Immobilien als garantiert lohnender Vermögensanlage und macht sie damit zum Gegenstand eines eigenen – seines Spekulations- – Geschäfts.

Der Hauptstadtbeschluss – der Anfang der Hauptstadtspekulation

Nicht anders sieht die Landesregierung Berlins als Grundbesitzer die Sache, und ihre Zukunft deshalb in den schönsten Farben, weil sie von „der Geschichte“ nach dem Abdanken des Realsozialismus mit einem riesigen Zuwachs an Grund und Boden in öffentlichem Eigentum beschenkt worden ist. Der soll in mehrfacher Hinsicht dem Standort Berlin zugute kommen: Er soll durch Verkaufserlöse und sonstige wirtschaftliche Verwertung die Grundlage für einen soliden Stadt- und Landeshaushalt abgeben, den Flächenbedarf der „Wirtschaft“ am Standort decken und ihr damit günstige Voraussetzungen für ihr Wachstum bieten, an dem die Stadt wiederum durch steigende Steuereinnahmen zu partizipieren gedenkt.

Die kann Berlin dringend brauchen: Bis 1991 finanziert der Bund noch die Hälfte des Berliner Haushalts. Diese Zuwendungen werden danach eingestellt, weil die neue Hauptstadt nach einhelliger Meinung aller Regierenden in Bund und Ländern es künftig „spielend allein schaffen“ (FAZ, 23.6.01) werde. Berlin werde ohnehin bald „die größte Industriestadt zwischen Atlantik und Ural“ sein, verspricht der Bundesarbeitsminister Blüm in der Hauptstadtdebatte des Bundestages, der Berliner Bundessenator Radunski erwartet ein baldiges Anwachsen der Einwohnerzahl auf über 5 Millionen und der DGB enorme Beschäftigungsimpulse durch den kommenden Hauptstadtboom. (FAZ, ebd.)

Daran, dass Berlin eine glänzende wirtschaftliche Entwicklung zu gewärtigen habe, wird also kein Zweifel zugelassen. Als Garantie dafür steht eben der Beschluss, die alte Front- zur Hauptstadt zu machen. Die mehr als 150 Milliarden DM, die für die Prunkbauten des Bundes sowie „Botschaften, Banken, Luxushotels, Pressehäuser und Verbandsgebäude“ (Der Spiegel, ebd.) in Berlin verbraten werden, wirken wie ein goldenes Versprechen von noch viel mehr und noch größeren künftigen Geschäften in der neuen Metropole des deutschen Imperialismus und seiner Kapitalmacht, mit entsprechenden Wirkungen auf die Ertragsrechnungen der Immobilienstrategen. Dass nicht nur die nach Berlin übersiedelnde Bundesregierung und der sie umgebende nationale und internationale Tross, sondern auch die Geschäftswelt jede Menge weiteren zahlungsfähigen Bedarf nach baulicher Präsenz und luxuriöser Repräsentation entfalten werde, gilt als sicher, ganz zu schweigen von dem Wohnbedarf der vielen politischen und wirtschaftlichen Herren, ihrer beamteten und angestellten Funktionäre und dem ihrer erst recht massenhaft erwarteten fleißigen Knechte, deren bescheidenere Wohn- und Lebensbedürfnisse ja auch keine gering geschätzte Quelle des kapitalistischen Verdienens sind.

So beginnen die Verwalter der neuen Hauptstadt, nach Recht und Gesetz verpflichtet zu einem ökonomischen Umgang mit dem öffentlichen Eigentum, ihren neuen Reichtum zu bewerten. Das heißt: Sie spekulierten auf künftige Mieten für Büros, Gewerbeflächen und Wohnungen und errechnen sich daraus ihr Vermögen. Für diese Spekulation dient der Hauptstadtbeschluss und der in seinem Gefolge erwartete heftig wachsende Grundstücksbedarf als „Berechnungsgrundlage“, und diese Preise dienen wiederum als Ausgangspunkt für die Taxierung der Grundstückswerte. Die können, angesichts der Miet- und Pachterträge, die man aus der „Bewirtschaftung“ der verfügbaren Immobilien erwarten kann, ebenfalls nur Spitze sein und können sich mit entsprechenden „Lagen“ in Hamburg, München und Frankfurt, wenn nicht in Paris und London vergleichen lassen.

Von der Stadtsparkasse zur Großbank – großer Kredit für große Vorhaben

Mit dem spekulativen Hochrechnen des eigenen Reichtums ist es aber nach Auffassung der Berliner Stadtväter nicht getan. Dafür, dass der Aufschwung der Hauptstadt kommt – und dafür, dass er bald kommt –, will die Stadt auch etwas tun; und sie will vorbereitet sein, wenn die nationale und internationale Geschäftswelt sich in den Mauern der Stadt drängelt. Deshalb macht sie sich umgehend daran, der künftigen Boomtown eine verbesserte „Infrastruktur“ zu verpassen: Dafür sind Stadtviertel zu sanieren und Straßen zu bauen, werden Gewerbeparks geplant, Freizeit- und Sportanlagen gebaut, wird in allerlei Kultureinrichtungen investiert. Der Kundschaft, die sich in Berlin einkaufen oder zumindest einmieten und auf dem Boden der Hauptstadt ihre Geschäftstätigkeit entfalten soll, soll es schließlich an nichts mangeln, was einen guten Standort ausmacht. Und Deutschland ist es sich einfach schuldig, seine gewachsene Größe und Bedeutung sowie seinen Reichtum gebührend zu repräsentieren.

Weil die laufenden Haushaltseinnahmen der Stadt Berlin die Finanzierung dieser „Vorleistungen“ für den beabsichtigten neuen politischen und geschäftlichen Mittelpunkt Deutschlands nicht hergeben, braucht sie viel Kredit. Und noch einmal viel Kredit wird in der Stadt benötigt, um sicher zu stellen, dass auch die Finanzierung der Geschäfte klappt, auf die der ganze Aufwand der Stadtregierung berechnet ist: Es ist die Zahlungskraft der Kundschaft sicher zu stellen, die den Berliner Boden versilbern und auf ihm ein dauerhaftes Wachstum inszenieren soll.

Wie fast alle Gemeinden und Landkreise in Deutschland verfügt auch Berlin längst im Rahmen des hergebrachten öffentlich-rechtlichen Bankensystems als Eigner mehrerer Sparkassen und einer Landesbank über eine landeseigene Kreditorganisation. In Deutschland schließen sich die kommunalen Sparkasseninstitute meist einer regionalen Landesbank/Girozentrale im Besitz eines Bundeslandes an. Diese besorgt den Zahlungsausgleich zwischen den angeschlossenen Sparkassen, betreibt, wie die Sparkassen selbst, alle gängigen Bankgeschäfte und trägt unter Rückgriff auf die Einlagen der Sparkassen zu einer kostengünstigen Kreditversorgung der „öffentlichen Hand“ bei. Dieses in der privaten Welt der Geldgeschäfte aktive System der Kreditmacht in politischer Hand ist in aller Regel kein Anlass zu Vorwürfen im Sinne einer politmoralisch verdächtigen Interessenverfilzung, wenn man von maliziösen Anmerkungen kritischer Beobachter anlässlich hochdotierter „Austragsposten“ für emeritierte Landespolitiker in der Sparkassenorganisation absieht. Neben den privatrechtlich organisierten Banken mischen eben auch Länder und Kommunen mit bei dem ertragreichen „Dienst“, die Zahlungsvorgänge der Gesellschaft bei sich zu konzentrieren, alles temporär überschüssige Geld einzusammeln, Einlagen als Darlehen auszureichen und auflaufende Außenstände als Grundlage für eigene Schuldverschreibungen zu benützen, die wiederum beleihbar zirkulieren und die Menge verfügbaren Kredits vermehren. Der Antrieb dieses Geschäfts der Banken wie der öffentlich- rechtlichen Sparkassen liegt darin, dass es sich nicht einfach mit dem Verleihen von Geld beschäftigt, sondern mit der Überlassung von Kapital, also von Geld, dem vertraglich das Recht auf Vermehrung – um die Zinsen, die bis zum Ablauf des Darlehensvertrages zu zahlen sind – zugesprochen wird. Sofern sich die Geschäftswelt die durch die Zinsen verursachten Kosten leisten will, macht das Angebot der „Finanzdienstleister“ die Wachstumsbemühungen ihrer Kundschaft unabhängig von erst später erwarteten Rückflüssen, beschleunigt deren Umschlag auf erweiterter Stufenleiter und befähigt die Klientel der Banken, wenn ihr Geschäft „gut geht“, zu Rückzahlung und Zinsbedienung aus wachsenden Gewinnen. So wird die „öffentliche Hand“ auf kommunaler und Länderebene „privatwirtschaftlich“ als Finanzkapitalist mit Gewinn tätig, tut ihrer eigenen Kreditversorgung etwas Gutes und stiftet darüber hinaus im Rahmen ihrer „strukturpolitischen“ Aufgaben politisch gewollten Kredit für „benachteiligte“ Geschäftszweige und Regionen, der sonst von Seiten des privaten Kreditgewerbes nicht oder nur zu höheren Kosten zustande käme. Als Gegenleistung für all diese guten Taten der Sparkassen und Landesbanken übernehmen die politischen Körperschaften, Kommunen, Landkreise und Länder die „Gewährträgerhaftung“ für diese Institute, also die letzte Garantie für deren Bonität. (Dass sich dieses segensreiche Fördersystem für „struktur-“, also kapitalschwache Branchen und Gegenden vom Standpunkt der EU wie eine „Wettbewerbsverzerrung“ im europäischen Kreditgewerbe ausnimmt, läutet derzeit gerade dessen Ende in der bisherigen Form ein.)

Dieses segensreiche öffentlich-rechtliche Bankensystem erscheint den neuen Berliner Großgrundbesitzern freilich von Anfang an offenbar als nicht ausreichend für die Mobilisierung der Kreditvolumina, die sie für notwendig halten. Deshalb gründet sich die Stadt eigens eine ganze Bankenholding zusammen, an der sie am Ende ca. 57 Prozent der Aktienanteile hält. Die Teilgesellschaften ihrer neuen Holding sollen anlagesuchendes Geldkapital und Spargroschen nicht nur auf den angestammten Geschäftsfeldern der Sparkassenorganisation, im Bankverkehr mit Sparern und kleineren Gewerbetreibenden, sondern Geld jeder Provenienz an sich ziehen, um damit als Kreditgeber in wachsendem Umfang die Zahlungsfähigkeit zu stiften, die es braucht, um das städtische Immobilienvermögen Gewinn bringend für die Stadt, die Bank – und damit wieder auch für die Stadt als Mehrheitseigner der Bank an eine kreditwürdige Kundschaft los zu bringen:

Unter dem Holdingdach der „Bankgesellschaft-Berlin“ versammeln sich deshalb:

– Eine privatrechtlich organisierte „Berliner Bank“, im „Firmengeschäft engagiert“ und mit einem „breiten Filialnetz“ ausgestattet: Mit ihr ist man in den geschäftlichen Zahlungsverkehr von Firmen eingemischt, macht dessen „Ströme“ zum Mittel seines Kredits und zieht über das Filialnetz überschüssiges Geld von Sparern und Kleinanlegern als ebenfalls kreditstiftende Einlage an sich.

– Die „Berliner Sparkasse“ als Teil der Landesbank, die mit „zahlreichen Filialen im Stadtgebiet“ „im Privatkundengeschäft eine Marktdurchdringung von 60 Prozent hat“ (Tagesspiegel) und vor allem die Spareinlagen der Kleinsparer abgreift.

– Die „Landesbank Berlin“, die zur Beschaffung von Kreditmitteln Zugriff auf die Einlagen der regionalen Sparkassen hat und als „Universalbank“ Wertpapier-, „Firmenkunden-“ und Immobiliengeschäfte macht: Zusätzlich zu den Geschäften der andern Teilgesellschaften vergibt sie Hypothekenkredite, ist als öffentlich-rechtliche Bank zur Ausgabe von hypothekengesicherten eigenen und wegen ihrer besonderen „Sicherheit“ („mündelsicher“!) niedrigverzinslichen Schuldverschreibungen („Pfandbriefen“) berechtigt, mit Hilfe derer sie sich selbst wieder kostengünstigen Kredit zur Ausweitung ihres Finanzierungsgeschäftes beschaffen kann.

– Die „Berlin Hyp“, die sich ganz auf die Vergabe von Immobiliendarlehen und die Refinanzierung mittels Pfandbriefen spezialisiert hat.

– Die „Weberbank“, die die „vermögenden Privatkunden“ bedient und deren Depots und Transaktionsgebühren zum kreditschaffenden Mittelbestand der Bank beisteuert.

– Mehrere neu gegründete „Immobilientöchter“, die sich mit Bauträgergeschäften, also Kauf von Grundstücken, Planung, Bau und Vermarktung von Gebäuden befassen sowie mit dem lukrativen Fondsgeschäft: der Verwandlung von vorher angekauften Grundstücken und Gebäuden in ein „Fondsvermögen“, das man, gestückelt in zinstragende Anteilsscheine, dem anlagebereiten Publikum mit möglichst viel Gewinn verscherbelt.

Die Rollenverteilung in dem Deal, mit dem die Stadt das ganze Geschäft bei ihrer Bank und die Bank dieses unter ihrem Dach monopolisieren wollen, ist klar: Die Stadt liefert mit ihren Grundstücken das Material für den ganzen Handel, steht zugleich – teils als gesetzlicher „Gewährträger“, teils als politisch sich verpflichtender Garant – für die Seriosität des von Seiten der Bank geschaffenen Kredits ein und stattet darüber hinaus die Bank nicht nur mit rechtlichen Garantien, sondern teilweise gleich direkt mit Grundstücks-Kapital zur Verwendung als Bankkapital aus: Das Land Berlin bringt Wohnungsbauvermögen treuhänderisch in die Landesbank ein, das wie haftendes Eigenkapital zur Ausweitung des Geschäftsvolumens des gesamten Bankgesellschaftskonzerns genutzt werden konnte. (Tagesspiegel, 10.1.) Die Bank organisiert die Verwertung, finanziert den Immobilienerwerb kaufwilliger Kundschaft und trägt darüber hinaus zur Finanzierung des Landeshaushaltes bei, der, solange das Geschäft mit dem neuen Immobilienreichtum und der „Hauptstadtboom“ noch nicht so richtig in Gang gekommen sind, immer größere Lücken aufweist. Daneben stattet sie die von ihr gestellte Organisation der Teilbanken und Immobiliengesellschaften mit dem von ihr auf Basis der eingesammelten Gelder geschaffenen Kredit aus: Für das Bauträgergeschäft werden Grundstücke gekauft, Planungs- und Baukapazitäten angeschafft und die Vermarktung organisiert, dreistellige Millionensummen allein für „Konzeption“ und „Marketing“ von Immobilienfonds vorgeschossen und die Kaufpreise für die von der Stadt „übernommenen“ und in die Fonds eingebrachten Grundstücke und Gebäude bezahlt.

Der Erfolg dieser ganzen Unternehmung, bei der das politisch gestiftete Finanzunternehmen auf allen Seiten tätig ist, hängt – woran sonst – am Aufgehen der Spekulation auf die allen Transaktionen zu Grunde gelegten Mieterträge und Grundstückspreise: Sowohl das Schicksal der von der Bank gegebenen Kredite ist abhängig vom Wert der dafür verpfändeten Immobilien als auch die Verschuldungsfähigkeit der Bank selbst, die sich auf ihre hypothekarisch „abgesicherten“ Außenstände in Form von Darlehensforderungen stützt. Und auch das Geschäft mit den Fondsbeteiligungen lebt davon, dass die „Anlageobjekte“ genug Mieterträge abwerfen, um die vertraglichen Gewinnansprüche der Fondsanleger zu bedienen, denen man, um den Absatz der Anteilsscheine zu beleben und im Vertrauen auf die lukrative Vermietbarkeit der Fondsimmobilien, großzügige Ertrags- und Rücknahmegarantien für ihre Fondsbeteiligungen zugesagt hat. Der Bank als Kreditgeber nützt eben die schönste, „erstrangig“ eingetragene Hypothek nichts, wenn die kreditnehmende Grundstückserwerberin, irgend eine Wohn- oder Gewerbebau-Gmbh&Co.KG, noch vor Fertigstellung ihrer Eigentumswohnungen vor der Zahlungsunfähigkeit steht, weil sie ihre Wohnungen auf einem „schwieriger werdenden Immobilienmarkt“ nicht losschlagen oder ihre Mietwohnungen nicht oder nur zu niedrigeren Preisen vermieten kann. Plötzlich ist in diesem Fall das Grundstück deutlich weniger wert als das spekulativ angesetzte Vermögen, das als Kreditgrundlage gedient hat; eine Vollstreckung aus der Hypothek würde den damit „Not leidend“ gewordenen Kredit nicht abdecken; und das Geschäft stiftet bei der Bank keinen Gewinn, sondern Bedarf an „Kapitalrückstellungen“ für den geplatzten Kredit. Das bedeutet für die Bank eine Schmälerung ihrer eigenen Verschuldungsfähigkeit und damit Verlust in doppelter Hinsicht: Immobilisierung von Kapital wegen der gesetzlichen Vorhaltungspflicht für Not leidende Kredite und Entwertung einer ihrer offenen Forderungen, die ja Grundlage ihrer eigenen Kreditbeschaffung sind. Die Stadt kann sich, solange die Bank durch Beschaffung günstiger Finanzierung Käufer auftut, die von ihrer Bank finanzierten Kaufpreise gutschreiben, steht aber in letzter Instanz als Garant des Kredits ihres Instituts für dessen Misserfolg in der Haftung.

Bis der Boom kommt: Stadt und Bank machen inzwischen Strukturpolitik

Die Stadt verfolgt währenddessen ihre vordringlichen politischen Ziele: sich als glänzende Weltstadt eines unwiderstehlichen deutschen Kapitalismus herzurichten, Macht und Reichtum der Nation zu repräsentieren und sich dabei als führenden Standort in der internen Konkurrenz innerhalb des großen Deutschland voran zu bringen, schließlich – nicht zu vergessen – die wachsenden Verwaltungskosten für die Armut der gewöhnlichen Bewohner in den Griff zu bekommen. Wie dies allen „öffentlichen Händen“ eigen ist, lässt sich auch die berlinische nicht durch den mangelhaften Zufluss von Finanzmitteln aus der Gesellschaft von den wirklich als notwendig erkannten Zielen abbringen und finanziert ihre „Neubausiedlungen, Gewerbeparks, Sporthallen und einen milliardenschweren Messekomplex“ einschließlich einer „86 Millionen DM teuren Olympiabewerbung“ (Der Spiegel, 11.6.01) mit Krediten. An der gesetzlich zulässigen Höchstverschuldungsgrenze angelangt und nicht gewillt zum Zweck weiterer Kreditaufnahme den „Haushaltsnotstand“ zu erklären, geht die Stadt dazu über, ihre städtischen Betriebe – Energieunternehmen, Wasserbetriebe, Schifffahrtsgesellschaften und alles sonstige, wofür sie Käufer findet – zu verkaufen. Sie „aktiviert“ damit ab 1994 über 15 Milliarden Mark öffentlichen Vermögens – im bundesweiten Vergleich eine beispielloser Vorgang. (Tagesspiegel, 1.3.00). Im großen Stil werden nun auch Teile städtischer Wohnungsgesellschaften, in denen der kommunale Wohnungsbestand, der alte wie der neu hinzugekommene in Ostberlin, verwaltet wird, zum Kauf angeboten. Dies sei „zur Haushaltssanierung unumgänglich“ (P. Strieder, Bausenator). Um die Wohnungen loszuwerden, müssen auf einem Wohnungsmarkt, der im Verlauf der Neunziger Jahre „immer weniger hergibt“ (Tagesspiegel, ebd.), auch die „Filetstücke“ zu gegenüber früheren Ansätzen erheblich geringeren Preisen losgeschlagen werden, schlechtere „Lagen“ bringt man erst gar nicht los. Das hat mehrere Auswirkungen: Einerseits kommt zwar der politisch propagierte „Vorrang der Mieter-Privatisierung“ nicht zum Zug, andererseits werden durch den Verkauf von Wohnungen an westdeutsche Investoren zu ca. 300 DM/ qm, die diese ein paar Monate später an eine ausgewählte Klientel und ohne die „Zeitnot“ der Stadt für ca. 1500 DM/qm weiterverkaufen, schöne neue Vermögen gestiftet. Die Preise für die von der Stadt angebotenen Wohnungen verfallen weiter, zumal das Beste bald ausverkauft ist. Dass die Mieter der billigeren Wohnungen hartnäckig kein Geld für einen Wohnungskauf haben, sondern zu weiten Teilen nicht einmal ihre Mieten zahlen können – Berlins Mieter stehen bei den 21 städtischen Wohnungsbaugesellschaften mit 83 Millionen Mark in der Kreide (Tagesspiegel, 1.6.94) –, ist zwar enttäuschend für die Stadt, bringt sie aber nicht in Verlegenheit: Sie verkauft weitere Teile des Wohnungsbestandes – noch billiger – an „Zwischenerwerber“, irgendwelche Investoren, die versprechen müssen, die Wohnungen „später“ an die Mieter weiterzuverkaufen, die zwischenzeitlich die von der Stadt übernommenen Sanierungskosten auf die Mieten überwälzen dürfen und denen auch niemand böse ist, wenn sie die Wohnungen dann doch an irgendjemanden weiterreichen, der grade gut bezahlen kann. Wenn auch das „Zwischenerwerber-Modell“ als Methode der Geldbeschaffung versagt, dann kann die Hoffnung der Finanzsenatorin, aus der städtischen Wohnungswirtschaft Geld herauszuholen – jährlich mindestens eine Milliarde Mark (Tagesspiegel, 1.3.00), immer noch in Erfüllung gehen: und zwar dadurch, dass eine noch zahlungsfähige städtische Wohnungsbaugesellschaft oder eine, die sich einen Kredit bei der Bankgesellschaft besorgt hat, eine andere städtische Wohnungsbaugesellschaft kauft und der Kaufpreis bei der Frau Finanzsenatorin abgeliefert wird.

Weil dieses Verfahren wegen der begrenzten Anzahl der städtischen Gesellschaften, die durch diesen originellen Einfall ja auch immer kleiner wird, schon seine rechnerischen Grenzen hat, muss am Ende wieder die Bankgesellschaft Berlin ran: Sie übernimmt unverkäufliche Wohnungsbestände und verschafft damit ihrem „Gewährträger“ Etateinkünfte, sie finanziert die wechselseitigen Aufkäufe der städtischen Wohnungsgesellschaften und lässt sich die Kredite von den aufgekauften Gesellschaften, die über wertvolleren Altbaubestand verfügen, wieder zurückzahlen, kauft daneben selber ganze Gesellschaften auf und mischt sie zur „Risikostreuung“ und zum „Aufbessern“ unattraktiver Fonds ihrem Fondsvermögen bei. Sie finanziert den Verkauf tausender Plattenbauwohnungen an private Gesellschaften, verhindert deren bald anstehenden Bankrott durch das großzügige Nachschießen von Krediten und prolongiert auch diese wieder, indem sie schließlich wieder die unrentablen Bestände zurücknimmt und in Fondsvermögen verwandelt, dessen Laufzeit zwanzig Jahre beträgt: So wird das schlagartige Auffliegen der Kredite verhindert, zugunsten einer kontinuierlichen Zuzahlung zu den Ausschüttungen aus Kapitalrückstellungen an die Fondseigner, deren Gewinnansprüche aus den Erträgen des Fondsvermögens nicht gedeckt werden. Nicht ohne Stolz vermeldet ein Immobilien-Manager der Bank über die Tätigkeit seiner Abteilung:

„Wir sind eingesprungen, als mehrere Bauträger bei der Stadtentwicklung in Marzahn in die Knie gegangen sind, haben faule Kreditengagements saniert und sind bei vielen schwierigen Projekten als Feuerwehr aufgetreten. Dies ist zwar nicht immer ertragreich gewesen, aber wir haben Strukturpolitik gemacht.“ (Tagesspiegel Online, 23.6.)

Der ganze Kreditzauber verdankt sich dem einfachen Umstand, dass am Standort Berlin eben seit der Vereinigung der beiden Hauptstädte kein ausreichendes kapitalistisches Wachstum stattfindet, das die ganzen angebotenen „Flächen“ brauchen und die daran geknüpften Gewinnerwartungen einlösen könnte: Die Hoffnung, dass der Aufschwung quasi eine selbsttragender sein würde, die hat sich halt leider bisher nicht so realisiert. (Wolfgang Schäuble, CDU) Im ehemaligen Schaufenster der Freiheit wurden mangels weiterer Geschäftsaussichten „zahlreiche Westberliner Industriebetriebe, die in Wahrheit politisch beschützte Werkstätten waren“ (Der Spiegel, ebd. – das wäre vor der Wiedervereinigung ein Fall kommunistischer Gräuelpopaganda gewesen) dichtgemacht. Die Ostberliner Kombinate wurden abgewickelt, so dass zwischen 1989 und 1999 die Anzahl der Beschäftigten in der Berliner Industrie von rund 400000 auf noch etwa 130000 sank. (Der Spiegel, ebd.) Die Berliner Arbeiter, die immer weniger, und die Arbeitslosen, die immer mehr werden, sind nicht, wie von den Berliner Wohnungsstrategen angekündigt, von Mietern zu einer „neuen Klasse von Wohnungseigentümern“ geworden, sondern dürfen jetzt, infolge des selektiven Zusammenwirkens von Stadt, Bank und Investoren, auch im Osten die Unterschiede zwischen guten und schlechten Wohnlagen kennen lernen.

Die Bankgesellschaft kennt ihre Aufgabe – und bleibt ihr treu

Zum Finanzierungsgeschäft von Banken gehört es üblicherweise, die Spekulation von Bau- und Grundstücksplanern auf Mieterträge und Verkaufserlöse zwar mehr oder weniger „gewissenhaft“ zu prüfen, sie aber mit der Vergabe des Finanzierungskredites nach Maßgabe der im angenommenen Immobilienwert bestehenden „Sicherheiten“ mitzuvollziehen. Durch die Bereitstellung ihres Finanzkapitals setzen die Geldleute die Spekulation der Bau- und Immobilienmannschaft praktisch in Kraft, um aus ihrem Gelingen ihren Zinsanspruch zu befriedigen. Weil der am Erfolg der finanzierten Transaktionen hängt, ist der Bank die Scheidung ihres Finanzkapitals von dem Eigentum ihres Kunden stets präsent. Deshalb hat der Kreditgeber stets ein wachsames Auge auf die Entwicklung und das Schicksal seiner Ertragsansprüche, deren Einlösung sein Geldkapital vermehren soll. Wenn dann der angepeilte Markt, der die kreditierten Kalkulationen mit den „vorausberechneten“ Kaufpreisen bestätigen soll, das nicht tut, die Kapitalwirkung des geliehenen „Fremdkapitals“ nicht mehr ausreicht, Material und Handwerker zu bezahlen oder die versprochenen Fondsauschüttungen zu begleichen, wenn nachgeschossener Kredit nicht dazu führt, eine nur „vorübergehende Liquiditätsklemme“ zu beheben, dann ist irgendwann der Beschluss der Bank fällig, dem vorgeschossenen Geldkapital durch Sperrung der Kreditlinien seine Erfolglosigkeit zu bescheinigen und dem „schlechten“ kein „gutes Geld“ mehr hinterher zu werfen: Dann ist durch Abwicklung des eingetretenen Schadens weiterer Schaden zu vermeiden, damit ein wachsender Berg faulen Kredits nicht die eigenen Kreditgrundlagen in Frage stellt. Wenn eine Bank dann Bauprojekte abbricht und die vorhandenen Sicherheiten zu ihren Gunsten „verwertet“, wird am Vorrang ihres vertraglich gesicherten Geldanspruchs regelmäßig viel materieller Reichtum in den beteiligten produktiven und Handelsabteilungen zuschanden.

Die Berliner Bankgesellschaft hält dagegen eisern an ihren „Kreditengagements“ fest, die sie zum Wohl ihres Geschäfts und im Auftrag ihres Mehrheitseigners, der Stadt, eingefädelt hat; auch dann noch, als der Zusammenbruch der hochspekulierten Preise und der Versuch, das Auffliegen laufender Finanzierungen mit allen Mitteln – s. oben – zu verhindern, für sie so viel Verlust und Rückstellungsbedarf im Verhältnis zum verbliebenen Eigenkapital produziert, dass das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen einen weiteren Bankbetrieb ohne Kapitalnachschuss durch die Aktionäre untersagt. Dass dies als Fall von „Berliner Filz“ in der „Unfähigkeit“ oder der „kriminellen Energie“ von Politikern in der Bankspitze seinen Grund haben soll, ist, ohne dass man den betreffenden Figuren irgendetwas nicht zutrauen würde, weniger als die halbe Wahrheit. Die Bank weigert sich schlichtweg aus Gründen ihres Geschäfts, den in ihren Büchern unübersehbaren Umstand anzuerkennen, dass der mit viel Kredit aufgemöbelte Berliner Immobilienmarkt eben keine allgemeine Geschäftsbedingung eines Hauptstadtbooms geworden ist. Dieses Eingeständnis wäre auf der Tagesordnung mit einer Kündigung ihrer Kredite in den zahlreichen gefährdeten Projekten, in die sie vom Tag ihrer Gründung an so verwoben ist, dass sie damit ihre gesamte Existenz als Bank in Frage gestellt sieht. Die Schaffung der Berliner Bankgesellschaft als Hausbank der Hauptstadt zielte ja von Anfang an darauf, einen Kredithebel zu schaffen, der die Vermarktung des neuen städtischen Immobilienbestandes ermöglichen soll. Damit bleibt sie zugleich ihrem politischen Auftrag treu; es hätte ihrem Gründungszweck widersprochen, gefährdete Finanzierungen zu beenden und die Grundstücke für die Bank oder die Stadt mit im Vollstreckungsverfahren offiziell zurechtgestutzten Preisen zurück zu pfänden, die loszuwerden man gerade angetreten war. Die Stadt kündigt diesem Kurs der Bank die Unterstützung nicht auf und stellt somit ihre Kreditgarantie nicht in Frage. So kann die Bank mit der geschäftlichen Sturheit eines Finanzmagnaten, der sich der politischen Unterstützung bei seinen spekulativen Unternehmungen sicher sein kann, damit fortfahren, was sie sehr zutreffend für ihre Aufgabe hält: die Erwerber von Grundstücken und Gebäuden von ihrer eigenen Zahlungskraft beim Kauf unabhängig zu machen und sie ohne Rücksicht auf die Marktschranken, während der Zeit der Erstellung und Vermarktung ihrer Projekte liquide zu halten. Zugleich führt die Flüssigkeit des Kredits – auch das ist als Folge des Geschäfts unausweichlich – zum Überangebot und zu einer Anhäufung von Gewinnansprüchen bei Baufirmen, Bauherren, Fondsanlegern und der kreditgebenden Bank selbst, die die Zahlungskraft des Publikums in Berlin und Deutschland 2001 einfach überspannen. So hebelt der Kredit die suspendierten Marktschranken wieder herbei, und alle kreativen Bemühungen, das Fehlen gesellschaftlicher Zahlungsfähigkeit weiterhin zu kompensieren, durch „Zwischenerwerber“ und „Verstecken von Risiken in Fonds“, durch „In-Sich-Geschäfte“, Verschleudern und Prolongieren, erfordern stets neuen Kredit, der, wenn sich nicht während der Dauer des dadurch erkauften Zeitgewinns die Lage bessert, wieder von der Bescheinigung der Untauglichkeit auf noch höherem Verlustniveau bedroht ist.

Manche Pleiten gehören einfach verboten

In den Fortgang des Finanzzaubers schaltet sich im Juni des Jahres das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen mit der Auflage eines Kapitalnachschusses von mehreren Milliarden DM ein, anderenfalls die Bankgesellschaft Berlin wegen der enormen Kreditrisiken im Verhältnis zu ihrem verbliebenen Eigenkapital ihre Geschäfte einstellen müsse. Anhand seiner Kennziffern gelangte das Amt zu der Auffassung, die Rettungsversuche der Bank seien nicht Erfolg versprechend, würden den Berg fehlgeschlagenen Kredits nur immer noch vergrößern und damit immer noch mehr Schaden als Nutzen stiften, ja am Ende die Gefahr einer unkontrollierbaren „Kettenreaktion“ von Zahlungsunfähigkeit in der ganzen Republik nach sich ziehen.

Damit kollidieren, vertreten von der Bank einerseits und dem Aufsichtsamt andererseits, zwei überaus ehrenwerte Standpunkte miteinander: Wenn die Bank bis an die Grenze des bankrechtlich Erlaubten daran arbeitet, das Auffliegen ihrer spekulativen Finanzierungen zu vermeiden und den eigenen Kredit vor dem Zusammenbruch zu retten, bemüht sie sich gleichzeitig darum, das „reale Gemeinwesen“, das Geld der Nation, vor dem Schaden zu bewahren, der ihm durch einen Crash dieses Ausmaßes drohen würde. Das Aufsichtsamt dagegen als gesetzlicher Sachwalter des Kreditsystems macht an dieser Stelle eine Differenz auf zu dem Interesse der um ihren Kredit ringenden Bank und schreitet pflichtgemäß ein: Das Bundesaufsichtsamt hat Missständen im Kredit- und Finanzdienstleistungswesen entgegen zu wirken, welche … erhebliche Nachteile für die Gesamtwirtschaft herbeiführen können… (§6 Abs. 2, Gesetz über das Kreditwesen). Notfalls, so der Standpunkt des Gesetzes, den das Amt exekutiert, ist eben zum Schutze des Geldes der Nation, in dessen Geschäftstauglichkeit und Vertrauenswürdigkeit sich der Zustand der im Gesetz zitierten „Gesamtwirtschaft“ zusammenfasst, auch ein Stück Kredit zu „opfern“, wenn damit ein Krach eingegrenzt werden und das Vertrauen in das Kreditsystem wieder hergestellt werden kann.

Doch so weit kommt es nicht. Stadt und Land Berlin, um deren Grundstückskapital es immer geht, wenn die Bank ihre Geschäfte macht, treten als Gewährträger und Hauptaktionär der Bank auf den Plan: Sie beeilen sich, ihre Verpflichtung zur Rettung der Bank anzuerkennen und die notwendigen 5 bis 6 Milliarden DM aufzubringen, auch wenn ihre eigenen Bilanzen in trostlosem Zustand sind und von der Erfolglosigkeit des von der Politik aufgewendeten Kredits künden, ein anderes Wachstum in Berlin anzustoßen als das der städtischen Schulden. Eine Verweigerung des Kapitalnachschusses kommt aus nicht nur berlinerischen sondern nationalen und europäischen Erwägungen von Anfang an nicht in Frage. Sie würde nicht nur den Zusammenbruch der Bank und die völlige Entwertung des im Gefolge der Bankenkrise schon halbierten Aktienkapitals der Bank im städtischen Besitz bedeuten. Sie wäre auch das offene Eingeständnis, dass das Projekt der Stadt gescheitert ist, mit dem Kredit der Bank den Immobilienreichtum der Stadt zu Kapital machen, den Haushalt und damit den durch Berliner Landeshände fließenden Teil des Nationalkredits wieder auf eine solidere Grundlage zu stellen. Mit einem Konkurs der Bank wäre (finanz)weltöffentlich das Scheitern eines Riesenstücks Kredit in einer ehrgeizigen Metropole in Euroland und damit zugleich die Schwierigkeit des neuen Deutschland eingeräumt, Berlin zu einer, seiner beanspruchten Rolle angemessenen Hauptstadt aufzumöbeln.

Das will weder die Stadt noch der Bund geschehen lassen. Deshalb ist ihnen daran gelegen, mit der schnellen Zusage der milliardenschweren Haftungsübernahme mitten in einer Landschaft angeblich eiserner Sparhaushalte, Zweifel an der Solidität des Eurokredits am Standort Berlin nicht aufkommen zu lassen, auch wenn in der Sache nicht mehr gewonnen ist, als die Schaffung neuen Kredits, der Verluste deckt und seit Jahren offenkundig unrentable Geschäfte prolongiert. Das Bemühen der Berliner Regierung, die Pleite herunter zu kochen, wird durch den zweifelhaften Umstand begünstigt, dass sogar ein Kreditkrach diesen Kalibers derzeit im täglichen Überangebot an Meldungen über „Gewinnwarnungen“, Firmenschließungen und Massenentlassungen ziemlich schnell untergeht und alle dasselbe mitteilen: dass sich auch andernorts und überhaupt weltweit gerade auch der schönste Kredit mit sinkenden Zinsen nicht ohne weiteres in Kapital verwandeln lässt. Die Verhinderung des Zusammenbruchs der Bank steht zugleich für den politischen Willen der Führung, sich das nationale Projekt Hauptstadt nicht kaputt machen zu lassen. Sie hält gegen alle Verläufe der geschäftlichen Spekulation daran fest, sich die Kapitale zu bauen, die sie ihrem euro-imperialistischen Anspruch für angemessen hält, die für demokratischen Glanz und Gloria und für nationalen Reichtum sowie Macht einer kontinentalen Führungsnation steht. Das „glänzende Metropolis“ (FAZ) ist also ausgemachte Sache und die Nation wird dafür in die Haftung genommen, dass dieses Projekt, das man zum Objekt einer riesigen geschäftlichen Spekulation gemacht hat und damit erfolgreich abwickeln wollte, realisiert wird, auch wenn die Sache „sehr teuer“ wird. Die politische Prolongierung der Kreditgeschäfte und die mit öffentlichen Geldern gesicherte Bedienung der aufgetürmten spekulativen Ansprüche ist so besehen in jedem Sinn ein Dienst an Berlins und damit Deutschlands Zukunft.

Dementsprechend findet der städtische Finanzkrach Eingang in den Streit der Parteien im gerade angelaufenen Wahlkampf: Als ein politmoralisches Desaster, aus dem jede Partei die aktuellen Gründe für die unbedingt erforderliche Übernahme der Verantwortung durch ihre Mannschaft entnimmt und die Verpflichtung der Nation im allgemeinen und der Berliner Bevölkerung im Besonderen, das Projekt Hauptstadt doch noch zum Erfolg zu führen. Während die SPD darauf drückt, die Konkurrenz von der Union als Verantwortliche für die Ereignisse dastehen zu lassen, die erst einmal disqualifiziert sind für die Führung der Stadt, legt die CDU wert auf die Feststellung, dass das Haushaltsschlamassel der Stadt zwar beträchtlich, wenn auch nur vorübergehend sei, wenn man nur den neuen Powersteffel ranließe. Viel schwerer als alle Schulden wiege aber das historische Verbrechen der SPD gegen die Zukunft der Stadt, die bolschewistischen Mauerschützen von der PDSED salonfähig machen zu wollen. Die dermaßen Angesprochenen halten es dagegen für angebracht, auf ihre exemplarische Sauberkeit im Vergleich zu den vom Korruptionssumpf beschmutzten Konkurrenten hinzuweisen, auf ihre nachweisliche Unbelastetheit in allen Filzfragen und auf ihre daraus folgende besondere Eignung als Sparkommissare und Sanierer der von den anderen „an die Wand gefahrenen“ Stadtfinanzen. Der Mangel, ausgeschlossen zu sein von der tätigen demokratischen Mitverantwortung, an dem sie so gelitten hat, verwandelt sich – wenn man es so sieht – in einen Vorzug. Und die PDS sieht und will es so: Mit der gemeinsamen Bemühung, Berlin zu einer echten europäischen Kapitale zu machen – am besten noch mit einem Bürgermeister Gysi – wird endlich die Einheit vollendet und den Zonis die Gerechtigkeit zuteil, die sie verdient haben: Sie gehören dazu und dürfen als echte Berliner und Deutsche sogar Ihres mit dazu beitragen, dass „unsere“ Hauptstadt eben das wird: eine Metropole des Geschäfts und der Macht der Nation.

Denn gemeinsam ist allen politischen Akteuren die Entschlossenheit, die durch die fehlgeschlagene Spekulation und den Bankenkrach verschlechterte Haushaltslage in einen Auftrag zu Sparsamkeit und Bescheidenheit des Volkes, d.h. zu Einsparungen an öffentlichen Personalkosten und ‚Dienstleistungen‘ in Berlin zu übersetzen. Für Auflockerung sorgt dabei die berufsbedingt humorige Art, mit der z.B. eine adelige Abgeordnete den Berlinern die jahrhundertealte preußische Tradition dieses modernen politischen Auftrags ermunternd nahe bringt:

„Unter Friedrich II. haben sich die Berliner schon einmal hochgehungert. Sparen, sparen, sparen – und Pellkartoffeln mit Quark.“ (Der Spiegel, ebd.)

Da lacht der Abgeordnete, und der Wähler hat seine Freud’.