Aus der Reihe „Chronik - kein Kommentar!“
Ghana: Ausnahmsweise ein Fall von „good governance“ auf dem Schwarzen Kontinent
Das Ende der fast zwanzigjährigen „Ära Rawlings“ ist fremden wie einheimischen Beobachtern Anlass, Ghana in mehrfacher Hinsicht zum Modellfall zu erklären…
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Ghana: Ausnahmsweise ein Fall von „good governance“ auf dem Schwarzen Kontinent
Das Ende der fast zwanzigjährigen „Ära Rawlings“ ist fremden wie einheimischen Beobachtern Anlass, Ghana in mehrfacher Hinsicht zum Modellfall zu erklären:
„Selten in Afrika und einmalig in Ghana endet eine Ära, in der eine Regierung zwei Amtszeiten beendet hat und ein Staatsoberhaupt bereit scheint, sein Amt nach den Regeln der Verfassung abzugeben.“ „Die Beobachter der OAU lobten das Volk von Ghana für die würdige, geordnete und friedliche Durchführung der Wahl, von der sie hofften, sie würde eine Quelle der Bewunderung und eine Lehre für den ganzen Kontinent.“ (Financial Times) „Artig tat er (Rawlings), was ihm die internationalen Kreditgeber auferlegten. Und so eilte ihm schnell der Ruf des afrikanischen Vorzeige-Präsidenten voraus.“ (SZ, 7.12.) „Das Leben ist für die meisten Bewohner Ghanas etwas besser geworden. Viel mehr Gebiete verfügen jetzt über Straßen, Schulen, sauberes Wasser und Elektrizität.“ (The Economist)
Rawlings hat also im Unterschied zu all den Mobutus,
Kabilas und Mugabes seine Macht nicht miss-, sondern
richtig gebraucht. Dass auch er kein Kind von Traurigkeit
war – bevor er 1991 die Grundlagen des pluralistischen
Systems legte, galt er als einer der autoritärsten
Herrscher des Kontinents
(FT) – wird ihm heute nachgesehen, weil
er während der letzten 10 Jahre nicht nur unangefochten
regierte, sondern vor allem, weil er trotzdem
–
schon fast zur Verwunderung ausländischer Beobachter –
sein Amt nach den Regeln der Verfassung abgibt.
Das gilt als seine größte letzte Leistung:
Endlich einmal ein Staatsmann, der dem Ideal nicht
offensichtlich Hohn spricht, es gäbe auch in Afrika so
etwas wie eine über den persönlichen Ambitionen des
jeweiligen Machthabers stehende Staatsraison, also jene
Stabilität, auf die sich das Ausland mit allen seinen
Ansprüchen verlassen kann. Das Volk hat – abgesehen von
einigen kleineren Zwischenfällen
– die kongeniale
Leistung erbracht und die Wahl nicht mit einem
Bürgerkrieg verwechselt. Vermutlich war es seinem Chef
dankbar. Der Vorzeigepräsident
hat ja nicht nur
die verwertbaren Reichtümer seines Landes zur Bedienung
seiner Schulden abtransportieren lassen – „artig“, so
wünscht man sich seine Neger-Regenten! Er hat auch noch
viel für den Lebensstandard seines Volkes getan. Wasser,
sogar Strom und Straßen soll es jetzt in einigen Gegenden
Ghanas geben – mehr kann man ja nun wirklich nicht
erwarten, wenn man Neger ist und kein Journalist beim
Economist!
Nach dem Maßstab der Weltbank und anderer maßgeblicher
Institutionen, die ‚gutes Regierungshandeln‘ als
zentrale Bedingung für den intendierten wirtschaftlichen
Erfolg
(D. Nohlen (Hg.): Lexikon
Dritte Welt, Reinbek 2000, S.314) betrachten,
herrscht also ziemliche Zufriedenheit mit dem
Musterschüler
(FT und NZZ,
12. bzw. 15.12.). Endlich einmal ein Fall von
good governance
! Die Machtgier der
einheimischen Eliten, Korruption, Miss- und
Günstlingswirtschaft
, bad governance
also, das
Krebsgeschwür
des Schwarzen Kontinents – Ghana
zeigt, dass es auch anders geht. Da können Hunger, Pest
und Cholera und alle anderen Sorten von Unheil
kommen, wie sie wollen. Wenn nur ein guter Hirte da ist,
der für eine ruhige und unauffällige Verwaltung des
Elends sorgt, blühen die Länder Afrikas einfach auf:
Mögen Kriege, Seuchen und unfaire weltwirtschaftliche
Bedingungen noch so viel Unheil in Afrika anrichten – an
allererster Stelle sind es die Politiker, die über
Aufstieg oder Untergang ihrer Länder entscheiden.
(9.1.01) Ein Glücksfall für
die imperialistische Moral also.
*
Da macht es gar nichts, dass von einem „Aufstieg“, den Ghana unter der vorbildhaften Herrschaft Rawlings genommen hat, wenig zu sehen ist. Was laut Auskunft derselben westlichen Presse irgendwie damit zu tun haben muss, dass selbst dem denkbar besten aller Regenten in so einem Land beim Regieren ziemlich die Hände gebunden sind:
„Wer auch immer gewinnt – der neue Präsident ist mit einer Hypothek belastet, die kaum größer sein könnte. …Denn wirtschaftlich geht es Ghana alles andere als rosig. Kakao und Gold dominieren zwar noch immer den Export, aber die Preise auf dem Weltmarkt sind in den Keller gerutscht. Der Kakao-Preis hat den tiefsten Stand seit 30 Jahren erreicht. Gleichzeitig muss der Staat Öl importieren, das immer teurer wird. Noch ist kein Ausweg in Sicht, wie sich das Land aus der großen Abhängigkeit von äußeren Faktoren befreien könnte. Ghana, so viel ist sicher, wird auch in Zukunft weiter am Finanztropf der internationalen Gemeinschaft hängen. Und so bleibt einem neuen Präsidenten, …, nur wenig Spielraum. Beide (Kandidaten), …, dürften einen vorsichtigen Liberalisierungskurs weiterführen, wie ihn der IWF diktiert.“ (SZ)
Tja, über viel zu regieren gibt es da nicht. Offenbar
wird im Land kein Geld verdient, in nennenswertem Umfang
jedenfalls nicht. Mit seinen Exporten, mit denen es Geld
verdienen will, wird das Land immer ärmer, mit seinen
Importen, die es braucht, gleichfalls, weil in beiden
Fällen auswärts ansässige Geschäftsinteressen und Börsen
mit ihrer Preisbildung regeln, was an Geld ins Land
hinein- und aus ihm wieder hinausfließt. Und diese
äußeren Faktoren
, die das Land zahlungsunfähig
machen, ziehen auch noch Konsequenzen nach sich, die –
so viel ist sicher
– nicht nur die zügige weitere
Verarmung des Landes besorgen. Seine für den Weltmarkt
nützlichen Dienste soll es auch dann weiter verrichten
können, wenn es darüber ökonomisch zugrunde geht. Dafür
erhält es Kredit, und die Kreditgeber diktieren
diesem afrikanischen Muster-Staat dann praktischerweise
gleich selbst, wie er mit immer mehr Exporten immer ärmer
werden und sich trotzdem als so etwas wie ein Staat über
Wasser halten kann: Ghanas Zukunft kann nach
sachverständiger Auskunft nur über eine massive
Ausbeutung der Exportressourcen gelingen, von denen über
25% in den Schuldendienst gehen,
(Lexikon Dritte Welt) „good governance“
hin, „bad governance“ her.
*
So kommt zwar schon heraus, dass es doch nicht an
allererster Stelle die Politiker
, sondern gewisse
unabänderliche weltwirtschaftliche Bedingungen
sind, die über Aufstieg oder Untergang
von Ländern
wie Ghana entscheiden. Aber insofern die politische Kunst
eben genau darin besteht, das Beste aus diesen
Bedingungen zu machen und mit ihnen so erfolgreich zu
werden, wie die erfolgreichen Nationen, ist Ghana dann
eben doch ein glasklarer Fall von politischem Versagen:
Ghana hat wie viele andere Länder auf dem schwarzen
Kontinent die Chance verpasst, seine Abhängigkeit von
einigen wenigen Rohstoffen zu reduzieren…
(NZZ)
Hätten die Neger sich doch bei den Redakteuren des
Züricher Weltblatts erkundigt, welche crops auf dem
Weltmarkt den meisten cash bringen. Aber dann hätten sie
sich todsicher nur umso verkehrter in den Markt
eingemischt: Der Fortschritt in der Durchführung von
Strukturreformen, die notwendig sind, um das
Investitionsklima zu verbessern, wie zum Beispiel die
Reorientierung von Regierungsaktivitäten auf
Kernfunktionen und die Privatisierung von öffentlichen
Unternehmen, hat sich häufig als enttäuschend
erwiesen.
(FT) Auch dort,
wo der Staat alles richtig gemacht und sogar die
„Kernfunktion“ der Wasserversorgung dem privaten
Erwerbstrieb überlassen hat, läuft alles verkehrt und
über das „saubere Wasser“ verfügen dann doch keineswegs
„viel mehr Gebiete“: Die Wasserversorgung hängt nicht
zuletzt von den Launen gieriger Geschäftemacher ab,
welche die vom Leistungsnetz nicht bedienten Konsumenten
mit Tanklastwagen zu übersetzten Preisen beliefern.
(NZZ) Und selbst dort, wo
sich der „Musterschüler“ ganz an „unsere“ Empfehlungen
gehalten hat, hat er alles in den Sand gesetzt: 1998,
als die Kakaopreise hoch waren und der Ölpreis auf kaum
einem Drittel seines jetzigen Niveaus stand, verringerte
die Regierung mit Unterstützung der Kreditgeber die
Devisenreserven und hielt die Zinsen hoch, um die
Wechselkursstabilität aufrechtzuerhalten und die
Inflation zu bekämpfen, die zwei Jahre zuvor auf über 70%
gestiegen war. …Diese Politik ließ der Regierung keine
Möglichkeit, die Schockwirkungen von außen zu lindern. …
Rückblickend betrachtet war die Wechselkurspolitik nicht
gut.
(FT) Sie lernen es
nie, die Neger. Hätten sie ihre Währung doch gleich
vergessen und einfach nur ihre Devisen vermehrt, könnten
sie jetzt prima Öl einkaufen. Aber nein, sie hängen am
Wechselkurs. Und wundern sich dann, dass sie keine
„Schockwirkungen“ aushalten.
*
Dennoch oder gerade deswegen: Dass sie ihren Laden
trotzdem im Griff haben – angesichts der
schwierigen wirtschaftlichen Lage ist die politische
Stabilität umso bemerkenswerter
(SZ) –, das muss man ihnen schon zugute
halten. Dafür bekommt ein Rawlings gute Noten: Mit
Rawlings scheidet ein Mann aus dem Amt, der viel dazu
beigetragen hat, dass sich die politische Entwicklung
Ghanas so positiv abhebt von den anderen Staaten der
Region.
(ebd.) Billig und
regelmäßig unseren Weltmarkts mit benötigten Rohstoffen
zu bedienen und das dazugehörende Elend daheim unter
einheimischer Kontrolle zu halten, die uns nicht einmal
Mitleid und Spendenaufrufe kostet: So positiv hätten wir
das gerne in ganz Afrika.